Beitragvon Toker » 29. Juni 2008, 19:45
ich finde das auch immer wieder eine gratwanderung.
nehmen wir WWII-spiele, von denen ich einige CDGs (BtB, Shifting Sands) sehr gerne spiele.
natürlich möchte ich, wenn ich die seite der Achse - d.h. im grunde: wenn ich die seite Hitlers - spiele, gewinnen, obwohl ich weiß, dass diese seite auf keinen fall gewinnen durfte
("gewinnen" ist allerdings in all den cosims zu relativieren - sie wollen ja möglichst nah am tatsächlichen historischen verlauf bleiben; "gewinnen" als Hitler heißt dann nicht, tatsächlich den krieg gewinnen, sondern relativ besser abschneiden als der historische ausgang)
trotzdem: politisch hätte ich das nicht gewollt - und doch will ich als spieler dieses ziel erreichen.
im nächsten spiel will ich dann mit den Alliierten "gewinnen", d.h. relativ besser rauskommen als das historische ergebnis
ich glaube, deshalb finde ich diese spiele gut erträglich, weil man eben nicht tatsächlich partei ergreift, sondern in distanz zu der rolle bleibt, die man für ein spiel übernimmt - und diese rolle im nächsten spiel wechselt
vorstellbar wäre allerdings ein regeldetail, das für mich ein WWII-spiel zum tabu machen würde:
wenn die ermordung von möglichst vielen juden ein spielziel bzw. eine siegbedingung wäre
aber womöglich lüge ich mir da auch was in die tasche, denn die ermordung möglichst vieler juden war ja eines der kriegsziele der nazis - und wenn ich bei BtB als Achsenspieler den sovjetischen vormarsch möglichst abzubremsen versuche, bedeutet das natürlich in die realität zurückübersetzt, dass ich der SS mehr zeit gebe, juden aufzuspüren und zu ermorden ...
es bleibt ein dilemma ...
sarkastische umsetzung von themen finde ich übrigens gar nicht problematisch: bei "Kreml" schicken die spieler sich ja auch gegenseitig ins arbeitslager und begehen alle mögliche andere menschenrechtsverletzungen, wenn ich's recht erinnere - aber das war so sarkastisch umgesetzt, dass völlig klar war, dass das spiel keine affirmation des sovjetkommunismus betreibt, sondern im gegenteil eine ätzende kritik darstellt.
die formel mit dem historischen abstand (je länger zurückliegend, desto unproblematischer) will mir allerdings gar nicht einleuchten - das kann ja nur greifen, wenn man sich nicht in die menschen in der antike oder im mittelalter hineinversetzen kann oder mag, die in diesen weit zurückliegenden kriegen elendiglich verreckt sind
mir geht's im gegenteil so, dass ich, wenn ich kriege der vergangenheit als brettspiel spiele, mich erst recht anfange dafür zu interessieren, wie es zu ihnen gekommen ist, wie sie verlaufen sind, was sie für folgen gehabt haben, was sie für die menschen damals bedeutet haben;
ich denke sogar, dass man kriegsspiele (wenn es gute spiele sind) als methode in der geschichtspädagogik einsetzen kann
so weit ein paar ungeordnete gedanken
ich find's ausgesprochen gut, dass dieses dilemma hier mal thematisiert wird!