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Tabuthemen in Spielen

Allgemeine Spiele-Themen
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Peter Gustav Bartschat

Re: Tabuthemen

Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 29. Juni 2008, 10:18

Niccolo schrieb:
> Ansich ist ein Spiel eigentlich
> nur da, um zu unterhalten.

Nicht mehr und nicht weniger als Bücher, Filme,
Gemälde, Lieder und - jawohl! - auch Theaterstücke.

Und sie alle sind dazu da, um das zu erreichen, was ihre Autoren damit erreichen möchten

Das mag Unterhaltung sein - und ich will gern glauben, dass das sogar bei der Mehrheit aller Spiele, Bücher, Filme, Gemälde, Lieder und Theaterstücke so ist - aber es mag auch etwas anderes sein.

So können Spiele politische und wirtschaftliche Zusammenhänge verdeutlichen oder zum sozialen Verhalten erziehen ... oder das zumindest beabsichtigen. Nebenbei können sie auch durchaus unterhalten, und dass es Spielen gemeinhin nicht gelingt, die Menschen besser zu machen, könnte daran liegen, dass sie ihr Ziel nicht mit genug Unterhaltungswert verknüpfen.

Aber das ist dann schon wieder ein anderes Thema.

Hinweisen möchte ich lediglich als Beispiel auf des Spiel "Colony", das von den Autoren ausdrücklich für die Bildungsarbeit entwickelt wurde. Kolonialismus ist sicherlich auch eines dieser sozialen Reizthemen, gegen deren Verwendung als Spielthema man sich aussprechen könnte.
http://www.colony-info.de/d/indexd.html

Mit einem lieben Gruß
Gustav

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Ferdinand Köther
Kennerspieler
Beiträge: 1147

Re: [OT] Nazis abknallen

Beitragvon Ferdinand Köther » 29. Juni 2008, 12:42

Marcus schrieb:
>
> Hallo,
>
> da früher tausenden, und nicht nur die bekannten Wahnsinnigen
> wie Hitler, Göbbles und Co, im Einheitsschritt losmarschiert
> sind, sollte man nicht vergessen, dass mit Sicherheit auch
> einige unserer Großeltern dabei waren. Auch wenn wir aus der
> heutigen Sicht vielleicht nur schwer verstehen können warum
> die Menschen damals so gehandelt haben, ihnen alle als böses
> Ungeheuer den Tod zu wünschen finde ich etwas unangebracht.
> Weiterhin bin ich froh in einem Land zu leben in dem es keine
> Todesstrafe mehr gibt.

Ich auch.

Und ich wäre auch nicht bereit die
> Todesstrafe wegen NPD-Anhänger wieder einzuführen. Vielleicht
> sollte man eher Versuchen Menschen zu überzeugen als mit
> gleichen Mitteln zurückzuschlagen.

Da bin ich deiner sachlichen Meinung. Manchmal gebe ich gerne meiner Meinung in krassen, provozierenden Worten Ausdruck.
Todesstrafe ist ein schwieriges, polarisierendes Thema. Argumente wie "Stell dir mal vor, dein Kind ..." sind sicher nicht sachdienlich, können aber nachdenklich stimmen.
Man könnte die Meinung vertreten: Wer jemandem das wertvollste Gut (Leben) nimmt, hat selber das Recht drauf verwirkt .... hmmm!?

Mit anderen Worten - natürlich meine ich nicht ernsthaft, jemanden wegen seiner noch so irrigen Meinung umzubringen, nur um das mal klarzustellen.
Aber wehret den Anfängen, keine Toleranz gegenüber der Intoleranz!

> Oder mit den Worten von Gandhi ausgedrückt: "Gewalt ist die
> Waffe des Schwachen".
>
> Gruß
>
> Marcus

Einen schönen friedlichen Sonntag noch
Ferdi

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Marten Holst
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Beiträge: 1787

RE: [OT] Nazis abknallen

Beitragvon Marten Holst » 29. Juni 2008, 13:02

Moin,

ich werd' mal wirklich OT.

> Argumente wie "Stell dir mal vor, dein Kind ..." sind
> sicher nicht sachdienlich, können aber nachdenklich stimmen.
> Man könnte die Meinung vertreten: Wer jemandem das
> wertvollste Gut (Leben) nimmt, hat selber das Recht drauf
> verwirkt .... hmmm!?

Das ist die schwierigere der beiden Fragen. Die leichtere ist "was tun bei Justizirrtümern?" - geht nämlich nichts. Alleine deswegen schon habe ich meine Probleme mit der Todesstrafe bzw. bin strikt dagegen. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man jemandem automatisch das Recht auf Leben aberkennen kann, selbst die oft überzogene "schwere Kindheit" sehe ich ein, da ich aus meinem Umfeld die Erfahrung gemacht habe, dass wohl jeder von der rechten Bahn abkommen kann, und ich weiß nicht, ob da Grenzen sind, wie weit das geht. Aber der Teil ist diskutabel, die Justizirrtümer m.E. nicht.

Das Argument "Stell Dir mal vor, Dein Kind..." hat für mich nebenbei einen anderen, gravierenden Lapsus: ich möchte nicht, dass Leute in extremen emotionalen Ausnahmesituationen weitreichende Entscheidungen treffen können oder das Verhalten und Empfinden in solcher Lage einen allgemeinen Maßstab definieren. Ganz allgemein nicht. Es ist sicherlich mit das schlimmste, was Eltern passieren kann, dass sie ihr Kind verlieren. Und dass man da nichts ändern und machen kann ist in einer solchen Situation, in der man irgendwas machen will, schlimm, das ist nur zu verständlich. Aber man kann nicht absehen, ob das, was man tut, angemessen, richtig oder gar hilfreich ist.

Ich kann nur sagen: wenn jemand meinem Kind etwas antäte, dann wüsste ich, was ich am liebsten täte. Und ich wäre, solange ich jetzt noch klar denken kann, froh, wenn mich jemand daran hindert. Und ob es mir, wenn das nicht passierte, auf Dauer besser fühlte, ich wage es auch zu bezweifeln.

Tschüß
Marten

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Ferdinand Köther
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RE: [OT] Nazis abknallen

Beitragvon Ferdinand Köther » 29. Juni 2008, 13:16

Hallo Marten,

ich stimme in allen Punkten voll mit dir überein, darum sagte ich ja auch zu dem einen "Argument", daß es nicht sachdienlich ist und habe das andere mit ...hmmm!? versehen, da es viele Fragen offen lässt.

Heute Abend hoffentlich ein Finale nur mit "!!!"
Ferdi

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Toker
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Re: Tabuthemen

Beitragvon Toker » 29. Juni 2008, 19:45

ich finde das auch immer wieder eine gratwanderung.

nehmen wir WWII-spiele, von denen ich einige CDGs (BtB, Shifting Sands) sehr gerne spiele.
natürlich möchte ich, wenn ich die seite der Achse - d.h. im grunde: wenn ich die seite Hitlers - spiele, gewinnen, obwohl ich weiß, dass diese seite auf keinen fall gewinnen durfte
("gewinnen" ist allerdings in all den cosims zu relativieren - sie wollen ja möglichst nah am tatsächlichen historischen verlauf bleiben; "gewinnen" als Hitler heißt dann nicht, tatsächlich den krieg gewinnen, sondern relativ besser abschneiden als der historische ausgang)

trotzdem: politisch hätte ich das nicht gewollt - und doch will ich als spieler dieses ziel erreichen.

im nächsten spiel will ich dann mit den Alliierten "gewinnen", d.h. relativ besser rauskommen als das historische ergebnis
ich glaube, deshalb finde ich diese spiele gut erträglich, weil man eben nicht tatsächlich partei ergreift, sondern in distanz zu der rolle bleibt, die man für ein spiel übernimmt - und diese rolle im nächsten spiel wechselt

vorstellbar wäre allerdings ein regeldetail, das für mich ein WWII-spiel zum tabu machen würde:
wenn die ermordung von möglichst vielen juden ein spielziel bzw. eine siegbedingung wäre

aber womöglich lüge ich mir da auch was in die tasche, denn die ermordung möglichst vieler juden war ja eines der kriegsziele der nazis - und wenn ich bei BtB als Achsenspieler den sovjetischen vormarsch möglichst abzubremsen versuche, bedeutet das natürlich in die realität zurückübersetzt, dass ich der SS mehr zeit gebe, juden aufzuspüren und zu ermorden ...

es bleibt ein dilemma ...

sarkastische umsetzung von themen finde ich übrigens gar nicht problematisch: bei "Kreml" schicken die spieler sich ja auch gegenseitig ins arbeitslager und begehen alle mögliche andere menschenrechtsverletzungen, wenn ich's recht erinnere - aber das war so sarkastisch umgesetzt, dass völlig klar war, dass das spiel keine affirmation des sovjetkommunismus betreibt, sondern im gegenteil eine ätzende kritik darstellt.

die formel mit dem historischen abstand (je länger zurückliegend, desto unproblematischer) will mir allerdings gar nicht einleuchten - das kann ja nur greifen, wenn man sich nicht in die menschen in der antike oder im mittelalter hineinversetzen kann oder mag, die in diesen weit zurückliegenden kriegen elendiglich verreckt sind

mir geht's im gegenteil so, dass ich, wenn ich kriege der vergangenheit als brettspiel spiele, mich erst recht anfange dafür zu interessieren, wie es zu ihnen gekommen ist, wie sie verlaufen sind, was sie für folgen gehabt haben, was sie für die menschen damals bedeutet haben;
ich denke sogar, dass man kriegsspiele (wenn es gute spiele sind) als methode in der geschichtspädagogik einsetzen kann

so weit ein paar ungeordnete gedanken
ich find's ausgesprochen gut, dass dieses dilemma hier mal thematisiert wird!

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Michael Weber

Re: Tabuthemen

Beitragvon Michael Weber » 30. Juni 2008, 07:12

fraweb schrieb:

> Was ist dann mit Risiko oder Stratego :-?

Das sind in meinen Augen Spiele, die durch ihre Entfernung vom Thema als "ok" durchgehen. Sie sind nicht "echt" gneug, als dass ich mich daran stoßen würde.

Aufgeklärte Grüße

Michael

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Heinrich Tegethoff

Re: Tabuthemen

Beitragvon Heinrich Tegethoff » 1. Juli 2008, 00:38

Hallo Peer,

ich halte es da schlicht mit Artikel 1 unseres Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar".

Die meisten der hier angeschnittenen Tabus brechen diese Regel. Ich könnte ein AIDS-Ansteckungsspiel im Stile von Ursuppe spielen; wenn aber einer aus der AIDS-Risikogruppe den Raum betritt, wird es mehr als peinlich.

Satire geht hier einen schmalen Grad. Ich kenne Guillotine nicht, kann mir aber vom Humor her vorstellen, es gerne zu spielen. Todesstrafe bricht die Menschenwürde - aber ich kenne niemanden, den es betrifft. Aus dem gleichen Grund können die meisten Kriege im Mittelalter u.a. nachspielen während War-on-Terror konkretes Leid nachspielt und Betroffene schlicht existieren.

Der schmale Grad von Satire ist aber, und hier widerspreche ich Gustav dem Bären, im Spiel schnell unkontrolliert überschritten, da die Spieler entscheiden, wie man mit den Elementen umgeht, während ein Filmregisseur ein gesamtes Werk abliefert.

Insofern kann ein Spiel, welches die Würde die Menschen angreift - auch satirisch - in der unpassenden Runde ausarten. Einer, der dort seinen Großvater verlor, wird "weniger" Spaß an Memoir'44 haben, obwohl das Spiel gut sein soll.

Insoweit greift die Frage, ob ein Spieleautor einen Mechanismus oder ein Thema noch unter Kontrolle hat, wenn Menschen mit dem Spiel konfrontiert werden, die bei Spielen mit verletzter Menschenwürde zu den direkt oder indirekt *Betroffenen* zählen.

Servus,
Heinz

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Carsten Brombach
Spielkind
Beiträge: 13

Re: Tabuthemen

Beitragvon Carsten Brombach » 1. Juli 2008, 09:07


> > Was ist dann mit Risiko oder Stratego :-?
>
> Das sind in meinen Augen Spiele, die durch ihre Entfernung
> vom Thema als "ok" durchgehen. Sie sind nicht "echt" gneug,
> als dass ich mich daran stoßen würde.

Du nicht, ich nicht,... - aber offenbar störten sich an Risiko genügend Leute, um Parker seinerzeit dazu zu bewegen, das Ziel des Spiels von "Erobern Sie..." in "Befreien Sie..." zu ändern (meines Wissens allerdings nur für eine Weile, weil sie wohl gemerkt haben, wie lächerlich aufgesetzt das wirkte).

Anekdote am Rande: Eine gute Freundin von mir ist Mitglied einer freievangelischen Gemeinde. In deren Spielrunde kam Risiko auch immer gerne auf den Tisch, mit dem angepassten Spielziel: "Missionieren Sie..." (allerdings mit einem deutlich selbstironischen Augenzwinkern).

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Culexss
Spielkamerad
Beiträge: 29

Re: Tabuthemen

Beitragvon Culexss » 2. Juli 2008, 13:36

peer schrieb:
> Bei Wargames denke ich aber dass nicht zuletzt die Formel
> gilt Witz = Katastrophe * Zeit
> WW2 - Kriege dürften problematischer sein als die punischen
> Kriege, wohingegen wohl auch viele Wargamer Bauchgrummen bei
> einem Spiel "2008 - Einsatz im Irak" (oder Afghanistan. Oder
> Pakistan) hätten, oder sehe ich das falsch?

Da ist was dran. Je länger ein kriegerisches Ereignis in der Vergangenheit liegt, desto unproblematischer. Oder hat jemand ein Problem mit einer Horde Griechen in Troja einzufallen?!? Wenn wir jetzt Griechen gegen Deutsche und Troja gegen Stalingrad austauschen wird's schon problematischer...

Ich denke das da wieder die "moralischen Werte des einzelnen Individuums" gefragt sind. Ich unterstelle mal das die meisten Amerikaner kein Problem mit einem Irak Wargame haben dürften, ich hingegen hätte da für meine Person Zweifel. Andererseits, wenn die Regeln interessant genug sind... ;-)


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