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Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Allgemeine Spiele-Themen
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SpieLama
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Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon SpieLama » 6. März 2016, 05:17

Normalerweise verlinke ich im Forum nicht auf Zeitungsbeiträge, sondern mache das nur auf Twitter unter https://twitter.com/sebastianwenzel. Für diesen Beitrag mache ich eine Ausnahme, da ich das Thema interessant finde . Merkur.de schrieb unter der Überschrift "Empörung über Brettspiel aus der Nazi-Zeit":

merkur.de hat geschrieben:Hakenkreuze auf einem Brettspiel. Fliegerbomber als Spielfiguren. Was zur Zeit des Dritten Reichs als Unterhaltung verstanden wurde, sorgte jetzt bei einer Ausstellung im Rathaus Haar für blankes Entsetzen. Besucher beschwerten sich bei der Bürgermeisterin. Spiele-Archiv-Chef Tom Werneck versteht die Panik nicht: „Das ist doch Teil der Zeitgeschichte.“ [...]


Den kompletten Artikel findet ihr unter http://www.merkur.de/lokales/muenchen-l ... 78173.html. Auf Facebook hat sich das Spielearchiv zu dem Thema geäußert und erläutert die Hintergründe.

Spielearchiv hat geschrieben:Anstoß nahmen ‚besorgte Haarer Bürger’ an dem Spiel „Wir fahren gegen Engeland“, das das Bayerische Spiele-Archiv in der Ausstellung „Mobilität im Wandel“ im Eingangsbereich des Haarer Rathauses zeigt. Auf dem Spielplan aus dem zweiten Weltkrieg ist an zwei Stellen ein Hakenkreuz zu sehen. Daraus leiteten die ‚besorgten Bürger’ eine Rechtslastigkeit der Ausstellung ab.

Archivleiter Tom Werneck ist darüber verärgert. Dieses Spiel zeige, wie brutal und rück­sichtslos das Naziregime bis in den Alltag hinein sogar schon die Meinungen und Ein­stellungen von spielenden Kindern mani­puliert habe. Die Augen vor der Vergangenheit zu ver­schließen mache nicht wachsam, son­dern blind. Werneck findet, die ‚besorgten Bürger’ sollten sich besser dagegen wehren, wie im politischen Alltag Meinungen mit Hassparolen mani­puliert werden, statt ein 70 Jahre altes Dokument anzugreifen, das die Naziherrschaft und ihren Fremdenhass entlarve. Das beanstandete Ausstellungsstück ist mittlerweile in der Vitrine verdeckt.


Wie seht ihr das? Wie sollte man mit verspielten Zeitdokumenten umgehen? Sie kommentarlos ausstellen? Sie ausstellen, aber in den historischen Kontext einordnen? Wenn man sie in den historischen Kontext einordnet, wie? Oder ist es besser, solche Spiele erst gar nicht in der Öffentlichkeit zu präsentieren?

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Harry2017
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Re: Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon Harry2017 » 6. März 2016, 08:44

Ausstellen! Man kann doch nicht einzelne Aspekte der Geschichte totschweigen - Ich möchte nicht das auf Originalartefakte aus der Zeit das Hakenkreuz zensiert wird, das verfälscht das Bild. Gibt es bald keine Zeitzeugen aus der Nazizeit mehr, dann haben wir nur das, um uns ein Bild über diese Zeit zu machen. Ich persönlich gehe noch weiter und würde es auf Spielen (wie auch in Kinofilmen/Computerspielen) wie Memoir 44 etc erlauben - Natürlich nur solange es nicht der Propaganda/der Meinungsmache dient... Ich spiele diese Kriegs-Spiele zwar nicht, aber das die Zeit immer mit der Kneifzange angepackt wird, nervt mich gewaltig.

Interessant das hier dieses Unwort "besorgte Bürger" mit den unmöglichen Anführungszeichen (Upps, da steckt ja Führer drin - Sollten wir übrigens mal umbenennen - Zumindest wenigstens drüber Abstimmen, ob wir drüber Abstimmen :D ) mal andersrum benutzt wird,

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pogo-
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Re: Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon pogo- » 6. März 2016, 10:54

Nicht jeder historische Müll ist als Zeitdokument auch ausstellenswert.
Wenn es aber auch vorher schon einen Infozettel gab (und nicht nur Wernecks späteren Wut-Zettel), der das Spiel in den richtigen Kontext stellt, wie ihn Werneck im Artikel angedeutet hat, dann gehört es schon eher in eine Ausstellung.

Hier von den Empörern als "besorgte Brüger" zu sprechen halte ich aber für "die geballte Kraft der Dummheit" Wernecks.


Unter dem Ausstellungstitel "Mobilität im Wandel der Zeit" erwartet man aber auch nicht unbedingt in erster Linie Kriegsspiele aus der Zeit. Gabs da nichts anderes? Vermutlich nicht...

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Re: Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon Harry2017 » 6. März 2016, 11:14

Ich finde es gut, wenn der "besorgte Bürger" Spieß mal umgedreht wird. :-)

Ich bin der festen Überzeugung, dass versteckte, verschwiegene und verheimlichte Dinge eher eine Anziehungskraft auf Jugendliche und generell "wackelnde" Menschen ausübt, als ein konsequenter und offener Umgang damit. Ich glaube solche Spiele (ich kenne die jetzt nicht genau - Kann mir aber schon vorstellen in welche Richtung die Themen gingen) zeigen bei genauerer Betrachtung schon ganz alleine ihre hässliche Fratze - Da muss nichts versteckt werden...Man kann und sollte auch dem Betrachter selbst zutrauen, sich sein Bild eigenständig ohne Belehrung oder Bevormundung zu entwickeln...

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Re: Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon Florian-SpieLama » 6. März 2016, 12:08

Für mich als Historiker ist es sehr befremdlich zu verlangen, dass historische Gegenstände versteckt werden sollen. Das gibt es einfach nicht (also nicht wenn es ein Historiker schon in den Händen hat, dass z.B. Regierungen Dokumente in Archiven verschließen ist mir auch klar.)

Ich verstehe auch das Problem nicht. Rufen diese Leute auch bei jeder Guido Knopp-Dokumentation den Sender an? Es ist doch nunmal Teil der Geschichte. Der Wunsch das ausklammern zu wollen ist für mich viel erschreckender und der eigentliche Fehler und nicht das ausstellen.
Natürlich gehört eine vernünftige Beschriftung und Einbettung der Ausstellungsstücke zum Handwerk von Kuratoren. Trotzdem ist das verdecken eine kleine Tragödie für jeden der geschichtlich arbeitet.

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Nafets
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Re: Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon Nafets » 6. März 2016, 15:10

Ich finde den Bogen von "Mobilität im Wandel" zu "Wir fahren gegen Engeland" und "Auf in die Minenfelder"zu schlagen zwar auch etwas arg weit hergeholt (oder wie soll ich das Thema "Mobilität" da verstehen?) aber grundsätzlich schließe ich mich meinen Vorrednern an. Verstecken oder verschweigen ist mit Sicherheit der falsche Umgang. Wie Santayana sagt: "Wer sich nicht seiner Vergangenheit erinnert, ist verdammt, sie zu wiederholen".

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schlumpf
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Re: Brettspiele aus der Nazi-Zeit: ausstellen oder verstecken?

Beitragvon schlumpf » 6. März 2016, 18:21

Ich denke auch, man sollte dieses Spiel ausstellen, wobei der Kontext) Mobilität was bitte???) irgendwie an mir vorbeigegangen ist. Sich an den zwei Hakenkreuzen hochzuziehen find ich ziemlich albern. Selbst wenn da jetzt nicht groß dran steht "ein Spiel über Blablubb aus der Zeit von 33 bis 45", dann kann man sich eigentlich denken: "aha ein Ausstellungsstück. Oha, ein Hakenkreuz, es sollte wohl vor 45 gedruckt worden sein...".

Und zu dem Artikel:
"...Fliegerbomber als Spielfiguren. Was zur Zeit des Dritten Reichs als Unterhaltung verstanden wurde,..."
Als ob es keine modernen Spiele über Schlachten Krieg und ähnliches geben würde (insbesondere die Axis & Allies Spiele), bei denen mit Panzern und Fliegern auf dem Brett rumgefahren werden würde oder Massenvernichtungswaffen (Atombombe) entwickelt werden können. Von allen möglichen Kriegs-PC-Spielen (angefangen bei C&C) mal ganz abgesehen.

Das erinnert mich so ein bisschen an die Diskussion über den Südseekönig bei Pippi Langstrumpf (vormals tja, ich schreib das Wort? Besser nicht...), wobei ich mir immer denke, wo sind die Leute, die die gesammelten Werke von Karl May auf "unpassende" oder "heutzutage unangemessene" Bezeichnungen" durchforsten...


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