ulrichblum hat geschrieben:Gibt es das auch bei Spielen? Also Spiele welche von vornherein nicht darauf angelegt sind Klassiker zu werden. Vielleicht weil sie das Rad nicht neu erfinden oder weil sie schlicht nur "gut genug" sind. Trotzdem kann man sich bei diesen Spielen für 2-3 Partien gut unterhalten. Dann darf es aber gerne wieder was anderes sein.
Und wenn es solche Spiele gibt: Glaubt ihr, dass diese Spiele bewußt so konzipiert wurden? Oder sind das eher Spiele welche zwar versuchen richtig tolle Spiele zu sein, aber aus verschiedenen Gründen daran scheitern längerfristig zu überzeugen?
Ja, ich glaube, solche Spiele gibt es. Dabei muss man meines Erachtens differenzieren:
- Da gibt es zum einen Lizenzspiele, zum Beispiel zu aktuellen Kinofilmen. Ich vermute stark, dass diese nicht darauf aufgelegt sind, sich dauerhaft am Markt zu etablieren, sondern sich möglichst schnell verkaufen sollen.
- Dann gibt es Miniaturversionen von großen Brettspielen (Mibtringspiele). Diese sollen wahrscheinlich in den meisten Fällen gut unterhalten, die Marke erweitern und gleichzeitig für das große Brettspiel Werbung machen.
- Und dann gibt es Karten- und Brettspiele, die nach relativ kurzer Zeit wieder aus dem Sortiment verschwinden. Ob diese absichtlich darauf ausgelegt sind, sich "nur" schnell zu verkaufen, weiß ich nicht. Meine Vermutung: Redakteure haben durchaus ein Gefühl dafür, welche neuen Spiele mehr oder weniger Potenzial zum Klassiker haben.
Zwar gibt es einige bekannte Faktoren, die beeinflussen, ob sich ein Spiel dauerhaft am Markt etabliert oder nicht, aber letztendlich ist es trotzdem eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Wäre es das nicht, würden alle Verlage nur noch neue Spiele veröffentlichen, die moderne Klassiker werden und sich über
Jahre gut verkaufen. Reiner Knizia hat in einem
Interview mit der Lego-Produktmanagerin Katharina Sasse dazu mal gesagt.
Reiner Knizia hat geschrieben:Gibt es ein Rezept, damit ein Spiel zu einem Klassiker wird?
Für den Erfolg spielen viele Komponenten eine Rolle. Aber selbst wenn alle Aspekte berücksichtigt werden, muss ein Spiel noch lange nicht zu einem Klassiker werden. Ich beschreibe die Spieleentwicklung immer als Kunst, eine Checkliste gibt es nicht. Spiele müssen mit der Zeit gehen, manchmal verhelfen Lizenzen zum Erfolg, kurze Regeln und ein leichter Einstieg sind wichtige Punkte. Die Gefahr ist jedoch, wenn man sich zu sehr auf ein Thema stürzt, zum Beispiel durch den Erwerb einer Lizenz, dass die Aktualität schnell nachlässt und somit auch das Interesse am Spiel verloren geht. Erfolgversprechender ist es, „abstrakte“ Spiele zu entwickeln. Die Lego-Spiele profitieren zum Beispiel von klassischen, abstrakten Materialien – den Lego-Steinen. Wir haben bei der Entwicklung auch auf Themen gesetzt, hierbei jedoch vornehmlich auf zeitlose Themenfelder, die jede Generation begeistern: Autorennen, Piratenschätze, ägyptische Pyramiden…
Und Joe Nikisch hat in der spielbox 2/2014 in einem Artikel über 6 nimmt geschrieben.
Joe Nikisch hat geschrieben:[...] Oftmals erhalten Spiele gar nicht ausreichend Gelegenheit, das Zielpublikum zu erreichen. Spiele müssen sich entwickeln können. Das ist heutzutage bei der Flut an Neuheiten noch schwieriger geworden als damals. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass ein gutes Spiel, gestern wie heute, immer eine gewisse Lebenserwartung mitbringt. [...]
Matthias Hardel erwähnt im spielbox-Editorial der Ausgabe 01/2017 einen weiteren Aspekt.
Klassiker ermöglichen Neuheiten.Matthias Hardel hat geschrieben:[...] Es gab Zeiten, da hätte mancher Verlagsleiter für ein Spiel wie Scrabble, Monopoly oder selbst Mensch ärgere Dich nicht seinen rechten Arm geopfert. Denn bei allen gelungenen und empfehlenswerten Spielen, wie man sie ein ums andere Heft in der spielbox findet, sind diese nicht das, was für die Butter auf dem Brot sorgt. Dies ist Aufgabe von Klassikern, die sich mehr oder minder von allein in jährlich sechsstelligen Mengen absetzen lassen.
Zu den o. g. Klassikern des vergangenen Jahrtausends, deren Namen bestimmt auch noch unseren Kindeskindern geläufig sein werden, haben sich inzwischen moderne Klassiker gesellt, sog. Longseller, welche all die Neuheiten der etablierten Verlage möglich manchen, an denen uns so sehr gelegen ist. Wo stünde Hans im Glück ohne Carcassonne, was wäre Amigo ohne Wizard, Bohnanza oder 6 nimmt? [...]