Beitragvon Lorion42 » 8. November 2010, 12:55
Einleitung
Wer kennt das Problem nicht: Das Spielregal ist voll mit Spielen, die man ein/zweimal gespielt hat, für gut befunden hat und danach nie wieder angerührt hat, da es einfach zu viele neue gute Spiele zu entdecken gibt. Ich möchte hier nun eine Aktion starten, bei der ich langsam mein Spieleregal etwas übersichtlicher bekomme. Ich hab nun vor ein paar Spiele mit ähnlichen Mechanismen und einem ähnlichen Spielgefühl vorzustellen und dann eine Diskussion zu starten, welches davon Alleinstellungsmerkmale hat und weiterhin behalten werden sollte. Ich benutze hier selbst erfundene Genrebezeichnungen, da die üblich verwendeten Namen relativ wenig über das Spiel an sich veraten.
besprochene Spiele
- Mühle
- Forum Romanum
- El Grande
- Carolus Magnus
- Tikal
Was sind Positionsspiele?
Hier soll es nun um Positionsspiele gehen. Doch was soll das denn überhaupt sein? Bei Positionsspielen geht es darum eine Gruppe von Figuren taktisch geschickt zu platzieren, um bei Wertungen möglichst viele Punkte machen zu können. Ein Wert wird bei diesen Spielen vor allem auf Einsetz- und/oder Zugmöglichkeiten gelegt. So bleibt eine Figur selten an dem Ort, andem sie ursprünglich eingesetzt wurde. Als Pate der Positionsspiele bezeichne ich hiermit Wolfgang Kramer, da die meisten seiner Spiele mit dem Positionsmechanismus spielen und viele seiner Spiele das Genre geprägt haben.
Viele Positionsspiele haben einen Mehrheitenmechanismus bei den Wertungen. Fälschlicherweise hat sich deshalb auch die Bezeichung Mehrheitenspiel etabliert, die dann auf Spiele wie Alhambra oder Euphrat & Tigris übertragen wurde, die doch ein ziemlich anderes Spielgefühl besitzen.
Das Spielgefühl eines Positionsspiels zeichnet vor allem das taktische Kalkühl aus. Setze ich meinen Spielstein hierhin, um schnell zu Punkten zu kommen oder verhindere ich lieber, dass der Gegner an anderer Stelle viele Punkte machen kann. Baue ich meine Mehrheit in einer Region weiter aus oder versuche ich an möglichst vielen Regionen punkten zu können. Die meisten Positionsspiele kann man sowohl defensiv als auch offensiv spielen. Eine Kombination aus beiden Varianten führt am ehesten zum Sieg, was den Reiz von diesen Spielen ausmacht.
Nicht behandelt werden, sollen hier Positionsspiele mit Eroberungsmöglichkeiten. Diese würde ich als Kriegsspiele bezeichnen, die zwar sehr viel Ähnlichkeit mit Positionsspielen haben, aber auf Grund der kriegerischen Auseinandersetzung das Spielgefühl stark verschieben. Ebenfalls nicht behandelt werden, sollen typische Zugspiele, wie "Mensch ärgere dich nicht" bei denen es meistens darauf ankommt, eine Figur ins Ziel zu bringen oder während eines Rennens besonders viele Punkte zu machen.
Klassiker
Das vermutlich klassischte Positionsspiel, das mir einfällt ist Mühle. Der hier genutzte Mechanismus kann als Ursprungsspiel gesehen werden. 2 Spieler setzen abwechselnd eine Figur auf eine Karte und sobald eine bestimmte Anordnung von Figuren erreicht wird, gibt es eine Wertung, die daraus besteht, eine Gegnerische Figur vom Feld zu nehmen. Die Figuren werden zunächst abwechselnd eingesetzt und sobald alle Figuren auf dem Feld sind, können sie anhand der eingezeichneten Pfade bewegt werden. Im heutzutage gespielten Mühle gibt es zusätzlich noch die Regel, dass ein Spieler, der fast schon verloren hat, seine Figuren beliebig versetzen kann. Diese Regel kommt vermutlich daher, dass sonst ein unterlegender Spieler nur noch schwierig aufholen kann und der Spannungsbogen so schon zur Mitte hin abflacht.
Das älteste moderne Positionsspiel, das ich kenne, ist Forum Romanum von Wolfgang Kramer. Dieses Spiel hat das Prinzip Mehrheiten als Wertung eingeführt, hat aber trotzdem noch sehr viel Ähnlichkeit mit dem klassischen Mühle. Beim Spiel geht es darum auf einem rechteckigen Gitternetz seine Spielfiguren zu platzlieren. Jedes Feld gehört hierbei gleichzeitig zu 3 unterschiedlichen Regionen: die Zeile, die Spalte und die umrandete Region. Sobald eine Region vollständig befüllt ist, gibt es eine Wertung. Der Spieler, der die Mehrheit besitzt bekommt Punkte, der oder die Spieler, die am wenigsten besitzen, verlieren Punkte. Gibt es noch keinen Sieger in der Region, wird die Wertung vertagt. Jede Region wird nur einmal gewertet. Sobald alle Figuren auf dem Spielfeld sind, muss man seine Figuren bewegen. Das Spiel ist wirklich genial einfach und gehört auf jeden Fall in meine Spielsammlung, da es einen schnellen Einstieg bietet und flott gespielt ist, aber trotzdem das taktische Spielgefühl besitzt, das spätere Vertreter des Genres auszeichnet.
Nun folgen einige Jahre, in denen ich als kleiner Junge, noch keine Übersicht über den Brettspielmarkt hatte und nicht weiß, was im Laufe dieser Zeit passiert sein mag, doch das Spiel, das den Startschuss für zukünftige Positionsspiele geschossen hat, war in jedem Fall das Spiel des Jahres 1996: El Grande. El Grande nahm sich deutliche Anleihen von Kriegsspielen und verlegte das sehr abstrakte Spiel auf eine Landkarte (die von Spanien).
Wie bei Forum Romanum gab es hier immer noch Regionen, doch es war nicht mehr begrenzt, wieviele Figuren man dort platzieren darf. Auch ist nun jede Spielfigur nur noch in einer einzelnen Region und kann dort Punkte durch Mehrheiten sammeln. Desweiteren wurde die Anzahl der Personen in einer Region unscharf, da jeder Spieler auch Figuren in eine BlackBox (das Castillo) werfen darf, deren Inhalt erst vor einer Wertung in eine verdeckt bestimmte Region gestellt wird. Dadurch wird die Spannungskurve vor einer Wertung stark angehoben. Die Königsfigur beschränkt die Regionen, in denen man Figuren einsetzen darf. Die Anzahl der eingesetzten Figuren kann sich von Runde zu Runde unterscheiden und ist von einer gemeinsamen Aktionskartenauswahl am Spielfeldrand abhängig. Jede Aktionskarte ermöglicht andere zusätzliche Optionen (wie nachträgliches Versetzen einzelner Steine oder eine Sonderwertung eine bestimmten Region). Hier kommt auch zusätzliche Komplexität ins Spiel, die das Spiel zwar taktischer macht, aber dafür Einsteiger abschreckt. [Bei Einsteigern, kann man die Karten auch auf der Rückseite lassen und den König zur 1er Karte stellen.] Eine weitere Besonderheit ist, dass man nur Figuren auf's Spielfeld bringen kann, wenn sich diese bereits im "Hof" befinden. Alle Figuren, die sich nicht im Hof oder dem Spielfeld befinden, sind in der "Provinz". Jede Runde kann man sich Figuren von der Provinz an den Hof holen. Je mehr Figuren man sich holt, desto später darf man sich aber eine Aktionskarte aussuchen (und somit eventuell weniger Leute aufs Spielfeld setzen). Man spielt eine feste Rundenanzahl in der 3 Wertungen vorgesehen sind, bei der alle Regionen gewertet werden.
El Grande baut tyische Autorenspielmechanismen um das eigentliche Spiel, wie eine interessante gemeinsame Auswahl der Aktionen. Der eigentliche Mechanismus: setze Figuren auf Regionen und versuche bei Wertungen gut dazustehen bleibt aber fast gleich. Die wichtigsten Veränderungen hier sind das Castillo und die Unterscheidung zwischen Hof und Provinz. Das dieses Spiel natürlich von Wolfgang Kramer miterfunden wurde, ist nicht weiter überraschend.
Spätere Entwicklung
Nach dem Erfolg von "El Grande" gab es eine wahre Flut von Positionsspielen auf dem Markt. Da ich hier längst nicht alle gespielt habe, möchte ich hier nur eine kleine Übersicht geben.
Carolus Magnus erinnert viele Spieler zunächst an El Grande. Auch hier gibt es einen König (der hier nun der Kaiser Karl der Große ist), verschiedene Regionen, die irgendwie zusammenhängen, etwas das als Hof bezeichnet wird, vor jedem Zug eine Machtkarte die ausgespielt wird und unterschiedliche Steine, die für Mehrheiten stehen. Was bringt das Spiel nun neues? Das Spiel lebt von einer neuen Idee, nämlich dass die Spielfiguren nicht mehr einem bestimmten Spieler gehören, sondern demjenigen Spieler zufallen, der an seinem Hof die Mehrheit in dieser Farbe besitzt. Man hat in seinem Zug somit 2 Möglichkeiten: entweder man baut an seinem Hof die Mehrheit in einer Farbe aus oder man setzt Figuren von eigenen Farben in beliebige Regionen. Dadurch wird diese Farbe aber interessanter für die anderen Spieler und man muss riskieren, sie zu verlieren. Desweiteren gibt es nach jedem Spielzug eine Wertung, nämlich in der Region, in die der aktive Spieler den Kaiser setzt. Der Sieger der Mehrheit in der Region baut dort eine Burg oder übernehmt alle gegnerischen Burgen, sofern sich dort solche befinden. Gehören nach einer Wertung benachbarte Regionen dem selben Spieler, wachsen sie zu einer größeren Region zusammen, in der dann natürlich mehr Burgen stehen. Sieger ist, wer am Ende am meisten Burgen besitzt.
Tikal ist das Spiel des Jahres 1999. Es kombiniert als eines der Ersten (verbessert mich, wenn ich falsch liege) die Mechanismen eines Legespiels mit denen eines Positionsspiels. Vor jedem Zug wird ein neues Plättchen aufgedeckt und an den bisherigen Spielplan angelegt. Diese Felder sind meistens neue Regionen die auf 2 mögliche Arten gewertet werden können: Schätze bekommt der erste, der sich auf dem Feld befindet und eine bestimmte Aktion ausführt. Tempel werden mehrfach gewertet und geben Punkte an den Spieler, der dort die Mehrheit besitzt. Bei den Tempeln kommen aber auch noch 2 neue Ideen zum Einsatz. Erstens kann man die Anzahl der Punkte einer Region erhöhen (indem man ihn weiter ausbuddelt). Zweitens kann der Spieler, der in seinem Zug dort die Mehrheit besitzt, den Tempel in Besitz nehmen. Dadurch darf er nicht mehr weiter ausgebuddelt werden, aber der Spieler kann sich der bisherigen Punkte sicher sein. Sonst kommt hier wieder die Unterscheidung zwischen Vorat und "Camp" zum tragen, wobei hier das Camp auf dem Spielfeld liegt und auch zusätzliche Camps errichtet werden dürfen. Die Auswahl der Aktionen erfolgt hier über Aktionspunkte. Jede Aktion kostet eine unterschiedliche Anzahl. Die meisten werden aber für die Bewegung der Figuren benötigt. Wertungen kommen zufällig, beim Aufdecken eines bestimmten Plättchens (Vulkan).
Das Spiel zieht seine Spannung vor allem aus dem zocken um die Tempel: Erhöhe ich die Anzahl der Punkte für einen Tempel, indem ich ihn weiter ausbuddele oder nehme ich ihn lieber in Besitz, so dass der Gegenspieler ihn mir nicht mehr wegnehmen kann. Die Kombination von Legespiel und Positionsspiel wurde später, mit Spielen wie Carcassonne, Torres, Java und Mexica erweitert oder heruntergebrochen und dadurch entstand ein interessantes anderes Spielgefühl. Das Spiel leidet aber auf Grund der hohen Anzahl an Aktionspunkten an einer relativ hohen Downtime, wodurch es oft auch als anspruchsvoller eingeschätzt wird, als es eigentlich ist.
Noch erwähnen möchte ich die Spiele Raja, Hansa Teutonica und Yspahan, die ebenfalls zu diesem Genre gehören. Die meisten fallen hier vor allem durch eine enorme Mächtigkeit an möglichen Aktionen auf oder aber durch eine interessante Auswahl dieser Aktionen. Am eigentlichen Positionsmechanismus wird wenig geändert. Vermutlich gibt es noch einige weitere schöne Genrevertreter, die ich bisher noch nicht kenne. Hier würde ich mich über eine Umfangreiche Diskussion freuen.
Abschluss
Ich hoffe ich konnte einen interessanten Blick in das Genre Positionsspiel bieten und würde mich freuen, wenn ihr mir nun folgende Frage beantwortet:
Auf welches Positionsspiel könntet ihr am ehesten verzichten und warum?
- El Grande
- Carolus Magnus
- Tikal
- Torres
- Java
- Mexica
- Raja
- Hansa Teutonica
- Yspahan