Für zahlreiche Brettspiele gibt es Apps. Die kleinen Programme sind eine große Hilfe. Sie zählen Punkte, erläutern die Regeln oder stoppen die Zeit. Doch die Programmierer der bunten Apps bewegen sich oft in einer rechtlichen Grauzone. Rechtsanwalt Gregor Theado verrät, worauf sie bei der Erstellung der Programme achten sollten und wie man teure Abmahnungen vermeidet.
Hinweis: Der Text ist eine Ergänzung zum Artikel “Digitale Helferlein”, der in der spielbox 6/2012 erschienen ist.
Angenommen ein Programmierer veröffentlicht eine App für ein Gesellschaftsspiel. Er verwendet darin weder die original Grafiken noch Regeln. Muss er den Verlag trotzdem um Erlaubnis fragen?
Es muss geklärt werden, inwieweit die App mögliche Rechte der Spielehersteller tangieren könnte. Hier kommt vor allem das Urheberrecht in Betracht. Es ist zu prüfen, ob und an was der Spielehersteller ein Urheberrecht hat. Sollte das Urheberrecht bestehen, ist zu klären, ob die Inhalte der App das Urheberrecht tangieren, wenn die verwendeten Inhalte weder die Grafiken noch die Regeln eins zu eins übernehmen.
1.1.) Urheberrecht
Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz ist, dass es sich bei dem fraglichen Werk (dem Spiel) um eine persönliche geistige Schöpfung handelt. Wobei die persönliche Schöpferkraft ein gewisses Anspruchsniveau (Gestaltungshöhe) erfüllen muss und das Werk in einer bestimmten Form sinnlich wahrnehmbar gemacht werden muss, zum Beispiel als Bild, Text oder Musikdarbietung. Zentral beim Urheberrechtsschutz ist das ungeschriebene Merkmal der Individualität. Das Werk muss sich von der Masse des Alltäglichen und Gemeinfreien durch eine eigenständige Prägung abheben.
Inwieweit Spiele und Spielregeln – im Sinne der bloßen "Idee" als auch der verkörperten Ausgestaltung, etwa in Form der konkret als Text gedruckten Regeln – darunter fallen, ist eine Sache des Einzelfalls und zum Teil heftig umstritten. Auch kann nicht pauschal "das Spiel" betrachtet werden, sondern es müssen alle seine Einzelteile einzeln analysiert werden. Vielleicht genießen einzelne Covergrafiken Urheberrechtsschutz, die Beispielgrafiken im Regelheft aber nicht. Eventuell ist das ganze Regelheft als solches schützbar, vielleicht nur einzelne Passagen, weil es sich bei den übrigen um bloße Beschreibungen handelt.
Die allermeisten Spielideen (im Sinne des Spielablaufs nach gewissen Regeln) sind sicherlich nicht schützbar, weil es in Deutschland – zu recht und zum Glück – keinen abstrakten Ideenschutz gibt. Die "Gedanken sind frei", ebenso reine Handlungsanweisungen an den menschlichen Geist. Ein Beispiel: Die Idee, dass ein Spieler nur Punkte sammelt, wenn sein Würfelwurf eine Augenzahl von 3 oder mehr zeigt, ist nicht schützbar. Das wäre ja auch fürchterlich, weil andernfalls irgendwer das Monopol auf jegliches Würfeln hätte und jede Nutzung dieses Mechanismus unterbinden könnte.
1.2.) Eingriff in das Urheberrecht
Unterstellt, der Spielehersteller hat ein Recht an den Grafiken, dem Regelheft, sogar der dahinter stehenden eigentlichen Spielidee, nämlich weil die Sachen jeweils die gesetzlichen Voraussetzungen des UrhG erfüllen und der Spielehersteller sich die Nutzungsrechte von den Beteiligten jeweils hat einräumen lassen.
Dann muss geschaut werden, inwieweit die App in dieses Recht eingreift. Das UrhG billigt dem Urheber (beziehungsweise dessen Lizenznehmern) das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Zugänglichmachung, usw. des Werkes zu, schützt ihn vor unzulässigen Bearbeitungen durch Dritte uvm. (vgl. §§ 15 ff. UrhG, da wird das alles genannt).
Da die Apps die Originalgrafiken und -regeln nicht aufgreifen, bliebe überwiegend zu prüfen, ob eine unzulässige Bearbeitung vorliegt. Die vielfältige rechtliche Kasuistik aufzulisten, wann die Rechtsprechung von einer bloßen (und ohne Zustimmung des Rechteinhabers unzulässigen) Bearbeitung und wann von einer (erlaubten) freien Benutzung ausgeht, würde diesen Artikel sprengen. Im Kern kann gesagt werden: Eine freie Benutzung liegt vor, wenn das Vorlagewerk wirklich nur als Vorlage gedient hat und in dem neuen Werk "verblasst", das heißt allenfalls noch in entlehnten Zügen erkennbar ist.
Wenn die Programmierer der Apps eigenständige Hilfswerkzeuge programmieren, sehe ich keine Bedenken, da dies eigenständige Leistungen sind, die lediglich Zusatzinhalte darstellen, aber die Spiele selbst nicht antasten. Bei Kurzregeln könnte man an eine Vervielfältigung oder Bearbeitung der Originalregeln denken, allerdings wird, wie oben beschrieben, die bloße Spielregel im Sinne der Spielidee zu 99,9 Prozent nicht schützbar sein, sodass hierdurch kein Recht beeinträchtigt werden kann.
1.3.) Ergebnis
Wenn die Apps bloß Kurzregeln oder Zusatzprogramme enthalten, ist eine Zustimmung des Herstellers beziehungsweise der Rechteinhaber in aller Regel nicht erforderlich. Je komplexer und umfassender die übernommenen Inhalte sind, umso eher sollten die Programmierer auf Nummer sicher gehen und nachfragen. Die wenigsten Verlage werden sich dagegen sträuben – jede App ist kostenlose Werbung für das Produkt des Verlags und daher betriebswirtschaftlich sinnvoll.
Wenn Originalgrafiken und Layouts (zum Beispiel Spielbretter) verwendet werden, sollte auf jeden Fall eine Zustimmung eingeholt werden. Bei Grafiken, insbesondere Logos, kann man sich zwar auch darüber streiten, ob diese urheberrechtlich geschützt sind. Es gibt aber auch noch den Geschmacksmusterschutz, wodurch man sich Designs schützen lassen kann. Mehr dazu gibt es in diesem und diesem Artikel und diesem Beitrag. Auch Logos können markenrechtlich geschützt sein.
Dürfen Programmierer ihre Apps verkaufen?
Wenn keine Rechte Dritter beeinträchtigt werden, spricht nichts gegen den Verkauf.
Dürfen Programmierer ungefragt das Logo des Spiels verwenden, wenn sie solche Apps programmieren, sonst aber keine Originalgrafiken verwenden?
Logos können also sowohl urheberrechtlich als auch geschmacksmusterrechtlich und markenrechtlich geschützt sein. Die reine private Nutzung eines fremden Logos ist in der Regel unschädlich.
Das Urheberrecht sieht in § 53 Abs. 1 UrhG vor, dass einzelne Vervielfältigungen eines Werkes zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägermedien, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, zulässig sind. Danach wäre die Programmierung einer App, welche urheberrechtlich geschützte Werke der Spielehersteller enthält, und die Verbreitung der App im Familien- und engen Freundeskreis zulässig. Wird die App über einen Store angeboten, wird die private Nutzung bereits überschritten, erst recht, wenn die Apps verkauft werden und damit unmittelbar Erwerbszwecke verfolgt würden.
Das Markenrecht schützt den Inhaber der Marke vor der Benutzung eines identischen oder Verwechselungsgefahr begründeten Zeichens durch Dritte im geschäftlichen Verkehr. Geschäftlich ist hier nicht zwingend nur mit gewerblich gleich zu setzen, sondern geht darüber hinaus. Das Anbieten in App-Stores dürfte meines Erachtens als ein Handeln im geschäftlichen Verkehr angesehen werden und wäre damit markenrechtlich nicht zulässig.
Das Geschmacksmustergesetz erlaubt die Benutzung (also die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird…) für Handlungen im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken (§§ 38 i.V.m. 40 GeschmmG). Wenn jedoch die Apps in einem Store angeboten werden, verlässt dies den Rahmen des Privatgebrauchs, erst recht bei geschäftsmäßigem Anbieten – was, wie bereits erwähnt, beim Verkauf der Apps auf jeden Fall vorliegt.
Mit welchen Konsequenzen müssen Programmierer schlimmstenfalls rechnen, wenn sie Spielhilfe-Apps veröffentlichen und darin Grafiken sowie Texte aus der Anleitung verwenden,?
Werden Rechte Dritter verletzt, so gleichen sich die Rechtsfolgen der einzelnen Rechte (Urheberrecht, Markenrecht, Geschmacksmusterrecht) im Wesentlichen. Der Rechteinhaber kann in allen Fällen von dem Verletzer
- Auskunft über Herkunft und Vertrieb der Erzeugnisse verlangen (vgl. § 101 UrhG, § 19 MarkenG, § 46 GeschmMG, bzw. allgemein § 242 BGB)
- Beseitigung der Rechtsverletzung, deren Unterlassung und angemessenen Schadenersatz fordern (§§ 97 ff. UrhG, §§ 14 ff. MarkenG, §§ 42 ff. GeschmMG),
- die Kosten der Abmahnung bzw. der notwendigen Rechtsverfolgung ersetzt verlangen (z.B. ausdrücklich in § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG geregelt oder allgemein nach den Grundsätzen der sog. Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. als Schadenersatz)
Die Gerichte sind schon früh auf den Zug aufgesprungen. Ich habe es selten erlebt, dass die Gegenstands- und Schadenersatzwerte auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Eine leidliche, aber leider gängige Praxis.
Abschließend ist zu sagen, dass allerdings die Gefahr, mit solchen Forderungen konfrontiert zu werden, bei den entsprechenden Apps vergleichsweise gering ist. Wie oben dargestellt, dürfte in den allermeisten Fällen überhaupt kein Recht der Hersteller tangiert sein. Ansonsten gilt: lieber erst fragen, auch wenn die meisten Hersteller ein mutmaßliches Interesse an der Verbreitung solcher Apps haben dürften, solange der App-Programmierer keine Konkurrenz betreibt oder sonstwie das Produkt oder den Hersteller mit der App schädigt.
Mache ich mich als Nutzer strafbar, wenn ich eine App kaufe, die gegen das Urheberrecht/Nutzungsrecht verstößt, weil zum Beispiel der Programmierer unerlaubterweise Original-Grafiken verwendet?
Wenn eine App gegen das Urheberrecht verstößt, ist zunächst einmal (zivilrechtlich) die von der App durch das Herunterladen/Kauf erworbene Privatkopie in aller Regel keine legale Privatkopie. Der § 53 Abs. 1 UrhG, den ich schon zitiert hatte, hat nämlich vor einigen Jahren die Ergänzung erfahren, dass nur Privatkopien zulässig sind, "soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird". Jene Ergänzung sollte vor allem die Tauschbörsennutzungen einschränken: wenn man aus einem Tauschbörsennetzwerk einen Film lädt, weiß man in aller Regel, dass der den Film einstellende Nutzer vom Rechteinhaber gerade nicht die Erlaubnis hat, den Film im Netz zu verbreiten. Dann kann auch die davon gefertigte Privatkopie eben nicht legal sein.
Wenn man die Widerrechtlichkeit der Vorlage kennt und dann bewusst, das heiß vorsätzlich, diese Vorlage herunterlädt oder kauft, macht man sich grundsätzlich strafbar: § 106 Abs. 1 UrhG besagt, dass, wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird.
Auch dies muss man aber relativieren, da zum einen ein Vorsatznachweis schwer fallen würde (kennt man die Illegalität nicht, ist man fein raus), zum anderen Urheberrechtsdelikte relative Antragsdelikte sind; das heißt, die Strafverfolgungsbehörden werden nur tätig auf Strafantrag der Verletzten, es sei denn, es besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung. Letzteres würde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beim bloßen einfachen Kauf einer nicht legalen App verneint, daher würde die Angelegenheit überhaupt nicht verfolgt.