Beitragvon Udo Bartsch » 7. November 2004, 12:24
Nun will ich mich auch mal einklinken, weil mir das Thema sehr am Herzen liegt. Vorweg: Ich bin ziemlich genervt von den vielen Abziehern in Essen, die - wenn man mich fragt - kein Rezensionsexemplar verdient haben und durch ihre Unverschämtheit Verlegern und ernsthaften Rezensenten das Leben schwer machen.
Nun zu der 3-Käufer-pro-Rezi-Theorie:
Die Wirklichkeit ist, glaube ich, komplizierter, und man muss zwischen Tageszeitungen auf der einen und Online- und Printmagazinen auf der anderen Seite unterscheiden.
- Wer ein Magazin liest, interessiert sich bereits für Spiele und hat meistens auch schon ein paar Titel im Hinterkopf, wo er mit einem Kauf liebäugelt. Die Rezensionen in Magazinen dienen vermutlich nur als zusätzliche Entscheidungshilfe, als eine Informationsquelle von vielen. Das heißt, wenn ein Spiel gekauft wird, kann man wohl nur selten sagen, es lag ausschließlich und allein an der Rezension auf der Webseite xy oder im Heft yx.
- In Tageszeitungen tritt man als Rezensent mit seinem Thema an ein gemischtes Publikum heran. Bei einer gut geführten und etablierten Kolumne glaube ich durchaus, dass eine nennenswerte Menge von Leuten eine Rezension zum Anlass nehmen könnte, um das Spiel sofort beim örtlichen Fachhändler zu erwerben. Die Regel dürfte es allerdings nicht sein. Wenn ein Kleinverlagsspiel in einer Tageszeitung mit 100.000 bis 200.000 Auflage positiv besprochen wird, würde ich nicht drauf wetten, dass tatsächlich drei Leute das Spiel kaufen. Schon deshalb nicht, weil man es vor Ort wahrscheinlich gar nicht zu kaufen bekommt. Trotzdem halte ich Besprechungen in Tageszeitungen für wichtig:
a) Auch wenn der Leser vielleicht nicht sofort losstürmt um ein bestimmtes Spiel zu kaufen: Wenn er irgendwann später im Laden vor dem Spieleregal steht, erinnert er sich vielleicht, über Spiel xy was gelesen zu haben, und kauft es nun.
b) Für Kleinverlage ist es gewiss interessant, aussagekräftige Zitate bedeutender Medien auf ihre Webseite setzen oder für ihre Werbeung zu verwenden. "Ganz tolles Spiel" (Süddeutsche) klingt für den Normalkunden besser als "Ganz tolles Spiel" (Freakpostille xy)
c) (das Wichtigste) Wir brauchen Spiele in den Medien, um zu zeigen, dass es sie gibt; dass sie ein ernstzunehmendes Kulturgut sind, welches ernsthaft zu rezensieren sich lohnt; dass sie eine Beschäftigung nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene sind.
Kurz: Im Großen und Ganzen lohnt es sich gewiss, Rezensionsexemplare herauszugeben. In welchem Maße es sich für Kleinverlage lohnt, weiß ich nicht. Die Aus-1-mach-3-Theorie halte ich in der Realität für nicht umsetzbar.