Beitragvon Jan Mirko Lüder » 24. Mai 2006, 16:26
Hallo liebe Spielergemeinde,
hier ist er: der Thread, den niemand haben und jeder lesen möchte. :-)
Nun, da es nur noch wenige Tage sind, die wir bis zur Bekanntgabe der diesjährigen Nominierungsliste abzuwarten haben, möchte ich eifrig voraus stapfend in den schönen großen Fettnapf treten und eine traditionelle Diskussion vom Zaun brechen, die zwar alle beklagen aber doch (insgeheim?) mit Interesse verfolgen dürften. :-))
Vorweg möchte ich mich schon mal entschuldigen für den sich anbahnenden Mammut-Thread. :oops: Sorry, aber ich konnte mal wieder einfach nicht widerstehen.
Zunächst möchte ich meine (subjektive!) Analyse der Nominierungskriterien mit ein paar [b]allgemeine[/b]n [b]Worte[/b]n einleiten:
Ich glaube, das auch dieses Jahr der sehr verkaufskräftige Wanderpreis an einen Verlag im Süden der Republik vergeben wird. Meine Favoriten (also die Verlage ;-) ) haben ihren (Vertriebs-)Sitz in Stuttgart, München oder Ravensburg. Warum gerade diese? Das erkläre ich natürlich noch.
Wie schon in den vergangenen Jahren rechne ich mit einer "Geheimtipp"-Nominierung: An der überwältigenden Resonanz, die [b]Caylus[/] in Spielerkreisen hervorgerufen hat wird die Jury kaum vorbeikommen. Allerdings wird sie gut abwägen müssen, ob das sehr erfolgreiche [b]Antike[/b], das bei konkurrenzfähiger Komplexität und deutlich weniger komplizierten Regeln und Mechanismen möglicherweise nicht das repräsentativere Spiel wäre. Eines der beiden wird vermutlich die Nachfolge so schöner Spiele wie Puerto Rico, Raja (oder auch Sankt Petersburg) und Himalaya antreten - allerdings ohne Chancen auf den Hauptgewinn.
Zudem wird die Jury weiterhin einem gesellschaftlichen Trend folgen: Die große Zahl an spielfreudigen Ein- und Zweipersonenhaushalten drängt ihr die Nominierung eines reinen Zweipersonenspiels geradezu auf. Aus diesem Grund rechne ich auch damit, dass der Hauptpreisträger 2006 ebenfalls wunderbar zu zweit gespielt werden kann.
Bei den Zweipersonenspielen rechne ich ganz besonders [b]Revolte in Rom[/b] und [b]Aton[/b] gute Chancen auf eine Nominierung aus, Außenseiterkandidat könnte auch [b]Asterix und die Römer[/b] sein. Insbesondere eine Auszeichnung eines der erstgenannten Spiele belohnte zudem die redlichen Anstrengungen der Troisdorfer, ihre neue gelungene Reihe kompakter Spiele - meist für zwei Personen - zu etablieren. Natürlich gäbe es da auch noch mehr Auswahl, nur eben nicht so gute.
Der Hauptteil: [b]Welche Spiele werden nominiert? Welches wird Spiel des Jahres?[/b]
[*][b]Packeis am Pol[/b] Phalanx Games - Essen 2005
Ja, PaP ist mein persönlicher Favorit und ich glaube an ihn, bis zum Schluss. Ein außergewöhnlich einfaches Spiel, das ebenso in Familien wie in versierten Vielspielerrunden und bei Gelegenheitsspielern viel Begeisterung auslösen konnte. Es sieht hübsch aus, ist variabel, interaktiv, sehr thematisch und sehr schnell erklärt und hat einen Wiederspielreiz, der immer zu mehreren Partien am Stück anhält. Außerdem ist es auch außerordentlich gut als Zweipersonenspiel geeignet.
Warum ich [b]Packeis am Pol[/b] für das Spiel des Jahres 2006 halte, steht hier: http://tinyurl.com/jd2rp
[*][b]Mesopotamien[/b] Phalanx Games - Essen 2005
Nein, das glaube ich nicht (mehr), auch wenn ich es dem Spiel sehr gönnte.
Tikal (SdJ1999) hat es schon gegeben, ein Wrede-SdJ auch und das Spiel leidet unter erheblichen Schwächen. Für den Geschmack der Jury dürfte es für die durchschnittliche Familie des 21. Jahrhunderts wohl bereits zu kompliziert (und zu strategisch) sein und die sehr ungleichen Aktionskarten wie auch der extreme Startspielervorteil zeugen nicht von einer besonders ausgetüftelten Balance im Gamedesign (sorry fürs Denglish). Eine rein materialabhängige Entscheidung hat die Jury im vergangenen Jahr ohnehin schon getroffen. Vielleicht reicht's trotzdem für eine Nominierung?
[*][b]ZauberStauber[/b] Kosmos - Essen 2005
So sehr ich es Heinrich gönne - bei diesem Titel bin ich äußerst skeptisch. Ja, ich glaube, das [b]ZauberStauber[/b] nominiert wird, aber ich glaube nicht, dass es Spiel des Jahres werden kann. Dafür habe ich zuviele negative Erfahrungen in der Praxis gesammelt: Der Spielreiz ist bei vielen nicht ausreichend anhaltend und Kinder haben motorisch ein Problem mit diesem Spiel, welches außerdem notorische Schummler arg begünstigt. Räumliches Vorstellungsvermögen ist nicht jedermanns Gabe. ;-)
[*][b]Elasund[/b] / [b]Blue Moon City[/b] Kosmos - Essen 2005 / Nürnberg 2006
Beide Spiele wären geeignete Kandidaten, beide kommen aber auch nicht in Frage, weil beide bereits von einer erfolgreichen "Marke" (Catan bzw. Blue Moon) getragen werden. [b]BMC[/b] ist zudem aufgrund der vielfältigen Funktionen der Karten zu kompliziert [b]und[/b] von Reiner Knizia. [b]Elasund[/b] ist für ein SdJ viel zu schleppend, destruktiv und zäh.
[*][b]Mauerbauer[/b] Hans im Glück - Nünberg 2006
[b]Mauerbauer[/b] riecht förmlich nach SdJ, es ist schön bunt, oppulent ausgestattet und bietet ein rundes Spielkonzept, das mich mächtig an Carcassonne erinnert. Das Spiel ist einfach, sehr flott, bietet taktische Momente wenngleich Fortuna eine wichtige Rolle spielen darf und ist sehr athmosphärisch. Eindeutig nicht meine erste Wahl (denn oft hintereinander kann man es nicht spielen) aber ein geeigneter Kandidat. Ich tippe - eingeschränkt - auf eine Nominierung.
[*][b]Thurn & Taxis[/b] Hans im Glück - Nünberg 2006
Jawohl, hier richtet sich mein Daumen uneingeschränkt hoch, beim Versuch die Jurymeinungen mit gereckter Nase zu erschnuppern. [b]TuT[/b] ist ein Spiel für Familien, das auch Vielspielern gut gefällt. Es bietet bekannte Mechanismen, die den Einstieg für Neulinge erheblich erleichtern und ist dabei gleichzeitig sehr rund und packend. Es könnte gut in die Fußstapfen von Zug um Zug treten, als der reifere und gewachsene große Bruder. Die Koppelung von Autorenpaar und Verlag schaut zudem ohnehin schon nach einem "Winning Team" aus. Außerdem hat der Verlag mit der schon jetzt angekündigten Neuauflage bereits bewiesen, dass es sich hier mal wieder um einen richtigen Verkaufsknüller für den roten Pöppel handeln könnte.
[*][b]Nacht der Magier[/b] Drei Magier Spieleverlag - Essen 2005
Jens-Peter und Kirsten wünsche ich den Hauptpreis, nämlich das "Kinderspiel des Jahres". Schon 2005 verkaufte sich das besser als das reguläre SdJ und spätestens im Winter des Jahres 2006 könnte sich dieser Erfolg mit der [b]Nacht der Magier[/b] wiederholen. Eine Nominierung für das reguläre SdJ hielte ich für ungünstig: Ein solcher Versuch mit Tom Schoeps' Drachenland ist schon einmal gescheitert.
Im Kinderspielbereich erhält das Spiel allerdings starke Konkurrenz durch Zochs [b]Doktor Schlüsselbart[/b].
[*][b]Aqua Romana[/b] und [b]Timbuktu[/b] Queen Games - beide Essen 2005
Ich glaube nicht daran. Vielmehr glaube ich, dass mehr als ein nominiertes Queen'sches Zweipersonenspiel in diesem Jahr nicht drin ist. Zwar spricht für [b]Aqua Romana[/b] die grafische Arbeit von Michael Menzel, doch der hat auch [b]ZauberStauber[/b] und [b]Thurn & Taxis[/b] gestaltet, die bessere Chancen auf den Hauptpreis haben - aber wer weiß? Hier könnte ich mich natürlich täuschen.
Bei Timbuktu bin ich mir dagegen sicher, ein Deduktionsspiel dürfte keine Chance haben und schon gar nicht so ein chaotisches.
[*][b]Was'n das?[/b] Ravensburger - Nürnberg 2006
Ein Spiel mit geringen, aber vorhandenen Chancen, nominiert zu werden. Klare Hürden: Das hohe Einstiegsalter und der Anspruch an die Spieler, der nichts für Kinder sein dürfte.
So. Jetzt beende ich mal diese Liste und verliere noch ein paar abschließende Worte. Wie immer glaube ich auch an Spiele, mit denen keiner rechnet - einfach, weil die Jury diesen Überraschungseffekt offenbar ganz gerne mag:
Zu diesen Spielen gehören z.B. [b]Celtica[/b] und [b]Hazienda[/b]. Das erste wohl nur aus grafischen Gründen (nein, liebe Jury, bitte nicht); das zweite hingegen halte ich persönlich für ein außerordentliches Familienspiel, gespickt mit vielen kleinen Erfolgserlebnissen, einer hübschen (Menzelschen!) Grafik und schönem Spielmaterial - ein Spiel, welches ich mir sehr gut als Spiel des Jahres vorstellen könnte.
Dann kommen noch [b]Just 4 Fun[/b] und [b]Ubongo[/b]. Mit dem Zweitgenannten gelänge der Jury wohl ein ganz großer Überraschungscoup. Dieses Spiel hätte es verdient! Bei Wenigspielern schlägt es ein wie eine Bombe und der Verlag hat mit Einfach Genial bereits demonstriert, dass man auch mit abstrakten Spielen heute noch Geld verdienen kann. Ich denke, im vergangenen Jahr kam [b]Ubongo[/b] zu spät, um bei der Jury noch etwas reißen zu können. Umso mehr Zeit hatte die inzwischen, um sich vom Spiel zu überzeugen. [b]Just 4 Fun[/b] halte ich indes nur für bedingt preiswürdig: Farbwahl und Grafik sind schlicht und ergreifend zu hässlich ausgefallen. Außerdem hätte die Wahl dann schon vorher auf Einfach Genial fallen müssen.
Zu den denkbaren Überraschungskandidaten gehören auch noch [b]Marquis[/b] (zu kompliziert), [b]California[/b] (Grafik zu mangelhaft), [b]Äquadukt[/b] (zu durchschnittlich), [b]Key Largo[/b] (zu schlecht :lol: ) und [b]Cincinnati[/b] (ein Zockerspiel als SdJ funktioniert einfach nicht).
Naja, kommen wir zum letzten Satz:
Wie immer, es könnte alles stimmen und auch alles falsch sein - lassen wir uns von der Jury überraschen! :-)
Hochspekulative Grüße
ludosophicus
alias Mirko (der für heute genug geschrieben hat)
http://www.ludosophicus.de/