Beitragvon Shari-Faye » 5. Oktober 2010, 22:00
Servus,
da sieht man, wie verschieden die Geschmäcker sind.
Was gut ist. Ich (wir) finden Puerto Rico super. Machen viele andere auch (BGG), aber das ist egal, mir gehts da eher nur um meinen eigene Geschmack. (Zwar) Immer noch, aber sicher spielen wir es heute nicht mehr so oft wie früher. Wobei das sicher eine Rolle spielt, wenn man Puerto Rico ("erst") heutzutage für sich entdeckt. Man hat halt einen ganz anderen Hintergrund als 2002, selbst wenn man noch nicht viele Jahre anspruchsvolle Spiele spielt. Aber die Mechanismen, die PR im Prinzip neu eingeführt hat bzw. die es vielleicht zT schon in Ansätzen gab, die PR aber auf eine ganz neue Grundlage gestellt hat, gibts inzwischen in ganz vielen Spielen. Deshalb hat man heute da einen ganz anderen Hintergrund. PR ist dann gut, wenn man es mit Leuten auf demselben Können-Level spielt wie man selbst. Entweder mit Anfängern oder mit Profis, vereinfacht gesagt. PR ist im Grunde Mehr-Personen Schach. Oder um Deinen Begriff zu benutzen, ist es ein Kenntnisspiel. Wobei zumindest bei guten Spielern es nicht auf Regel-Kenntnis ankommt (die kennt jeder, mit Regelwissen kann man da niemandem ein Schnippchen schlagen), sondern auf Ablauf-Kenntnis. Und da kann man sich heutzutage natürlich selbst gehörig aufrüsten, insbesondere durch die Lektüre diverser Artikel auf BGG, insbesondere die Beiträge von Alexfrog und Icetrey. Damit kann man sich natürlich so ein Spiel auch selbst kaputtmachen.
Wobei an Deiner Analyse auch einiges nicht stimmt:
"Typisch für ein Spiel, welches eine
Rumpfregel besitzt, die durch unzählige Karten und
Ausnahmeregeln relativiert werden können"
Ausnahmeregeln gibt es vergleichsweise wenige (die Sonderfähigkeit der jew. Rolle ist keine Ausnahme); Karten gibt es gar keine (außer den bis zu 8 Rollen natürlich), schon gar keine unzähligen.
"Es hat logische Brüche. Ein
> Grundprinzip der Grundregel etwa, die Siedler zu verteilen,
> treibt das Spiel gleichzeitig dem Ende zu, da gleichzeitig
> der Siedlervorrat reduziert wird.
Das ist kein logischer Bruch, sondern eine (extrem sinnvolle) Regel - eine klassische Dilemmasituation.
"Zwei Regelmechanismen
> sinnfrei zu verknüpfen bringt einem Spiel immer
> Motivationseinbrüche." Dann gibt es kaum motivierende Spiele, da das bei so gut wie allen mechanikzentrierten sog. Euro Games ständig der Fall ist (denn der Sinn könnte ja nur aus der Thematik kommen, bei Mechaniken kam man immer streiten, ob Regelverknüpfungen logisch und konsistent sind oder nicht).
"Puerto Rico bringt das am Ende eine
> Durchhänge- Phase, da nur noch schnell ein paar Punkte machen
> sinnvoller ist, als das Spiel per Bürgermeister zu beenden" Das stimmt auch nicht, sondern hängt davon ab, welcher Spieler welches Ziel verfolgt - einer, der extrem auf Bauen setzt (was ein sehr guter Spieler in Reinform nicht macht, das aber nur nebenbei), beendet iZw schnell, der, der extrem viel verschifft (siehe nebenbei oben), beendet so spät wie möglich.
"Nach über drei Stunden Spielzeit"
Was habt ihr denn da alles gemacht - sicher spielt ihr beim ersten mal nicht schnell, ein geübter PR Spieler bleibt bei 3 oder 4 Spielern idR unter 1 h, aber selbst beim ersten mal haben wir damals nicht ganz 2 h gebraucht, damals noch ohne "Kenntnis" (man war das schön, da hat sogar noch jeder freiwillig den Aufseher genommen :grin:
" Weil das Spiel ein
> paar Fehler hat, die unnötig und ärgerlich sind"
Fehler sind das nicht, sondern das ist halt das Spiel, man mag es oder nicht. Und ich sage, auch wenn meine Ausführungen dem zT widersprechen :grin: :grin: es ist natürlich oK, es nicht zu mögen (ich kanns halt trotzdem nicht lassen, meine Sicht auf ein fast geliebtes Spiel darzustellen, ist ja sicher auch oK:razz:
"Es nennt
> sich Strategiespiel, ist aber ein Kenntnisspiel"
Wer es gut kennt, der weiß, dass es eigentlich kein Strategie-, sondern ein Taktikspiel ist; es gibt zwar (sehr sophisticated zT) strategische Ansätze, aber immer, dh bei jedem Zug gilt: Taktik schlägt Strategie, also, wenn es etwas taktisch richtiges zu tun gibt, tut man es, wenn das nicht der Fall ist, wählt man seinen Zug unter strategischen Gesichtspunkten; weil aber fast jeder Zug lebenswichtig ist, bleiben wenige Züge übrig, bei denen man strategische Bedürfnisse bedienen kann. Und wenn man sich auskennt, dann erkennt man natürlich besser "den" gerade taktisch stärksten Zug. Das ist aber auch bei fast allen auch anspruchsvollen Spielen so, "echte" strategische Spiele gibt es wirklich nicht viele
"> Es gewinnt, wer die beste Kenntnis des Spiels und seiner
> Regeln besitzt"
Wie oben gesagt, es kommt nicht so auf die Regelkenntnis an, sondern auf die Kenntnis der taktischen Notwendigkeiten. Ein guter PR Spieler weiß zB in aller Regel zumindest die Eröffnungszüge (2-5) auswendig.
"Fehler des Anfangs potenzieren
> sich und werden nicht verziehen."
Das stimmt, ist aber auch bei sehr vielen Spielen so. Wobei man zugeben muss, dass die von Dir genannten Spiele da überwiegend anders sind; wobei man zu Beginn bei Ringkrieg, macht man einen wirklich großen Fehler, auch sehr zurückgeworfen wird, auch bei Game of Thrones; aber man kann es bei diesen und bei den anderen genannten eher wieder gut machen, bei PR so gut wie nicht.
"Die Interaktion zwischen den Spielern reduziert sich auf
> die Frage, wer welchen Posten nehmen kann und wer nicht."
Es gibt keine direkte, aber natürlich schon massiv indirekte Ineraktion, sehr fein natürlich manchmal und schwer zu merken; aber wenn man einem Spieler, der viel verschifft, den Kapitän nimmt, und er kann verschiffen, ist aber sauer, weil er, hätte ich ihn nicht genommen, vss. viel mehr hätte verschiffen können, ist das doch so super (nur ein Bsp.).
Trotz dieser ganzen Ergüsse schließe ich wie ich begann: Geschmäcker sind verschieden und das ist gut so.
Aber noch ein Wort zu dem auch genannten Funkenschlag (wg. der RegVor): So schlimm ist der Endspiel-Trick nicht, wenn ihn alle kennen und bei der RegVor werden ihn wohl alle kennen. Ansonsten ist Funkenschlag zB im Gegensatz zu PR ein nicht so komplexes und auch kein besonders anspruchsvolles Spiel, wenn auch beileibe kein schlechtes. Trotz verschiedener Aktionsmöglichkeiten kommt es eigentlich immer nur darauf an, ein glückliches Händchen beim Austauschen der jew. benutzten KW zu haben; hat man da immer die jew. am besten zum Spielfortschritt passenden, wird man idR immer vorne mit dabei sein.
Grüße
Shari-Faye