Beitragvon ravn » 7. November 2010, 12:26
Moin,
ja, der Header ist provozierend, eventuell sogar überzogen und eventuell beleidige ich sogar damit den Autor, der sicher viel Zeit und Arbeit in sein Spiel gesteckt hat. Der "Sondermüll-Eindruck" beschreibt aber genau die Emotionalität, die ich nach der nun zweiten überlagen Grand Cru Partie erlebt habe, die eben genau durch die Verknappung auf 4 Aktionen entstanden ist.
Dabei wollte ich das Spiel gerne mögen, fand es in ESSEN 2010 sogar richtig gut und hätte es mir beinah selbst gekauft. Nach den zwei letzten Spielerfahrungen ist meine Meinung aber ins Negative gekippt. Und aktuell wüsste ich leider auch nicht, wie man das Spiel retten kann, so dass es eine überschaubare Spielzeit, dabei einen guten Spannungsbogen bekommt und ebenso Spass macht.
Aus meinen Spielerfahrungen argumentiert, wie ich das Spiel erlebt habe:
Ja, man muss die anderen Spieler im Auge behalten. Problem ist nur, dass mir das wenig nützt, wenn jemand per Direktkauf ein Ausbauplättchen kauft. Dagegen kann ich nichts machen, ausser vor ihm per Direktkauf dieses Ausbauplättchen wegzukaufen.
Im Gegenzug ein allgemein interessantes Ausbauplättchen zur Versteigerung anbieten, ist ein arg hohes Risiko. Entweder bekomme ich es ein paar Franc billiger, wenn ich es nicht zu billig angebiete. Wahrscheinlicher war aber bisher, dass ein Mitspieler per Direktkauf zuschlägt oder mich überbietet. In beiden Fällen habe ich eine Aktion verschenkt, ohne eine Gegenleistung bekommen zu haben. Liegt das Plättchen noch da bis ich wieder am Zug bin, brauche ich eine zweite Aktion, um es in meine Auslage zu nehmen.
Zeichnet sich also schon ab, dass ein Mitspieler die Runde gerne verkürzen möchte, dann sind zwei Aktionen, um an ein Ausbauplättchen zu kommen und dabei noch das Risiko zu haben, überboten zu werden, fast schon zu viel. Dann lieber Direktkauf und gut.
Es gibt ein paar Ausbauplättchen, die im Prinzip zwei (teils mehr) Aktionen in einer einzigen Ausbauplättchen-Aktion vereinen und teils noch mehr Vorteile bieten. Ein paar Beispiele, die mir in meinen Partien aufgefallen sind:
- Zwei mal ernten für 1 Franc spart eine Ernteaktion und 1 Franc.
- Bei einer Ernte bekomme ich ein gleiches Weinklötzchen aus dem Vorrat dazu, was einen zweiten Weinstock der selben Sorte, eine Ernteaktion und 1 Franc spart.
- Marktpreismanipulation um 3 Stellen spart 3 Aktionen Marktpreiserhöhung. Wobei das Plättchen eigentlich nur Sinn macht, wenn man ein Monopol auf eine Weinsorte hat oder man es mit der letzten Aktion nutzen kann und man ebenso sicher ist, dass man Startspieler werden kann. Ansonsten nützt es mehr den Mitspielern, die nach der Marktpreiserhöhung erstmal selbst am Zug sind, verkaufen könnten und je nach Spielerzahl den Preis wieder kaputt machen könnten.
- Weinverkauf zum Marktpreis+1 finde ich da schon besser, weil er mir den direkten Vorteil bringt und Weinverkauf sowie Marktpreismanipulation um eine Stelle in einer Aktion vereint.
Habe ich also ein Ausbauplättchen, das mir in der Ernte ein Klötzchen kostenlos dazu gibt und dazu den Weinverkauf zum Marktpreis +1 kann ich mit zwei Aktionen zwei Weinklötzchen ernten, brauche dazu nur einen Weinstock und verkaufe dann diese beiden Weinklötzchen jeweils zum Preis +1 beim Wein, der keine Reifezeit braucht. Wenn ich dazu meinen Mitspielern keine Zeit lasse, den Marktpreis nach oben zu schieben, kann ich so selbst bei Minimalpreisen immer noch mehr Gewinn als die machen und habe selbst keinerlei Interesse, dass eine Runde länger als 4 Aktionen geht.
Bei dieser Gewinnstrategie habe ich sogar noch 2 Aktionen zur Verfügung, die ich für weitere Ausbauplättchen-Aktionen nutzen kann, die mir mehr als eine normale Aktion einbringen.
Wollen die Mitspieler gegenhalten, so müssen sie sich diesem Tempo unterwerfen und ebenso mit Ausbauplättchen gegenhalten, um Aktionen zu sparen. Somit minimiert sich das Spiel auf die Ausbauplättchen, die man am sichersten per Sofortkauf erwirbt. Oder alternativ (eher die erlebte Ausnahme) in einer Runde per Versteigerung zum Billigpreis, wenn die Mitspieler so unter Zeitdruck sind, dass sie längst nicht mehr gegenhalten wollen, nur um den Plättchenkauf zu verhindern, weil sie selbst dieses Ausbauplättchen wenig sinnvoll in ihrer Strategie einsetzen können.
Leider sehe ich aktuell keinen Ausweg aus dieser 4-Aktionen-pro-Runde Gewinnstrategie, wenn einmal ein Spieler diesen Weg eingeschlagen hat. Der Rest der Spielrunde muss sich zwangsläufig diesem Tempo unterwerfen, weil man ja nicht verhindern kann, dass jemand seine wenigen Felder schnell und zielgenau mit der vierten Aktion abgeerntet hat.
Wenn Ihr konkrete Gegenstrategien seht, bitte her damit. Weil würde Grand Cru wieder für mich spielenswert machen. So hingegen weiss ich genau, wie kommende Runden ablaufen werden und so erlebt macht mir das Spiel keinen Spass - selbst wenn ich als 4-Aktionen-Spieler so gewinne.
Der Preis der Minimalisten-Strategie ist, dass eine Partie ewig dauert, da man insgesamt wenig Gewinn erwirtschaftet und Plättchen zu überhohen Preisen kaufen muss, was den Gewinn in den ersten Runden nochmals schmälert und die Kreditaufnahme und damit die Spielzeit extrem erhöht. Nach x Runden, wenn sich ein Ablauf etabliert hat, wiederholt sich zudem der Ablauf immer wieder zu und wird so langweilig, dass das Spiel zur Zeitverschwendung für mich wird, weil eine Ablauftabelle es (bis auf wenige Eingriffe) ebenso erledigen könnte. Schade!
Cu / Ralf