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Kein [PEEP]: Vinhos

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Jerry

Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Jerry » 31. Januar 2011, 21:04

Dies ist kein PEEP über [b]Vinhos[/b], denn dafür müsste ich mich jetzt hinsetzen und die Mechanismen dieses Spiels zusammenfassend umschreiben. Doch dazu fehlt mir akut die Motivation aus den Gründen die ich im Folgenden darlegen will.

Ich muss mal meine Verwunderung über Vinhos loswerden. Beim gestrigen Spielesonntag hatten wir diesen Brocken auf dem Tisch. Wir waren zu dritt, drei erfahrene Vielspieler, ausgeruht und mit viel Zeit ausgestattet. Unser Regelerklärer ist sehr routiniert und unsere Runde kommt in Spitzenzeiten auf drei oder mehr neue(!) Spiele pro Woche. In meinem Schrank stehen die Schachteln von Spielen wie [b]1830[/b], [b]Hannibal[/b] oder [b]Ringkrieg[/b]. Man kann also sagen, dass wir wirklich keine Noobs oder Weicheier sind.

Aber dann kamen die Regel und der Spielplan von Vinhos. Zumindest vom Plan kann man sich hier einen Eindruck verschaffen:

http://www.boardgamegeek.com/image/835211/vinhos

Das Erklären der Regel hat mit Aufbau [b]über 45 Minuten[/b] gedauert und zum ersten Mal in meinem Spielerleben hatte ich (nach ca. 35 Minuten) das Gefühl: Mein Kopf ist jetzt voll;, vielen Dank, bitte aufhören! Wie in aller Welt kann man ein Spiel dermaßen überfrachten? Auf dem Spielbrett sind allein [b]5-7[/b] Tabellen aufgedruckt, dazu etliche Aktionsfelder, Kärtchen, Kramerleisten (Plural!) und was weiß ich nicht noch alles. Und dann das Spiel selbst: allein der Kern mit Weinanbau, -entwicklung, -verkauf und -export ist schon für sich ein eigenes Vollwertspiel. Und dann ist noch oben drauf, wie ein Spiel im Spiel die Weinausstellung gepackt, mit eigener separater Sub-Kramerleiste und weitern 3-5 indirekt-verwobenen Mechanismen. Wir haben an Vinhos nach dem Erklären noch weitere 150 Minuten gesessen (und ich glaube sogar ohne größere Spielfehler). Aber Spaß, nee, Spaß hat das nicht gemacht.

Ich frage mich ernsthaft: Für wen sind solche Spiele gemacht? Welche Attribute muss man mitbringen um so was zu mögen? Ok, man muss geistig flexibel sein, keine Frage. Und man muss Zeit haben, viel Zeit, sehr viel Zeit. Denn die mutmaßlicherweise in Vinhos vorhandenen langfristig planbaren Strategien müssen offenbar in mehreren, langen Spielen erarbeitet werden. Des Weiteren muss man Tabellen und Wertungsleisten mögen, auf viele verschiedene (15+) Aktionsmöglichkeiten pro Zug stehen und generell kein Problem damit haben, wenn ein Spiel offenbar aus mindestens zwei offenbar zusammengefügten Teilspielen besteht von denen mindestens eins wirklich auf krudeste Weise auf das Thema "Weinbau" aufgepfropft wurde.

Summa summarum: Vinhos ist sicher kein kaputtes Spiel im Sinne dass es mechanische Defizite oder Unbalanciertheiten enthält. Aber es ist einfach total vollgepackt, überladen, „over-engineered“ wie wir Softwareentwickler sagen würden. Und damit verliert es jegliche Eleganz die man doch bei jedem guten Spiel irgendwo haben müsste. Wie kann man nur ein Eurogame entwickeln was derart viele Tabellen braucht? Wenn ich sowas will, dann spiele ich lieber ein Wargame. Und dann die Spieldauer: zweieinhalb Stunden, ok, kein Problem. Unsere [b]Imperial[/b]-Runden dauern auch so lange, ebenso die [b]Twilight Struggle[/b] oder [b]Washingtons War[/b] Partien. Aber bei diesen Spielen stellt sich irgendwann ein angenehmes Spielgefühl ein, eine gute Mischung aus gefordert und entspannt sein die man neudeutsch auch als „Flow“ bezeichnet. Aber Vinhos, nee, das ist nur anstrengend, unübersichtlich und kleinteilig. Bei BGG hat dieses Spiel von mir jetzt [b]4 von 10 Punken[/b] bekommen und selbst da bin ich mir nicht sicher, ob das nicht zu großzügig ist.

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Hartmut Th.

RE: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Hartmut Th. » 31. Januar 2011, 21:11

"Jerry" hat am 31.01.2011 geschrieben:
...
> Summa summarum: Vinhos ist sicher kein kaputtes Spiel im
> Sinne dass es mechanische Defizite oder Unbalanciertheiten
> enthält. Aber es ist einfach total vollgepackt, überladen,
> „over-engineered“ wie wir Softwareentwickler sagen würden.
> Und damit verliert es jegliche Eleganz die man doch bei
> jedem guten Spiel irgendwo haben müsste.

Du sprichst mir aus der Seele und hast schön zusammengefasst, was uns auf der SPIEL nach etwa 90 Minuten Regeln aufsaugen und anspielen in Erinnerung geblieben ist. Ja, es funktioniert, nein, ich muss es nicht haben und auch nicht spielen.

verspielte Grüße, Hartmut

- Spielekreis Hiespielchen - www.hiespielchen.de -

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ferion

Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon ferion » 31. Januar 2011, 21:45

...da zeigt sich mal wieder, wie sich auch die Geister von Vielspielern scheiden können.
Zugegeben, ich mußte die Regeln 3x lesen, um letztendlich alles verinnerlicht zu haben (obwohl sie - zumindest im nachhinein betrachtet - keine Frage offenlassen) und bei neuen Mitspielern benötige ich für die Regelerklärung ca. 45 min, aber Vinhos ist - neben Luna - mein klarer Favorit aus Essen 2010.
Ich finds weder überladen noch zu lang,zumnindest, wenn man die Mechanismen spätestens nach dem 3. Spiel intus hat.
(1. Spiel zu viert: ca. 3,5 Std; seit dem 3. Spiel 2,5 Std)
Was du als "überladen" bezeichnest, betrachte ich als "vielfältige Wege, die zum Sieg führen (können).
Für mich hat Vinhos 2 Daumen nach oben verdient.

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Warbear

Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Warbear » 31. Januar 2011, 21:48

Meine Frau hatte die Regeln vorab 2x durchgelesen.
Als wir das Spiel dann auf dem Tisch hatten (3er Partie), dauerte ihre Regel-Erklärung ca. 30 min., und wir hatten kein sonderliches Problem damit.

Natürlich verlief unsere Partie nicht optimiert, aber interessant, und jeder wußte, was er/sie beim nächsten mal besser machen konnte.

Ich finde, Vinhos ist ein anspruchsvolles Eurogame mit viel Potential und funktioniert m.E. sehr gut - überfrachtet finde ich es nicht. Ich habe bisher aber keine weitere Partie gespielt, was hauptsächlich daran liegt, daß mir die ständige Optimiererei bei den Eurogames schon seit einer Weile ziemlich auf den Geist geht. Meine spielerischen Interessen liegen inzwischen mehr woanders.

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Richard van Vugt | GAMEPACK.nl
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Richard van Vugt | GAMEPACK.nl » 31. Januar 2011, 22:08

Ich habe die Regel jetzt zum zweiten Mal gelesen und frage mich ernsthaft: 'Where'sThe Game?' Ich kann mich durchaus vorstellen warum Du 'Vinhos' so beschrieben hast. Ich habe mich auch gedacht: 'Ich habe mehr als 500 Regel von Spielen gelesen, habe Spiele wie '1830', 'Squad Leader' usw. gespielt; aber was ist mit diesem Spiel los weshalb ich nicht gleich verstehe wie es gespielt werden muß?'.

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Brer Bear
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Brer Bear » 31. Januar 2011, 23:04

Mir gefällt Vinhos sehr und ich finde nicht, dass es überfrachtet ist. Ich brauchte zwar auch einige Zeit, um die Regeln zu verinnerlichen, aber dann wirkt alles schön stimmig und eigentlich auch gar nicht mehr so komplex wie es beim ersten Blick auf die Regeln der Fall ist. Für mich eins der besten Spiele der letzten Zeit.

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Ina-spielbox
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Ina-spielbox » 1. Februar 2011, 00:06

Aus meiner Sicht ist Vinhos neben Luna und London das beste Spiel aus Essen 2010.
Ja, beim ersten haben Mal wir mit Aufbauen und Erklären auch eine Stunde zugebracht, anschließend hat das Spiel zu dritt auch fast 3 Stunden gedauert, aber gefühlt war es deutlich weniger Zeit. Es war zu keinem Moment langweilig. Inzwischen haben wir es noch zwei mal zu zweit gespielt und es macht immer noch viel Spaß. Sicher, die Einstiegshürde ist nicht hoch, aber wenn man einmal dabei ist, spielt es sich flüssig. Es gibt neun verschiedene Aktionen, aus denen man wählt und man macht ja nur zwei pro Runde. Das finde ich übersichtlich.
Aber Geschmäcker sind ja zum Glück unterschiedlich und jeder kann für sich das richtige Spiel finden.

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ravn

Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon ravn » 1. Februar 2011, 00:18

Ich find Vinhos gut, eben weil es komplex verschachtelt ist. Damit grenzt es sich interessant von anderen Eurogames ab, die einen einzigen Mechanismus in den Mittelpunkt stellen und ein ganzes Spiel drumherum aufbauen.

Den einen gefällt es, den anderen eben nicht. Das Schöne an unserer Spielelandschaft ist doch, dass wir Auswahl im Überfluss haben und jeder so seine Lieblingsspiele finden kann. Für den einen ein Fehlkauf, für den anderen der spielerische Olymp. Warum auch nicht? Spielegeschmäcker sind eben verschieden und können sich auch in einem Spielerleben durchaus wandeln.

Deshalb bin ich ganz entspannt, auch wenn ich Vinhos gut finde. Weil ich akzeptieren kann, dass Dir Vinhos eben wenig bis keinen Spielspass bietet.

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achim

Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon achim » 1. Februar 2011, 01:09

Hallo Jerry,

ich kann deinen Ausführungen nur bedingt folgen. Vorne weg, muss ich sagen, dass ein gutes Spiel nicht zur Vorbedingung haben muss, dass es sehr lange dauert und sehr ausufernde Regel besitzt. Da gibt es beileibe einige Rohrkrepierer, die ich mir stundenlang bislang angetan habe, nur um festzustellen, dass mit zunehmenden Umfang einer Regel sowie stundenlanges Spielen noch kein gutes Spiel auf dem Tisch liegen muss.

Vinhos habe ich bisher dreimal gespielt. Zunächst habe ich sehr intensiv das Regelwerk gelesen. Etwa 90 minuten habe ich dazu verbraten. Eine Frage konnte ich nicht klären, nämlich ob es auch einen negativen Bereich in der Punkteleiste gibt. Nun das muss man wohl selbst vor dem Spiel bestimmen. Dann habe ich mit drei Leuten gespielt. Regeltechnisch dachte ich, keine Probleme zu haben. Anschließend habe ich die Regel noch einmal gelesen und festgestellt, dass doch ein kleiner Fehler in unserer Spielweise war. Das passiert auch immer wieder einmal bei einfacheren Spielen. Ist also nicht weiter bemerkenswert. Einige Tage später habe ich das Spiel einer anderen Dreipersonen-Gruppe erklärt und mit ihnen zweimal gespielt. Keiner meiner Mitspieler hatte merkbare Schwierigkeiten das Spiel zu verstehen, obwohl ich bestimmt nicht eine begnadeter Regelerklärer bin. Einzelne Regeln wurden auch immer wieder einmal während des Spiels abgefragt. Auch das ist für ein Vielspieler-Spiel imo normal. Wenngleich es natürlich schwierig ist das Spiel zu gewinnen, so ist es in meinen Augen nicht sehr schwierig das Regelwerk zu begreifen und umzusetzen.


Jetzt kommt der Teil, da stimme ich mit dir überein.
Eines werde ich nie verstehen können, nämlich wieso man so ein Spiel in Essen spielen möchte. Die Regelerklärung dauert locker 45 Minuten, unsere drei Partien dauerten alle 4 - 5 Stunden (ohne Regelerklärung). Ehrlich, ich glaube, ich würde in dem Lärm und dem Gedränge, das in Essen herrscht, bei so einem Spiel ausrasten.

Ansonsten ein sehr schönes Spiel. Nach dreimaligem Spiel meine ich zwar ein Häarchen in der Suppe gefunden zu haben, in der Art, dass derjenige, der das Spiel beginnt einen großen Vorteil hat, sofern zwei der -1 Vorteilsplättchen oben liegen. Das kann man aber entschärfen, indem man vor dem Spiel darauf achtet, dass höchstens eines beim Start zu haben ist.

Für Gelegenheitsspieler ist das nichts, für Vielspieler, mit einer Vorliebe für komplexere Spiele, ist es aber bestimmt ein Spiel, dass man nicht liegen lassen sollte.

Die Spielentwickler achten seit Jahren besonders darauf, die 3 Stunden Spieldauer nicht zu überschreiten. 90-120 Minuten lautet das Schlagwort, ob das nun für erfahrene oder unerfahrene Spieler gilt. Die Spieler, die sich früher "Spielefreak" nannten, kamen nach 3 Stunden erst so langsam auf Betriebstemperatur. Regeln gab es, das waren Bleiwüsten ohne Bebilderung, ohne Beispiele, dafür fünfmal so umfangreich wie z.B. Vinhos, und stellenweise total unverständlich. Im Gegensatz dazu hat Vinhos eine klare und übersichtliche Regel. Anschauliche Beispiele runden das Werk ab. Ich bin jemand, der Regelwerke sehr kritisch betrachtet, Vinhos bekommt von mir aber ein klares Daumenhoch. Lediglich eine Kurzübersicht für jeden einzelnen Spieler fehlt, muss aber auch nicht unbedingt sein. Es sind so viele Tabellen auf dem Spielplan, da bedarf es nicht auch noch einmal einer gesonderten Übersicht. Fast alles ist mit entsprechenden Symbolen versehen, klar verständlich und sprechend. Das ist sehr gut gemacht. Diejenigen, die für uns dieses Spiel entwickelt haben, haben im Hinblick auf Übersichtlichkeit und Verständlichkeit hervorragende Arbeit geleistet.
Bisher eines der besten Spiele, die ich seit langem gespielt habe. Klar, das Spiel ist kein Spiel für jedermann, aber die gemachten Vorwürfe von einem selbsternannten Vielspieler kann ich in keinster Weise nachvollziehen.

Gruß
Achim

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Braz
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Braz » 1. Februar 2011, 01:50

Hi Jerry,

also ich finde auch nicht, dass das Spiel überladen ist: Es ist mE ein sehr schönes Spiel über den Weinanbau, Weinabbau und Handel. Alle Mechanismen greifen mE sehr gut ineinander.

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Dirk Piesker
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Vinhos und Grand Cru und 1830

Beitragvon Dirk Piesker » 1. Februar 2011, 07:08

Hi Jerry,


ich habe mich insbesondere auf Vinhos und Grand Cru gefreut, und jetzt stehen beide bei mir noch ungespielt im Schrank.

Bei Vinhos liegt das aber eher daran, dass ich eine entsprechende Vielspielerrunde bisher nicht zusammenbekommen habe. Bin also nach wie vor sehr gespannt.
Zum Thema 1830: Die Regellektüre und das erste Spiel dürften bei allen (auch bei mir) so lange zurückliegen, dass der Nebel der Gutmütigkeit die Anstrengungen überdecken.

Ich habe viel mehr Bachschmerzen bei Grand Cru. Der Versteigerungsmechanismus turnt mich ziemlich ab. Ja, ich weiß, vom Regellesen alleine....
Aber der Erwerb von Reben durch Versteigerung widerspricht meiner Vorstellung vom Weinbau so enorm, da muss ich mich echt schütteln.

Bin gespannt.

Viele Grüße,
Dirk

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Jerry

Überladen oder nicht?

Beitragvon Jerry » 1. Februar 2011, 08:08

Hossa zusammen,

es haben sich hier nun ein paar Vinhos Spieler geoutet und ich habe jetzt mehrfach den Satz gelesen, dass das Spiel keinesfalls überladen sei. Dann möchte ich nochmal nachhaken und fragen: gibt es überhaupt Spiele die ihr als überladen empfindet?

Ein kleines aber m.E. prägnantes Beispiel aus Vinhos: Man kann seine Weine verkaufen und je nach Qualität erzielt man dafür 3 bis 10 Taler. Für diese Auszahlung gibt es eine eigene Leiste mit den drei Wertegruppen 3/4 und 5/6/7 und 8/9/10. Verkaufter Wein kommt in Form eines Fasses auf die Verkaufleiste und man kann seine Weine frei verkaufen. Wenn man später aber ein solches Faß zurückhaben möchte dann kann man immer nur Fässer der gleichen Wertegruppe zurücknehmen (also z.B: kein 3er und 10er Fass gleichzeitig).

Das meine ich mit überladen: Der Verkaufsmechanismus ist sowieso schon trickreich da man sein Geld nicht sofort bekommt sondern erstmal auf's Konto wo man es später abholen muss, es sei denn man will es verzinsen lassen usw. Aber warum sind Abgabe und Rücknahme der Fässer asyymmentrisch? Warum in aller Welt kann ich die Verkaufsfässer nicht frei zurückholen? Warum geht das nur gruppenweise? Welcher spielerische Mehrwert(!) wird hier erzielt der diese Extraregel rechtfertigt?

J.

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Braz
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Re: Überladen oder nicht?

Beitragvon Braz » 1. Februar 2011, 08:40

Hi,

Jerry schrieb:
>
> Hossa zusammen,
>
> es haben sich hier nun ein paar Vinhos Spieler geoutet und
> ich habe jetzt mehrfach den Satz gelesen, dass das Spiel
> keinesfalls überladen sei. Dann möchte ich nochmal nachhaken
> und fragen: gibt es überhaupt Spiele die ihr als überladen
> empfindet?

Nu klar! Was ist das denn für eine Frage? :-O
Bloß weil du Vinhos überladen findest muss doch nicht gleich die ganze Spielgemeinschaft das auch finden... (=neutral und ehrlich gemeint).

Was finde ich überladen....lass mich mal überlegen: Carcassonne mit (!) seinen ganzen Erweiterungen finde ich ordentlich überladen. Das Basisspiel und vielleicht noch eine Erweiterung und gut ist....alles andere wird mir zu viel und erhöht mE nicht den Spielspaß....

Mal abgesehen davon, dass ich Siedler von Catan nicht mag, gilt dieses auch für die Siedler: Basispiel & alle Erweiterungen wirken auf mich einfach zu überladen.

Wenn etwas "überladen" ist, dann ist das für mich eine Eigenschaft eines Spiels, die den Spielwert nicht erhöht sondern vielleicht verkompliziert ohne dabei einen zusätzlichen Nutzen zu haben. Bsp: Ich schütte Wasser in ein Glas. Wenn es voll ist und ich schütte weiter Wasser oben drauf, dann läuft es oben über (Glas = Spielreiz; Wasser = Spielmechanismen).

Bei Vinhos ist der Verkaufmechanismus mE keinesfalls überladen. Hier muss genau abgewägt werden, ob ich ein Fass zum Export schicke und somit gute Siegpunkte generiere ABER damit auch das Fass als spielerische Option verliere ODER ob ich den Wein an die Händler verkaufe. Hier bekomme ich den Wein zurück, aber nur paarweise. Dies hat zur Folge, dass ich, sollte ich bereits 1 Wein verkauft haben, ganz genau überlegen muss, wohin ich meinen nächsten Wein verkaufe, um ihn schnellstmöglich wieder zurückzubekommen.
Welche inhaltlich Spielmechanik dem zu Grunde liegt kann dir womöglich nur der Autor sagen. Ich finde es auf jeden Fall eine gute Regelung. Rein inhaltlich ist es aber auch so, dass man ja nur zu 1 Kunden hingeht, an den man verkaufen kann UND von dem man die Fässer wieder zurückbekommen kann. Inhaltlich: Ich verkaufe volle Fässer Wein an den Kunden und hole meine leeren Fässer paarweise wieder ab. Ich fahre ja auch nicht gleich wegen 1 leeren Kiste gleich zum Getränkemarkt, um sie dort abzugeben, sondern sammele erst mal ein paar leere Kisten. Hingegen ich ab und an mal bei einem Einkauf eine volle Kiste einkaufe....somit sind mein Einkauf und meine Kistenabgabe asynchron....und das ist ein Beispiel aus dem wahren Leben. ;-)
Gleichzeitig, bei der Rücknahme der Fässer im Spiel, sag ich noch dem Kunden, wo man guten Wein kaufen kann und setze dies im Spiel durch die Bekanntheitswürfel um....

Kurzum: Ich sehe da wirklich nichts überladenes.


Gruß
Braz

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David Rosenberg
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Re: Überladen oder nicht?

Beitragvon David Rosenberg » 1. Februar 2011, 08:41

Jerry schrieb:
>
> Hossa zusammen,
>
> es haben sich hier nun ein paar Vinhos Spieler geoutet und
> ich habe jetzt mehrfach den Satz gelesen, dass das Spiel
> keinesfalls überladen sei. Dann möchte ich nochmal nachhaken
> und fragen: gibt es überhaupt Spiele die ihr als überladen
> empfindet?

Hallo Jerry,

als jemand, dem Vinhos gut gefällt , möchte ich gerne direkt auf Deine Frage antworten. Ja, es gibt solche Spiele, die ich für überfrachtet halte, mir kommt da z.B. "Die Werft" in den Sinn. Dieses Spiel hat mir gar nicht gefallen und zwar genau aus dem Grund: Es ist mit Mechanismen überfrachtet, die für meinen Geschmack nicht gut ineinander greifen und insgesamt kein gutes Spielgefühl bei mir erzeugen.

Genau dieses Empfinden habe ich bei Vinhos nicht. Die Mechanismen sind zwar durchaus komplex, repräsentieren aber weitestgehend einen realistischen Sachverhalt UND machen auch spieltechnisch Sinn und Spaß. Letztlich aber wohl alles eine Frage des persönlichen Geschmacks.

Jerry schrieb:
> Aber
> warum sind Abgabe und Rücknahme der Fässer asyymmentrisch?
> Warum in aller Welt kann ich die Verkaufsfässer nicht frei
> zurückholen? Warum geht das nur gruppenweise? Welcher
> spielerische Mehrwert(!) wird hier erzielt der diese
> Extraregel rechtfertigt?
>

Von der Story her: Weil man das Leergut erst zurückbekommt, wenn ein Abnehmer eine bestimmte Menge an Wein verbraucht hat.

Spieltechnisch: Damit man seine Verkäufe entsprechend planen muss. Fässer sind in diesem Spiel ein bewusst limitierender Faktor, gerade am Ende des Spiels. Wenn man nun Weine mit stark unterschiedlichem Wert produziert und diese verkauft, muss einem auch klar sein, dass man die Fässer so schnell nicht wiederbekommt. Ein weiteres schönes Element, dass man in seine spielstrategischen Planungen mit einbinden muss.

Viele Grüße
David

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David Rosenberg
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon David Rosenberg » 1. Februar 2011, 08:55

Hallo Achim,

ich stimme Dir in fast allem zu, möchte aber auf ein Thema eingehen, das ich etwas anders sehe:

achim schrieb:

> Eines werde ich nie verstehen können, nämlich wieso man so
> ein Spiel in Essen spielen möchte. Die Regelerklärung dauert
> locker 45 Minuten, unsere drei Partien dauerten alle 4 - 5
> Stunden (ohne Regelerklärung). Ehrlich, ich glaube, ich würde
> in dem Lärm und dem Gedränge, das in Essen herrscht, bei so
> einem Spiel ausrasten.

Ich persönlich fahre nach Essen, um mir einen Eindruck über die Spieleneuheiten zu verschaffen. Dazu gehört es, dass ich Spiele anspiele, wenn es die zeitliche Tagesplanung und der Spielspaß ergeben auch durchaus mal durchspiele. Dass es in den Hallen laut ist, ist bei komplexen Spielen oft ein leicht störender Faktor, gehört zu Essen aber einfach irgendwie dazu. Da ich grundsätzlich sehr gerne komplexe Strategiespiele spiele, muss ich mit dieser Situation in Essen bei jedem Anspielen aufs Neue klar kommen. Und ganz ehrlich: Es macht mir Spaß!

Im konkreten Fall bei Vinhos waren wir morgens frisch und ausgeruht am Stand und haben eine der besten Spielerklärungen erhalten, an die ich mich erinnern kann. Die junge Dame hat uns das Spiel sehr systematisch und regelsicher erklärt und wir haben das Spiel zur Hälfte (bis zur ersten Weinmesse) gespielt. Auch wenn wir anschließend nicht alle Regeln verinnerlicht hatten, um es ohne Regellesen sofort nochmal spielen zu können, hatten wir alle einen grundsoliden Eindruck, der bei allen Beteiligten klar gemacht hat, dass es sich hier um einen Pflichtkauf handelt. Genau der Grund, warum ich jedes Jahr nach Essen fahre.

Viele Grüße
David

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peer

Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon peer » 1. Februar 2011, 09:25

Hi,

ich glaube dieser Text beschreibt die Sachlage ganz gut:
http://de.trictrac.net/news-organoleptische-prufung.php

ciao
peer

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Warbear

Re: Überladen oder nicht?

Beitragvon Warbear » 1. Februar 2011, 10:18

Jerry schrieb:
>
> es haben sich hier nun ein paar Vinhos Spieler geoutet und
> ich habe jetzt mehrfach den Satz gelesen, dass das Spiel
> keinesfalls überladen sei. Dann möchte ich nochmal nachhaken
> und fragen: gibt es überhaupt Spiele die ihr als überladen
> empfindet?

Kommt darauf an, was man als "überladen" versteht:
- wenn bei einem Spiel "überladen" bedeuten soll, daß zuviele unnötige Regeln enthalten sind, dann gibt's natürlich jede Menge davon.
- wenn "überladen" bedeuten soll, daß so viele Spezial-Regeln enthalten sind, daß man mit der Spiel-Regel auf Dauer total überfordert ist, dann kenne ich im Eurogames-Bereich derartiges nicht. Im Cosim-Bereich gibt's allerdings einige solcher Monster-Games, z.B. Campaign for North Africa (SPI), War in the Pacific (SPI/Decision Games), World at War (GMT) ...

.

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Björn-spielbox
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Björn-spielbox » 1. Februar 2011, 10:37

Vielen Dank für diesen Eindruck.
Ich war neulich bei einem fremden Spieletreffen und da haben wir London und Troyes gespielt. Es wurde dann gesagt, ich müsste dann ja auch Vinhos toll finden... ich sagte nein. Warum? Ich habe kein Bezug zu diesem Spiel aufbauen können! Ich habe es noch nicht gespielt - aber ich verspüre überhaupt keinen Reiz - denn allein das Spielbrett nimmt mir die Lust auf dieses Spiel. Die Regeln habe ich angefangen zu lesen - ich muss das nicht haben.
Bei fast 800 Spielen und meinen Messelieblingen London, Troyes und Navegador und mehreren Spieletreffs pro Woche bin ich durchaus sicher als Vielspieler zu bezeichnen - aber ich muss mich nicht foltern - schon alleine, weil es viel zu viele Spiele gibt, die mir mehr zusagen. Ach ja - ich stiess auf Unverständnis mit meiner Meinung, die ich in etwa so ausgedrückt hatte "Nö Vinhos reizt mich nicht" :-)
Gut dass es so viele Spiele gibt und wir hier in einem spielerischen Paradies leben - so spielt jeder was er mag! Aber ich finde es toll auch mal eine Meinung zu lesen, die fernab ist von "je komplexer desto besser". Noch schlimmer finde ich "Je weniger Glückselemente, desto besser das Spiel". Für mich muss ein Spiel elegant sein... dann klappt das auch mit dem Flow... :-)

Viel Spaß,
Björn.

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Jerry

Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Jerry » 1. Februar 2011, 10:49

peer schrieb:

> ich glaube dieser Text beschreibt die Sachlage ganz gut:
> http://de.trictrac.net/news-organoleptische-prufung.php

Wunderbarer Text, vielen Dank dafür! :-)
Diese Webseite muss ich mir genauer anschauen.

J.

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Dietrich
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Re: Kein [PEEP]: Vinhos

Beitragvon Dietrich » 1. Februar 2011, 10:55

Moin,
diese Diskussion erinnert mich stark an den anderen [i]Hype [/i] im vergangenen Jahr [i]Vasco da Gama[/i] aus dem gleichen Verlag, bei dem u. a. auch meine Spielgruppe das [i]Spiel[/i] dahinter gesucht hat.
[i]Manche scheinen illustrierte Excel-Tabellen zu mögen![/i]
Und dabei wollte ich 'Vasco da Gama' mögen, habe es ja teuer gekauft und mit verschiedenen Spielern ausprobiert - nun steht es herum ...
Also habe ich nach Regelstudium und Ansicht in Essen so wie der Erfahrung von 2009 habe ich von 'Vinhos' gleich die Finger gelassen. Es gab ja da noch Grand Cru ...

Spielerische Grüße,
Dietrich

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Christof T.
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Re: Überladen oder nicht?

Beitragvon Christof T. » 1. Februar 2011, 10:58

Braz schrieb:

> Was finde ich überladen....lass mich mal überlegen:
> Carcassonne mit (!) seinen ganzen Erweiterungen finde ich
> ordentlich überladen. Das Basisspiel und vielleicht noch eine
> Erweiterung und gut ist....alles andere wird mir zu viel und
> erhöht mE nicht den Spielspaß....
>
> Mal abgesehen davon, dass ich Siedler von Catan nicht mag,
> gilt dieses auch für die Siedler: Basispiel & alle
> Erweiterungen wirken auf mich einfach zu überladen.
>

Ich denke mal, dass die Frage auf Spiele abzielte, die als ganzes überladen sind und nicht auf Spiele die man sich mit Erweiterungen überladen kann. Das eine hat mit dem anderen nicht so viel zu tun.

Erweiterungen von Basis-Spielen sollen dem erfahrenen Spieler des Spiele Abwechslung bieten. Es geht aber in dem gesamten Thread um Spiele, die von vorne herein als Gesamtpakt schon »zu schwer sind«.

Heißt dass dann im Umkehrschluss, dass es für dich keine überladenen Spiele gibt?

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Jerry

Dann eher: Oberhalb der Schmerzgrenze :-)

Beitragvon Jerry » 1. Februar 2011, 11:23

Braz schrieb:
> [Jerry]: gibt es überhaupt Spiele die ihr als überladen empfindet?
>
> Nu klar! Was ist das denn für eine Frage? :-O
> Bloß weil du Vinhos überladen findest muss doch nicht gleich
> die ganze Spielgemeinschaft das auch finden...

Och Mönsch, so war das doch nicht gemeint.

Meine Frage ist ganz einfach: ich wüsste gern ob es Einzelspiele gibt, die du als überladen empfindest und falls ja, welche das sind. Dabei definiere ich überladen im weitesten Sinne als "zu viele Einzelmechanismen zusammengebaut"

Für mich ist Vinhos oberhalb dessen was ich an Kompliziertheit zu akzeptieren bereit bin. Für andere wie dich ist das nicht so. Nun interessiert mich einfach wo bei dir und den anderen Vinhos-Freunden die individuelle Schmerzgrenze liegt.

J.

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Andy

mit was vergleichbar

Beitragvon Andy » 1. Februar 2011, 11:23

Hallo ich hab nun alle für und wider gelesen und es würde mich interessieren mit welchem Spiel die Einstiegshürde vergleichbar wäre

Grüsse

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Braz
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[OT] : Dann eher: Oberhalb der Schmerzgrenze :-)

Beitragvon Braz » 1. Februar 2011, 11:29

Jerry schrieb:
>
> Braz schrieb:
> > [Jerry]: gibt es überhaupt Spiele die ihr als überladen
> empfindet?
> >
> > Nu klar! Was ist das denn für eine Frage? :-O
> > Bloß weil du Vinhos überladen findest muss doch nicht gleich
> > die ganze Spielgemeinschaft das auch finden...
>
> Och Mönsch, so war das doch nicht gemeint.


von mir ja auch nicht....ist oft doof, wenn man`s liest...hatte mir schon gedacht, dass es evtl. anders rüberkommt....stell dir die Frage von mir einfach nochmal vor mit einem leichten Grinsen im Gesicht vor...dann paßt`s ;-)

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ravn

Re: mit was vergleichbar

Beitragvon ravn » 1. Februar 2011, 11:37

Andy schrieb:
>
> Hallo ich hab nun alle für und wider gelesen und es würde
> mich interessieren mit welchem Spiel die Einstiegshürde
> vergleichbar wäre

Mit typischen Fantasy Flight Grossboxen Spielen. Das Regelwerk ist umfangreich präsentiert und muss genau gelesen werden, hat aber viele Beispiele. Die erste Partie ist ein Stochern im Nebel der Möglichkeiten. Durch die verzahnte Komplexität kann sich der Spielwert ergeben - oder man mag es eben nicht.

Zudem gibt es bei BGG ein Tutorial und diverse Videos, die Dir das Spiel erklären und die Einstiegshürde verringern. Ist aber schon am oberen Ende der Eurogames-Komplexitäts-Skala einzuordnen. Als CoSim-Spieler (der ich nur sehr begrenzt bin) kennt man da eventuell anderes und hat auch eine ganz andere Herangehensweise an solche Spiele.

Kurz gesagt: Für Vielspieler ist Vinhos verdaulich, wenn man entsprechend Zeit für die Regellektüre mitbringt und nicht meint, direkt nach dem Auspacken losspielen zu können im Kreise von ungeduldigen Mitspelern.

Cu / Ralf


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