Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Allgemeine Spiele-Themen
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ErichZann
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Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon ErichZann » 18. Juni 2011, 12:27

Interessanter Artikel und eigentlich auch eine berechtigte Frage, (obwohl ich sehr gerne Puerto Rico und Age of Empires spiele) warum ausgerechnet immer eine sehr dunkle Zeit der Menscheitsgeschichte für Eurogames herhalten muss. Was denken vor allem farbige Menschen oder Nachfahren Amerikanischer Ureinwohner über solche Spiele?

http://bitchmagazine.org/post/revenge-of-the-feminerd-board-game-colonialism
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Weltherrscher
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Weltherrscher » 18. Juni 2011, 12:41

xfinkx schrieb:
>
> Interessanter Artikel und eigentlich auch eine berechtigte
> Frage, (obwohl ich sehr gerne Puerto Rico und Age of Empires
> spiele) warum ausgerechnet immer eine sehr dunkle Zeit der
> Menscheitsgeschichte für Eurogames herhalten muss. Was denken
> vor allem farbige Menschen oder Nachfahren Amerikanischer
> Ureinwohner über solche Spiele?
>
> http://bitchmagazine.org/post/revenge-of-the-feminerd-board-game-colonialism

Der Artikel ist sehr tendenziös geschrieben, und manche der genannten "Fakten" halten einer Überprüfung nicht stand.

Jedes Zeitalter hat positive und negative Seiten. Im Rückblick betrachtet wird unsere Zeit auch nicht allzu gut abschneiden. Da sollte man sich keine Illusionen machen. Hier im Forum gab es mal heftige Diskussionen über dieses Trollspiel, dass auf satirische Weise die negativen Auswüchse in Frankreich gegenüber den Roma ansprach. Kritische Spiele sind halt nicht "familienfreundlich". Auf der anderen Seite muss man auch sehen, welche Teilaspekte sich für ein Spiel eignen und welche nicht. Ich mein jetzt reich von der Mechanik und der Spielidee her, nicht vom Inhalt.

Ob es wirklich so wenige Frauen sind die Brettspiele entwickeln weiß ich nicht, dass es weniger dunkelhäutige Menschen sind kann ich auch schlecht prüfen. Man kennt nicht allzu viele der Autoren mit Bild.

Aber wenn ich nicht ganz falsch liege leben in Europa absolut und relativ gesehen deutlich weniger dunkelhäutige Menschen als in Amerika.

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ErichZann
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon ErichZann » 18. Juni 2011, 12:44

Du gehst natürlich auf den Schwachpunkt des Artikels ein aber irgendwie nich auf die Grundaussage...grade in Bezug auf Age of Empires wo ich halt einfach Punkte für das Vertreiben/Vernichten von Ureinwohnern bekomme...das ist wenn man ernsthaft darüber nachdenkt schon ziemlich grenzwertig. Oder das in Puerto Rico halt einfach alles negative ausgeblendet wird...aus Sklaven werden Kolonisten haha sehr clever ;-)

Die Frage ist halt, wenn man für einen Euromechanismuss wirklich alle Möglichkeiten für ein Thema hat (Puerto Rico könnte genausogut im Weltraum spielen) warum nimmt man dann gerade sowas kritisches?
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Attila
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Attila » 18. Juni 2011, 13:20

Hiho,

Manchmal ist ein Spiel einfach nur ein Spiel ... mag das Thema noch so aufgesetzt sein, es bleibt doch ein Spiel.

Erstaunlich eigentlich, aber nicht so hart wie es sich anhört.

Atti

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Weltherrscher
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Weltherrscher » 18. Juni 2011, 13:22

xfinkx schrieb:
>
> Du gehst natürlich auf den Schwachpunkt des Artikels ein aber
> irgendwie nich auf die Grundaussage...grade in Bezug auf Age
> of Empires wo ich halt einfach Punkte für das
> Vertreiben/Vernichten von Ureinwohnern bekomme...das ist wenn
> man ernsthaft darüber nachdenkt schon ziemlich grenzwertig.

Es ist halt ein Gradmesser für "Erfolg", und im historischen Kontext wurde der Erfolg halt so gemessen, und nicht darin wie beliebt man beim Nachbarn war. ;)

Wenn man die Tatsache ausblendet, würde es dann wieder heißen man hätte das ganze weichgespült.

> Oder das in Puerto Rico halt einfach alles negative
> ausgeblendet wird...aus Sklaven werden Kolonisten haha sehr
> clever ;-)
>

http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Puerto_Ricos#Beginn_der_Kolonisation

Allein die Kolonisten durch Sklaven auszutauschen würde der historischen Situation auch nicht gerecht. Kannst Du unter dem Link auch nachlesen. Die spanische Krone war sogar gegen Sklaverei, die Siedler hat das nur wenig interessiert. So oder so wird die historische Situation verkürzt dargestellt. Außerdem wäre bei manchen Gebäuden bei Puerto Rico vermutlich auch eine Differenzierung notwendig. Nicht jedes der Gebäude war davon abhängig.

Es täte solchen Spielen sicher gut, wenn es ein Beiblatt dazu gäbe, was die historische Situation beleuchtet, aber wie das mit Geschichte so ist, je weiter zurück, desto umstrittener. Einfach weil die Fakten immer weniger überprüfbar sind.

> Die Frage ist halt, wenn man für einen Euromechanismuss
> wirklich alle Möglichkeiten für ein Thema hat (Puerto Rico
> könnte genausogut im Weltraum spielen) warum nimmt man dann
> gerade sowas kritisches?

Weil es ein Interesse für solche Themen gibt. Wenn auch meist nur ein oberflächliches, was bedauernswert ist.

Es gibt ja auch durchaus historische Spiele die sehr ins Detail gehen, die finden aber halt meist keinen großen Markt. Spontan fällt mir keins ein, weil ich selbst noch keins gespielt habe, ich habe aber schon öfter über größere Spiele dieser Art gelesen.

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ErichZann
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon ErichZann » 18. Juni 2011, 13:30

Ja die Frage ist ja eben warum gerade dann das Thema wenns doch so aufgesetzt ist und nich irgendwas anderes fiktives?
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Duchamp

Gedankensplitter

Beitragvon Duchamp » 18. Juni 2011, 13:31

Ein paar, durchaus widersprüchliche, Gedankensplitter:

1. Satirische / überhöhte Spiele sind etwas anderes, als unkritisch-romantisierende.

2. Gerade der letzte Hippodice-Sieger "Afrika 1830" zeigt ein aktuelles Beispiel - ich kenne die Regel nicht, oder wie es ggf. redaktionell aufgearbeitet würde, aber die Beschreibug liest sich relativ "typisch" - und nach meinem Wissensstand grenzwertig.

3. Brettspiele brauchen einen Sieger - wenn nicht ko-operativ. Oft werden hier Dinge ausgelebt, die im echten Leben sehr viel kritischer gesehen würden. Schon Monopoly spielt mit dem (geheimen) Wunsch, einmal das kapitalistische @!#$ sein zu dürfen und anderen das Geld aus der Tasche zu ziehen, bis keiner mehr übrig bleibt. Das Ursprungsspiel "The Landlord`s Game" von 1904 hatte noch einen gesellschaftskritischen Ansatz - und war nicht erfolgreich. Und auch beim Schach fragt man sich nicht, wie das Schlachten auf einem Schlachtfeld denn wirklich ausgesehen haben mag - wobei die große Abstraktion hier natürlich "hilft".

4. Welche "helle" Zeit könnte denn besser geeignet sein? Ob ich Pyramiden baue, die Welt entdecke, Kriege führe oder ein Wirtschaftsimperium zu Beginn des 20. Jhdts. aufbaue - hinterfragt steckt hinter fast jedem (Euro-)Spielthema Blut, Ausbeutung und menschliches Elend.

5. Reinhold Wittig hat bei der Spielautorentagung im März einen Workshop zum Thema "Wenn das die anderen machen würden" durchgeführt. Die Teilnehmer haben mal durchgespielt, wie ein Spiel aussähe, in dem Akrikaner Europa ausbeuten würden. Das Ergebnis war sehr erhellend ...

6. Meiner Ansicht nach gibt es eine gewaltige Grauzone, in der Problematiken eben ausgeblendet werden, was auch i.O. ist - niemand nimmt an, ein historisch korrektes Bild geliefert zu bekommen, sondern sich in einer nun mal geschönten "Spielewelt" zu befinden. Bei Themen, die allerdings explizit auf Ausbeutung und Kolonisation berufen und dies auch deutlich durchziehen, wäre mehr Sensibilität auf jeden Fall wünschenswert. IMHO.

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Abrazzo
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Abrazzo » 18. Juni 2011, 13:46

Nun, interessant ist an dem Artilel lediglich die tendenziöse und fehlerhafte Darstellung, die offensichtliche Ziele verfolgt - wie das meiste aus dem Feminat.

Wenn eine Spiel, ob aufgesetzt oder nicht, ein historisches Thema hat (oder ein wirtschaftliches), dann gehört auch die Sklaverei, auch die Vertreibung von Ureinwohnern, dazu - das zu verschweigen würde wohl eher eine Idealisierung gleichkommen. Es ist meines Erachtens schon problematisch, heutige wohlstandsgetriggerte Moralvorstellungen auf die Vergangenheit zu übertragen, zumal die Themen ja sehr abstrakt umgesetzt werden. Ich sehe darin kein Problem in der Brettspielumsetzung und auch nichts, was man verurteilen muss - wohl aber in der Art des Artikels, Zusammenhänge an den Haaren herbeizuziehen. Wie immer bei diesen Ausbrüchen pseudomoralischer politischer Korrektheit besteht doch eher die Frage, welche Absicht mit solchen Artikeln hier in der Gegenwart verfolgt werden.
Spilerische irrelevant.

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Duchamp

???

Beitragvon Duchamp » 18. Juni 2011, 14:02

Tolle Ausreden ... Bloß nicht übers Thema nachdenken, sondern gleich mal aufs "Feminat" schimpfen und ansonsten "offensichtliche Ziele" unterstellen. Im Übrigen "verurteilt" der Artikel nichts und niemand.

Einfach zu sagen, es sei problematisch, frühere Zeiten aus heutiger Sicht zu betrachten und Missstände zu reflektieren, führt in der Konsequenz in ein Freisprechen sämtlicher "historischer" Verbrechen. Aber da mache ich jetzt lieber nicht weiter, sonst wird mir schlecht.

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Attila
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Attila » 18. Juni 2011, 14:25

Hiho,

Wieso sollte es etwas fiktives sein, wenn's doch sowieso aufgesetzt ist? Ist das nicht schon fiktiv genug?

Atti

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Attila
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Re: ???

Beitragvon Attila » 18. Juni 2011, 14:27

Hiho,

Nur was haben nun Eurogames damit zu tun? - Das hört sich ja an, also ob Eurogames Historische lehren enthalten.

Das tun sie nicht. Sie sind nichtmal Historisch und haben auch nicht den Anspruch es zu sein.

Atti

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Peter Gustav Bartschat

Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 18. Juni 2011, 14:30

xfinkx schrieb:
> [...] warum ausgerechnet immer eine sehr dunkle Zeit der
> Menscheitsgeschichte für Eurogames herhalten muss.

Welche sehr helle Zeit der Menschheitsgeschichte, in der Hunger, Seuchen, Kriege und soziale Ungerechtigkeit völlig unbekannt waren, empfiehlst du denn als geeignetes Spielthema?

Mit einem lieben Gruß
Gustav

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ErichZann
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Re: ???

Beitragvon ErichZann » 18. Juni 2011, 14:33

Sorry aber das kann nicht sein...warum dann diese historischen Themen? Wenn kein interesse an einem historischen Backround besteht warum verkauft er sich dann so gut und wird immer wieder genommen wenn jemand ein Spiel erfindet? muss ja was dran sein irgendwie, oder nicht?

Fantasy und SciFi is was für Nerds und Kinder...der Erwachsene Eurogamer spielt halt lieber was mit historischem Backround...das macht das ganze etwas "ernsthafter".
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Duchamp

Vermittlung

Beitragvon Duchamp » 18. Juni 2011, 14:38

Attila schrieb:
>
> Das hört sich ja
> an, also ob Eurogames Historische lehren enthalten.
>
> Das tun sie nicht. Sie sind nichtmal Historisch und haben
> auch nicht den Anspruch es zu sein.

Sagt der aufgeklärte Vielspieler. Sie tragen aber durchaus zur Festigung von Vorurteilen oder Sichtweisen bei - wie jedes Kinderbuch, Songtexte von Popsongs oder sonstige kulturelle Ausdrucksformen. Natürlich nur marginal, aber eben doch.

Wenn man Brettspiele als Kunstform betrachtet (und das tue ich), erwarte ich eigentlich schon eine Art "Respekt" vor dem Sujet. Und sei es nur in Form einer historischen Anmerkung in der Spielregel.

Nicht mehr und nicht weniger. Und total unideologisch.

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ErichZann
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon ErichZann » 18. Juni 2011, 14:41

Wie wärs wenn man ma seine Fantasie benutzt?

Ausserdem gehts doch nicht darum das es solche Spiele nicht geben darf, sondern einfach darum wie damit umgegangen wird...wie duchamp schon meinte, wenigstens eine Anmerkung dazu wäre wünschenswert.
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peer

Re: ???

Beitragvon peer » 18. Juni 2011, 15:22

Hi,
xfinkx schrieb:
>
> Sorry aber das kann nicht sein...warum dann diese
> historischen Themen? Wenn kein interesse an einem
> historischen Backround besteht warum verkauft er sich dann so
> gut und wird immer wieder genommen wenn jemand ein Spiel
> erfindet? muss ja was dran sein irgendwie, oder nicht?
.

Es gibt verschiedene Gründe:
Erstmal wird ein Thema oft als narrativer Anker benutzt, um Spielhandlungen besser nachvollziehen zu können. Wenn ich Holz und Lehm brauche, um eine Straße zu bauen, merkt man sich das besser als wenn man Gelb und Grün ausgibt um ein Alphaomega zu errichten.
Dann inspirieren bestimmte historische Dinge tatsächlich zu bestimmten Mechanismen. Dabei blendet man bewusst Dinge aus (oder ändert die Geschichte), denn das Ergebnis soll ja ein Spiel sein, keine Simulation o.ä.

Welches Thema nutzen? Naja, wenns keine Simulation sein soll, sollte es ein Thema sein, dass neugierig macht, in das sich Leute schnell reinfuchsen können (also nichts zu abstruses) und das irgendwie spannend ist. In die Alltagswelt will keiner entfliehen, was wohl der Grund ist, warum noch kein Steuererklärungsspiel SdJ werden konnte. Da bietet sich Mittelalter und so an.
Mehr dazu hier: http://www.spielbar.com/wordpress/2011/03/13/2067

Ansonsten stimme ich Duchamps Überlegungen weitestgehend zu. Es ist die Frage wie man mit einer Sache umgeht: verharmlosend, ignorierend, kritisch? Bei einigen Themen kann man die dunkle Vergangenheit beiseite lassen, weil sie nicht automatisch assoziiert wird. Beispiel: Piratenspiele kümmern sich nicht um die Opfer und Vergewaltigungen und das ist kein Problem. Bei anderen Themen ist das schwieriger oder nicht möglich. Ein Spiel dass den Völkermord in Ruanda abdeckt und es als reines Mehrheitenspiel zwischen Hutu und Tutsi aufbereitet, ohne auf die Morde einzugehen wäre mehr als geschmacklos.

Zwischen diesen extremen liegen eine Menge Grauzonen...

ciao
peer

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Jost aus Soest

RE: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Jost aus Soest » 18. Juni 2011, 15:28

"Peter Gustav Bartschat" hat am 18.06.2011 geschrieben:
> xfinkx schrieb:
>> [...] warum ausgerechnet immer eine sehr dunkle Zeit der
>> Menscheitsgeschichte für Eurogames herhalten muss.
>
> Welche sehr helle Zeit der Menschheitsgeschichte, in der
> Hunger, Seuchen, Kriege und soziale Ungerechtigkeit völlig
> unbekannt waren, empfiehlst du denn als geeignetes
> Spielthema?

:lol:
100% ACK!

Im Ernst:
Hier wird nichts verharmlost, es spielt(!) spielerisch einfach keine Rolle! ;-)
Aber irgendein Thema sollte i. A. ein Spiel haben, damit es auch Interesse weckt und sich besser verkauft.

Viele Grüße
Jost aus Soest - www.jost.123soest.de <== [i]Josts Welt[/i]

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Oliver K.
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Beiträge: 144

Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon Oliver K. » 18. Juni 2011, 15:30

Also ich brauche keinen Hinweis in der Spielregel, das Sklaverei und das Abschlachten von Indianern irgendwie schlecht war. Ich kann mein Hirn benutzen und mir das selbst zusammenreimen.

Das ändert aber nichts an der Tatsache: Spiele sind, was sie sind, nämlich nichts anderes als Spiele. Das hat mit der Realität nicht viel zu tun. Wenn ich bei AOE die Indianer unterjoche, oder bei Magister Navis fleißig Sklaven heranschaffe, dann tut das niemandem weh.

Wenn ich beim letzten 3D Shooter auf dem PC mal wieder fleißig böse Russen, Nordkoreaner oder auch Nazis oder Amerikaner erschieße kommt auch niemand wirklich zu Schaden, für den Gang der Weltgeschichte ist das komplett irrelevant.
Man muß einfach zwischen Spiel und Realität unterscheiden können, aber damit hat ja offensichtlich so manch einer ein Problem, da muß man sich nur mal die politische Landschaft angucken...

In einem Spiel oder in einer Simulation muß ich mich nicht politisch korrekt oder sonstwie moralisch verhalten, da kann man halt das machen, was man (und davon gehe ich bei den meisten doch aus) im realen Leben nicht machen würde - und das genau macht auch den Reiz der Sache aus. Ein Spiel wo ich abspülen oder waschen muß kann mir jedenfalls gestohlen bleiben, das muß ich nicht simulieren, das kann ich real haben.

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H8Man

Re: ???

Beitragvon H8Man » 18. Juni 2011, 15:53

xfinkx schrieb:
>
> Sorry aber das kann nicht sein...warum dann diese
> historischen Themen? Wenn kein interesse an einem
> historischen Backround besteht warum verkauft er sich dann so
> gut und wird immer wieder genommen wenn jemand ein Spiel
> erfindet? muss ja was dran sein irgendwie, oder nicht?


Wahrscheinlich kann man das nicht (einfach so) beantworten, aber es ist kein Geheimniss, das die Leute lieber etwas realistischeres haben wollen (wie schon geschrieben wurde, Holz & Lehm statt unbekannten Rohstoffen). Ebenso haben die meisten Menschen ein gewisses Interesse an der Vergangenheit (siehe Antiquitäten, Archäologie etc.). Nur wenige mögen die von uns generierte SciFi und finden Schwert + Schild deutlich interessanter als Laserkanone + Kraftfeld. Das eine gab es mal und ist bekannt, während das andere Fiktion ist.


> Wie wärs wenn man ma seine Fantasie benutzt?

Mit Fantasie meinst du mehr blutige Schlachten und mehr Porno? Gerade zweiteres ist schon ebenso traurig wie lächerlich, aber scheinbar gibt es nur wenige die es anders hinbekommen und trotzdem Fantasy sind.
Du siehst also was passiert, wenn Leute ihre Fatasie nutzen. Es bleibt alles gleich (das Bekannte) und bekommt einen bunten Überstrich (aus Menschen werden Elfen etc.), was es dann anders machen soll. Der Kern bleibt aber erhalten und völlig abgedrehte Themen kommen halt extrem schlecht an, weil niemand Ansatzpunkte hat (siehe Holz & Lehm vs unbekannte Rohstoffe).


Aber egal welches Thema du nimmst, am Ende hast du Rassenkämpfe, Gemetzel und Ausbeutung/Vertreibung und im Gegensatz zu den PC Kritikern, sehe ich keinen Unterschied darin, ob ich bei einem Shooter Menschen oder Andere Lebensformen töte. Mord bleibt Mord und am PC morde ich gern, vorallem Menschen, weil man davon ja direkt zum Amokläufer wird. ;)

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Duchamp

Grauzonen, Grenzen ...

Beitragvon Duchamp » 18. Juni 2011, 15:56

Hm. Auf der einen Seite argumentierst du, dass man im Spiel eben mal was (auch politisch unkorrektes) tun darf, was man im realen Leben natürlich nie machen würde, auf der anderen Seite weist du darauf hin, dass dir ja dein Gehrin ausreicht um zu wissen, wie falsch es ist. Das lässt den Schluss zu, dass du gerne schlechte Sachen tust, ganz bewusst. Die Frage ist nun aber genau diejenige nach der Grenze, denn so einen KZ-Kommandanten, der je 1000 vergaster Juden einen Siegpunkt erhält, wäre dann ja vielleicht doch wieder nicht so das Wahre, oder?

Daws "Böse" hat natürlich im Spiel seinen Reiz (ob als Mister X oder Cylon, als Werwolf oder Dracula), aber wenn das Thema eben doch eine deutliche Nähe zu historischen Gegebenheiten suggeriert, sollte man die Frage nach dieser Grenze schon stellen dürfen.

Bei "Magister Navis" wird die Sklaverei im Übrigen thematisiert, aber eben durchaus in einem kritischen Licht gesehen - es ist nicht einfach ein Weg zum Sieg:
http://www.boardgamegeek.com/thread/435515/use-of-slavery-in-the-game

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PzVIE-spielbox
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon PzVIE-spielbox » 18. Juni 2011, 17:27

http://www.boardgamegeek.com/image/1020538/pzvie

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Michael Weber
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Olle Kamellen, Unverstädnis und notwendige Moraldiskussion

Beitragvon Michael Weber » 18. Juni 2011, 18:35

Vorweg: Die Diskussion ist fast zehn Jahre alt und wurde hier im Forum über Puerto Rico geführt. Ist also kein neuer "Vorwurf", sondern es sind olle Kamellen.

Von mir dazu ein paar Punkte:

1. Wer es generell nicht schafft, ein Thema (historisch oder nicht) als Rahmen für das Spiel als losgelösten Bestandteil von tatsächlichen Vorkommnissen zu sehen, hat das Wort Spiel nicht verstanden und sollte sich ein anderes Hobby suchen.

2. Political Correctness ist okay, aber hierbei völlig unangebracht. Es geht hier nicht um ein Rollenspiel über Afghanistan oder Irak (und, ja das gab es!), wo die guten Amis die bösen muslimischen Terroristen abschlachten müsse, oder um ein Spiel, bei dem man dem gegenüber eins aufs Maul geben muss. Es ist ein historischer Kontext, eine Art "Was wäre wenn". Niemand, der sich an einen Spieltisch setzt, wird überlegen, wie gut er Sklaven ausbeuten kann, hexen in Flammen steckt oder Indianer abknallt. Sondern er wird überlegen, wie er seine Holzklötzchen am sinnvollsten einsetzt, um am Ende siegreich zu sein UND viel Spaß zu haben.

3. In Punkt zwei schwebt natürlich eine spielerische Verharmlosung von Themen mit. Aber wie Gustav schon schrieb: Ja, was denn sonst? Wer ein Spiel auf einer Weltkarte spielen möchte oder ein Spiel auf einer Insel oder ein Spiel mit Afrikanern oder ein Spiel mit Kolonien oder ein Spiel wie Halali, MUSS verharmlosen können, sonst darf er fast nichts mehr spielen. Ich finde diese Verharmlosung in den Grenzen des guten Geschmacks nicht nur völlig in Ordnung, sondern auch zwingend notwendig. Dem einen mag das bei einem Spiel zu weit gehen, dem anderen nicht. Aber es bleibt ein Spiel!

4. Beispiel Puerto Rico: Die Verharmlosung gelingt mit einem Kniff, der aus tatsächlich "genutzten" Sklaven Kolonialisten macht. Und? Im Spiel werden eben keine Sklaven ausgebeutet! Alles andere ist lächerlich. Was ist mit Risiko? Abstrakte Armeen? Das sind doch auch alles Menschen. Auf dem Spielbrett aber eben nicht. Verharmlosung gelungen.

So lange keine Menschen durch ein Spiel zu Schaden kommen, lasst doch bitte die Spieler spielen, woran sie Spaß haben. Dort, wo die Grenzen des guten Geschmackes oder von Recht und Gesetz überschritten werden, da regt euch weiter auf. Beispiele sind hier Nazi-Spiele, echte Waffen, Aufrufe zu Gewalt oder sonst was. ich vertraue den Spielern, dass sie wissen, dass sie auf dem Brett spielen und in der Realität keinen Scheiß bauen. Und ich persönlich spiele lieber die Mittelalterspiele, bin Hanseat, umsegele die Welt oder verteidige mein Land, anstatt ein abstraktes aufgesetztes Fantasiethema zu verkonsumieren, bei dem die Atmosphäre aus Korrektheit leidet, weil Verlag und Autor Angst vor ein paar Spinnern haben.

Aber eins steht dennoch fest: Solchen Diskussionen sollten und müssen sich die Beteiligten in der Spieleszene stellen. Das ist sehr wichtig, um immer wieder den moralisch akzeptablen Zeitgeist auszuloten.

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Shari-Faye
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Re: Olle Kamellen, Unverstädnis und notwendige Moraldiskussion

Beitragvon Shari-Faye » 18. Juni 2011, 20:10

100% Zustimmung. Ich habs mir überlegt, ob ich auch was schreibe, aber das brauch ich jetzt nicht mehr.

Vor allem: "Ja was denn sonst?"

Grüße
Shari-Faye

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Abrazzo
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Re: ???

Beitragvon Abrazzo » 18. Juni 2011, 20:16

Es ist auch einfach zu sagen, das es bedeutet, nicht nachzudenken, wenn man es für problematisch hält, unsere Werte auf andere Zeiten (und übrigens dann auch Kulturen zu übertragen). Fremde Kulturen zu verstehen versuchen, ist eben nicht so bedrohlich, wie es manchen erscheint. Und der Versuch, zu vestehen, ist wohl nicht gleich die Rechtfertigung von Verbrechen uns schon garnicht von allen. Und es ist natürlich auch nicht ganz verkehrt, mal auf den ideologischen Hintergrund solcher Artikel hinzuweisen. Es war solche ein unkritischer Oppotunismus gegen den Zeitgeist, der die Mitläuferkultur der großen Vebrecherregime möglich machte - und da wird mir schlecht. Das aber ist kein Thema für dieses Formum - nur, weil du gleich so rumgiftest.

Ist es vertretbar, die Ausbeutung von Arbeitern zu thematisieren oder unökologischen Weinbau oder Gier und hemmungslosen Kapitalismus oder das Entwenden historischer Artefakte fremder Länder für die eigenen Ausstellungen - und soll jetzt in jedem Spiel mit diesen oder anderen Themen (man denke nur an Tabakanbau und -Import jetzt auch noch ein Disclaimer stehen, das man das auf keinen Fall unterstützt und nicht will. Ich denke, das ist einfach selbstverständlich - wenn man nicht zwangshaft allen anderen Menschen böses unterstellt.

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mic
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Re: Sklavenhandel, Kolonialherrschaft und Verharmlosung

Beitragvon mic » 18. Juni 2011, 20:37

Nicht dass ich überhaupt irgendetwas gegen politisch unkorrekte Spiele habe, aber um auf deine Frage zu reagieren - darum geht es ja nicht.
Man könnte beispielsweise ein Spiel erfinden bei dem sich die Sklaven auflehnen und dafür Siegpunkte verdient werden können, dann hätte wohl kaum einer etwas dagegen. Auch bspw. Agricola spielt ja im Mittelater und keiner hat etwas dagegen.
Verstehst du was ich meine? Nicht die Zeit ist für die Kritiker entscheidend sondern worum das Spiel geht.


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