Beitragvon Michael Weber » 18. Juni 2011, 18:35
Vorweg: Die Diskussion ist fast zehn Jahre alt und wurde hier im Forum über Puerto Rico geführt. Ist also kein neuer "Vorwurf", sondern es sind olle Kamellen.
Von mir dazu ein paar Punkte:
1. Wer es generell nicht schafft, ein Thema (historisch oder nicht) als Rahmen für das Spiel als losgelösten Bestandteil von tatsächlichen Vorkommnissen zu sehen, hat das Wort Spiel nicht verstanden und sollte sich ein anderes Hobby suchen.
2. Political Correctness ist okay, aber hierbei völlig unangebracht. Es geht hier nicht um ein Rollenspiel über Afghanistan oder Irak (und, ja das gab es!), wo die guten Amis die bösen muslimischen Terroristen abschlachten müsse, oder um ein Spiel, bei dem man dem gegenüber eins aufs Maul geben muss. Es ist ein historischer Kontext, eine Art "Was wäre wenn". Niemand, der sich an einen Spieltisch setzt, wird überlegen, wie gut er Sklaven ausbeuten kann, hexen in Flammen steckt oder Indianer abknallt. Sondern er wird überlegen, wie er seine Holzklötzchen am sinnvollsten einsetzt, um am Ende siegreich zu sein UND viel Spaß zu haben.
3. In Punkt zwei schwebt natürlich eine spielerische Verharmlosung von Themen mit. Aber wie Gustav schon schrieb: Ja, was denn sonst? Wer ein Spiel auf einer Weltkarte spielen möchte oder ein Spiel auf einer Insel oder ein Spiel mit Afrikanern oder ein Spiel mit Kolonien oder ein Spiel wie Halali, MUSS verharmlosen können, sonst darf er fast nichts mehr spielen. Ich finde diese Verharmlosung in den Grenzen des guten Geschmacks nicht nur völlig in Ordnung, sondern auch zwingend notwendig. Dem einen mag das bei einem Spiel zu weit gehen, dem anderen nicht. Aber es bleibt ein Spiel!
4. Beispiel Puerto Rico: Die Verharmlosung gelingt mit einem Kniff, der aus tatsächlich "genutzten" Sklaven Kolonialisten macht. Und? Im Spiel werden eben keine Sklaven ausgebeutet! Alles andere ist lächerlich. Was ist mit Risiko? Abstrakte Armeen? Das sind doch auch alles Menschen. Auf dem Spielbrett aber eben nicht. Verharmlosung gelungen.
So lange keine Menschen durch ein Spiel zu Schaden kommen, lasst doch bitte die Spieler spielen, woran sie Spaß haben. Dort, wo die Grenzen des guten Geschmackes oder von Recht und Gesetz überschritten werden, da regt euch weiter auf. Beispiele sind hier Nazi-Spiele, echte Waffen, Aufrufe zu Gewalt oder sonst was. ich vertraue den Spielern, dass sie wissen, dass sie auf dem Brett spielen und in der Realität keinen Scheiß bauen. Und ich persönlich spiele lieber die Mittelalterspiele, bin Hanseat, umsegele die Welt oder verteidige mein Land, anstatt ein abstraktes aufgesetztes Fantasiethema zu verkonsumieren, bei dem die Atmosphäre aus Korrektheit leidet, weil Verlag und Autor Angst vor ein paar Spinnern haben.
Aber eins steht dennoch fest: Solchen Diskussionen sollten und müssen sich die Beteiligten in der Spieleszene stellen. Das ist sehr wichtig, um immer wieder den moralisch akzeptablen Zeitgeist auszuloten.