Hinweis: Der folgende Artikel von mir wurde 2010 auf zuspieler.de veröffentlicht. Mehr dazu unter viewtopic.php?f=63&t=390396.Vorwürfe gegen AsmodéeDer Spieleautor Reinhard Staupe ist sauer. Er wirft den französischen Verlagen Asmodée und PlayFactory sowie dem US-amerikanischen Lizenznehmer Blue Orange vor, seine Spiel-Idee zu kopieren. Laut Staupe seien “Dobble” (Asmodée) sowie “Spot it” (Blue Orange) in Grundzügen identisch mit seinem Spiel “Kunterbunt”. Ob diese Anschuldigungen berechtigt sind, werden Richter klären müssen. zuspieler.de dokumentiert die Vorwürfe von Staube und druckt seinen offenen Brief.Anmerkung der Redaktion: Ursprünglich lautet die Überschrift dieses Artikels “Plagiatsvorwürfe gegen Asmodée. Günther Cornett erklärt in seinem Kommentar, warum dieser Titel inhaltlich falsch war. Danke für den Hinweis.“Respekt im Umgang mit Ideen – unser aller Kapital”
Ein offener Brief von Reinhard Staupe“Seit nahezu zwanzig Jahren entwickele ich Spiele. Ich habe mit Dutzenden von Verlagen wunderbar zusammengearbeitet, und mit vielen Leuten aus den verschiedensten Bereichen verbindet mich seit langer Zeit ein netter Kontakt, ja häufig sogar ein freundschaftliches Verhältnis. Die Spielebranche ist so etwas wie eine kleine überschaubare Familie. Man kennt sich und geht respektvoll miteinander um. Meistens.
Kurz nach "Essen 2010" erhielt ich von mehreren Leuten die Information, dass Asmodée bzw. Blue Orange Games ein Spiel namens Dobble veröffentlicht hat (bzw. Spot it in den USA), das in Punkto Idee/Konzept/Spielmechanik identisch mit meinem Spiel Kunterbunt sei. Kunterbunt war mein allererstes veröffentlichtes Spiel und ist seit 1995 erfolgreich am Markt vertreten, u.a. bei FX Schmid und Ravensburger, aktuell bei Amigo, Gigamic (Colori, Frankreich) und Playroom Entertainment (Catch the Match, USA).
Dass hin und wieder parallele Entwicklungen und vereinzelt auch mal nahezu identische Veröffentlichungen bereits existierender Spiele vorkommen, ist angesichts der vielen tausend Spiele fast unvermeidlich. So lange eine Duplizität unbeabsichtigt geschieht, man im Falle eines Falles offen miteinander kommuniziert und nach einer konstruktiven Lösung sucht, die die Rechte des ursprünglichen Urhebers berücksichtigt, ist das alles kein Problem. Nicht akzeptabel ist es jedoch, wenn seitens des Nachahmers jegliche Gesprächsbereitschaft abgeblockt, fadenscheinig begründet und die Leistung des Ersterfinders nicht anerkannt wird.
An dieser Stelle sei gleich vorweg auf ein positives Beispiel verwiesen, wie der Umgang mit bereits vorhandenen Spielen und Mechanismen aussehen sollte. In der Spielregel von Bruno Faiduttis großartigem Ohne Furcht und Adel bedankt sich Hans im Glück ausdrücklich bei Marcel-André Casasola-Merkle und Adlung-Spiele für die freundliche Genehmigung, das Verteilungselement aus dem Spiel Verräter verwenden zu dürfen. Das heißt also: man hat miteinander gesprochen! Man erkennt die Leistung des Ersterfinders an! Man arbeitet respektvoll zusammen! So muss das sein! Verglichen mit Kunterbunt/Dobble ist Ohne Furcht und Adel übrigens Lichtjahre von Verräter entfernt!
Um dies ausdrücklich zu betonen: Ich schildere hier ausschließlich meine ganz persönliche Meinung. Es geht mir im vorliegenden Fall nicht um eine juristische Beurteilung, schon gar nicht um eine abschließende Einschätzung etwaiger Urheberrechtsansprüche. Das Letzte, was ich im Sinn habe, sind Anwälte und Richter. Worum es mir geht, sind Kollegialität und ein professionelles Selbstverständnis.
Gute, erfolgreiche, einzigartige Spiele sind unser aller Kapital. Niemand kann ernsthaft Interesse daran haben, dass es identische oder extrem ähnliche Spiele auf dem Markt gibt, oder dass gar untereinander abgekupfert wird. Es ist grundsätzlich überhaupt kein Problem, jedes Spiel herzunehmen, es leicht zu verändern und kleine Varianten hinzuzufügen. Das alles ist innerhalb weniger Stunden erledigt. Aber: Dadurch erhält man ganz gewiss kein neues Spiel! Unabdingbar ist das Eigenständige, eine Schöpfungshöhe, etwas, das aus dem Vorhandenen etwas wirklich Neues macht.
Trotz vieler anderer Spiele, zum Teil auch deutlich erfolgreicherer, ist Kunterbunt für mich nach wie vor mein bestes Spiel. Die Idee und der Mechanismus sind einzigartig. Für mich ist es DER Mechanismus meines Lebens. Konkret sieht das Spiel wie folgt aus: Auf jeder Bildtafel sind verschiedene Gegenstände abgebildet. Egal, welche beiden Bildtafeln man nimmt, immer (!) ist darauf exakt ein Gegenstand identisch, niemals mehrere oder keiner. Diesen identischen Gegenstand gilt es zu finden.
Mein erster Übungs-Prototyp bestand 1993 aus fünf, mein eingereichter Prototyp dann aus 20 Gegenständen pro Bildtafel. FX Schmid wollte die Anzahl gerne reduzieren, also machte ich daraus 15. So gut wie jede andere Anzahl an Gegenständen und Bildtafeln ist grundsätzlich problemlos möglich (Dobble verwendet 50 Bildtafeln mit jeweils 8 Gegenständen darauf). Um das Spiel möglichst fordernd zu gestalten, fiel die Entscheidung bezüglich der verwendeten Gegenstandspaare seinerzeit zugunsten zweifarbiger Abbildungen. Aber ob nun zweifarbige Gegenstandspaare, die exakt übereinstimmen müssen, oder "normale" Abbildungen, ob 15 Bildtafeln oder 60, ob 8 Gegenstände pro Tafel oder 25, all diese kleinen Veränderungen lassen das Wesentliche des Spiels unangetastet – im Kern bleibt es immer das Gleiche. Die Dobble-Karten mit den 8 Gegenständen sind in den Kunterbunt-Tafeln enthalten, es ist exakt das Gleiche, sieht nur anders aus.
Ich habe mit Asmodée Kontakt aufgenommen und man teilte mir mit, dass man mich an den eigentlichen französischen Rechteinhaber Play Factory verweise. Gleichzeitig betone man jedoch, dass beide Spiele "very different" seien. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von Asmodée, dem Vertrieb des diesjährigen "Spiel des Jahres", also einem Verlag, dem Autorenideen wichtig sein sollten! Play Factory argumentierte dann, dass ja weniger Gegenstände auf den Karten seien, die Verpackung (!) und Kartenform (!) differiere, die Gegenstände anders aussähen, überhaupt wäre alles "totalement différents". Erwähnt sei an dieser Stelle: Nachdem Play Factory zuvor in Englisch mit mir korrespondierte, erhielt ich die eigentliche Antwort dann auf Französisch (!), ohne jegliche Bitte um Verständnis und auch ohne Unterschrift. Ich weiß nicht mal genau, wer mir in welcher Funktion bei Play Factory überhaupt geantwortet hat. Was für eine Arroganz. Unfassbar. Der Autor als lästiges Übel.
Die Rückmeldung von Blue Orange Games war formal nett und in Ordnung, allerdings ist man dort der Ansicht, dass vor allem die Balance ein Spiel ausmache, also die Anzahl von Symbolen und Karten.
Ich stelle mir gerade vor, dass jemand das Siedler von Catan-Prinzip nimmt, statt der Sechsecke quadratische Felder verwendet, die Anzahl der Rohstoffe leicht verändert, die Siegpunkte erhöht und dann behauptet, er hätte ein neues Spiel erfunden und es sei "very different". Oder ein 6 nimmt, bei dem es nur 60 statt 104 Karten gibt und bei dem schon die fünfte und nicht erst die sechste Karte nehmen muss.
Beschleicht nur mich ein ungutes Gefühl bei dieser Vorstellung? Könnte das genau der Weg sein, den niemand will? Ist das die Art von Spiel und "Erfinder", die niemand braucht?
Ich für meinen Teil werde definitiv nicht wegen Dobble vor Gericht ziehen. Aber ich möchte wenigstens die Gelegenheit nutzen und ganz nachdrücklich betonen, dass mich die Angelegenheit und der Umgang seitens Asmodée bzw. Play Factory und Blue Orange Games mit mir und MEINER Idee fassungslos machen. Es ist das genaue Gegenteil dessen, wie Verlage und Autoren zusammenarbeiten sollten.
Möge sich jeder bitte seine eigene Meinung bilden und seine ganz persönlichen Schlüsse ziehen. Die Spielregeln zu Kunterbunt bzw. Spot it finden sich jeweils auf der Homepage des Verlages, am besten bei Amigo bzw. Blue Orange Games. Falls mir jemand seine Sicht der Dinge hierzu mitteilen möchte – ich bin für jedes Feedback dankbar. Und falls jemand seine Meinung an Asmodée, Play Factory oder Blue Orange Games schicken möchte – Kontaktadressen gebe ich gerne weiter.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche weiterhin viel Spaß beim Genießen neuer, eigenständiger Spielideen.”
Aktualisierung 1. Dezember 2010: Inzwischen hat sich auch die Spiele-Autoren-Zunft /SAZ) zu dem Vorfall geäußert. Auf ihrer Website schreibt sie:
"Die SAZ ist insbesondere über den Umgang der Verlage mit dem Autor besorgt und verurteilt das ignorante Abwehren des Vorwurfs durch die genannten Verlage scharf. Ohne Zweifel kann es bei der zunehmenden Zahl von Veröffentlichungen vorkommen, dass Spiele sich ähneln. Dahinter muss ursprünglich nicht einmal Absicht stecken. Sobald aber ein solcher Vorwurf in der Welt ist und eindeutig belegt wurde, muss eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Denn wenn dieses Beispiel Schule macht und Urheberrechte bewusst ignoriert werden, müssen Verlage mit Konsequenzen rechnen. Sei dies auf juristischer Ebene oder in Form eines Imageschadens bei Autoren und Spielern. Im vorliegenden Fall appelliert die SAZ an die beteiligten Verlage, dringend das Gespräch mit Reinhard Staupe zu suchen, um zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung zu kommen."