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Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 08:00
von Siegfried Kurz
Im letzten Thread wurde erneut das Problem der schlechten Vermarktbarkeit abstrakter Spiele angesprochen. Nun habe ich mal in meinen Tagebüchern geblättert und herausgefunden was wir '71/'72 damals in den Schützengräben gespielt haben:
Scrabble, Mastermind, Halma, Malefiz, Avalanche, Solitaire, Reversi. Die archaischen Spiele wie Schach, Go und Fussball lasse ich in dieser Aufzählung außen vor. Wenn ich mich nicht täusche, handelt es sich bei diesen Klassikern ausnahmslos um abstrakte Spiele. So what???
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 08:20
von Heinrich Glumpler
Hi,
interessant. Ich hatte gestern ein Gespraech, bei dem ich gefragt wurde, warum denn abstrakte Spiele (angeblich) nicht so erfolgreich sind, worauf ich antwortete, dass sie *heute* nicht mehr so erfolgreich sind wie früher (Mühle, Schach, Halma, Mensch-Aergere-Dich-Nicht,...)
Ich muss allerdings zugeben, dass ich selbst noch keine Nachforschungen in diese Richtung betrieben hab' - allerdings haben mir schon mehrere Leute genau das gesagt, zudem Leute, die schon einige Zeit länger in der Spieleindustrie tätig sind als ich.
Also was ... soll man nun denken?
Ich denke, es würde sich lohnen, herauszufinden, wie der Markt eigentlich aussieht. Wie gross ist die Zielgruppe für abstrakte Spiele bzw. themenorientierte Spiele?
Kennt jemand Quellen, mit denen sich eine Recherche starten laesst?
Gruesze
Heinrich
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 09:36
von Kai Borschinsky
Die "Klassiker" sind ja auch nicht so schlecht vermarktbar. Das Gegenteil ist eher der Fall. Die Verkaufen sich allein schon dadurch, dass sie mehr oder minder in das kulturelle Gedächtnis unserer Gesellschaft eingegangen sind.
Das Problem besteht für neue abstrakte Spiele, die erst einen gewissen Bekanntheitsgrad erreichen müssen. Und die kommen meist wegen der vielen Konkurrenz nicht über ihr Nischendasein hinaus.
Schach und Co. verkaufen sich nicht deswegen so gut, weil sie abstrakte Spiele sind, sondern weil sie bekannt sind und für viele Leute die einzigen Spiele sind, die sie kennen. Von sich aus, würden diese Leute niemals ein neues abstraktes Spiel kaufen. (Häufig leider nicht mal irgendein neues Spiel.)
Darin liegt die Krux der abstrakten Spiele: Ohne Thema findet sich nur schwer eine Käuferschaft jenseits der Handvoll eingefleischter "Mindgamer". Die sind dann vielleicht begeistert, aber das war's dann auch schon. Und wenn ein Verlag dann im ersten Jahr nicht einmal die Kostendeckung erreicht, winkt man beim nächsten Anlauf eben gleich dankend ab.
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 10:01
von Siegfried Kurz
Mir tun heute noch die drei kanadischen Jungs leid, die wegen der Ablehnung abstrakter Spiele gezwungen waren, Trivial Pursuit selbst zu vermarkten.
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 10:36
von Michael Andersch
Die von Dir genannten Spiele werden wohl deshalb häufig gespielt, weil sie größtenteils in nahezu jeder Spielesammlung und damit in fast jedem Haushalt "eh da" sind.
Ein Neukauf ist meist nicht nötig, man spielt halt das, was da ist.
Auf abstrakte Spiele, die üblicherweise NICHT in Spielesammlungen enthalten sind wird Deine Aussage wohl nicht zutreffen.
BTW: Dieser Thread hat doch mit "Autorentum" nichts zu tun, warum stellst Du ihn nicht in's Spielerforum?
VG,
Micha
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 10:41
von Siegfried Kurz
Als Autor fragt man sich schon, warum Verlage keine abstrakten Spiele annehmen möchten.
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 11:28
von Kai Borschinsky
TP ist übrigens ein Quizspiel und kein abstraktes Spiel...
Ein TP-ähnliches Spiel würde heutzutage im übrigen nicht abgelehnt, weil es zu abstrakt ist, sondern weil es zu viele sehr ähnliche Spiele gibt, neben denen es sich behaupten müßte. (Außer, es bringt die eigene Fernsehshow mit. ;-) )
Ansonsten: Abstrakte Spiele werden nicht überall prinziell abgelehnt. Aber sie haben es in Redaktionen wohl allgemein etwas schwerer. Der Zugang zu abstrakten Spielen ist für die Mehrzahl der potentiellen Käufer halt schlicht schwerer als z.B. bei einem Spiel mit Thema.
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 11:40
von peer
Hi,
tja das ist schon richtig, aber wie viele abstrakte Spiele der letzten 20 Jahre sind denn noch unglaublich bekannt? Vor allem Partyspiele und Quizspiele, aber praktisch kaum Strategiespiele.
Wie schon gesagt, sind die von dir genannten Spiele schon älter - und damals kamen wenig brauchbare Spiele mit Thema heraus.
ciao
Peer
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 16:04
von Volker L.
Siegfried Kurz schrieb:
>
> Im letzten Thread wurde erneut das Problem der schlechten
> Vermarktbarkeit abstrakter Spiele angesprochen. Nun habe ich
> mal in meinen Tagebüchern geblättert und herausgefunden was
> wir '71/'72 damals in den Schützengräben gespielt haben:
> Scrabble, Mastermind, Halma, Malefiz, Avalanche, Solitaire,
> Reversi. Die archaischen Spiele wie Schach, Go und Fussball
> lasse ich in dieser Aufzählung außen vor. Wenn ich mich nicht
> täusche, handelt es sich bei diesen Klassikern ausnahmslos um
> abstrakte Spiele. So what???
Tja, dann kann ich Dir in Uebereinstimmung mit der von Dir
gewaehlten Ueberschrift und Heinrichs Hinweis nur einen Rat
geben: Entwickle ein abstraktes Spiel, erfinde eine Zeitmaschine,
reise in die fruehen 70er Jahre und vermarkte Dein Spiel.
Du wirst garantiert sehr reich werden ;-)
Gruss, Volker (wollte gerade zu einem anderen Thread in diesem
Forum ein Posting mit nichts als einem Smiley schreiben, hat
sich dann aber doch zurueckgehalten um den Feierabendlesern
nicht die Freude zu nehmen :-) )
Re: Abstrakte Vergangenheit
Verfasst: 1. April 2003, 18:54
von Roland G. Hülsmann
Nun, in den 70er Jahren waren in der Tat abstrakte Spiele "in", seien es nun Glücksspiele, Strategiespiele oder dergleichen gewesen. Gerne wurden auch "poppige" Farben und ein entsprechendes Design benutzt.
(Einiges davon findest Du in meinem virtuellen Spielemuseum: http://www.rgh-soft.de/sprace/ludomu.htm )
Wie so vieles, sind auch die Spielegeschmäcker offensichtlich gewissen Modeerscheinungen unterworfen.
Ich persönlich liebe eher thematische Spiele, zumindest dann, wenn es mir nicht um Denksport geht, sondern um, entspannendes Vergnügen mit Familie und Freunden. Ich finde, nichts ist entspannender als zusammen mit der Spielrunde spielerisch iun eine andere Welt abzutauchen und den Alltag so außen vorzulassen. Wenn ich mit meine U-Booten nach Artefakten tauche, Siedlungen baue, mit Indigo und Mais mein Glück zu machen versuche, Saurons Horden zurückdränge oder meine Dino-Herde durch unwirtliche Zeiten manövriere, dann kann ich richtig abschalten und entspannen. Und selbst wenn es, wie oft bei Knizia, eine abstrakte Idee in ein interessantes und passendes (!) Thema verpackt ist, sagt mir das oft mehr zu, als das abstrakte Spiel. Die Phantasie spielt mit!
Gruß
Roland (spielt aber durchaus auch mal abstrakte Spiele)