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Sind Hypes von Bloggern gerechtfertigt?

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SpieLama
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Sind Hypes von Bloggern gerechtfertigt?

Beitragvon SpieLama » 27. März 2017, 08:59

((Hinweis: Diese Diskussion erschien ursprünglich unter viewtopic.php?f=58&t=386066. Da es in der Diskussion jedoch nicht mehr um das Fairplay-Editorial ging, habe ich die Diskussionen im Mai 2017 geteilt.)

Tom Felber, der Vorsitzende der Jury "Spiel des Jahres", hat unter https://www.nzz.ch/gesellschaft/spiel/f ... -ld.152994 eine Rezension zu Nmbr 9 veröffentlicht. Ihm gefällt das Spiel nicht. Er schreibt unter anderem:

[...] In gewissen Ecken der Spiele-Blogger-Szene wird im Moment ein sagenhafter Hype um «Nmbr 9» gemacht, was ich ehrlich geschrieben überhaupt nicht verstehe. Die Botschaft daraus ist nämlich, dass sich die Welt erschreckenderweise durch Smartphones bereits derart an solche Spiele gewöhnt hat, dass gar nicht mehr auffällt, wie asozial «Nmbr 9» eigentlich ist. [...]

Peer Sylvester kritisiert diesen Absatz unter https://plus.google.com/106740259696893 ... Xn8oLDh83c. Er schreibt:

Peer Sylvester hat geschrieben:Erst die Fairplay und jetzt Tom Felber: Die alte Garde der Kritiker meckert über die Hypes im Internet. Insbesondere über "Hypes" von Spiele, die sie nicht mögen. Jedenfalls hat sich m.W. noch niemand positiv darüber geäußert, dass ein gutes Spiel unverdient gehyped würde.[...] Was ist daran verwerflich? Jedenfalls nicht, dass Felber eine eigene Meinung hat. Vielmehr, dass diese Meinung irgendwie mehr zählen sollte als, die der Blogger. Das ist im Prinzip dieselbe Kerbe, in welche die Fairplay mit ihrem unsäglichen Editional damals bereits gehauen hat. [...]


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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon SpieLama » 27. März 2017, 12:14

Ich habe Tom Felber zu seinem Artikel fünf Fragen gestellt. Hier kommen seine Antworten inklusive zwei Vorbemerkungen.

Es ist mir wichtig, zunächst zwei Vorbemerkungen anzubringen:

a.) Der Artikel hatte natürlich einen provokativen Aspekt. Dass dadurch Diskussionen über Spiele oder Spielekritik ausgelöst werden, finde ich positiv. Ich trete als Kritiker Leuten auf den Schlips. Deshalb ist es auch richtig, dass Leute mir auf den Schlips treten.

b.) Dass ich diesen Artikel so geschrieben habe, hängt auch mit dem Aufpoppen eines Tweets in meiner Twitter-Timeline zusammen. Darin schrieb ein Blogger „Nbmr 9“ sei das „Spiel des Jahres 2017“. Auch das kann man als Provokation auffassen. Hypes um „Spiel des Jahres“ sind sehr gefährlich. Ich bin da relativ sensibel. Denn jedes Jahr enttäuscht „Spiel des Jahres“ die riesigen Erwartungen von Dutzenden von Leuten aus der Spielebranche. Ich habe da schon manchen emotionalen Zusammenbruch selber miterlebt. Die Erwartungen werden durch Hypes geschürt. In diesem Fall wollte ich einfach früh genug meine Meinung äussern, damit der Hype relativiert wird, weil ich und andere von einem solchen Hype persönlich emotional betroffen sind.


1.) Einige Spiele-Blogger veröffentlichen Artikel, Podcasts oder Videos zum Spaß in ihrer Freizeit. Sie verstehen sich nicht als Journalisten. Andere Blogger sehen sich als Journalisten oder sind es sogar. Macht es Deines Erachtens für die Qualität einer Spielerezension einen Unterschied, ob ein Spiele-Blogger ein gelernter Journalist ist oder nicht?
Das kann man doch nicht an äusseren Kategorien festmachen. Ob eine Spielerezension qualitativ gut ist, hängt einerseits vom individuellen Talent und Können des Schreibers ab, egal ob Blogger oder Journalist. Andererseits ist auch jeder Kritiker Schwankungen ausgesetzt, so dass er bessere und schlechtere Kritiken schreibt.

2.) Falls es für Dich keinen Unterschied macht, ob ein Rezensent ein gelernter Journalist ist oder nicht: Was macht für Dich eine gute Spielerezension aus?
Diese Frage lässt sich nicht allgemein und seriös derart kurz beantworten. Es gibt verschiedene Stilrichtungen von Rezensionen. Bezogen auf unser Thema: Dass ich am Ende weiss, was der Rezensent vom Spiel hält.

3.) Du schreibst: "In gewissen Ecken der Spiele-Blogger-Szene wird im Moment ein sagenhafter Hype um «Nmbr 9» gemacht, was ich ehrlich geschrieben überhaupt nicht verstehe.“ Stört Dich der Hype um Nmbr 9? Und würde Dich dieser Hype stören, wenn Du Nmbr 9 gut gefunden hättest?
Gut – Nicht gut? Die Rezension ist wesentlich differenzierter. Es steht ja der Satz: „Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Aufgabe ist durchaus eine intelligente Herausforderung“. Hauptinhalt und Hauptkritik des Artikels ist der Solitär-Charakter des Spiels.

4.) Peer Sylvester schreibt: "Was ist daran [an dem Absatz in der "Nmbr 9“-Rezension] verwerflich? Jedenfalls nicht, dass Felber eine eigene Meinung hat. Vielmehr, dass diese Meinung irgendwie mehr zählen sollte als, die der Blogger.“ Bist Du der Meinung, dass Du eine größere Fachkompetenz als Blogger besitzt und Deine Meinung deshalb mehr zählt beziehungsweise mehr zählen sollte?
"Meine Meinung sollte mehr zählen als diejenige von Bloggern?" Im Ernst? Ehrlich gesagt, beschäftige ich mich mit solchen Fragen wirklich nicht. Das ist eine Interpretation von Peer Sylvester. Ich führe im Artikel aus, dass ich im Gegenteil andere Meinungen lese und mich ihnen nicht verschliesse, dass ich den Hype aber nicht verstehe und ich führe danach - zugegebenermassen auf eine sehr provokative, zugespitzte Weise - auch noch aus, weshalb ich ihn nicht verstehe.

5.) Peer Sylvester schreibt „Die Zeiten sind vorbei in der uns ein Kritiker erklärt, was wir gut zu finden haben und was nicht. Heutztage möchte ich wissen, was der Autor privat von dem Spiel hält und wieso - daraus kann ich dann viel eher ableiten, ob das Spiel mir vielleicht auch gefallen könnte. Und darum geht es bei einer Rezension.“ Stimmst Du dieser Aussage zu? Warum beziehungsweise warum nicht?
Ich habe niemandem erklärt, was er gut zu finden hat oder nicht. Ich habe erklärt, wie ich persönlich das Spiel sehe und weshalb ich - aus persönlicher Sicht - einen Hype nicht verstehe.

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon peer » 27. März 2017, 12:54

Danke an die Fragen und Antworten - Ich habe diesen Thread noch einmal verlinkt
https://plus.google.com/106740259696893 ... Xn8oLDh83c

ciao
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Florian-SpieLama » 27. März 2017, 15:21

Komisch finde ich, das letztes Jahr noch Karuba nominiert wurde, welches auch total solitär ist und wo Interaktion sogar unerwünscht ist (man sollte nicht beim Nachbar lugen und nicht warten bis andere gelegt haben usw.) und sich jetzt über den solitären Charakter eines Spiels so aufgeregt wird.

Allerdings würde ich da auch gar nicht so eine große Kritik an den Bloggern sehen, wie es hier dargestellt wird. Ich lese da eher eine Kritik an die gesamte Gesellschaft (lieber alleine am Handy fummeln, als zusammen was zu spielen). Zumal ich von einem Hype auch nichts mitgekriegt habe. "Die Botschaft die sich..." ist da wohl der Knackpunkt. Ich hätte aber nicht gesagt, dass den Bloggern das verbreiten dieser Botschaft vorgeworfen wird, sondern Herr Felber für sich selbst diese Botschaft und daraus seine gesellschaftliche Kritik zieht.
Ob die jetzt angemessen ist oder (um auf den Schlips zu treten) in die Kategorie: "Alter man der mit Fortschritt nicht klar kommt und deswegen darüber meckert!" fällt muss jeder selber wissen. Vielleicht liegt die Wahrheit auch irgendwo dazwischen.

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Thygra » 27. März 2017, 17:58

Florian-SpieLama hat geschrieben:Komisch finde ich, das letztes Jahr noch Karuba nominiert wurde, welches auch total solitär ist und wo Interaktion sogar unerwünscht ist (man sollte nicht beim Nachbar lugen und nicht warten bis andere gelegt haben usw.) und sich jetzt über den solitären Charakter eines Spiels so aufgeregt wird.

Die Jury besteht ja nicht nur aus Tom Felber, sondern aus aktuell 8 Personen. Letztes Jahr waren es noch 9, wenn ich mich richtig erinnere. Und die haben natürlich nicht immer dieselbe Meinung. Es wäre möglich, dass Tom gegen eine Nominierung von Karuba war, während eine entsprechende Mehrheit der anderen Jurymitglieder dafür war.
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Lorion42 » 27. März 2017, 18:19

Ich finde Kritik an zu solitärem Charakter von Spielen immer gut und richtig. Mir sind gut 50% aller neuen Spiele die ich ausprobiere zu solitär. Und bei den Leuten mit denen ich spiele ist es noch schlimmer... Can't Stop wurde gestern nicht ausprobiert, da die anderen es nach der Regelerklärung zu solitär fanden (dabei liebe ich den Thrill ob mir nicht doch jemand den Berg wegnimmt bei dem ich nur noch 2 Schritte brauche...). Ich habe Nmbr9 noch nicht gespielt, könnte mir aber vorstellen, dass es mir trotzdem gefällt - immerhin mag ich auch Ubongo. Und ich finde auch, dass es viel zu oft Hypes gibt. Hatte bisher aber nicht den Eindruck, dass Nmbr9 gehypt wird. Ich denke die vielen Hypes liegen einfach daran, dass es viel zu viele Neuerscheinungen gibt und man ohne Leute die ganz laut schreien "Das Spiel MUSS man ausprobieren" einfach gar keine Leute mehr erreicht. Also gibt es Leute die das bemerkt haben und deshalb überschwänglich loben, um auch Gehör zu finden. Gerade viele der Leute die in ihrer Freizeit Rezensionen schreiben machen das vermutlich um Gehör zu finden. Und wäre es nicht super fürs Ego, wenn man der erste ist, der bei einem zukünftigen Spiel des Jahres das Potential erkannt hat?

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Florian-SpieLama
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Florian-SpieLama » 27. März 2017, 18:58

@ Thygra: Das stimmt natürlich und habe ich nicht richtig bedacht. Erwähnt lassen will ich es trotzdem.

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BGBandit
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon BGBandit » 27. März 2017, 19:26

Lorion42 hat geschrieben:Ich finde Kritik an zu solitärem Charakter von Spielen immer gut und richtig. Mir sind gut 50% aller neuen Spiele die ich ausprobiere zu solitär.


Ich finde Kritik an Solitärcharakteren völlig deplatziert. Warum nur? :D

Möglicherweise, weil ich mir ungern vorschreiben lasse, was ich gut zu finden habe? :rolleyes:
Nur weil du Solitärspiele doof findest, müssen das ja nicht alle anderen auch tun.

Es gibt kein richtig und falsch bei Rezensionen. Es gibt lediglich subjektive Eindrücke

Lorion42 hat geschrieben:
Gerade viele der Leute die in ihrer Freizeit Rezensionen schreiben machen das vermutlich um Gehör zu finden. Und wäre es nicht super fürs Ego, wenn man der erste ist, der bei einem zukünftigen Spiel des Jahres das Potential erkannt hat?


Interessante These, die mal wieder die üblichen Phrasen hervorkramt: Rezensenten schreiben nur für den Ego und für Rezensionsexemplare.

Wenn viele Leute ein Spiel gut finden, könnte es dann evtl. einfach sein, dass das Spiel ... gut ist?

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Lorion42 » 27. März 2017, 20:05

BGBandit hat geschrieben:Interessante These, die mal wieder die üblichen Phrasen hervorkramt: Rezensenten schreiben nur für den Ego und für Rezensionsexemplare.

Wenn viele Leute ein Spiel gut finden, könnte es dann evtl. einfach sein, dass das Spiel ... gut ist?

Naja das schließt sich ja nicht aus, oder? ;)

Da es viele Leute gibt, die mit Solitärspielen nichts anfangen können finde ich es auch richtig, wenn es immer erwähnt wird, da das z.B. im Gegensatz zu z.B. koorperativen Spielen nicht direkt offensichtlich ist, ob ein Spiel so ist. Also ob man nun das Gefühl hat dass die Züge der Mitspieler irgendwie relevant sind oder man sich einfach langweilt wenn man gerade nicht dran ist.

Und zum Ego: ich denke dass das zumindest bei mir der Grund ist wenn ich mich irgendwie mitteile. Die einzige Alternative die mir noch einfällt ist, wenn ich etwas schreibe, damit ich es für mich selbst protokolliert habe und damit ich meine Gedanken ordnen kann. Wenn ich etwas schreibe, dann will ich auch dass es gelesen wird und wenn es gelesen wird ist das Balsam für die Seele - also: es geht doch immer nur ums Ego ;)

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Spielbär2015 » 27. März 2017, 20:09

Wie asozial ist NMBR9?

1. Das Spiel entreißt uns die wunderbare Erlebniswelt des gemeinsamen Aufbaus, mischen der Karten, Cliptüten erkunden und befüllen. Es spielt sich in derZeit, wo andere Spiel aufgebaut werden. Das geht gar nicht.

2. Einfach zu schnell erklärt. Keine 45 minütige meinsame Erlebnisreise durch Regelabenteuer, FAQ, zigfache Fragestellungen. Es ist völlig unkommunikativ. Es spielt sich in derZeit, wo man in anderen Spielen erst auf Seite 6 der Regeln angekommen ist und noch der Almanch gelesen werden muss.

3. Der Spielablauf ist einfach zu reibungslos, obwohl es ein intellektuelle Herausforderung sein soll. Es spielt sich in derZeit, wo in anderen Spielen noch nicht mal drei Spieler ihren ersten Zug gemacht haben, weil gegrübelt wird und sich ausgebeten wird nicht zu laut mit den Gläsern anzustoßen, sonst müsse man neu anfangen mit den Überlegungen. Ich koche dann meistens was, wische Staub in meinem Spieleregal oder lese schon mal die nächste Spielregel. Ich will ja niemanden stören.

Ich hatte zu viele Spielrunden die das Spiel gut fanden, denen habe ich gerade gemailt und mich entschuldigt, dass ich ihnen etwas so asoziales zugemutet habe. Das fatale dabei ist, darunter sind Menschen die sich in sozialen Berufen tummeln. Was habe ich ihnen angetan. Gut das mich ein Gralswächter des Kulturgutes Spiel zurück auf den richtigen Pfad geführt hat.

In dem Sinne grüße ich alle Spieler und Spielerinnen mit dem Spruch "Take it easy" oder wie man auf den Antillen sagt "Karuba".

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Mitspieler » 27. März 2017, 20:22

@Spielbär: Auch wenn es eine (Deiner Meinung nach humorvolle) Retourkutsche gegen die Nmbr9-Rezi sein soll - warum musst Du denn dabei die Andersdenkenden so süffisant angreifen?
Der Eine mag halt die interaktiven Spiele mehr, der Andere lieber die solitären Spiele. Ist doch kein Drama.

@BGBandit: Lorion hat Dir doch nichts vorgeschrieben, sondern einfach nur gesagt, was er persönlich (emp)findet.
Dass die Geschmäcker verschieden sind, ist bekannt und legitim.

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Lorion42 hat geschrieben:Ich denke die vielen Hypes liegen einfach daran, dass es viel zu viele Neuerscheinungen gibt und man ohne Leute die ganz laut schreien "Das Spiel MUSS man ausprobieren" einfach gar keine Leute mehr erreicht.

Ja. Das vermute ich auch!

(Wobei.. wenn es dem Rezensenten ausschließlich um Aufmerksamkeit für sich und sein Blog ginge, würde er diese sicher noch mehr mit Spiele-Verrissen bekommen. Nur halt inklusive einiger Feinde. :rolleyes: )

Ich denke aber tatsächlich, dass es heutzutage schwierig ist, ein gutes Spiel publik zu machen, ohne dabei Formulierungen der Superlative zu verwenden. Kennen wir das nicht vielleicht sogar aus eigener Erfahrung?

Klar, es gibt natürlich auch Spiele, die (subjektiv oder objektiv) tatsächlich "Überflieger" sind.
Aber ein Großteil von Aussagen wie "das Spiel ist ein Must Have" liegt wohl darin begründet,
dass man als Spieler (und wohl auch als Rezensent)
nur ab und zu mal ein Spiel erwischt, das einen endlich mal wieder "so richtig packt",
man dann euphorisch ist
und gleichzeitig Sorge hat, dass dieses tolle Spiel (als kl.Sandkörnchen im gr.Dünenmeer der Spiele) von der Allgemeinheit übersehen wird,
>> und deshalb "hypt" man es dann, damit es wenigstens kurzzeitig ein bisschen Aufmerksamkeit bekommt.

Denn wie Lorion sagte: Heutzutage muss man laut schreien und etwas ganz Ausgefallenes machen, um noch gehört zu werden.

Und das ist ganz klar ein allgemeines, gesellschaftliches Problem.
In vielen Bereichen - Wettbewerb, Werbung, Neuheiten, Medien/Sendungen, Shows, Filme, YouTube-Videos, Politik usw wird alles immer extremer präsentiert. Aus Sorge, sonst fallengelassen oder gar nicht mehr wahrgenommen zu werden.
Die Welt wird immer lauter, das Angebot unüberschaubar, Manipulation ist Bestandteil des Alltags geworden, der Komsument ist abgestumpft und registriert nur noch das Auffälligste (, sein vermeintlicher Anspruch wird immer ausgefallener, oder er will alles und wird konsumsüchtig, oder er muss viel Zeit investieren, um die Masse nach echten Kleinoden zu durchforsten), und die werbenden Stimmen werden deshalb noch schriller.
Dadurch werden dabei leider oft sowohl die Grenzen des guten Geschmacks als auch ethische Grenzen überschritten, bzw die ethischen Schmerzgrenzen werden (durch die Gewöhnung an fragwürdige Lebensstile) immer weiter verschoben.


Und zurück zu den Spielen: Da ich weder Gelegenheit, noch Lust, noch Geld habe, Tausende von Spielen zu spielen oder mir gar zuzulegen,
und es außerdem sehr wichtig finde, auch noch andere Interessen zu haben,
muss auch ich bei den Spieleneuheiten extrem selektieren
- und ich ertappe mich durchaus dabei, dass ich das Gros der Spiele, das nur mittelmäßige Kritiken bekommen hat (also keine schlechten Spiele), erstmal schnell abhake (es sei denn, Thema, Mechanismus o.Ä. reizt mich sehr), und mir vorrangig die Spiele notiere, die außergewöhnlich gute Kritiken bekommen bzw von denen Spieler wirklich begeistert sind.

Wobei es sich eh etwas relativiert, was ein einzelner Spieletester schreibt oder "hypt", da es ja sinnvoll ist, sich stets mehrere Kritiken zu einem Spiel anzuschauen.
Zuletzt geändert von Mitspieler am 27. März 2017, 21:08, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon BGBandit » 27. März 2017, 21:02

Ein gesellschaftliches Problem?

Ich schreibe Rezensionen, weil ich Spaß dran habe und weil ich diesen Spaß versuche in Worte zu fassen und zu meinen Lesern zu transportieren. Sie mitzureissen, an dem Erlebnis teilhaben zu lassen ... dafür spielen wir doch überhaupt nur. Um etwas zu erleben und Spaß zu haben

New Boardgame Journalism und so, dafür macht man das.

Und wenn mich ein Villen des Wahnsinns begeistert oder ein T.I.M.E. Stories ... dann schrieb ich das. Und wenn 100 andere Rezensenten ebensoviel Spaß daran haben wie ich... dann schreiben sie das eben auch.

Und es soll Leute geben, die haben an Spielen wie NMBR9 Spaß und finden es toll und wollen dann, dass ihr es auch toll findet, damit ihr auch Spaß habt

Es geht immer nur um Begeisterung für das Hobby, wir verdienen ja nix. Wofür sollen wir es sonst tun?

Um das Kulturgut Spiel zu fördern? :D

Wenn ich meinen Ego pushen will, geh ich auf den Marktplatz und halte ne politisch motivierte Rede oder fege die Bürgersteige (mit nem T-Shirt Bandida 040/12345 Spenden auf Bankkonto XY)

Und die meisten Hypes entstehen nicht durch Verlage (die können ihr Spiel vllt durch Marketing geschickt positionieren), sondern durch viele Spieler, die die Dinger spielen und sich dann in Foren mit anderen Spielern austauschen, weil sie begeistert sind.

Bei 1000 Neuheiten können die paar Rezensenten gar nicht solche ungerechtfertigten Hypes auslösen. Vielleicht zieht man ein paar Leute mit, die sich das Ding kaufen, aber wenn das Spiel für die Mehrheit kacke ist, dann wird kein Hype entstehen.

Und nein, ein guter Rezensent muss nicht schreien können. Da fehlt das "B". Er muss schreiBen können. Peer hats in seiner T.I.M.E- Stories Rezi bestens vorgemacht. Als alle andere ihre Rezensionen schon geschrieben hatten, als der Hype schon längst vorbei war.

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Mitspieler » 27. März 2017, 21:31

@BGBandit:
Und worin unterscheidet sich jetzt Deine und meine Meinung? Außer, dass wir vielleicht unterschiedliche Spielearten mögen? Ich verstehe Dein Problem nicht? ;)

Ich finde ja ganz genauso wie Du, dass man Rezis schreiben sollte, weil man Freude dran hat - und Freude am Spielen. Und ich denke, dass das bei den meisten Rezensenten auch tatsächlich der Fall ist.
(Wobei YouTube-Rerzensenten usw ja durchaus am Erfolg ihrer Rezis/Videos verdienen,
darum natürlich auch auf Klicks, Abos usw aus sind und daraus auch kein Hehl machen
- nur denke ich, dass speziell das Hypen von Spielen gar nicht in erster Linie dem genannten Zweck dient,
sondern einfach dem medialen und gesellschaftlichen Problem geschuldet ist, dass sich Dinge oft nur noch mit Superlativen und Skurrilität aus der Masse herausheben lassen
-- und man leider oftmals zu (vor-)schnell "Hype"-Formulierungen loslässt wie "Ooah, das Spiel ist ein Must Have!!".)


Und bei den Rezis zeigen sich dann einfach die unterschiedlichen Spiele-Geschmäcker:
Die einen Rezensenten finden ein bestimmtes Solitärspiel gut und "hypen" es ggf, weil es sonst in der Spielemasse untergehen würde, und Spieler wie Du finden es ebenfalls super und zeigen dagegen wie Spielbär die Nachteile der interaktiven Spiele auf;
die anderen Rezensenten "hypen" halt lieber interaktive Spiele ;) und finden, dass ein Solitärspiel zwar spielerisch gut sein kann, aber für sie nichts taugt und "unsozial" ist, und Spieler wie Lorion (und tendenziell ich) finden das Aufzeigen dieses Nachteils gut.

Wobei es diese unterschiedlichen Sichtweisen (und entsprechende Diskussionen) ja auch bei diversen anderen Kategorisierungen von Spielen gäbe und gibt:
Euro oder Ami, knackig-kurz oder episch-lang, abstrakt oder thematisch, lockeres Familienspiel oder anspruchsvolles Expertenspiel, Spannung durch Glücksanteil oder Gehirnschmalz durch 100%Strategie.. usw.. ;)

Man darf doch seinen Spielegeschmack sagen, solange das nicht von oben herab geschieht! :blush:
Ganz nebenbei: auch der persönliche Spielegeschmack ändert sich mit der Zeit immer wieder mal..



Übrigens entstehen "Hypes" (wenn man es so nennen will) vermutlich auch nicht nur durch "Star"-Rezensenten, die ein eigenes Blog oder einen YT-Kanal haben,
sondern auch durch die ganz "normalen" Spieler, die etwa bei H@ll9000, Spieleoffensive, Boardgamegeek oder einfach auf den vielen Spieletreffen für ihr neues Lieblingsspiel schwärmen und dann andere in diesen Rausch mitreißen,
was meist dann der Fall ist, wenn das Spiel zumindest kurzzeitig einen speziellen Reiz bietet.
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Golbin » 27. März 2017, 22:55

Ich habe gerade heute Abend Nmbr9 und Inis gespielt. Das eine ziemlich solitär, das andere an Interaktion kaum zu überbieten. Zwei Mal Spaß gehabt. Ich mag beide Spiele und vermutlich erhöht sich das noch. denn vermutlich ist Nmbr9 nach einem Inis genau das richtige, weil sehr gegenteilig.

Ansonsten soll jeder spielen, was er mag und dar überschreiben. Gerade so eine Spitze wie die von Tom Felber tut gut, weil sie zur Diskussion anregt. Dafür höre ich bei Hypes weg, weil ich selbst entscheide, was ich mag

Wolfgang
Es gibt zwei Gruppen von Menschen, denen die Welt gehört. Den Liebenden und den Spielenden.

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon BGBandit » 27. März 2017, 23:02

Mitspieler hat geschrieben:@BGBandit:

Übrigens entstehen "Hypes" (wenn man es so nennen will) vermutlich auch nicht nur durch "Star"-Rezensenten, die ein eigenes Blog oder einen YT-Kanal haben,
sondern auch durch die ganz "normalen" Spieler, die etwa bei H@ll9000, Spieleoffensive, Boardgamegeek oder einfach auf den vielen Spieletreffen für ihr neues Lieblingsspiel schwärmen und dann andere in diesen Rausch mitreißen,
was meist dann der Fall ist, wenn das Spiel zumindest kurzzeitig einen speziellen Reiz bietet.



Eben, genau dasselbe hab ich ja auch gesagt

Und nun nochmal zu deinem gesellschaftlichen "Problem", dass Dinge durch Superlative hervorgehoben werden müssen. Ich sehe darin gar kein Problem. Es muss nur richtig gemacht werden (was übrigens gar nicht so einfach ist)

Aktuelles Beispiel:

Derzeit wird das Arkham Horror LCG ja ziemlich gehyped, wenn man das so sagen will. Stand bei mir selbstredend als Solospiel mit AH-Setting und auch noch LCG ganz, ganz, gaaaaanz weit oben auf der Liste

Ich habs gespielt und war erstmal nur so semi-begeistert. Ziemliche Klatsche auf den Hype. Nun liegen bei mir noch andere Gründe vor, aber irgendwie hatte ich nach dieser Erstpartie nicht so dringend das Bedürfnis wie sonst, das Spiel sofort nochmal zu spielen.

Dann habe ich die Arkham Horror Rezi auf MUWINS gelesen und war sofort wieder geflasht.

Haben die MUWINS jetzt das Spiel unnötig gehyped? Das Spiel hochgejubelt? Mich zum Kauf verführt (wenn ich es denn nicht vorher schon gehabt hätte)?

Oder haben sie einfach ein gutes Spiel gespielt und eine noch bessere Rezension dazu geschrieben, die den Leser mitreisst? Und zwar so gut, dass selbst jemand wie ich, der das Spiel schon gespielt hat und es eher semi-toll fand, nochmal infiziert wird? Ist das nicht die wahre Kunst?

Wenn solche Jubel-Rezensionen ein Problem darstellen ... dann soll es so sein. Dann will ich bitte mehr genau solcher Probleme haben.

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Mitspieler » 28. März 2017, 10:07

BGBandit hat geschrieben:Eben, genau dasselbe hab ich ja auch gesagt.

Ja, das hab ich nach meinem Posting auch bemerkt, dass Du bereits Ähnliches geschrieben hattest. :D


Bei der anderen Sache (->"gesellschaftliches Problem") reden wir aber ein bissl aneinander vorbei, denk ich:
BGBandit hat geschrieben:Wenn solche Jubel-Rezensionen ein Problem darstellen ... dann soll es so sein. Dann will ich bitte mehr genau solcher Probleme haben.

Natürlich ist es toll, wenn ehrlich gemeinte Rezensionen begeistert und begeisternd sind!
Begeisterung ist Lebendigkeit.
Das meinte ich auch nicht mit "gesellschafttlichem Problem"! ;)


Sondern, was ich bedenklich finde, ist etwas anderes (das ich ja vorwiegend auf nichtspielerische Bereiche von Alltag und Hobby bezogen habe) :
Nämlich dass (u.a. aufgrund von Überangebot, Übersättigung des Konsumenten, Größenwahn, Versuch, sein Glück "mit Gewalt" in immer extremeren Arten der Befriedigung zu finden usw)
der Anbietende immer lauter schreien, immer abgefahrener werben muss, um überhaupt von ein paar Wenigen gesehen zu werden,
und es inzwischen weniger wichtig scheint, dass die Sache an sich (Idee/Produkt) gut ist, sondern dass sie ausgefallen beworben wird, damit der Konsument überhaupt aufs Produkt aufmerksam wird (so registriert der Konsument wenigstens die Werbung, glaubt ihr aber natürlich immer weniger...und deshalb muss der Werbende noch lauter schreien.. ^^ )

Aber noch weit mehr liegt das gesellschaftliche Problem m.M.n. darin, dass man sich oft nicht mehr mit schönen, guten (evtl auch kleinen) Dingen begnügt und daran dankbar erfreuen kann, sondern die menschliche Gier nach Mehr, nach immer größeren, luxuriöseren, verrückteren, grenzenlosen Adventures geradezu zwanghaft befriedigen muss.
Beispiele (ich vermische hierbei bewusst erlaubte und verbotene Dinge usw) : Nervenkitzel in Bungee-Jumping usw, Straßenrennen, Komasaufen, Sexsucht, Mediensucht, Egosucht und Mitgefühlslosigkeit, immer grausamere YouTube-Sensations-Filmchen für Klicks, Fernsehfilme werden immer brutaler, die Welt wird immer unpersönlicher, abgestumpfter und ist kaum noch zu schocken, Fernsehshows werden immer aufwändiger, spektakulärer und "perverser", man braucht Dschungelcamp, echte und gefakete Reality-Shows, in denen Menschen sich hassen und demütigen, usw usw
- all diese Dinge werden initiiert, um noch neue Gefühle und Grenzerfahrungen in den abgestumpften Menschen/Konsumenten zu wecken und auf sich aufmerkam zu machen.
Das meinte ich mit "gesellschaftlichem Problem".

Und da passt es natürlich, dass auch Spiele immer abgefahrenere Themen haben müssen, ausgefallener beworben werden (siehe Nürnberger Spielemesse), und man eben als Rezensent auch immer mehr Superlative braucht, um zu beweisen, dass man ein Spiel nicht einfach nur gut findet (denn dann würde der Leser denken: naja, also nur'n mittelmäßiges Spiel oder ein langweiliger Rezensent), sondern es als absoluten Überflieger hypen muss, um es aus der Masse herauszuheben..
Auch wenn die oben beschriebene Entwicklung glücklicherweise im Spielebereich noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft.
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon BGBandit » 28. März 2017, 10:52

Ich wollte gerade schreiben "Wer macht denn sowas überhaupt?"

...

da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren :D

Anklage stattgegeben

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Mitspieler » 28. März 2017, 12:58

..iih!! :dodgy: :D

Danke für's "Stattgeben". :blush:
Sollte aber keine Anklage sein, sondern eher eine nachdenklich(machend)e Beobachtung.

LG, Daniel
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon peer » 28. März 2017, 18:02

Mitspieler hat geschrieben:
BGBandit hat geschrieben:Und da passt es natürlich, dass auch Spiele immer abgefahrenere Themen haben müssen, ausgefallener beworben werden (siehe Nürnberger Spielemesse), und man eben als Rezensent auch immer mehr Superlative braucht, um zu beweisen, dass man ein Spiel nicht einfach nur gut findet (denn dann würde der Leser denken: naja, also nur'n mittelmäßiges Spiel oder ein langweiliger Rezensent), sondern es als absoluten Überflieger hypen muss, um es aus der Masse herauszuheben..
Auch wenn die oben beschriebene Entwicklung glücklicherweise im Spielebereich noch nicht so weit fortgeschritten ist wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft.


Moment - Kurzer Einwurf meinerseits:
Das was die Kritik von Felber ausgelöst hat war ein Tweet - Keine Rezension!. Ich wiederhole noch einmal: Ein Tweet! Tweets sind ja nun gerade kurze, knackigfe Statements, keine Rezensionen.
Zweitens: Wenn eine Aussage: "Das Spiel ist toll - Das wäre ein würdiger Spiel des Jahres - Preisträger!" bereits ein Hype ist, oder ein besonderes Superlativ, dann ist was falsch. Emotionen sind etwas gutes. Niemand sprach hier von einem absoluten Überflieger (und selbst doch, sehe ich daran nichts verwerfliches).

Tut mir Leid, ich sehe diese Entwicklung überhaupt nicht! Eher im Gegenteil: Die meisten Rezis bemühen sich für meinen Geschmack fast schon zu sehr um eine sehr gemäßigfte Sprache: "Ja, das Spiel ist nett. Wer Spiele mag, die nett sind, kommt hier voll auf die Kosten! Ich meine, Ich finds jetzt mal nicht so gut, aber das muss ja nichts heißen..." kommt ja nun doch deutlich eher vor als "Meine Fresse, das Ding ist der heißeste Sch.... denn ich in meinem Leben gesehen habe! Ich bin ein anderer Mensch geworden! Wow, ist das Ding geil! Wenn das keinen Titel gewinnt, fahre ich in einem Faß den Niagara runter!"

Und die immer "abgefahreneren Themen" vermisse ich auch... Wenn ich die Brettspielwelt mit Computerspielen (weniger die ganz großen Budget-Produkte, sondern die "kleinen", dann rühren wir hier doch sehr im Einheitsbrei...

ciao
peer

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon BGBandit » 28. März 2017, 19:09

Es war also ein Tweet ja .... :D

Das da oben hab übrigens nicht ich geschrieben. Ansonsten gebe ich dir Recht: die Rezensionen allgemein sind mäßiger geworden (wohl auch aufgrund eben dieser Kritik, dass viel hochgejubelt wurde)

Mir fehlen allerdings eher generell oft Emotionen in Rezensionen

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Mitspieler » 28. März 2017, 20:16

peer hat geschrieben:Das was die Kritik von Felber ausgelöst hat war ein Tweet - Keine Rezension!. Ich wiederhole noch einmal: Ein Tweet! Tweets sind ja nun gerade kurze, knackigfe Statements, keine Rezensionen.
Zweitens: Wenn eine Aussage: "Das Spiel ist toll - Das wäre ein würdiger Spiel des Jahres - Preisträger!" bereits ein Hype ist, oder ein besonderes Superlativ, dann ist was falsch. Emotionen sind etwas gutes.
[...] Tut mir Leid, ich sehe diese Entwicklung [Hypes in Rezis] überhaupt nicht! Eher im Gegenteil: Die meisten Rezis bemühen sich für meinen Geschmack fast schon zu sehr um eine sehr gemäßigfte Sprache.

Oh Mann, wie oft soll ich es denn noch schreiben: Meine Beobachtung/Kritik bezog sich auf die gesellschaftliche Entwicklung im nichtspielerischen Bereich!!

Da es aber in der Gesamtdiskussion zuvor darum ging, dass (bzw inwieweit) Brettspiele in Rezensionen schnell gehypted würden, habe ich darauf gesagt: Naja, wenn das so ist, dann ist das halt wohl einfach der gesellschaftlichen Entwicklung und der Masse an Spieleneuheiten geschuldet. Und dazu Erklärungsversuche geliefert, warum ggf gehyped wird.
Außerdem habe ich geschrieben, dass die Hypes wohl eher durch momentan begeisterte Normalo-Spieler entstehen als durch Rezensenten. Übrigens hatte Felber sich durchaus auf Rezensionen bzw die Rezi-Bloggerszene bezogen (lediglich der "Auslöser" war ein Tweet, aber seine Kritik war umfassender!), aber das ist auch völlig egal, denn ich hatte mich aufs neuzeitliche Hypen und Hochpushen allgemein bezogen, und dazu zählen aufgeregte Tweets ja sogar viel eher als sorgfältige Rezensionen!


Und noch etwas, Du hältst mir vor: "Emotionen sind etwas Gutes". Ja, aber genau das hab ich doch geschrieben: "Natürlich ist es toll, wenn ehrlich gemeinte Rezensionen begeistert und begeisternd sind!
Begeisterung ist Lebendigkeit.
Das meinte ich auch nicht mit "gesellschaftlichem Problem"!"

Zitat Ende. Also bitte einfach besser lesen, Peer. ;) Oder habe ich Dich missverstanden?
Im übrigen können Emotionen durchaus auch schlecht sein, wenn sie unkontrolliert oder fehlgeleitet sind (Jähzorn, Hass, Schwärmerei für Populisten usw).

Ich hatte einfach von meiner Beobachtung aus dem nichtspielersichen Bereich berichtet, nämlich,
dass es in der Gesellschaft immer schwerer wird, die teilweise abgehobenen Bedürfnisse zu erfüllen und das Niveau immer höher zu schrauben, und dass dadurch das Angebot, die Vermarktung und der Konsum bzw der Anspruch immer "kranker" wird.
Und das beobachte ich durchaus (hatte ja einige Beispiele genannt).

Teilweise hat diese Entwicklung m.E. durchaus auch schon die Brettspielindustrie und -szene erreicht,
zumindest, was das Überangebot und das Untergehen des einzelnen guten Produkts in der Angebotsmasse anbelangt,
aber auch, was die Euphorie vieler Konsumenten für Neuheiten und ungezügelten Spielekaufrausch anbelangt:
Wenn man in anderen Foren liest, wieviele Leute 1000e von Spielen besitzen, immer alle Neuheiten kaufen müssen und auch der Community begeistert aufdrängen, welche Spiele alle "Must Haves" und "Pflichkäufe" sind (oftmals bei noch kaum getesteten Spielen), kann man durchaus von Hypes reden.
Zuletzt geändert von Mitspieler am 28. März 2017, 20:52, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitragvon Mitspieler » 28. März 2017, 20:46

Übrigens, Peer, da gebe ich Dir recht: Von einigen Ausnahmen abgesehen, finde auch ich nicht, dass die "professionellen" Rezensenten/Blogger dauernd Spiele hypen würden.
Naja, das Spielen an sich vielleicht schon, ja, :rolleyes: ..
Das Problem ist aber wohl mehr, dass man sich als Leser/User allein schon durch die anschaulich und kurzweilig (und ja,teilweise eben auch begeistert) vorgetragenen Spiele-Vorstellungen/Let's Plays/Vorschau-Listen von den Rezi-Bloggern/YouTublern in einen "persönlichen Hype" getrieben fühlt^^, wenn einem die Präsentation Appetit gemacht hat. :cool:
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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon BGBandit » 28. März 2017, 21:35

Mitspieler hat geschrieben:Das Problem ist aber wohl mehr, dass man sich als Leser/User allein schon durch die anschaulich und kurzweilig (und ja,teilweise eben auch begeistert) vorgetragenen Spiele-Vorstellungen/Let's Plays/Vorschau-Listen von den Rezi-Bloggern/YouTublern in einen "persönlichen Hype" getrieben fühlt^^, wenn einem die Präsentation Appetit gemacht hat. :cool:


Sinn und Zweck der Übung, ergo kein Problem ;-)

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Re: Fairplay-Editorial: Wie kritisch sind Spiele-Videos auf YouTube?

Beitragvon Mitspieler » 29. März 2017, 01:03

peer hat geschrieben:Und die immer "abgefahreneren Themen" vermisse ich auch... Wenn ich die Brettspielwelt mit Computerspielen (weniger die ganz großen Budget-Produkte, sondern die "kleinen", dann rühren wir hier doch sehr im Einheitsbrei...

1.) Wenn ich die neueren Fantasy-Themen und Grafiken bei Brettspielen anschaue, so werden die durchaus immer abstruser. Dabei würde ein richtig schön phantasievoll und atmosphärisch aufbereitetes "Normalothema" mir persönlich viel viel mehr Spielreiz bringen als ein möglichst unsinniges, abstoßendes Fantasy-Horror-Thema.

2.) Dass Du Computerspiele als Massstab heranziehst, ist ja wohl ein Witz - etwa so, wie wenn man sagen würde "im Vergleich zur Formel 1 in Monaco bin ich mit meinem Wagen doch eher vorsichtig durch die Stadt gerast." Oder "im Vergleich zu einer Knastschlägerei habe ich den Mitarbeiter doch nur ganz leicht vermöbelt." ;)
Denn (soweit ich es als Nichtinteressierter mitbekomme) sind ja gerade die Computerspiele ein Vorzeigebeispiel für "immer verrücktere und abgefahrenere" Entwicklungen, um die Sucht nach Nervenkitzel zu befriedigen - egal, ob es sich dabei um extra gefährliche Realitythemen mit (virtuellen) Grenzerfahrungen handelt oder um abstoßende Horrorthemen oder menschenverachtende Egoshooter..
Und so etwas vermisst Du? Echt jetzt?

Klar, ein Computerspiel ist kein realer Amoklauf und auch kein reales illegales Autorennen, bei dem Unbeteiligte real ums Leben kommen, aber der Wunsch (bei einigen Menschen sogar die Sucht) nach Mehr, Grenzerfahrungen und grenzenlosem Fun wird dadurch vermutlich trotzdem geweckt, wenn jemand tiefer in jene Welt eintaucht.
Das denke ich zumindest.
Du kannst das natürlich leugnen, aber ob Du damit richtig liegst? Denn auch die Leute, die reale illegale Autorennen durch Innenstädte fahren und in dieser "Fun-Sucht" gefangen sind, spielen die Lebensgefährlichkeit und ethische Unvertretbarkeit ihres "Hobbys" auch herunter und glauben das teilweise selber noch.

Vielleicht habe ich mich beruflich und privat zu viel mit seelisch kranken, in Gier und Zwängen gefangenen, im Sozialverhalten gestörten und kriminell gewordenen Menschen beschäftigt, deren tatsächliche Bedürfnisse (Liebe, Respekt) betäubt worden sind und die ihre Gedanken und Gefühle teilweise nicht mehr reflektieren können (das kommt übrigens in allen sozialen Schichten vor), daher sehe ich tatsächlich sich ausbreitende Abstumpfung, Mitgefühlsverlust, Verrohung und Grenzerfahrungssüchte als Entwicklung in unserer Gesellschaft.

Naja, das hat jetzt nur noch peripher mit dem Threadthema zu tun..
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