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[PEEP] Earth Reborn

Verfasst: 11. April 2011, 17:57
von Braz
Hallo,

nachdem ich momentan mitten im „Earth Reborn“ -Fieber bin, wollte ich einmal einen PEEP über das Spiel schreiben, um es anderen Interessierten vielleicht etwas näher zu bringen.

Als denn….

[b]Was ist „Earth Reborn“?[/b]

„Earth Reborn“ ist ein Brettspiel, bei dem man in einem post-apokalyptischen Szenario Aufträge mit seinen Figuren (3D Plastikfiguren) erfüllen muss.
Jedes Szenario hat hierbei andere Ziele. Im Groben geht es aber immer um den Kampf zwischen „Salemiten“ und „Norads“
Salemiten repräsentieren hierbei eine Gruppe von Personen, die sich beim Ausbruch des nuklearen Krieges in unterirdische Städte verschanzt haben und dort versucht haben, mittels Wissenschaftler und einem okkulten Glauben, die Toten wieder zum Leben zu erwecken. Kurzum: Bei den Salemiten handelt es sich um eine Gruppe aus Zombies und normalen Sterblichen. Die „Norads“ hingegen sind eine Gruppe, die sich ebenso beim Nuklearkrieg in die Erde verschanzt haben, dort aber ein strenges Militärregiment geführt haben. Das hat dazu geführt, dass diese Gruppe aus „normalen“ Menschen besteht, die militärisch sehr gut ausgebildet sind.

Beide Gruppen kommen nun nach dem Nuklearkrieg wieder an die Erdoberfläche zurück und bekriegen sich dort.


[b]Das Material[/b]
Die Box ist wirklich voll gepackt mit Countern und einem Satz (12) von Plastikfiguren, die wirklich sehr gut modelliert sind und Helden bzw. Anti-Helden in Aktion zeigen.
Ansonsten befindet sich in der Box, neben einem umfangreichen Regelheft (44 Seiten), noch ein Szenarienheft (28 Seiten) mit 9 Szenarien.
Beide Hefte kann man sich auf der Verlagsseite anschauen und herunterladen:
http://earthreborn.ludically.com/downloads

Es sei hierbei erwähnt, dass Szenario 9 nicht das Ende der Fahnenstange des Szenarioheftes ist, denn es gibt einen Online-Szenario-Generator, mit dessen Hilfe man nicht nur eigene Szenarien erschaffen kann, sonder auch von Fans kreierte Szenarien auf der Verlagsseite downloaden kann.

Zusammenfassend begeistert das Material, da die Spielplanteile sehr robust sind, die unbemalten Figuren sehr schön modelliert sind und die Menge an Countern, Spielplanteilen und Karten beachtlich ist. Aus diesem Grund wird „Earth Reborn“ auch in einer größeren Schachtel (=große Schachtelformat von Fantasy Flight Games) geliefert.


[b]Das Spiel[/b]

Zum Spiel selbst gibt es recht viel zu sagen. Alle Regeln hier aber aufzuführen wäre schier unmöglich, da die Regeln selbst sukzessive im Spiel Szenario für Szenario eingeführt werden. Man wird daher nicht mit einer Fülle an Regeln überschlagen, sondern erlernt erstmal die Basics, d.h. wie ist eine Runde aufgebaut und was kann ich in einer Runde überhaupt grob machen. Danach wird das Bewegen und der Nahkampf erklärt und schon startet das erste Szenario. Hat man dieses gespielt, so kann man sich an weitere Regeln und weitere Szenarien heranwagen. So geht es im Regelheft z.B. mit der Sichtlinie und dem Duellieren weiter, gefolgt vom Fernkampf etc. Jeder neue Regelzusatz wird hierbei von einem neuen Szenario begleitet.

Grundsätzlich:
Im Spiel zieht man 3D-Plastikfiguren auf dem Spielplan umher, um dort Missionsziele zu erfüllen. Hierfür hat man nicht nur die 3D Figur auf dem Plan, sondern auch die dementsprechende Charakterkarte dieser Figur, auf der bestimmte Eigenschaften dieser Figur, wie z.B. ihre Nahkampfwerte, ihre Fernkampfwerte, ihr maximales Tragegewicht etc. stehen, vor sich liegen.
Will man nun eine Figur auf dem Spielplan aktivieren und z.B. bewegen, so muss man ein sog. Order-Plättchen an die Figur (=Charakterkarte) anliegen. Von den OrderPlättchen hat man jede Runde 5 Stück, die man aus einem Sack verdeckt zieht. Auf einem Orderplättchen sind nun 4 von 5 verschiedenen Aktionsmöglichkeiten angeführt. Die Aktionsmöglichkeiten sind hierbei: Gehen, Nahkampf, Fernkampf, Benutzen und Suchen.
Das Anlegen eines solchen Plättchens unter seine Charakterkarte ist jedoch hierbei nicht genug. Das Plättchen zeigt nur die Aktionsmöglichkeiten an, die ein Charakter haben kann. Um die Aktion auf dem Plättchen überhaupt ausführen zu können, muss man zudem sog. `Command Points` an die entsprechende Aktion des Aktionsplättchens legen. Von diesen `Command Points` hat jeder Spieler auch ein begrenztes Kontingent (so um grob die 15 Stück variierend). Grundsätzlich sind `Command Points` gleichbedeutend mit Zeiteinheiten, die ein Charakter für eine bestimmte Aktion aufbringen muss.

Man legt also an das Charakterplättchen der Figur, die man aktivieren möchte, ein sog. „Order Tile“ und an dieses wiederum „Command Points“, um diverse Aktionen mit der 3D Figur auf dem Spielplan durchführen zu können.

Der Spielplan selbst ist hierbei modular und variiert von Szenario zu Szenario und so rennt man einmal mit seiner Figur im Outback umher, hingegen man sich in einem anderen Szenario ausschließlich innerhalb eines Gebäudes befindet.

[b]Fazit:[/b]
Das Spiel ist schon ein großartiges Spiel, sollte man auf eine solche Art von Spielen stehen, bzw. Gefallen an solchen Spielen haben. Es ist kein Ressourcenmanagement-Spiel und kein Worker-Placement-Spiel. Es ist ein Spiel, bei dem man, ähnlich wie beim Descent, Dungeon Twister oder Space Hulk, seine 3D Figuren auf dem Plan umher zieht. Anders als bei den zuvor genannten Spielen, geht aber „Earth Reborn“ mehr ins Detail. Das Spiel hat fast schon Rollenspielcharakter, da der Charakter einiges an Statistiken besitzt und man rel. viele Sachen im Spiel machen kann: Man kann z.B. Sachen durchsuchen, foltern, Minen legen, Sicherheitsbarrieren lahm legen, indem man das Stromgeneratorenhäuschen zerstört, man kann sich verstecken, man kann Einrichtungsgegenstände oder auch Wände zerstören, Zeitbomben legen, Nahkampf oder Fernkampf betreiben, jnd. gefangen nehmen, spionieren und… und… und. Gerade aus diesem Grund sollte man „Earth Reborn“ mit einem fixen Spielpartner oder fixen Spielpartnern spielen, denn sonst darf man immer wieder von neuem anfangen.
Die Regel ist daher sehr umfangreich, aber dennoch leicht verständlich, da sie sehr gut bebildert ist und, wie bereits erwähnt, neue Regelpassagen sukzessive eingeführt werden. Aber man muss aufpassen: Das Spiel gibt es momentan nur auf Englisch oder Französisch.

Rein spielerisch sehe ich „Earth Reborn“ eher als 2 Personenspiele, obwohl es auch 3-4 Spielervarianten gibt und das Spiel mit 2-4 Personen angegeben ist.

Was man mit dem Spiel bekommt ist schon beachtlich: Nicht nur das Material ist umfangreich, sondern auch das Regelwerk und die Spieltiefe sind hervorragend. Selten bin ich so sehr im Szenario versunken wie in diesem Spiel. Man versucht stets das Optimum aus seinem Zug herauszuholen, da beide Seiten (Salemiten und Norads) unterschiedliche Missionsziele besitzen. Man hat daher oft wenig Zeit, sich auf seine Mission vorzubereiten, sondern ist im ständigen Wettstreit, dem Gegner seine Mission zu zerstören oder selbst die eigene Mission schneller zu beenden, als die des Gegners.
Im muss zugeben, dass mir das Szenario einer post-apokalyptischen Welt erstmal nicht so gefallen hat und ich deswegen doch eher skeptisch an das Spiel gegangen bin. Das ist aber reine Geschmackssache.
Zum Glück war meine Neugier aber größer, als die Abneigung gegen diese post-apokalyptische Welt und so bin ich mit einem Spiel belohnt worden, das sehr dicht, spannend und umfangreich ist.
„Earth Reborn“ ist aber sicherlich nicht für jeden geeignet. Spieler, die lieber Ressourcen sammeln oder Arbeiter platzieren, als sich in eine fiktive Welt hineinzudenken und mit 3D Figuren auf dem Plan herumlaufen, sei davon abgeraten.

„Earth Reborn“ ist mit „ab 13 Jahren“ angegeben und ich denke, dass man auch mind. so alt sein sollte, denn die Szenarien sind per se sehr düster (Zombies, foltern, Tote zum Leben erwecken etc.) und die Regeln sind zudem wirklich sehr umfangreich.

Die Spieldauer wird mit 60 Minuten angegeben und das ist mE ein sportlicher Richtwert für größere Szenarien, denn da gibt es schon einiges zu bedenken. Will sagen: Wir spielten bislang immer zwischen 2h-3h an größeren Szenarien. Sicherlich sind die Anfangsszenarien nicht so umfangreich und diese kriegt man locker in 60 Minuten hin und sicherlich kann man größere Szenarien auch schneller spielen…lässt man sich jedoch Zeit, dann kann eine Partie schon mal an die 2-3h gehen.

Das Glück spielt bei „Earth Reborn“ auch eine relative Rolle: Man muss den Schaden oder den Erfolg eines Fernangriffs erwürfeln. „Wie, was? Würfeln? Ne, da hab` ich keine Lust drauf“ werden jetzt vielleicht viele denken, aber das Spiel als ein Glücksspiel abzutun wäre völlig fehl am Platze: Man kann sein Glück dadurch minimieren, indem man einfach mehr Zeit (=“Command Points“) für eine gewisse Aktion investiert. danach muss man zwar immer noch würfeln, aber z.B. 2 Treffer aus 4 Würfeln zu erwürfeln ist schon wahrscheinlicher, als wenn ich nur 2 Würfel würfle, um 2 Treffer zu erzielen. Man kann also das Glück sehr gut minimieren; Dennoch ist es aber vorhanden. Mich hat es jedoch nicht gestört. Man sollte dies nur bedenken, wenn man sich das Spiel zulegt und mit dem anderen Spiel des gleichen Autors, nämlich Dungeon Twister, vergleicht, welches -bis auf die verdeckten Angriffswerte- keinerlei Glückskomponenten besitzt.

„Earth Reborn“ ist für mich ein Highlight des 2010/2011 Spielejahrgangs, bei dem für mich weitere Highlights u.a. Civilization, Dominant Species. Key Market und Vinhos sind. „Earth Reborn“ bedient hierbei jedoch ein ganz anderes Spielsegment, welches wohl eher in der Dungeon-Crawler-Ecke beheimatet ist.


Gerade weil das Spiel so stimmungsvoll ist, gerade weil es eine üppige und schöne Ausstattung hat, gerade weil es spannend ist, gerade weil es einen hohen Widerspielreiz besitzt, weil man immer neuere Fähigkeiten kennen lernen möchte oder eine andere Taktik ausprobieren möchte, gerade deswegen gebe ich dem Spiel die volle Punktzahl.

Für mich ist es ein grandioses Spiel, bei dem der Autor wirklich sehr viel bedacht hat und einige Rollenspielaspekte ins Spiel gepackt hat. Es ist ein Spiel, an dem ich mit Sicherheit noch lange Spaß haben werde.
Es ist aber sicherlich nicht für jeden geeignet, da man bei dem Spiel schon am Ball bleiben sollte, um alle Regeln zu erlernen Es ist zudem kein Ressourcenspiel oder Workerplacementspiel ist und sticht als solches natürlich aus der Masse der meisten anderen Spiele heraus.


Abschließen möchte ich meinen PEEP mit einem Zitat von Tom Vassel zum gleichen Spiel: "If you`re watching this review and think "[i]well the theme looks interesting, but I`m not realy sure...."[/i] Get it...it`s that simple" ;-)


(Verlag: Ludically/Z-Man-Games; Autor: Christophe Boelinger; Spieldauer: 60 Minuten; Anzahl Spieler 2-4)


P.S. Rezensionsvideos kann man u.a. hier finden:
Tom Vassel: http://www.youtube.com/watch?v=MHaFvReVqJo
Jeremy Salinas: http://www.boardgamegeek.com/video/5079/earth-reborn/drakkenstrikes-earth-reborn-components-breakdown-v

Re: [PEEP] Earth Reborn

Verfasst: 11. April 2011, 19:24
von ravn
Volle Zustimmung. Earth Reborn ist einzigartig packend, wenn man sich darauf einlassen mag und die ersten Szenarien als Einstiegs-Regel-Lern-Lektionen betrachtet. Weil erst mit dem Fernkampf und die Bietduelle um Initiative bekommt das Spiel eine vorab ungeahnt taktische Tiefe.

Da gilt es den modularen Spielplan, die Ausrüstung und die Charakterwerte vorab gut zu analysieren, um Stärken und Schwächen sowie kritische Punkte auf dem Spielplan auszumachen. Dabei empfehle ich eine gute Beleuchtung, damit die schwarzen Wände in der teils arg düsteren Grafik nicht übersehen werden - am besten gemeinsam zu Spielbeginn durchgehen, um nervige Flüchtigkeitsfehler zu vermeiden.

So einfach der Einstieg ist, so komplex werden die Regeln in ihren Möglichkeiten und die kann man eigentlich nur durch Spielpraxis kennenlernen. Bedeutet dann auch, dass Anfänger gegen erfahrene Spieler wenig Chancen haben und man eher feste Spielpartner oder Spielrunden auf dem selben Niveau halten sollte, damit es beiden Spielern Spass macht.

Für mich die perfekte Brettspiel-Umsetzung des rundenbasierten PC-Strategiespiels "Jagged Alliance", auch wenn das Szenario anders ist, das Spielgefühl ist durchaus vergleichbar. Massig viel Gegengwert in einer prall gefüllten Box!

Cu / Ralf

Re: [PEEP] Earth Reborn

Verfasst: 11. April 2011, 19:43
von Braz
ravn schrieb:
> Für mich die perfekte Brettspiel-Umsetzung des
> rundenbasierten PC-Strategiespiels "Jagged Alliance",

Hmm..stimmt...so hatte ich es noch gar nicht gesehen: Volle Zustimmung!

Re: [PEEP] Earth Reborn

Verfasst: 13. April 2011, 12:59
von Niccolo
Wie viele Szenarien hast du schon gespielt?

Ich bin bei dem Spiel noch 'on the fence'.
Es klingt interessant, aber auf BGG konnte ich bei einem lesen, dass der Eindruck groß war, dass die Entwickler mit Begeisterung Regeln dazupappten - weil es eben ging - und so eine überflüssige Komplexität schufen.
Und Regeln addieren... ist wahrlich so eine Kunst nicht und schon gar nicht elegant.

Re: [PEEP] Earth Reborn

Verfasst: 13. April 2011, 13:06
von Braz
alle Regeln habe ich noch nicht durchgespielt...ich komme jetzt zu den Mission Points .....

Niccolo schrieb:

> Es klingt interessant, aber auf BGG konnte ich bei einem
> lesen, dass der Eindruck groß war, dass die Entwickler mit
> Begeisterung Regeln dazupappten - weil es eben ging - und so
> eine überflüssige Komplexität schufen.

Hmm...gut...den Eindruck habe ich zwar noch nicht, aber sollte sich dieser einstellen, dann lasse ich eben zusätzliche Regeln einfach weg......und spiele mit den bislang bekannten weiter.


Mir gefällt das Spiel deswegen so gut, weil es so eine dichte Handlung hat. Bis auf 1 Szenario, bei dem ich Schwierigkeiten mit den LoS hatte, da einfach zu viele Sträucher auf dem plan waren, fand ich wirklich ausnahmslos jedes Szenario super und hatte richtig Lust auf zusätzliche Regeln. ;-)

Re: [PEEP] Earth Reborn

Verfasst: 13. April 2011, 16:30
von ravn
Niccolo schrieb:

> Es klingt interessant, aber auf BGG konnte ich bei einem
> lesen, dass der Eindruck groß war, dass die Entwickler mit
> Begeisterung Regeln dazupappten - weil es eben ging - und so
> eine überflüssige Komplexität schufen.

Du bestimmst selbst, mit wie vielen Regeldetails Du spielen willst. Nahkampf und Fernkampf und Einsatz von Gegenstände halte ich genauso wie Duell um Initiative für Pflicht. Eben weil damit taktische Freiräume entstehen. Diese Regeln kann man auch alle in ein paar Szenarien an einem Nachmittag sich anspielen.

Ob man die Interaktion mit den Räumen braucht, die Suche nach Gegenständen, Missionspunkte, Funkverkehr und kombinierte Aktionen, das kann man dann entscheiden, wenn man die Grundregeln in der Kombination per Spielpraxis verstanden hat und gerne noch mehr will.

Wenn Dir taktische Tabletops in Brettspielformat gefallen, dann zugreifen. Weil mit Earth Reborn bekommst Du eine ganze Spielewelt in einer Schachtel zum direkt losspielen.

Cu / Ralf