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[PEEP] Strasbourg

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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BNgK

[PEEP] Strasbourg

Beitragvon BNgK » 12. April 2011, 11:05

Erneut gilt Pegasus mein bester Dank für ein unabhängiges Muster ihres neuen Titels "Strasbourg", über welchen ich im Folgenden meine ersten Eindrücke für euch schildern möchte:


"Strasbourg", darf man sagen, ist im Vergleich zu den letzten sehr komplexen Vielspielertiteln ein eher untypischer Feld und wird daher auf den ersten Blick über die Regel so manchen verschreckt haben. Die Regeln würden, auf das Wesentliche reduziert - sprich keine umfangreichen Beispiele und Grafiken, locker auf zwei Seiten passen, viele Phasen laufen nach einem ähnlichen Muster ab, wenige Elemente sind wirklich innovativ und die Möglichkeiten überschaubar.

Grob zusammengefasst ist eigentlich nur der Kartenmechanismus neu, aber der hat es in sich: Jeder Spieler hat einen Kartenstapel, von dem er in jeder der genau fünf Runden Karten zieht, welche verschiedene Zahlenwerte zeigen. Wie viele Karten man zieht, ist beliebig, aber der Stapel muss für alle fünf Runden reichen - zieht man zu Beginn sehr viele Karten, hat man gegen Ende eben sehr wenige. Aus den gezogenen Karten werden anschließend verdeckte Grüppchen gebildet, die schon bereits aus nur einer einzigen, aber auch aus mehreren Karten bestehen können. Nun durchläuft das Spiel die neun verschiedenen Phasen einer der fünf Runden, in jeder können die Spieler sich entscheiden, eines ihrer Kartengrüppchen aufzudecken oder zu passen. Alle aufgedeckten Grüppchen werden verglichen, die Zahlenwerte innerhalb der eigenen Grüppchen dabei addiert - wer die höchste Summe aufzuweisen hat, gewinnt diese "Bietrunde", die Anderen werden in absteigender Reihenfolge noch Zweiter, gegebenenfalls Dritter oder gehen gar leer aus. Zuvor gesammelte Privilegien können genutzt werden, um die Entscheidung der Mitspieler abzuwarten und stets zuletzt aufzudecken. Je nach Phase wirkt sich ein Gewinn nun unterschiedlich aus, wobei viele Phasen an sich identisch sind, nur beispielsweise einer anderen Zunft(siehe unten) zugehörig: Geboten wird so um die verschiedenen Ämter der Stadt (Adel, Kirche, die Vorstände der fünf Zünfte und zuletzt Kaufleute), das Recht Waren zu verkaufen, solche zu erhalten oder auch Personen der eigenen Farbe auf dem Spielplan auf Zunftfelder stellen zu dürfen. Am Ende einer jeden Runde stellt das Kirchenoberhaupt eine Kapelle auf den Plan, der Adel bestimmt über den Bauplatz eines mehr oder weniger Siegpunkteträchtigen Gebäudes.
Um den Rahmen nicht zu sprengen, soll uns dieser Abriss genügen - selbstverständlich gibt es Mechanismen um den Vorteil des Erst- gegenüber dem Zweitplatzierten abzuheben, der Leerausgegangene bekommt seine Almosen und die Phasen bieten oft mehr als nur einen Vorteil und so wesentliche Entscheidungen an. Wer Genaueres wissen möchte, liest online die Regel.

Punkten kann man bei "Strasbourg" am Ende jeder Runde durch das Halten von Ämtern der Stadt, erst am Ende des Spiels durch klug positionierte Familienmitglieder neben wertvollen Gebäuden oder Kapellen. Kurz vor Schluss aber noch ein Clou: Zu Beginn des Spiels bekommt jeder Spieler fünf zufällige und verdeckte Aufgabenkarten, von denen er vor Spielbeginn eine bis alle behalten darf. Diese Karten fordern bestimmte Figurformationen auf dem Spielplan oder auch Mehrheiten in zahlreichen Disziplinen. Bei Spielende erfüllte Aufgaben werfen oft sehr viele Pluspunkte ab, unerfüllte bringen jedoch immer drei Minuspunkte. So muss bereits vor dem eigentlichen Spiel eine Orientierung gelegt werden und schnell stellt sich heraus, dass das Erfüllen der Aufgaben komplizierter ist, als vorab angenommen.

Zahlenkarten werden gemischt, Aufgaben sind zahlreich und zufällig in Kombination, die fünf Runden werden durch fünf Pappstreifen angeordnet, so dass sich die Phasen von Spiel zu Spiel unterscheiden und nicht jede Phase kommt in jeder der fünf Runden vor - für Abwechslung ist also gesorgt. Die Aufmachung lässt keine Wünsche offen, die Kartenqualität ist diesmal sehr gut gelungen.

Jetzt aber endlich zum Eingemachten: Wie spielt sich "Strasbourg"?! Seine Finesse zeigt das Spiel tatsächlich erst beim Spielen: Der Kartenmechanismus macht Spaß und wirkt sich mit den getroffenen Entscheidungen auf das gesamte Spiel aus, bietet dabei viele Möglichkeiten grundsätzlich an das Spiel heranzugehen und die Mitspieler zu übertrumpfen und zu überlisten. Bis zum Schluss hält sich eine Spannung, ob die eigenen Pläne aufgehen und wie mit den Dilemmata umzugehen ist, dabei geht das Spiel fix (genug) und hat sehr wenige bis keine Wartezeiten, in denen man desinteressiert am Geschehen wäre. Jedes Spiel verläuft anders, man muss sich neu auf die Mitspieler, Aufgaben und Phasen einstellen - das Spiel ist daher insgesamt sehr dynamisch und interaktiv. Jede Entscheidung scheint, vor allem in Nachhinein, wertvoll. Man hat viele verschiedene Möglichkeiten zu Punkten, und sei es, die Mitspieler nicht Punkten zu lassen - denn durchaus kann man aufpassen und zu offensichtliches Vorgehen der Kontrahenten zunichtemachen. Glück, und das wird für manche wohl wichtig sein, spielt eine stark untergeordnete Rolle! Hinterher hat man so viel entdeckt, was man bei den ersten Partien nicht bedacht hat, und auch nicht wirklich hat bedenken können, dass man bereits die nächsten Pläne schmiedet und das Spiel auch nach der Partie im Kopf hausiert. "Strasbourg" ist glücklicherweise angenehm und kurz genug, als dass eine weitere Partie sofort möglich ist!

"Strasbourg" ist regeltechnisch ein sehr einfaches Spiel, bietet auf diesem Fundament aber pausenlos komplexe Entscheidungen mit Tragweite. Meiner Meinung nach ist es eines der sehr wenigen Spiele, bei dem der Spielreiz insgesamt deutlich überproportional im Verhältnis zum Regelumfang ausfällt - was die bestmöglichste Auszeichnung für ein Spiel ist, die man vergeben kann. "Strasbourg" ist tatsächlich simpler als die letzten Feld-Spiele, aber umso mehr beglückwünsche ich diesen, dass er auch auf einem anderen Gebiet, dem anspruchsvollen Familienspiel, ein derart gelungenes Werk abzuliefern vermag und damit seine Vielseitigkeit vortrefflichst beweist!

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desmodus

Re: [PEEP] Strasbourg

Beitragvon desmodus » 12. April 2011, 12:27

Danke für das PEEP. Das deckt sich auch mit meiner Erfahrung (wenn auch nur aus einer Partie). Das Spiel finde ich auch sehr gelungen und abwechslungsreich. Die Biet- und Platzierungsmechanismen greifen gut ineinander.

Mich würde nur mal interessieren welche 3 weniger simplen Spiele von Stefan Feld Du meinst? Wahrscheinlich noch Burgund und Luna. Wenn ich aber so recht überlege hat sich da letztes Jahr in Essen noch ein "Na so was" eingeschlichen und auch Speicherstadt ist nicht gerade ein Strategie-hammer.
Mit letzterem würde ich das neue Strasburg von der Komplexität (oder dem Anspruch wie es glaube ich bei Alea immer heißt), am ehesten Vergleichen.

Stefan Feld hat in meinen Augen mit Spielen wie Kampf um Rom, Speicherstadt, Ru(h)m und Ehre und Na so was schon das ein oder andere familientaugliche Spiel geschaffen.
Nicht immer gleich katalogisieren und abstempeln, nur weil er schon 3 anspruchsvollere Spiele bei Alea gemacht hat.
Mit Im Namen der Rose und Spiel mit Lukas war er auch schon auf ganz anderen Terrain unterwegs.
Seine Vielseitigkeit zeichnet ihn aus und ich bin mir sicher, dass wir noch viele weitere gute Spiele von ihm erwarten dürfen.

Wusstet Ihr zum Beispiel, dass Speicherstadt ein Nebenprodukt von Notre Dame ist? Hätte das Spiel aber wohl zu sehr in die Länge gezogen und auch die Komplexität gesteigert. Da der Mechanismus jedoch gut war,wurde eben ein eigenes Spiel draus. Wahrscheinlich gibt's noch viele weitere solche Anekdoten. Ich bin mal gespannt wie viele Ideen aus Burgen von Burgund ihren Weg in eigene Veröfffentlichungen finden und uns erfreuen werden.

Wer Stefan kennt, weiß dass noch viele andere Projekte in der Pipeline sind ;-)

desmodus (der sich sicher ist: Die nächste Spiel in Essen ist näher als wir alle denken!)

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BNgK

Re: [PEEP] Strasbourg

Beitragvon BNgK » 12. April 2011, 12:47

Die Spiele von Stefan Feld sind mir bekannt, dennoch denke ich, dass "Strasbourg" am ehesten als anspruchsvolles Familienspiel durchgehen kann und auf dem Gebiet bisher recht einzigartig in seinem Programm vertreten ist. Familientauglichkeit, da gebe ich Recht, hat er bereits bewiesen: "Die Speicherstadt", im Vergleich mit "Strasbourg", ist noch mal wesentlich einfacher vom Kopf her und ein sehr gutes Familienspiel (hätte meiner Meinung nach auch ein Spiel des Jahre verdient gehabt!).
Ich neige eher weniger dazu stumpf zu kategorisieren und vor allem abzustempeln - aber wer dieses Forum liest wird Feld wohl vor allem mit "Burgund", "Im Jahr des Drachen", "Macao", "Notre Dame" und "Luna" verbinden, allesamt keine geeigneten Familienspiele. Daher der Vergleich, der der Neugier der Vielspieler bezüglich des neuen Spiels ja nur zuträglich ist! :)

Immerhin haben wir jetzt schon zwei sehr positive Meinungen, und das von Spielern, die auch kompliziertere Titel schätzen. Ein gutes Zeichen!

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Spielefix
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Re: [PEEP] Strasbourg

Beitragvon Spielefix » 12. April 2011, 19:55

Nicht nur zwei positive Meinungen zum Spiel, sondern auch eine äußerst positive Rückmeldung über den PEEP-Schreiber, dessen Videorezensionen auf Spielama ich sooo vermisse.

Spielefix

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Dietrich
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Re: [PEEP] Strasbourg

Beitragvon Dietrich » 12. April 2011, 20:01

Moin, moin,

Spielefix schrieb:
>
> Nicht nur zwei positive Meinungen zum Spiel, sondern auch
> eine äußerst positive Rückmeldung über den PEEP-Schreiber,
> dessen Videorezensionen auf Spielama ich sooo vermisse.
>
> Spielefix

und ich auch!

Denke bitte an ein Comeback!

Gruß, Dietrich


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