Beitragvon Duchamp » 2. Februar 2015, 10:25
In Nürnberg hatte ich doch tatsächlich Zeit genug, um mich mit am Hans im Glück-Stand zu einer Partie „Auf den Spuren von Marco Polo“ niederzulassen.
Fotos zur Illustration dieses Ersteindrucks finden sich auf Boardgamegeek:
http://www.boardgamegeek.com/images/boardgame/171623/auf-den-spuren-von-marco-polo
Der Spielplan besteht aus zwei Teilen: Oben zeigt eine Landkarte die Welt der Reisen des Marco Polo von Venedig bis Peking mit diversen Reiserouten über Moskau, Samarkand, Arabien, Indien, teilweise miteinander verbunden. Auf den Routen liegen Oasen als reine Zwischenstopps und 14 Städte. Hält ein Reisender in einer Stadt, hinterlässt er einen Handelsposten und kann eine zu Spielbeginn dort ausgelegte Sonderaktion nutzen. Außerdem erhält der jeweils erste Spieler einen Bonus. Teilweise müssen zum Nutzen der Wege zusätzliche Kamele abgegeben werden, teilweise nicht; Seewege kosten extra Geld.
Der untere Teil des Plans zeigt die 5 Hauptaktionen, die mittels Würfeln ausgelöst werden, von denen jeder Spieler 5 zur Verfügung hat. Außerdem stehen 5 schwarze Zusatzwürfel zur Verfügung, von denen ich mir pro Zug einen erwerben kann, um mein Kontingent aufzufüllen.
Jeder der bis zu 4 Spieler erhält ein Spielertableau („Schreibtisch“), auf dem er seine einzusetzenden Spielsteine bereitlegt (Handelsposten und 5 Würfel). Außerdem findet sich dort Platz für erworbene Ressourcen (Gold, Seide, Pfeffer), Kamele und zwei Plätze für Aufträge, die zur Erledigung anstehen. Erledigte Aufträge werden umgedreht in der „Schublade“ aufbewahrt. Außerdem bekommt jeder Spieler zwei „Städtekarten“ mit jeweils zwei Städten darauf, die er geheim hält. Je nachdem, wie viele dieser Städte er bis Spielende erreicht, bekommt er zusätzliche Siegpunkte. Zu guter Letzt hat jeder Spieler eine Charakterkarte. Diese modifiziert das Spiel für den betreffenden Spieler recht grundlegend - doch dazu später. Nun stellt jeder Spieler eine Figur auf die 0 der Kramerleiste, eine zweite nach Venedig und mit ein bisschen Geld geht es los.
5 Runden werden gespielt. Zu Beginn jeder Runde würfelt jeder Spieler einmal alle Würfel und legt sie bereit. Dann führt reihum jeder Spieler immer eine Hauptaktion sowie beliebige Zusatzaktionen durch, bis keiner mehr eine Hauptaktion durchführen kann oder will.
Die Hauptaktionen sind:
1. & 2. Ressourcen, bzw. Kamele erwerben: Eine größere Tabelle zeigt an, wie viele Würfel ich seitlich platzieren muss (1 - 3), um je nach Augenanzahl des Würfels 1 - 4 Steine der jeweiligen Ressource, bzw. Kamele zu erhalten (teilweise noch mit extra Geld oder anderen Kleinigkeiten). Kamele brauche ich zum Reisen, aber auch für diverse Zusatzaktionen. Gold (Barren), Seide (Ballen) und Pfeffer (Säcke) benötige ich, um Aufträge zu erfüllen. Müssen mehrere Würfel angelegt werden (2 für Seide, 3 für Gold), ist mein niedrigster Würfel maßgeblich dafür, wie viel ich erhalte. Der Spieler, der eine bestimmte Ressource als erstes „abruft“, erhält sie für umsonst, weitere Spieler müssen stets so viel bezahlen, wie der niedrigste Würfel angibt, den sie einsetzen.
Eine andere Aktion ermöglicht es, eine beliebige Ressource sowie zwei Kamele zu erwerben. Allerdings gibt hier der erste Spieler mit seinem Würfel vor, wie hoch die Augenanzahl des nächsten Würfels mindestens sein muss. Der nächste Spieler kann dann diesen Wert erneut höher setzen ... umsonst ist das Zeug allerdings immer.
3. Geld erwerben: 5 Geld (chinesische Münzen) für einen beliebigen Würfel - allerdings nur von einem Spieler pro Runde.
4. Aufträge erwerben: Diese werden zu Rundenbeginn auf 6 Felder ausgelegt, die den Würfelseiten zugeordnet sind. Aufträge kosten zwei Würfel, wobei der höhere von beiden angibt, bis zu welchem Feld ich mir zwei Aufträge aussuchen darf (oder auch nur einen). Die Aufträge (bis zu zwei) legt der Spieler auf sein Tableau und kann sie jederzeit als Zusatzaktion erfüllen. Dazu gibt er die entsprechenden Aufträge ab und erhält dafür Siegpunkte, Geld, Kamele, einen weiteren Auftrag, etc.
5. Reisen: Auch hierfür werden zwei Würfel benötigt, wobei der niedrigere angibt, wie weit der Spieler seine Figur auf der Landkarte weiterziehen darf, vorausgesetzt, er zahlt das angegebene Geld (von 1 Feld weiter für 3 Geld bis hin zu 6 Felder weit für 18 Geld). Dabei ist zu beachten, dass die Wege teilweise zusätzlich Kamele kosten, Seewege zusätzlich Geld. Hält ein Reisender in einer Stadt, platziert er dort einen Handelsposten. Mit einem Handelsposten in einer Stadt kann er als weitere mögliche Hauptaktion die Sonderaktion dieser Stadt durchführen - allerdings nur ein Spieler pro Runde. Zudem winken Siegpunkte in Peking, Boni für die jeweils ersten Spieler in einer Stadt sowie Städte mit „Dauer-Boni“ bei jeder neuen Runde.
Nach 5 Runden endet das Spiel, es werden die Siegpunkte für Peking, die meisten Aufträge sowie die erreichten Städte der eigenen Städtekarten zu den im Spiel erworbenen Siegpunkten addiert - fertig.
Wie spielt sich das nun alles?
Ohne das Material vor Augen, bzw. auf dem Tisch klingt das alles vielleicht etwas verworren, aber mit demselben ist der Einstieg eher einfach und das ganze Spiel ausgesprochen intuitiv. Natürlich braucht man alle Ressourcen und von allen immer mehr, als man gerade hat und alles will man als erster machen und überall als erster sein. Das Würfelglück ist weniger entscheidend, als es den Anschein haben mag. Hohe Würfel sind zwar besser, aber auch niedrige vielfältig einsetzbar.
Anhand der Städtekarten, Aufträge und attraktiver Sonderaktionen in den Städten hat der Spieler Nah- und Zwischenziele, die ihn führen, gleichzeitig hat er alle Freiheiten. Ein wesentlicher Aspekt aber sind die Charakterkarten: Deren gibt es 12 (glaube ich, jedenfalls eine Menge) unterschiedliche. SEHR unterschiedliche. Zum Beispiel muss ein Charakter gar nicht würfeln. Er dreht die Würfel, wie er sie braucht. Zug für Zug. Oder ein anderer Charakter: Er bekommt jedes Mal, wenn irgendein Spieler Ressourcen abgreift, ebenfalls einen Stein der jeweiligen Ressource aus dem Vorrat. Das bedeutet: Jeder Spieler spielt ein ziemlich grundlegend anderes Spiel mit sehr anderer Herangehensweise.
Mir hat die Partie richtig viel Spaß gemacht. Nur 8 Punkte (69 - 61) hinter Jasmin von Hans im Glück - immerhin! Und ich wusste genau, welche Fehler ich gemacht hatte. Was auch für die Mitspieler galt und ein schöner Aspekt des ganzen Spiels ist: Aufgrund der nachvollziehbaren Routen, Städtekarten und abgelegten Aufträge lässt sich der Spielverlauf sehr schön rückwirkend betrachten und man kann die Partie noch eine Weile Revue passieren lassen.
Unterm Strich ein absolut rundes Spielerlebnis. Man ist absorbiert vom Geschehen, die Aktionen fühlen sich alle unterschiedlich an, Interaktion ist reichlich gegeben, die Spannung steigt, Wettrennen an diversen Schauplätzen finden statt (die meisten Aufträge / Peking / Sumatra mit seinen drei Sonderaktionen), die verschiedenen Charaktere aber sind das entscheidende Merkmal, dass man sofort mit anderem (oder auch demselben) Charakter gleich die nächste Runde spielen will.
Nach dieser Partie bin ich nicht nur angefixt, sondern „Auf den Spuren von Marco Polo“ ist für mich ein heißer „Kennerspiel des Jahres“-Kandidat. Man kommt sehr „smooth“ ins Spiel, das Spielmaterial hält alle nötigen Informationen bereit, die Symbolsprache ist eineindeutig, die Downtime hält sich in Grenzen. Ein wunderbares Mittelgewicht und ein Musterbeispiel für „irgendwie alles schon mal gesehen, in der Mischung aber sehr fresh“. Die Mechanismen greifen perfekt ineinander, das Thema ist sehr schön umgesetzt (und vom Verlag nicht geändert worden), das Material lässt keine Wünsche offen - mir persönlich gefällt vor allem, dass es mal wieder einen Spielplan mit echten „Wegen“ gibt und keine „Excel-Aktionstabellen“.
Einfach schön.