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Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Jerry
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Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon Jerry » 1. September 2017, 18:57



Diese Rezension wurde initial veröffentlicht auf mittwochsspielen.com




Der Sommer ist da, aber die Spielesommerpause neigt sich bereits dem Ende entgegen. So langsam tröpfeln die erste Essen-Neuheiten ins Haus.

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Mit DiceForge liegt ein Titel auf dem Tisch, der eine spontane „haben wollen“ Reaktion auslöst: Würfel, die wir selbst umklicken können! Cooool! Aber schon die Regelerklärung wirft erste Schatten, denn unser Erklärbär ist sichtlich ungehalten über die augenscheinlich verbesserungswürdige Regelqualität und dokumentiert dies durch laustark eingestreute Verwünschungen.

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Spielprinzip

DiceForge ist im Prinzip ein Deckbuilding-Spiel ohne Decks. Anstatt uns einen Kartenstapel zusammenzukaufen, modifizieren wir Würfel, um sie von „lahm“ nach „toll“ zu verbessern. Dazu hat jeder Spieler zwei Würfel, deren Seiten wir Lego-mäßig ausgetauschen können. Erwürfelt werden können damit verschiedene Ressourcen (Gold, Edelsteine, Siegpunkte), mit denen wir entweder unsere Würfel aufmotzen können, oder die uns den Kauf von Aktionskarten erlauben.

Der Spielrhytmus ist eingängig und ohne Downtime: Alle würfeln gleichzeitig und schreiben sich die erwürfelten Ressourcen auf einem Tableau gut. Nur der jeweils aktive Spieler kann Ressourcen ausgeben, um damit entweder die eigenen Würfel zu verbessern oder eine Karte zu kaufen. Das spielen wir über ~10 Runden und wer am Ende die meisten Siegpunke gesammelt hat, gewinnt.

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Erwürfelte Ressourcen werden auf verschiedenen Leisten vermerkt

Zu Beginn sind unsere Würfel naturgemäß schwach. Maximal 1 Gold, 1 Edelstein oder 2 Siegpunkte werden da ausgeschüttet. Aber das ändern wir schnell durch Umkonfigurieren („Schmieden“) der Würfel: Man kauft neue Würfelaugen aus einer zentralen Auslage, knibbelt eine Seite der Wahl von einem Würfel runter und klickt die neue drauf. Fertig. Und so verbessern sich unsere Würfel nach und nach. 4 Gold statt 1 Gold, 2 Edelsteine statt einem – das sorgt für mehr Einkommen und beschleunigt so das Spiel von Runde zu Runde.

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Eine bunte Vielfallt an Würfelseiten

Genau so wichtig wie die Würfel sind die Aktionskarten, denn diese sorgen nicht nur für zusätzliche Möglichkeiten (Extrawürfe, Zusatzeinkommen) sondern sind auch ordentlich viele Siegpunkte wert. Im Spiel gilt es dabei, die übliche Balance zu finden zwischen Ausbau der eigenen Infrastruktur (sprich der Würfel) und dem Erwirtschaften von Siegpunkten über Karten. Wichtig ist zudem, dass unsere Lagerkapazitäten begrenzt sind, was uns dazu anhält, Ressourcen zeitig auszugeben um ein Volllaufen der Lager zu vermeiden.

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Aktionskarten: Extrawürfe. Extraressourcen. Extra-Stauraum.

Spielgefühl

Das Spielgefühl ist dabei zunächst positiv, denn in DiceForge geht es zumeist bergauf: unsere Würfel werden besser und besser, unser Einkommen steigt und steigt. Aggressive Aktionen der Mitspieler sind bis auf wenige Ausnahmen sehr selten. Es geht also schwungvoll voran.

Trotzdem will sich nach anfänglicher Freude über die Würfelbastelei dann doch keine rechte Begeisterung einstellen, denn letztendlich sind die Veränderungen an den Würfeln primär nur quantitativer Natur. Will heissen: es gibt zwar mehr Zeugs aber keine neuen Handlungsoptionen. Und während ich bei einem Deckbuildingspiel weiss, dass eine gekaufte Karte früher oder später kommt, muss ich bei DiceForge auf mein Würfelglück hoffen. Würfelmanipulationsaktionen wie bei Alien Frontiers oder Colony gibt es nicht. Es kann also sein, dass eine teuer eingekaufte Seite im ganzen Spiel nicht ein einziges Mal gewürfelt wird.

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Würfelspiele sind mein Lieblingsgenre in unserem Hobby. Winziges Weltall, Colony, Alien Frontiers, Kingsburg. Allesamt klasse. Aber bei DiceForge will der Funke nicht überspringen und das liegt unter anderen daran, dass man nicht das Gefühl hat, in diesem Spiel etwas wirklich falsch machen zu können. Das Einkommen kommt automatisch. Viel, wenn man gut würfelt, weniger wenn nicht. Man kauft dann was da ist, hat aber selten das Gefühl, eine wirklich spektakuläre Verbesserung ergattert zu haben. Zudem fehlt dem Spiel ein langfristiger Spannungsbogen. Es kann zwar passieren, dass bestimmte Würfelseiten oder Karten irgendwann ausverkauft sind, aber egal, dann kauft man eben was anderes. Unbefriedigend ist auch das Spielende: Wie oben geschrieben, würfeln immer alle Spieler Einkommen, aber nur der aktive Spieler darf investieren. Das führt am Ende dazu, dass der Startspieler noch 3x würfeln darf, aber mit seinem Einkommen nichts mehr machen kann. Für ihn trudelt das Spiel also aus. Hier hätte man sich eine Abschlussrunde gewünscht, in der alle nochmal kaufen dürfen.

Fazit:
Das Gimmick des Spiels (Würfel umbauen) ist cool, reicht aber nicht für langfristige Motivation. Ich würde DiceForge zwar jederzeit wieder mitspielen, es aber auf keinen Fall selbst kaufen.

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Lehni
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Re: Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon Lehni » 1. September 2017, 21:19

Jerry hat geschrieben: Unbefriedigend ist auch das Spielende: Wie oben geschrieben, würfeln immer alle Spieler Einkommen, aber nur der aktive Spieler darf investieren. Das führt am Ende dazu, dass der Startspieler noch 3x würfeln darf, aber mit seinem Einkommen nichts mehr machen kann. Für ihn trudelt das Spiel also aus. Hier hätte man sich eine Abschlussrunde gewünscht, in der alle nochmal kaufen dürfen.

Echt jetzt? Oder bringen Rohstoffe doch noch Punkte bei Spielende? Vielleicht hat der Startspieler einen anderen Vorteil und der soll dadurch ausgeglichen werden. Aber ansonsten schon etwas sonderbar.

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Dee

Re: Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon Dee » 1. September 2017, 21:47

Danke für das Review. Ich hatte so etwas beim Grob-Video-Anschauen schon vermutet und bin froh, nicht in das Spiel investiert zu haben. Ich spiel es aber gerne mal mit, um zu testen, wie es sich anfühlt.

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Greifwin
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Re: Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon Greifwin » 1. September 2017, 21:47

Da du deine Würfel auch auf Siegespunkte hin ausrichten kannst, bringen die Runden in denen du nicht investieren kannst natürlich auch noch was. Hängt einfach stark davon ab, wie du Deine Würfel aufwertest und natürlich auch vom Würfelglück.

Zum Spiel ansich: Ich finde es einen wirklich schönen Titel, grade für Familien auch sehr gut geeignet. Den Kauf habe ich auf alle Fälle nicht bereut und freue mich schon auf potentielle Erweiterungen, die dem ganzen ggf. auch mehr Tiefe verleihen. Und mal ehrlich, für den kleinen Preis, kann man da auch ohne schlechtes Gewissen o. ä. zuschlagen. :)

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Florian-SpieLama
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Re: Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon Florian-SpieLama » 1. September 2017, 21:51

Naja, man sieht ja das Ende kommen (die Rundenzahl ist festgelegt) und kann dann seine Würfel mit Siegpunkt-Seiten ausstatten.
So ist das Würfeln nicht umsonst.

Ich hab es erst einmal gespielt fand es aber als seichtes Spiel sehr unterhaltsam. Optik und Material sind dabei besonders lobend zu erwähnen. Ist aber eher in der Kategorie Aufwärmer/Absacker/Lückenfüller zu sehen. Zumindest meiner Meinung nach.

Thygra
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Re: Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon Thygra » 1. September 2017, 22:17

Jerry hat geschrieben:Aber schon die Regelerklärung wirft erste Schatten, denn unser Erklärbär ist sichtlich ungehalten über die augenscheinlich verbesserungswürdige Regelqualität und dokumentiert dies durch laustark eingestreute Verwünschungen.

Ich habe da sofort ein Bild vor Augen, wer wohl dieser Erklärbär war, der lautstarke Verwünschungen streute. Falls ich Recht habe, bestell ihm gerne viele Grüße! ;)
André Zottmann (geb. Bronswijk)
Thygra Spiele
(u. a. für Pegasus Spiele tätig)

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CPost
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Re: Ersteindruck Dice Forge: Mehr Schein als Sein

Beitragvon CPost » 2. September 2017, 08:00

Kann die Meinung ebenfalls so nicht bestätigen.

Ja es gibt einen gewissen Startspielernachteil in der letzten Runde, wenn man sich nicht drauf einrichten.

Zielgruppe ist definitiv nicht der Kennerspieler (dieser ist sicherlich dauerhaft unterfordert und ruft nach Zusatzmaterial) sondern der klassische Familienspieler, der unterhalten werden will. Bisher ist das Spiel in dieser Zielgruppe in meinen Spielgruppen sehr gut angekommen.
Christoph Post
Brettspielbox - Das Brettspielmagazin.


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