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Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

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SpieLama
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Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon SpieLama » 4. Februar 2018, 13:10

Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) wünscht sich, dass das Spielen mit Spielzeug immaterielles Kulturerbe wird. Mehr Informationen dazu in der folgenden DVSI-Pressemitteilung. Übrigens: Skat ist bereits immaterielles Kulturerbe, siehe dazu viewtopic.php?f=7&t=390411.

DVSI hat geschrieben:DVSI bewirbt sich um die Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis – Auftakt bei der Spielwarenmesse
Nürnberg (wg) – Die kulturelle Ausdrucksform „Spielen mit Spielzeug“ soll Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes finden.

Mit Beginn der Spielwarenmesse am 31. Januar 2018 in Nürnberg startete der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) das Bewerbungsverfahren. „Die gesamte Spielwarenbranche wird in die Bewerbungsphase eingebunden. Beginnend mit der Spielwarenmesse sind alle Player gefragt, damit das Verfahren erfolgreich werden kann“, erklärte DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil am Mittwoch in Nürnberg. Die Bewerbung soll im kommenden Jahr eingereicht werden.

Während der Spielwarenmesse haben Aussteller und Besucher die Möglichkeit, am DVSI-Stand Karten auszufüllen und ihre Meinung zu äußern, warum Spielen mit Spielzeug immaterielles Kulturerbe werden soll. „Wir hoffen auf eine rege Beteiligung an dieser kreativen Mitmachaktion. Und die Insider wissen am besten, was Spielen so wertvoll macht. Ich bin gespannt auf die vielseitigen Argumente“, sagt der DVSI-Geschäftsführer. Berater des DVSI im Bewerbungsverfahren ist der Volkskundler Dr. Helmut Groschwitz von der Beratungsstelle immaterielles Kulturerbe an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München.

Das immaterielle Kulturerbe umfasst nach der Definition der UNESCO-Konvention „Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten – sowie die dazu gehörigen Instrumente, Objekte, Artefakte und kulturellen Räume (…), die Gemeinschaften, Gruppen und ggfls. Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen.“ Der DVSI beurteilt die Chancen auf die Aufnahme ins Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes positiv. „Es wird schon immer gespielt. Spielen, insbesondere mit Spielzeug, gehört zum Leben wie die menschlichen Grundbedürfnisse Schlafen, Essen und Trinken. Deshalb ist in Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Spiel bereits verankert“, konstatiert Ulrich Brobeil.

An dem mehrstufigen Verfahren zur Erstellung des bundesweiten Verzeichnisses sind die Bundesländer, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Prof. Monika Grütters (die selbst DVSI-Botschafterin des Spielens ist), das Auswärtige Amt und die Deutsche UNESCO-Kommission beteiligt. Vom 1. April bis 31. Oktober 2019 läuft die vierte Vorschlagsrunde für das bundesweite Verzeichnis. Bewerbungen gehen an die Länder; danach trifft jedes Bundesland eine Vorauswahl und reicht bis zu vier Vorschläge an die Kultusministerkonferenz (KMK) weiter. Das unabhängige Expertenkomitee immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission (DUK) prüft und bewertet dann die Dossiers nach fachlichen Kriterien.

„Wir rechnen mit einer breiten Unterstützung dieser wichtigen Bewerbung durch unsere Mitglieder und der gesamten Spielwarenbranche. Durch einen regen Dialog während der Messe und in den kommenden Monaten wollen wir auf vielen Ebenen weitere stichhaltige Argumente sammeln, weshalb Spielen mit Spielzeug ins immaterielle Kulturerbe gehört“, sagt DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon whorf » 4. Februar 2018, 15:06

Ich habe versucht mit Uli Brobeil darüber zu diskutieren, aber in Nürnberg war er zu beschäftigt. So, wie er es kommuniziert, kann es aus meiner Sicht NICHTS werden. Der Unterschied zwischen Natur und Kultur ist der denkende (und spielende) Mensch. Jeder Stock kann ein Gewehr sein, jeder Karton in dem man sitzt wird im kindlichen Spiel ein Auto, Flugzeug oder Zug. Das Spielen allgemein als Kulturgut anerkennen zu lassen, braucht Definitionen und das hat längst stattgefunden...

Der Aufruf ist ja gut gemeint, aber der Antrag ist längst vom Deutschen und Bayerischen Spielearchiv gestellt... eine Vorentscheidung fällt jetzt im April. Schade, dass Uli da nicht vorher mit Karin , Tom oder mir gesprochen hat. Kern des eingereichten Antrages ist es, das Spiel (und NICHT allgemein das Spielen) als immaterielles Kulturgut von der UNESCO anerkennen zu lassen. Es braucht eine regulative Idee, eine erfundene Ordnung, um es als Kulturgut anzuerkennen. Das ist meine Auffassung. Ansonsten wäre alles Spielzeug.
"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." (Friedrich Schiller)

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon SpieLama » 4. Februar 2018, 15:48

Nach Rücksprache mit Jens hier ein Hinweis für alle, die nicht wissen, wer "whorf" ist. Es handelt sich dabei um Jens Junge, https://www.ludologie.de/institut/koepfe.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Malte » 4. Februar 2018, 16:22

Wenn ich sowas lese, habe ich immer das Gefühl, dass das "Spielen mit Spielzeug" erst kulturellen Wert erlangt, wenn es als Kulturerbe anerkannt wird.
So ein Quatsch in meinen Augen. Das Spielen mit Spielzeug ist schon seit vielen Jahrzehnten in unseren Werten verankert, ohne das irgend eine Jury, ein Geschäftsführer, ein Professor oder "sonst wer" sowas erst anerkennen muss. Und WENN dieser erlauchte Personenkreis es als Kulturerbe anerkennt, damit es auf irgendeiner Liste der BRD erscheint, dann nicht weil es die selbsternannten Experten es so wollten, sondern weil es schon immer so war.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Günter Cornett » 4. Februar 2018, 19:46

Das ist sowas von peinlich:

"... Spielen MIT SpielZEUG
ins
IMMATERIELLE Kulturerbe
gehört“, sagt
DVSI-GESCHÄFTsführer"

Hier geht es ganz offensichtlich NUR um Geschäftskultur.

Wieso braucht das Spiel Zeug, um IMMATERIELLES Kulturerbe werden zu können?
Was macht es besser als Kästchen in den Sand zu malen und zu hüpfen,
als Fangen, Verstecken, als Räuber&Gendarm-Spielen?

Das Geschäft.

Ist ja an sich nicht verwerflich, wenn man mit Kultur Geschäfte macht
und das auch irgendwie als Kulturerbe anerkannt wissen will.
Aber die Definitionsgrenzen am eigenen Geschäftsbereich auszurichten anstatt an der Kultur,
ist schon peinlich. Glaubt man, dass das nicht auffällt?

Vom Spielen mit Spielzeug zum Spielen ohne Spielzeug ist dabei nur eine Grenze.
Eine andere ist die vom Spielzeug zum Gesellschaftsspiel, vom Gerät zum künstlerischen Werk.

Spiel ist eben vielfältig und nicht schon deshalb schützenswertes Kulturerbe,
weil Zeug dran hängt, das man verkaufen will.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon peer » 5. Februar 2018, 16:55

Also ich verstehe ja, dass etwas mit "Regeln" in irgendeiner Form immaterielles Kulturerbe werden kann - eben wie Brauchtum (Stichwort Karneval) , etwas wie Skat.
Aber etwas, dass per definition überhaupt keine feste Form, keine Regeln kennt, dass jeder macht, wie er will - wie soll das ein "Kulturerbe" sein? Was ist das für ein Kulturgut? Doch eigentlich im Kern "Genug Freizeit und Möglichkeit, um etwas zu tun, dass keinen Wert an sich hat". Das ist schön, dass wir das haben (das sage ich ganz ironiefreifrei) und das sollte man auch erhalten - aber das ist nichts, was man quasi für die Nachwelt aufschreiben müsste, damit das nicht vergessen wird? Was soll denn das beinhalten? "Man macht was mit etwas anderem und hat Spaß dabei?" Dann möchgte ich aber auch, dass Träumen und Sprechen Kulturerbe wird!
Nee, ich bin immer dafür zu haben "Spielen" zu fördern, aber das macht auf der ganzen Linie keinen Sinn!
(Das war jetzt alles ergänzend zu den bisherigen Beiträgen gemeint).

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon SpieLama » 5. Februar 2018, 20:58

Es gibt auch "mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen", die immateriellen Kulturerbes sind, zum Beispiel das Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung oder das Märchenerzählen.

Ebenfalls auf der Liste sind die Schachtradition in Ströbeck, https://www.unesco.de/kultur/immateriel ... ebeck.html, das Forster Hanselfingerhut-Spiel, https://www.unesco.de/kultur/immateriel ... spiel.html sowie die Deutsche Theater- und Orchesterlandschaft, https://www.unesco.de/kultur/immateriel ... chaft.html.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon peer » 6. Februar 2018, 08:30

zuspieler hat geschrieben:Es gibt auch "mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen", die immateriellen Kulturerbes sind, zum Beispiel das Singen der Lieder der deutschen Arbeiterbewegung oder das Märchenerzählen.

Ja, aber das sind schon sehr konkrete Dinge und vielleicht macht es für jemanden sinn, die aufzunehmen - aber "spielen mit Spielzeug" ist so ein absolut riesiger Oberbegriff, dass er schon wieder wertlos ist. Da kann man auch gleuich sagen "Seine Freizeit getsalten" oder "Spaß am Leben haben".

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Günter Cornett » 6. Februar 2018, 15:14

"Spielen mit Spielzeug" ist nicht nur ein riesiger Oberbegriff, sondern eben auch ein willkürlicher, nicht rational begründet.

Warum wird ein Unterschied gemacht zwischen Spielen wie Fangen und Fangen durch Abwerfen mit Ball?
Warum müssen Gegenstände dabei sein, damit es immaterielles Kulturgut wird?
Und werden Brettspiele durch den Begriff Spielzeug ausgeschlossen oder - wenn eingeschlossen - zu Spielzeug herabgestuft?

Ebenso könnte man fordern, dass Spiele in blauer Verpackung zum Weltkulturerbe werden.
Das Kriterium "mit Spielzeug" ist einfach dämlich.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Mitspieler » 6. Februar 2018, 17:20

Günter Cornett hat geschrieben:
Wieso braucht das Spiel Zeug, um IMMATERIELLES Kulturerbe werden zu können?
Was macht es besser als Kästchen in den Sand zu malen und zu hüpfen,
als Fangen, Verstecken, als Räuber&Gendarm-Spielen?


In gewissen Sinne: Nichts.

Zwar hat natürlich auch das materielle, kreativ weiterentwickelte Spielzeug seinen Wert (keine Frage!),
aber Günters Worte verdeutlichen sehr schön, dass das Kulturgut "Spielen" bereits in der Phantasie des jeweiligen Menschenkindes (aller Kulturen) liegt und daher weltweit wertvoll, schützenswert und förderungswürdig ist.

Daher wäre es sehr wichtig, dass man in allen Kulturen und Staaten
(in den Bevölkerungen grundlegend-allgemein, aber auch ganz konkret, z.B. bei Eltern, Schulen, Arbeitgebern, Stadtplanern, Wirtschaft, Gesetzgeber, Verwaltungen, soziale Stellen,..)
mehr Bewusstsein für den Wert des Spielens schafft,
und mehr Bewusstsein dafür, den Kindern die Möglichkeiten zum vielfältigen, freien Spiel (und zum sich dabei selbst Entfalten) einzuräumen bzw sie dabei zu fördern.

Eine solche "Besinnung aufs Kulturgut Spielen" und die "eigene Identifikation mit dem Kulturgut Spielen" ist wichtig und funktioniert in gewissem Sinne auch in dieser Verallgemeinerung, @peer! Denn gerade, wenn Leute anfangen, zu fragen "was ist denn mit "dem Spielen" gemeint?", setzen sie sich mit dem Thema auseinander und kommen sie ins Nachdenken.
Sie merken dann vielleicht, welche Aspekte des Spielens bei ihren Kindern ggf zu kurz kommen:
Das nichtvirtuelle Spielzeug? Das Zulassen der kindlichen Phantasie? Das Spielen und Entdecken in der Natur? Das gemeinsame Spielen? Das spielerische Üben von Fähigkeiten?..
Oder sie entdecken, dass sie selber (also die Erwachsenen) es verlernt haben, zu spielen, oder dass sie mit den Kids nur noch fernsehen, aber kaum noch miteinander echte Zeit verbringen..
Oder dem Arbeitgeber wird es wichtig, seinen Mitarbeitern individuellere, familienfreundlichere Arbeitszeiten zu ermöglichen oder oder...

Darum: Kann man denn nicht "das Spielen an sich" (natürlich mit einer Definition, aber einer, die viele Aspekte aufzählt, siehe unten unter 3.)) ausdrücklich im Kulturgut verankern?
Das hätte viele Vorteile:
> Das o.g. Bewusstsein in allen Teilen der Bevölkerung und bei diversen Verantwortlichen (s.o.) würde hoffentlich gestärkt.
> Mehr Fördergelder könnten in diesen Bereich fließen.
> Es würde sicherlich mehr (und mehr beachtete) Aktionen geben, in den Schulen, aber auch öffentlich, von Organisationen, Kommunen, Firmen und Privatleuten. Vielleicht bis hin zum gesetzlichen Feiertag "Tag des Spielens"? :D
> Die eigene Identifikation mit dem "Kulturgut Spielen" könnte ein neuer Impuls dafür sein, dass man in Deutschland mehr Spielplätze schafft, die Qualitätsnormen für Spielzeug (Sicherheit, Schadstofffreiheit..auch für Importe) streng hält,
die persönliche, individuelle kindliche Phantasie auf diverse Weisen fördert und der Smartphoneabhängigkeit von Kindern entgegenwirkt.
> Familien, Schulen, Wissenschaft und pädagogische Einrichtungen würden vermehrt darauf achten, welche Aspekte+Formen des Spielens der kindgemäßen und sozialen Entwicklung guttuen.
> Global gesehen: Mit ausdrücklicher "offizieller" Wertschätzung des Spielens könnte die Lobby in Drittweltländern gestärkt werden, den Kindern in den Städten menschenwürdigen RAUM zum Spielen zu schaffen, Kinder davor zu schützen, dass sie vor lauter Kinderarbeit gar nicht mehr zum Spielen kommen und diese Fähigkeiten verkümmern[*], sowie den Eltern mehr Zeit+Möglichkeiten zu geben, für ihre Kinder da zu sein.


Von daher denke ich:

1.) Das "Spielen-an-sich" ist schützenswertes Kulturgut weltweit und sollte so auch deklariert werden.
Mit sicher sehr interessanten regionalen Facetten und Traditionen.

2.) Und dass man im "Spielzeug-traditionsreichen" Deutschland, in dem Kinder aber in den letzten Jahrzehnten leider immer mehr ins Virtuelle gesogen worden sind, nun bewusst das reale Spielen und nichtvirtuelles Spielzeug ins schützenswerte Kulturerbe aufnehmen möchte, ist ebenfalls ein sehr guter Plan.

3.) Wie das Ganze genau definiert werden sollte, ist natürlich nicht ganz einfach.
Einerseits ist es gut, wenn die deutsche Wirtschaft ganz gezielt nicht nur im Bereich HighTech gefördert wird, sondern auch im Bereich des Spielzeugs, zumal sie ja auch da eine lange Tradition und Wertigkeit hat.
Andererseits sollte bei der Definition des immateriellen Kulturerbes der "ideologische" Aspekt des Spielens im Vordergrund stehen (s.o.: Dass das Spielen für Kinder und für die individuelle Entwicklung jedes Menschen extrem wichtig+wertvoll ist und daher geschützt werden muss). Und das bedeutet, dass man den Begriff nicht an genau definierte Materie oder gar Waren bindet, sondern ihn viel weiter fasst und die gedanklichen Phantasien der Kinder, die freien Möglichkeiten in der Natur, die kreativen Basteleien und auch die immateriellen Spiele (Fangen oder Verstecken spielen, Ratespiele, bis hin zum ausgelassenen Toben und Tanzen,..) mit in die "Definition" hineinnimmt.


Also: Man kann sicherlich "das Spielen" als Kulturgut aufnehmen. Und zwar in einem weiten, möglichst alle Aspekte umfassenden Kontext. Dass dieser trotzdem umrissen und definiert werden muss, ist in einem Staat natürlich klar, allein schon deshalb, damit keine Zweckentfremdung entsteht (z.B. Glücksspiel geschützt würde) und der Missbrauch (z.B. von Fördergeldern) kleingehalten wird.






[*]Übrigens: wundervoll, wie kreativ sich viele sehr arme Kinder aus einfachsten Dingen tolle Spielsachen basteln! Das soll kein schützenswertes Kulturgut sein?
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Mitspieler » 6. Februar 2018, 20:21

whorf hat geschrieben:Kern des eingereichten Antrages ist es, das Spiel (und NICHT allgemein das Spielen) als immaterielles Kulturgut von der UNESCO anerkennen zu lassen. Es braucht eine regulative Idee, eine erfundene Ordnung, um es als Kulturgut anzuerkennen. Das ist meine Auffassung. Ansonsten wäre alles Spielzeug.

Ja, in diesem Sinne kann alles zum Spielzeug umfunktioniert werden (was Kinder ja gerne tun).
Aber: Ja und? Ich meine, ist dieses "Spielen-an-sich" (also nicht das variable "Werk-Zeug") denn nicht trotzdem (oder sogar gerade deshalb) ein schützenswertes Kulturgut??

Das "Kulturgut" wäre dann eben nicht das Materielle (das entweder von Kindern umfunktioniert oder von der Wirtschaft extra hergestellt wird),
sondern (passend zum Titel)
das Immaterielle, Ideelle, das in Kopf und Herz (mithilfe des Körpers) des Menschen den Antrieb zum Spielen gibt. Die Idee, die Fähigkeit und die Auslebung der Lust, zu spielen... etwas frei und kreativ zu benutzen, um einfach Freude, Unterhaltung, Horizonterweiterung und ggf Wettbewerb zu haben.
Das ist für mich durchaus ein schützenswertes Kulturgut, übrigens von allen Menschen weltweit.
(Daher fände ich es sinnvoll, wenn es immaterielles Unesco-Weltkulturerbe würde.. denn die Freiheit, (natürlich in gewissem, niemanden schädigendem Rahmen) spielen zu dürfen, ist ja gewissermaßen ein menschliches Grundbedürfnis oder eine schützenswerte Grundfähigkeit, um nicht zu sagen ein Menschenrecht.)
Es wäre traurig oder sogar schlimm, wenn die Menschheit die Fähigkeit verlernen würde, "friedlich", kreativ und phantasiereich (und dennoch inmitten der realen Welt) zu spielen.

Man müsste natürlich ausdiskutieren, was denn alles zum Spielen gehört und inwieweit der kindliche Aspekt bzw eine ganz bestimmte Grundhaltung (die innere Einstellung, der Spaßfaktor, die Freiwilligkeit, ein gewisser Unernst) dazugehört, damit eine Tätigkeit ein "Spiel" ist.
(Gibt es bereits "offizielle" (wissenschaftliche?) Definitionen von "Spiel"/"Spielen" gibt..?^^).


Und es ist ja die Frage, was genau man denn schützen will:

a) Die geistige Veranlagung, das spielerische Wesen?
Die Grundhaltung, die menschliche Fähigkeit, spielerisch zu sein?
Die kindliche Leichtigkeit, die gesunde kindliche Entwicklung (Seele, Neugier+Lernen (auch Bedürfnisse, Denkstrukturen, Fähigkeiten, Umgang mit Grenzen,..), Phantasie, Gehirnentwicklung, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Sozialwesen,..)?
Das Spielen als Erwachsener wertzuschätzen?

b) Immaterielle oder materielle Traditionen? Historie?
Konkrete regionale oder gesellschaftliche Spielweisen der Nachwelt als charakteristisch für eine bestimmte Kultur zu bewahren (wie man alte Traditionen oder Lieder usw schützt)?
Oder gar konkrete Spielarten oder Spieltitel, evtl sogar spezielle Exemplare (so, wie man historische Relikte schützt)?

c) Oder (wie es Günter vermutete), einen bestimmten Wirtschaftszweig? Materiellen Wohlstand von Menschen?

Ich finde, dass bereits a) eine völlig ausreichende Rechtfertigung dafür bietet, dass "Spielen allgemein" als Kulturgut geschützt wird. Ganz besonders zum Schutz der kindlichen Entwicklung. Aber eben auch für die Menschen allgemein.
Natürlich, wie bereits erwähnt, müsste die Formulierung dann trotz des "weiten Bezugsfeldes" genauer definiert werden, damit es nicht zu Missbräuchen oder Missverständnissen kommt (z.B. ist Mobbing kein Spiel, und Leute, die Spielsucht provozieren oder ausnutzen, dürfen nicht unter den Schutzaspekt fallen usw).


Was nicht dagegen spricht, dass auch für konkretere Teilbereiche des Spielens (bestimmte Traditionen/ materielles Spielzeug/ Brettspiele) separat die Anerkennung als schützenswertes Kulturgut beantragt wird.
Naja, das sind meine recht spontanen (naiven?) Gedanken als Laie; Leute wie Jens werden sich mit diesem Themen (und den Richtlinien) ja schon seit Langem befasst haben und ihre Gründe dafür haben, warum sie gegen einen umfassenderen, ideellen Schutzstatus "des Spielens" stimmen.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Günter Cornett » 6. Februar 2018, 22:47

Mitspieler hat geschrieben:Und es ist ja die Frage, was genau man denn schützen will:

a) Die geistige Veranlagung, das spielerische Wesen?
[...]
b) Immaterielle oder materielle Traditionen? Historie?
[...]
c) Oder (wie es Günter vermutete), einen bestimmten Wirtschaftszweig? Materiellen Wohlstand von Menschen?
[...]


a) Kultur beginnt jenseits der Veranlagung, vererbt sich nicht genetisch. Auch Tiere spielen.
b) Ich denke, das ist es worum es beim Weltkultruerbe geht.
c) Darum geht es diesen Vertretern der Spielzeugindustrie. Ihr Sprecher hat b) nicht verstanden.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Mitspieler » 7. Februar 2018, 00:22

@Günter: Ja, Punkt a) habe ich wohl etwas irreführend ausgedrückt, sorry.
Ich meinte damit eigentlich auch nicht eine vererbte Veranlagung an sich,
sondern vielmehr, dass die Anlage, die vermutlich in jedem Menschen verborgen ist, schon in der Kindheit gefördert werden sollte, anstatt unterdrückt zu werden.. da sie sich sonst nicht entfalten kann, sondern verkümmert/tief verdrängt wird und später vielleicht gar nicht mehr zu beleben ist(?). Was ja auch auch für die Seele und Persönlichkeitsentwicklung des Menschen negative Auswirkungen hätte.

Darum finde ich es bereits ein wertvolles Kulturgut, dass in den meisten Kulturen dieser Hang zum Spielerischen durchaus seinen Platz gefunden hat, und ich finde diese "Orte" (nicht räumlich gemeint) schützenswert. Das müssen aber eben nicht nur bestimmte Spieltraditionen sein , wie unter b) genannt, sondern auch alle möglichen Aspekte drumherum,
wie das Bewusstsein des gesamten Staates und der Eltern, (nicht nur) Kindern Zeit und Raum zum spielerischen Sichentfalten zu geben (was z.B. vielleicht in Regionen mit extremer Kinderarbeit und Kindersoldaten usw zerstört wurde?),
oder das (von unserer veränderten, nun familienfeindlicheren und aufs Virtuelle ausgerichteten Neukultur bedrohte) von Herzen kommende Bestreben, gemeinsame Spiel-Zeit mit Kindern zu verbringen (egal, ob mit Sport, Gesellschaftsspielen, oder spielerischen Unternehmungen in der Natur),
oder die Wichtigkeit des ganzheitlichen (also auch spielerischen) Lernens usw...

Was ich damit sagen will:
Entwicklungen in der Gesellschaft können dazu führen, dass nicht nur konkrete Spielarten in Vergessenheit geraten,
sondern auch das Bewusstsein dafür erlischt, wie nötig das "spielerisch-reale Erleben der Umwelt, Gemeinschaft und von sich selbst", also "das Spielerische an sich" für die kindliche Entwicklung ist.
Darum auch mein augenzwinkernder Vorschlag eines gesetzlichen Feiertags "Tag des Spielens"..
...um das "sich dessen Bewusstsein" der Gesellschaft langfristig lebendig zu halten, eben als Kulturgut zu verankern,
und zwar nicht nur reduziert auf eine bestimmte Tradition/Spielform ("Spielen" = Räuber&Gendarm, Puppen, Bauklötze und Spielzeugautos, Mensch-ärgere-Dich-nicht und Schach), sondern den ganzheitlichen und formenübergreifenden Charakter des Spielerischen anerkennend.

Hmm, vielleicht gehen meine Gedanken in folgende Richtung: Warum kann man denn nicht auch
für die Menschheit wichtige Werte
(wie Menschenrechte, Kinderrechte, und eben auch die Möglichkeit zur spielerischen Entfaltung)
als Kulturgut schützen und "verankern"?
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon whorf » 7. Februar 2018, 09:33

Die Engländer haben das so schön einfach... spielen (play), das Spiel (Game), das Spielzeug (Toy) trennen sie sprachlich deutlicher. Lieber Mitspieler (und Mitdenker), vielen Dank für Deine Anregungen (Tag des Spielens). Mein Punkt der "erfundenen Ordnung", die eine Anerkennung als immaterielles Kulturgut voraussetzt, ist eine notwendige, gedankliche, menschliche Leistung, eine Idee.
Zu spielen ist eine natürliche, wichtige Tätigkeit, die Freiheit dazu sollte staatlich gefördert und unterstützt werden, ja sehe ich auch so. Aber so wie eine Esskultur Rezepte und eine Tradition braucht oder eine Wohnkultur einen Bauplan von Möbelstücken, so braucht die Spielkultur eine "Idee" als Grundlage. Ansonsten könnte die Tischlerinnung das Sitzen oder der Koch die reine Nahrungsaufnahme als Essen zum Kulturgut erklären. Deshalb kann aus meiner Sicht ein reines Spielzeug kein immaterielles Kulturgut sein, es ist der Aussdruck, das Werkzeug einer Kultur, so wie der Kochtopf und der Schraubenzieher.
"Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt." (Friedrich Schiller)

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Weltherrscher » 7. Februar 2018, 13:35

Essen und Sitzen sind notwendig, oder ergeben sich automatisch. Spielen muss man wollen und tun. Fürs Spielen brauch es auch keine Regeln, weder implizit noch explizit. Den Antrag auf Spiele zu verkürzen ist nachvollziehbar, aber keineswegs zwingend und schlüssig.
Menschen sind im Übrigen auch Tiere, und somit die Feststellung das auch Tiere spielen redundant. Zudem gibt es auch intelligente Tiere die eine Form von Spielkuktur besitzen, und zur Sepbstreflektion fähig sind, wenn hier auch Primaten,soweit unsere Erkenntnis bisher reicht, heraus stechen.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Günter Cornett » 7. Februar 2018, 15:26

Ach Weltherrscher, lesen im Kontext ist nicht so deine Sache, wie? Den Begriff Tier gebrauche ich hier - für lesende Menschen deutlich erkennbar - nicht im biologisch-wissenschaftlichen Sinn, sondern im Gegensatz zum Begriff Mensch. Das ist eine in unserer Kultur gängige Verwendung dieses Begriffs (siehe auch BGB). Als Weltherrscher darfst du uns aber natürlich andere Regeln aufzwingen, ist dein gutes Recht ... :)

Spielen ist ein angeborenes Verhalten, genauso wie Nahrungsaufnahme, Atmen oder Lachen.
Essen, als spezielle Form der Nahrungsaufnahme, muss man allerdings erst lernen, weswegen Babys erstmal nur Milch trinken. Mit dem Lernen beginnt die (Ess-)Kultur. Ist genauso beim Spielen. Es geschieht zunächst einmal genauso viel oder wenig "automatisch" wie Essen oder Sitzen, dem auch ein Entschluss vorausgeht - und sei es nur, dass eine Fliege sich dazu entscheidet, dir in den Mund zu fliegen. ;)

Da wo Essen oder Spielen Kultur wird, werden Regeln generiert, ob bewusst oder unbewusst. Wenn Tiere miteinander spielen, gilt dabei z.B., dass sie sich nicht ernsthaft verletzen.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Weltherrscher » 7. Februar 2018, 16:18

Günter Cornett hat geschrieben:Ach Weltherrscher, lesen im Kontext ist nicht so deine Sache, wie? Den Begriff Tier gebrauche ich hier - für lesende Menschen deutlich erkennbar - nicht im biologisch-wissenschaftlichen Sinn, sondern im Gegensatz zum Begriff Mensch. Das ist eine in unserer Kultur gängige Verwendung dieses Begriffs (siehe auch BGB). Als Weltherrscher darfst du uns aber natürlich andere Regeln aufzwingen, ist dein gutes Recht ... :)

Spielen ist ein angeborenes Verhalten, genauso wie Nahrungsaufnahme, Atmen oder Lachen.
Essen, als spezielle Form der Nahrungsaufnahme, muss man allerdings erst lernen, weswegen Babys erstmal nur Milch trinken. Mit dem Lernen beginnt die (Ess-)Kultur. Ist genauso beim Spielen. Es geschieht zunächst einmal genauso viel oder wenig "automatisch" wie Essen oder Sitzen, dem auch ein Entschluss vorausgeht - und sei es nur, dass eine Fliege sich dazu entscheidet, dir in den Mund zu fliegen. ;)

Da wo Essen oder Spielen Kultur wird, werden Regeln generiert, ob bewusst oder unbewusst. Wenn Tiere miteinander spielen, gilt dabei z.B., dass sie sich nicht ernsthaft verletzen.


Du hast einfach inhaltlich falsch argumentiert, da ist die Art der Abgrenzung völlig irrelevant,unabhängig davon ob sie überhaupt sinnvoll ist. Andere Tiere spielen auch, schaffen sogar Werkzeuge.

Ohne Essen kann man nicht leben, man muss notwendigerweise manchmal sitzen. Man kommt aber theoretisch durchs Leben, ohne sich einmal willentlich und bewusst fürs Spielen entschieden zu haben. Deshalb läuft auch hier deine Argumentation voll ins Leere.

Es gibt auch völlig regelfreies Spielen, sonst bräuchte es die Abgrenzung zwischen Spiel und Spielen nicht. Ein Spiel ist ein Spielen mit auch Regeln, diese sind sowohl implizit als auch explizit.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Mitspieler » 7. Februar 2018, 17:00

Günter Cornett hat geschrieben:Ach Weltherrscher, lesen im Kontext ist nicht so deine Sache, wie? Den Begriff Tier gebrauche ich hier - für lesende Menschen deutlich erkennbar - nicht im biologisch-wissenschaftlichen Sinn, sondern im Gegensatz zum Begriff Mensch.

Ach Günter, bitte.. warum scheint es bei Dir üblich zu sein, dass Du Mitmenschen, die bis dato normal/freundlich formuliert hatten, von oben herab (und beleidigend) angehst? So redet man einfach nicht mit dem Gegenüber, auch wenn man seine Meinung nicht teilt.
Ich jedenfalls bin hier aktiv, weil ich mich mit interessanten Menschen über ein interessantes (bzw wichtiges) Thema konstruktiv und respektvoll austauschen möchte.

Günter Cornett hat geschrieben:Spielen ist ein angeborenes Verhalten, genauso wie Nahrungsaufnahme, Atmen oder Lachen.
Hmm..die Dinge haben zwar alle mit Bedürfnissen zu tun, die ausgelebt werden, aber ich weiß nicht, ob man sie so einfach auf eine Ebene stellen kann? Zumal man ja auch da nochmal zwischen Reflexen einerseits und bewussten Handlungen andererseits differenzieren könnte/müsste.

Das "Spielen" eines Babys sehe ich da am ehesten noch in Deiner Kategorie, weil es vielleícht einfach ein ungezieltes "zu leben Beginnen" ist, ein "automatisches Anschauen" und "in der Welt aktiv Werden".

Aber im Gegensatz dazu ist das spätere "ich will jetzt mit meinen Puppen/Legos/Autos spielen", aber auch das "ich möchte Fangen spielen" oder "ich hab Lust, die Natur zu entdecken und dort Dinge auszuprobieren" eines Kindes durchaus etwas, das es mehr oder weniger bewusst entscheidet, bzw etwas, das auf eigenen Ideen aufbaut. Und die Fähigkeit dazu kann m.E. verkümmern oder gar nicht erst richtig ausgebildet werden, wenn das Bewusstsein der Eltern/Gesellschaft dafür fehlt und das Kind schon früh auf andere Bahnen gelenkt wird (stumpfsinniges Fernsehen, rein virtuelle Unterhaltung, Selbstentfremdung, Traumata, erschöpfende Kinderarbeit,..).
Und darum würde ich gern das "Kulturgut Spielen" nicht nur auf konkrete Traditionen/ Spielmechanismen/Spielmaterialien beschränken,
sondern eben auf "das Spielerische" im Allgemeinen, also die sich erst unter gewissen Voraussetzungen (weiter)entwickelnde Fähigkeit und "Idee", bewusst spielen zu wollen, Wertschätzung und Gefallen daran zu entwickeln bzw beizubehalten, und auf die vielfältigen, kreativen und individuellen Weisen des Auslebens dieses Lebensaspektes.


Dass diese sehr umfassende "Unterschutzstellung als Kulturgut" nicht einfach umzusetzen ist (was rechnet man alles dazu? ) oder sogar die geforderten Richtlinien für die "Auszeichnung" als "Kulturgut" nicht erfüllen würde, ist natürlich ein anderes Thema.
Herzlichen Dank an dieser Stelle Dir, Jens, für Deine freundlichen, interessanten Erklärungen und Gedanken zu diesem "Problem"!
whorf hat geschrieben:Mein Punkt der "erfundenen Ordnung", die eine Anerkennung als immaterielles Kulturgut voraussetzt, ist eine notwendige, gedankliche, menschliche Leistung, eine Idee.


whorf hat geschrieben:Zu spielen ist eine natürliche, wichtige Tätigkeit, die Freiheit dazu sollte staatlich gefördert und unterstützt werden, ja sehe ich auch so. Aber so wie eine Esskultur Rezepte und eine Tradition braucht oder eine Wohnkultur einen Bauplan von Möbelstücken, so braucht die Spielkultur eine "Idee" als Grundlage. Ansonsten könnte die Tischlerinnung das Sitzen oder der Koch die reine Nahrungsaufnahme als Essen zum Kulturgut erklären. Deshalb kann aus meiner Sicht ein reines Spielzeug kein immaterielles Kulturgut sein, es ist der Aussdruck, das Werkzeug einer Kultur, so wie der Kochtopf und der Schraubenzieher.

Aber geht das denn nicht genau in die Richtung, die ich meine?
Nämlich
> weg von der Beschränkung auf einzelne "Werkzeuge" (bestimmtes Spielzeug, bestimmte Spielmechanismen), und ebenso auch
> über "historische Traditionen" hinaus, die ja auch nur ganz konkrete Formen des Spielens darstellen (z.B. Geellschaftsspielabende oder sogar doch wieder nur die Gewohnheit einer Gesellschaft, bestimmte Werkzeuge kulturell aufzubauen, wie etwa das Kartenspiel oder - noch konkreter- die Spielzeugeisenbahn- oder Schachspieltradition),
> hin zu allgemein "Spielerischen", nämlich der schützens- und förderungswerten Fähigkeit[*]/Idee des bewussten Spielenwollens und auf dessen kreative und individuelle Weisen des Auslebens in all seiner Vielfalt? So, dass also keine der vielen individuellen Ideen des einzelnen Kindes (oder des menschlichen Individuums) von der Wertschätzung und dem "Schutz" ausgeschlossen würden?
(Natürlich nur, solange die Spielidee ethisch vertretbar ist - damit man nicht Dinge wie "Mobbing" o.Ä. "schützt".)


"Spielen" als Kulturgut = Schutz, Erhalt und Förderung der Fähigkeit von Individuum und Gesellschaft, in verantwortungsbewusstem Rahmen spielerisch leben zu wollen und dies individuell, kreativ und auf vielfältige Weisen auszuleben, ohne dabei sich oder der "Umwelt" (Mitmenschen usw) bewusst oder grob fahrlässig Schaden zuzufügen.

Oder so ähnlich.. :D
Zuletzt geändert von Mitspieler am 7. Februar 2018, 17:25, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Günter Cornett » 7. Februar 2018, 17:11

Weltherrscher hat geschrieben:Du hast einfach inhaltlich falsch argumentiert, da ist die Art der Abgrenzung völlig irrelevant,unabhängig davon ob sie überhaupt sinnvoll ist.

Inwiefern falsch argumentiert? Solltest du dazu etwas inhaltlich mitzuteilen haben, wieso nimmst du nicht darauf Bezug, sondern argumentierst stattdessen mit einem Begriff, der von dir falsch interpretiert wird (Tier)? Tust du das bewusst oder aus Unkenntnis? Oder anders gefragt: Trollst du oder überfordert dich dieses Thema?

Weltherrscher hat geschrieben:Andere Tiere spielen auch, schaffen sogar Werkzeuge.

Ja und? Was willst du damit sagen?

Weltherrscher hat geschrieben:Ohne Essen kann man nicht leben, man muss notwendigerweise manchmal sitzen. Man kommt aber theoretisch durchs Leben, ohne sich einmal willentlich und bewusst fürs Spielen entschieden zu haben. Deshalb läuft auch hier deine Argumentation voll ins Leere.

Welche Argumentation läuft ins Leere?
Kannst du nicht einfach mal konkret argumentieren, anstatt mehr oder weniger kluge Allgemeinplätze von dir zu geben?
Dass etwas notwendig ist, heißt nicht, dass man es unbewusst tut. Der von dir konstruierte Gegensatz unbewusstes da notwendiges Essen versus nicht notwendiges bewusstes Spielen existiert nicht. Beides geschieht bewusst und unbewusst; lässt sich nicht vermeiden, wenn man lebt. Das bloße Wahrnehmen der Umwelt beginnt für ein Kind spielerisch.
Hinsichtlich der Frage der Kultur geht es um die bewusste Pflege und Weitergabe, egal ob von Ess- oder Spielkultur.


Weltherrscher hat geschrieben:Es gibt auch völlig regelfreies Spielen, sonst bräuchte es die Abgrenzung zwischen Spiel und Spielen nicht. Ein Spiel ist ein Spielen mit auch Regeln, diese sind sowohl implizit als auch explizit.

Völlig regelfreies Spielen - so es das überhaupt gibt, ist ggf. eine Definitionsfrage - wird nicht tradiert.
Es geht hier aber um Spielen als Kultur, die entwickelt, gepflegt, weitergegeben wird.


@Mitspieler:
Wenn mich jemand bewusst falsch versteht (Weltherrscher: "Menschen sind im Übrigen auch Tiere, und somit die Feststellung das auch Tiere spielen redundant."), anstatt inhaltlich zu antworten, dann muss er damit rechnen, dass ihm das auf die Füße fällt.
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon SpieLama » 7. Februar 2018, 19:40

Bevor die Diskussion, die ich bisher sehr spannend finde, eskaliert oder zu sehr vom Thema abschweift, hier der Hinweis auf unsere Forumsregeln, viewtopic.php?f=11&t=384392.

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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Weltherrscher » 8. Februar 2018, 14:38

Mein Gott Walter, äh Günter.

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Günter Cornett
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Re: Spielen mit Spielzeug soll immaterielles Kulturerbe werden

Beitragvon Günter Cornett » 9. Februar 2018, 18:32

Weltherrscher hat geschrieben:Mein Gott Walter, äh Günter.

Danke für die Bestätigung dessen was ich schreibe, und sorry, dass ich inhaltlich geantwortet habe ... :(
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