Beitragvon Ernst-Jürgen Ridder » 2. April 2013, 14:55
Hallo Braz,
du hast ja nicht Unrecht, die Feld-Spiele sind schon gut, aber:
Mit dem Hobby Brettspiele befasse ich mich nun schon fast 50 Jahre. In dieser Zeit hat es eine beachtliche Entwicklung gegeben, wenn auch erst durch Catan wirklich "gepusht".
Je länger ich schon spiele, um so mehr bemerke ich bei mir, dass mich Mechaniken als solche, mögen sie auch neu sein, nicht wirklich interessieren, wenn sie sozusagen für sich selbst stehen. Letzteres ist meist der Fall, wenn bei der Spielentwicklung erst die Mechanik steht, der dann ein Thema aufgepfropft wird. Durch das Aufpfropfen erwirbt das entstehende Neue aber doch nur Glanz, wenn der Pfropf der Basis/Mechanik ein Glanzlicht aufsetzt, ihr die Potenz zu Höherem verleiht, als die Basis/Mechanik selbst je hätte werden können.
Wie sehr würde ich mir wünschen, dass unsere guten Spielautoren den Weg andersherum gingen: Erst ein interessantes Thema finden und dann dieses spielerisch umsetzen. Die Mechaniken müssen dem Thema zum spielerischen Erleben verhelfen. Für mich gibt es nichts Langweiligeres, als das absolut planbare Spiel. Doch, ja, planen will ich wohl schon, aber das "Schicksal" muss korrigierend eingreifen, teils vorhersehbar/einplanbar, teils wie ein Blitz aus heiterm Himmel. Als Beispiel mögen da dienen:
In Wikinger-Die vergessenen Eroberer kann ich eine weite Reise planen, eine Kombi aus Raubzug und Handelsfahrt etwa. Dazu nehme ich Männer und Waren an Bord und segele los. Planungstechnisch passt es, meine Aussichten sind bestens. Was passiert dann womöglich? Ich gerate in einen Sturm, das Schicksal will es, dass ein Mann über Bord fällt, jetzt habe ich nicht mehr genug Leute zur Verwirklichung meiner Pläne, der Ertrag der Reise, wenn überhaupt, fällt wesentlich geringer aus. Spielmechanisch ist nichts weiter passiert, als dass ich eine ungünstige Karte gezogen habe, die meine Pläne durchkreuzt; ein anderer Spieler hatte mehr Glück, ist deshalb dem Sieg näher. Ärgerlich? Nein, thematisch super gut gelungen. Auch der, der nicht so sorgfältig plant, eher aus dem Bauch spielt, hat die gleichen Chancen auf den Sieg, da macht das Spielen doch gleich viel mehr Spaß.
Vergleichbar auch in Jenseits von Theben das Ziehen der Grabungschips aus einem Beutel. Der eine kommt schnell mal auf eine Amateurgrabung vorbei, darf nur 3 Chips ziehen, hat statistisch schlechte Karten, aber das Schicksal beschert ihm beim Ziehen das Glück des blinden Huhns, das auch mal ein Korn findet. Der andere Spieler plant sehr sorgfältig, spielt sich das Recht heraus, 10 Chips ziehen zu dürfen, hat weitaus bessere Chancen auf einen guten Grabungserfolg, erlebt dann aber, auch thematisch super umgesetzt, das harte Los der jahrelang erfolglosen Arbeit vor Ort, zieht nur Schutt, wie mir das auch schon passiert ist. Das hat Frustpotential, passt aber sehr gut zum Thema und zieht den furchterregenden Grüblern, die alles planen und kein Risiko eingehen wollen, ein paar Zähne.
Ich erinnere mich an Zeiten, da spielten wir Risiko, das war ja um Längen spannender als das öde Monopoly. Da gab es in meiner Spielegruppe die Grübler und Vorsichtigen, die erst mit einer zwei- oder dreifachen Überlegenheit zur "Befreiung" ansetzten und doch verloren -Würfelpech spielmechanisch gesehen-, und es gab die Bauchspieler, die auch gerne mal ein Risiko eingingen und gegen jede statistische Wahrscheinlichkeit auch schon mal mit unterlegenen Kräften die Oberhand behielten. Da war Spannung drin.
Heute steht im Vordergrund sehr viel mehr das Optimieren um seiner selbst willen. Das kann denktechnisch durchaus befriedigend sein, aber wirklichen Spielspaß vermittelt es eher nicht.
Spielerische Grüße
Ernst-Jürgen
Spielerische Grüße
Ernst-Jürgen