Beitragvon Duchamp » 2. Mai 2013, 08:45
"Konkret passieren"? Hm.
Wenn es um Übersetzungen geht, gibt es m.E. drei Faktoren, um die Qualität zu verbessern:
- Prototyp zur Verfügung stellen. Bei den Lamont Brothers und jetzt bei Asmodée absolut üblich. Ich spiele diesen Proto dann mit der Originalregel, und stelle Rückfragen. Direkt an den Autor. Von den über 30 Übersetzungen, die ich inzwischen gemacht habe, gab es keine, bei der nicht aufgrund meiner Rückfragen auch die Originalregel ergänzt oder verbessert wurde. Das liegt einfach daran, dass der Übersetzer (der das Spiel vorher ja nicht kennt), der genaueste Leser ist, der Wort für Wort Ungenauigkeiten oder Inkonsistenzen aufspürt. Das ist Teil des Jobs, geht aber deutlich besser mit Prototyp.
- Zeit. Wenn es ganz ganz schnell gehen muss, ist immer schlecht. Es sind aber nicht nur die Verlage, sondern auch ungeduldige Spieler, die hierzu beitragen. Wer meckert, dass ein angekündigtes Spiel um einen Monat (oder drei) verschoben wird, sollte daran denken, dass es womöglich neben Probleme mit den Lieferanten (nein, nicht den Spieleautoren, sondern den Materialzulieferern, oft aus China, denn die Spiele sollen ja auch billig sein, oder?) eben auch Regellücken sind, die überarbeitet werden müssen.
- Geld. Letztlich kostet Kommunikation Zeit. Ptototypen zur Verfügung zu stellen auch. Testspielergruppen, die das Spiel noch nicht kennen (!) und eine neue Regel probespielen, auch. Zeit ist Geld. Verschieben kostet Geld. Verärgerte Spieler kosten Geld. Aber eben erst ganz am Ende. Zwischendurch, wie gesagt, ärgern sich die Spieler erst einmal über die Verschiebung oder den "hohen" Preis des Spiels, erst danach über eine mangelhafte Regel.
Zusätzlich anzumerken ist, dass die Spieler verschiedener Länder sehr unterschiedlich mit Regeln umgehen. In Frankreich z.B. ist quasi alles erlaubt, was nicht verboten ist, in Deutschland alles verboten, was nicht explizit in der Regel vorgegeben ist. Da kann man nicht einfach "übersetzen", sondern in eine andere Spielkultur hinein übertragen, ergänzen, präzisieren. Und am Ende sollen die Regeln aller Sprachen ins selbe Layout passen, und auch inhaltlich identisch sein, sonst erbost sich der nächste Spieler in einem Forum und zieht über den unfähigen Verlag her ...
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Zum Aspekt der guten Original-Regel: KMW schreibt sehr schön, wie er viele Testgruppen brauchte, um Regelversionen zu prüfen. Nacheinander. Also auch wieder ein Zeit ist Geld - Faktor. Aber mehr noch: Testspieler-Gruppen zu finden, bzw. zu Spieletreffen zu fahren, und sein Spiel vorzustellen, ist das Eine. Viele sind durchaus bereit, neben den aberhunderten Neuheiten, die ja alle gespielt werden wollen, auch noch unfertige Protos zu testen. Als Spieleautor aber zu verlangen, dass die Spieler eine REGEL testen, also arbeiten, anstatt sich das Spiel nett erklären zu lassen, diese Bereitschaft ist nicht ganz so häufig.
Ich hatte das Glück, viele Leute zu kennen, die bei meinem Spiel dazu bereit waren. Ich habe an die 30 "Blindgruppen" gehabt, die sich das Spiel selbst ausdrucken und mit der damals aktuellen Regel tatsächlich blind testen konnten / wollten. Natürlich habe ich nur von der Hälfte wirklich detaillierte Rückmeldungen bekommen. Diese waren aber alle absolut hilfeich, vor allem auch bezüglich der Regel! Nur sprechen wir hier über ein quasi selbstausbeuterisches Projekt, nicht über ein finanziell in der Masse wiederholbares Modell, das ein Verlag für jedes seiner Spiele übernehmen könnte. Oder?
Ich habe schon überlegt, ein Testspielgruppen-Netzwerk aufzubauen. Eine Internet-Plattform, in die sich Spielegruppen eintragen können, die bereit sind, Spiele zu testen, bzw. eben auch, Regelversionen zu überprüfen. Dies wäre eine Initiative, die durchaus von Spielern ausgehen könnte. Aber wer baut eine Webseite auf? Wer investiert? Die Verlage? Die Spieler? Die Autoren? Wie sieht es mit der Verschwiegenheit aus? Wie mit der Zuverlässigkeit? Mit der Bezahlung?
Im Kern berührst du in deiner Eingangsfrage einen wichtigen Punkt: Sind die Spieler ausschließlich Konsumenten oder auch Mit-Gestalter?
So, jetzt muss ich wieder an meine Spielregel ran.
Arbeitende Grüße,
Daniel