Beitragvon Roman Pelek » 25. November 2004, 01:49
Hi Peter,
vorab: ich habe den Beitrag leider nicht gesehen, aber die geschilderten Probleme und Kopfschmerzen von Spielerseite erscheinen mir allzu gängig, was Medienberichte jenseits der Fachpresse anbelangt.
Peter Steinert schrieb:
> Ich habe gerade mal mit Frau Waffenschmidt telefoniert, die
> für den Bericht verantwortlich zeichnet.
> Eins vorweg: Es war ein sehr nettes Gespräch, und
> grundsätzlich ist es ja auch löblich, dass es solche Berichte
> gibt.
Nuja, es soll ja bekanntermaßen auch ausgenommen nette Zeitgenossen geben, die dem Brettspiel nicht in unserer Ergebenheit verpflichtet sind (oder darauf sogar subjektiv keinen Pfifferling geben würden) ;-)
> Ich sehe auch ein, dass die Zeit, die für jedes Spiel
> innerhalb des Beitrags zur Verfügung steht, sehr begrenzt ist.
> Aber im Fall von San Juan hätte es auch etwas differenzierter
> ausgedrückt werden können, nach dem Motto:
> Nach dem Lesen der etwas umfangreicheren, aber dennoch sehr
> verständlichen Regel wird man mit einem tollen Spiel belohnt,
> das sich für fast alle Altersgruppen gleichermaßen eignet.
Ich schätze, dafür ist weitaus mehr Aufwand erforderlich, als den betreffenden Personen gewährt wird, außerdem kann ein solcher Schuss der gut gemeinten Relativierung durchaus nach hinten losgehen. Wenn Du Dich z. B. in einem Format bewegst, das auf kurze und bündige Empfehlung für Laien ausgelegt ist, und Du als nicht sattelfester Berichterstatter versuchst, wohlmeinend zu relativieren, wird das Eis dünn, und jeder merkt instinktiv, dass Du am Einbrechen bist, auch ohne Ahnung von den Inhalten zu haben. Im Zweifelsfall kann das m. E. unglaubwürdiger für den gesamten Beitrag werden als ein einzelner Verriss, der den Rest rettet. Unsicherheit bei einer Präsentation „kann man riechen“, gute Spiele wohl leider eher nicht…
Andererseits, wenn Du einen Sachkundigen bemühst, besteht die Gefahr, dass der Beitrag zu abgehoben wird und die Allgemeinheit nicht erreicht, es sei denn, es ist jemand, der medientechnisch so professionell ist, sich selbst auf das notwendige Maß herunterzuregeln. Und das mal ganz abgesehen von dem Abgrund, der sich auftun kann, wenn in einem Format eine Empfehlung auftaucht, mit der die Zielgruppe nicht zurecht kommt bzw. zufrieden ist *seufz*
> Während der Tests, so habe ich erfahren, wurde San Juan einer
> Gruppe von Vierzehn- bis Sechzehnjährigen für 3 Tage selbst
> überlassen. Nun ist dieses Szenario ja nicht so ganz
> unrealistisch, wenn man sich vorstellt, dass das Spiel von
> genau dieser Klientel gekauft wird.
Nun, gekauft nicht unbedingt ausschließlich, aber gespielt sicherlich - im Weihnachtsgeschäft z. B. kommt's ja auch auf essentiell auf Onkel, Tanten, Eltern etc. an, die sich vielleicht sowas ansehen und dann für ihre Schützlinge einkaufen.
> Aber was ist da
> schiefgegangen? War die Spielregel schlicht zu lang, um sich
> damit auseinanderzusetzen?
Hm, aus dem Bauch heraus eine Auflistung potenzieller Gründe: längere Regel, unbekanntes, nicht breitenwirksam beworbenes Thema/Spielwelt, optisch eher gediegene Erscheinung, ungewohnter Mechanismus des Bezahlens mit Karten statt Spielgeld. Das sind zwar alles Gründe, die uns wahrlich szeneintern nicht gefallen können (mein Kieferschreibtisch zum Bleifstift hat seinen Namen wohl verdient, so viele Kieferabdrücke, wie er ob solcher Fragestellungen von mir hat), aber welche, die m. E. in Betracht gezogen werden müssen.
Nun denn, ich halt's mit Achim, dessen Beitrag ich sehr treffend fand: egal in welchem Hobby oder Beruf Du eine intensivere Bekanntschaft mit einem Thema machst, das öffentliche Bild und die Würdigung Deiner Passion und/oder Profession wirst Du stets als unzureichend empfinden. Wobei daraus diverse Fragen erwachsen, die man sich selbst stellen muss: nimmt man es schlicht hin, als Hobbyist für sich persönlich eine Nische zu besetzen und wird glücklich damit? Möchte (und kann - oder muss aus beruflichen Gründen, weil man damit seine Existenzgrundlage zu sichern sucht) man den Anspruch verfolgen, andere mitzureißen, weil man denkt, das eigene Hobby wäre gesellschaftlich unterrepräsentiert - und wenn ja, wie am besten?
Das selbst anerkannte Nischenhobby als Variante des Einsiedlertums ist recht unkompliziert zu handhaben, übriges äußerst diffizil - zumindest kenne ich niemanden, der weiß, wie's geht. Soll man lieber möglichst einfach anfüttern, um die Begeisterung zu wecken - oder langweilt man schlussendlich damit zu sehr? Soll man Neues probieren, nur um festzustellen, dass 99% des Neuen zu sehr am Markt vorbei geht und man die 1%-Neuheit, die einschlägt, trotzdem verpasst hat? Soll man sich darauf konzentrieren, primär die Kuh melken, die bereits hat, nur um dann festzustellen, dass sie irgendwann, eines schönen Morgens, tot auf der Weide liegt und bestenfalls noch Stoff für eine letzte Morgentaukollekte hergibt, während die restlichen -l ebenden - Kühe von anderen schon eingezäunt wurden?
Nuja, nichtsdestotrotz: „Any news is good news“. Wer noch öffentlich „verflucht“ wird, ist diesem unfrommen Wunsch wohl noch nicht gänzlich anheim gefallen, Tote lohnen den Aufwand nicht. ;-)
Ciao,
Roman
P.S.: Zum Thema „Jugend von heute“: Bei einer vermeintlich schlechten Jugend lästern quasi ausschließlich Eltern über ihre eigenen Sprösslinge, für die sie selbst verantwortlich sind. Fragt sich also, wie viel Nährwert diese jahrtausende alte Platitüde jenseits selbstverliebter Verklärung und des Nichtverstehenwollens wirklich besitzt. Dabei steht die eigene Nase ganz treudoof vierundzwanzig Stunden zur Verfügung, falls man sie anfassen möchte. Solche Körperteile können da verdammt hartnäckig sein :-))