Beitragvon Kyula » 1. Mai 2012, 18:29
Eindrücke zu dem Spiel?
Hier meine Rezension vom 09.03.2010:
Einleitung:
1945. Der zweite Weltkrieg, die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte, ist beendet. Hitlerdeutschland ist bezwungen, das japanische Empire in die Knie gezwungen. Die Welt steht vor einer Neuordnung. Wo es ehemals viele große Mächte gab, gibt es jetzt nur noch zwei Supermächte - Die USA und die Sowjetunion. Die Welt erlebt eine neue Art des Krieges. Nicht mehr, wie in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten bestimmt von Soldaten, Panzern und Armeen, sondern von Politikern, Spionen, Wissenschaftlern und Intellektuellen, Künstlern und Verrätern - Der Kalte Krieg.
Twilight Struggle ist ein Zweipersonenspiel, dass diese 45 Jahre voller Intrigen, Verschwörungen, Machtkämpfen, und dem Ringen nach dem höheren Ansehen simuliert. Die ganze Welt ist Schauplatz dieses Kampfes zweier Titanen, die nie in direkte Konfrontation treten. Das Spiel beginnt 1945, in dem die beiden Supermächte um Einfluss im zerstörten Europa kämpfen und endet im Jahr 1989, mit der USA als einzigen Supermacht - außer die Spieler schaffen es in Twilight Struggle, den Lauf der Geschichte zu ändern.
Spielablauf:
Twilight Struggle ist bisher nur auf englisch erhältlich, daher verwende ich oftmals die Originalbegriffe. Ich denke auf deutsch wird dieses Spiel nie erhältlich sein, man muss also schon relativ fit in englisch sein, um das Spiel spielen zu können.
Twilight Struggle ist ein sogenanntes card-driven Wargame. Diese Karten repräsentieren reale historische Ereignisse, aufgeteilt in drei Phasen des Kalten Krieges, Early War, Mid War und Late War.
Die meisten dieser Ereignisse sind jedem geläuft, im Early war gibt es z.B. die Korea-Kriege, die Gründung des CIA, die Berliner Blockade, die Truman-Doktrin, den Warschauer Pakt, der Marschallplan, usw.
Im Midwar begegnen uns Kennedy, die Kulturelle Revolution in China, die Mondlandung, Kubakrise, Camp David, die Wahl Johannes Paul II zum Papst, Dr. Strangelove, Willy Brandt, und die Gründung der OPEC.
Im Late war schließlich stoßen wir auf die Eiserne Lady, Glasnost, den Iranisch-Irakisches Krieg und das Iranische Geiseldrama, Ortega, Gorbatschow, den Fall der Berliner Mauer, Terrorismus und Tschernobly.
Allein die Karten sorgen schon für Stimmung, zumal man immer wieder auf Ereignisse stößt, die einem nicht geläufig sind, und man sich schlau machen möchte, was genau es in der Realität mit diesem Ereignis auf sich hatte. Somit sorgt das Spiel nebenbei noch für einen Zuwachs an Bildung, zahlreiche der Ereignisse sind in der Spielanleitung mit einigen Sätzen erläutert.
Es gibt Karten mit amerikanischen Ereignissen (symbolisiert durch einen weißen Stern), Karten mit russischen Ereignissen (roter Stern), und Karten die für beide Seite gelten (weiß/roter Stern). Jede Karte hat einen im Stern angebenen Operationspunkte-Wert (0-4) und ein Ereignis.
Spielt man eine Karte, die ein eigenes Ereignis auslösen würde, kann man wählen, ob man die Operationspunkte der Karte nutzen, oder das Ereignis abhandeln möchte. Spielt man eine Karte, die ein gegnerischen Ereignis auslöst, kann man selbst die Aktionpunkte verwenden, das gegnerische Ereignis wird aber in jedem Fall ausgelöst und tritt sofort in Kraft. Das kann einen manchmal in arge Bedrängnis bringen, etwa wenn man selbst mehrheitlich Karten mit Ereignissen des Gegners auf der Hand hat; im umgekehrten Fall aber kann es einem natürlich auch zahlreiche Vorteile bringen.
Der Spielplan zeigt die Welt, aufgteilt in die Regionen Europa, Asien (mit der Subregion Südostasian), Mittlerer Osten, Afrika, Südamerika und Zentralamerika. Russland und Amerika sind zwar abgebildet, spielen für die Spielmechasnsimen selbst aber so gut wie keine Rolle.
In jeder Region gibt es neben den normalen Staaten auch sogenannte Battleground-Countries. Dies sind Länder, die im Verlauf des Kalten Krieges eine zentrale Rolle gespielt haben, und somit besonders wichtig sind. Einfluß in ihnen zu haben ist für den Spielverlauf besonders wichtig.
Einfluss wird durch einfache Marker angezeigt. Jedes Land hat eine Stabilitätszahl von 1-5. Hat man ausreichend Einfluß in einem Land erreicht, um diese Zahl zu erreichen oder zu überschreiten, hat man zum einen die politsche Kontrolle über dieses Land und zum anderen reduziert dies die Möglichkeiten des Gegners, Einfluss in diesem Land zu erlangen.
Um Einfluss zu erhalten benutzt man die Operationspunkte der Karten. Entweder benutzt man sie, um Einflussmarker zu setzen. Dabei entspricht ein Operationspunkt einem Einfluss, den man in eine beliebigen Land setzen kann, in dem man schon Einfluss hat, oder das mit einem Land in dem man Einfluss hat benachbart ist.
Weiterhin gibt es die Möglichkeit des Realignment-Rolls um gegnerischen Einfluss zu verringern. Hierbei würfeln beide Spieler gegeneinander, man bekommt Boni falls man mehr Einflussmarker als der Gegner in dem Land hat, falls die eigene Supermacht mit dem Land verbunden ist, oder man Länder in der Umgebung kontrolliert. Beide Spieler würfeln, addieren ihre Modifikatoren und wenn der Wert des Angreifers höher ist, als der es Verteidigers, wird entsprechend der Differenz Einfluss entfernt.
Der Coup, also der Umsturz der Regierung eines Landes, ermöglicht es gegnerische Einfluss zu reduzieren und eigenen Einfluss zu erhalten. Dabei würfelt man gegen die doppelte Stabilitätszahl des Landes und addiert zu seinem Wurf den Wert der ausgespielten Karte, Überschreitet man die Stabilitätszahl, entfernt man entsprechend des Wurfes Einfluss des Gegners und falls die Zahl groß genug war, platziert man eigenen Einfluss in diesem Land.
Doch militärische und politsche Stürze sorgen für Unruhe und Besorgnis und führen zu einem Anstieg der atmoaren Bedrohung, repräsentiert durch den Defcon-Counter. Er startet bei Defcon 5, ein Wert, der nur in Friedenszeiten erreicht wird. Für jeden durchgeführten Coup sinkt der Wert. Bei Defcon 4 sind keine Coups oder Realignment Rolls in Europa Erlaubt, bei Defcon 3 in Asien und bei Defcon 2 schließlich keine mehr im Mittleren Osten.
Hat man Defcon 2 erreicht führt jeder weitere Coup (sprich in Afrika oder Süd/Zentralamerika), oder jede andere Aktion (etwa durch Kartenevents), zum Sinken des Defcon Status' auf Level 1, was das Auslösen eines theromnuklearen Krieges bedeutet, der die gesamte Menschheit auslöscht und führt somit zu einer automatischen Niederlage des Spielers, der ihn ausgelöst hat.
Im Kalten Krieg war das Rennen um die Vorherrschaft im Weltraum ein großes Thema und findet natürlich auch Berücksichtigung in diesem Spiel. Auf dem Space Race Track können die Supermächte Fortschritte im Weltraum machen. Dazu muss man eine Karte mit einem bestimmten Wert abwerfen und Würfel. Bei einem erfolgreichen Würfelwurf, rückt man eine Box auf dem Space Race Track vor und erhält entweder Siegpunkte oder spieltechnische Boni. Außerdem wird das Event der Karte nicht ausgelöst, so dass das Space Race eine hervorragende Möglichkeit ist, unliebsame Karten des Gegners, die man auf der eigenen Hand hat loszuwerden.
Siegpunkte bekommt man durch gewisse Ereignisse, der großteil der Siegpunkte wird über Scoring Cards verteilt. Spielt ein Spieler die Scoring Card einer Region wird diese gewertet. Es gibt für jede Region drei verschiedene Stadien die man erreichen kann. Ist man in einer Region präsent, kontrolliert man mindestens ein Land in ihr. Domination hat man, wenn man mehr Länder als der Gegner und mehr Battleground Countries als der Gegner kontrolliert. Control schließlich erlangt man, wenn man mehr Länder als der Gegner und alle Battleground Countries der Region kontrolliert. Die Punkte werden gegeneinander verrechnet. Hat ein Spieler nur Presence (z.B. 3 Punkte) und ein Spieler Domination (z.B. 6 Punkte) bekommen beide Spieler diese Punkte, so das Effektiv gesehen der Domination-Spieler 3 Punkte gewinnt.
Die Siegpunkte werden auf einer Leiste, die von +20 (Sowjets) bis - 20 (USA) geht, verrechnet. Erreicht eine der beiden Seite nach einem Turn 20 Punkte ist ihr weltweiter Einfluss so groß, dass sie den Kalten Krieg gewonnen hat, und der Spieler das Spiel gewinnt.
Die dritte Möglichkeit das Spiel zu gewinnen (außer dem Sieg durch ein Auslösen des Nuklearkrieges durch den Gegner, oder das Erreichen von 20 Punkten) ist die Kontrolle Europas. Da Europa aber die Region mit den höchsten Stablitätszahlen ist, und sich viele Karten direkt auf Europa beziehen ist dies sehr schwer zu erreichen.
Fazit:
Wer des englischen mächtig ist, und sich für Geschichte und speziell die Phase des Kalten Krieges interessiert, dem sei dieses Spiel wärmstens ans Herz gelegt. Normalerweise bin ich kein Fan von Spielen, bei denen man einfach irgendwelche Marker mit Zahlen drauf auf den Spielplan legen muss, aber bei diesem Spiel ist dies thematisch einfach so stimmig, dass es zu keinem Zeitpunkt stört. Man führt keinen direkten Krieg gegeneinandern, sondern führt Stellvertreterkriege, ringt um politischen und militärischen Einfluss, was eben durch diese Marker repräsentiert wird. Wie oben schon erwähtn, sind die Ereignisse auf den Karten oftmals geläufig und beziehen sich dann auch spieltechnisch auf die entsprechenden Gebiete oder Regionen. Thematisch ist das Spiel sehr dicht, und das Spiel und die Spielmechaniken würden ohne das spezfische Thema des Spiels nicht funktionieren, was allein schon für einen großen Spielreiz sorgt.
Das Spiel beinhaltet zwei große Glücksfaktoren: Zum einen die gezogenen Karten und das Auswürfeln von gewissen Ereignissen. Bekommt man nur Karten mit Ereignissen des Gegners auf die Hand, ist dies sehr ärgerlich, weil es dem Spieler in dieser Runde viele Vorteile verschafft. Andererseits sind die Ereignisse somit endgültig aus dem Spiel und können einem später nicht mehr gefährlich werden, so dass man sich bemühen sollte, solche Karten schnell loszuwerden. Meistens gleicht sich eine unglückliche Hand im Spielverlauf aus, später passiert es oft, dass im Gegenzug der Gegner nur eigene Ereignisse auf die Hand bekommt, so dass dies in der Situation zwar sehr ärgerlich ist, man aber mit einem geschickten Kartenmanagment das schlimmste verhindern kann.
Das Aufwürfeln von Coups, Realignments, Kriegen, Olympischen Spielen, dem Space Race und einigen anderen Ereignissen, sollte auch Spieler die keine Freunde von Würfelspielen sind nicht abhalten. Twilight Struggle ist in erster Linie ein Card Driven Wargame, die Würfel spielen nur eine untergeordnete Rolle und man kann das Ergebnis oftmals sehr stark zu seinen Gunsten beeinflussen, wenn man vorher die richtige taktische Grundlage legt.
Eine Partie dauert je nach Erfahrungsgrad der Spieler zwischen 2,5 und vier Stunden. Man ist die ganze Zeit über gefordert, und dadurch das die Spieler abwechselnd an der Reihe sind, kommt nie langeweile auf. Die Partien werden oftmals erst im letzten Zug entschieden, so dass die Spannung bis zum Schluss gewahrt bleibt, und man muss Aufpassen, dass ein letztes Werten aller Regionen nach Runde 10 nicht noch einmal ein bereits gewonnenes Spiel umdreht.
Man benötigt einige Zeit um die Feinheiten des Spieles zu meistern. Die Mechanismen selbst sind nicht wirklich kompliziert und man hat sie nach der ersten Partie auf jeden Fall komplett verinnerlicht. Man benötigt allerdings ein paar Partien, um die Karten kennenzulernen. Da sie oftmals bestimmte Situationen wesentlich beeinflussen können, ist es von Vorteil zu wissen, dass eine bestimmte Karte noch im Spiel ist, und man deswegen seine eigenen Aktionen auf den schädlichen Einfluss dieser Karte ausrichten kann. Daher dürften Anfänger gegen erfahrene Spieler keine wirkliche Chance haben, was sich aber dennoch nicht auf den Spass beim Spielen negativ auswirkt.
Keine Partie läuft gleich ab, man kann unterschiedliche Strategien ausprobieren. Das Spiel hat einen interessanten geschichtlichen Hintergrund und einen ausgereiften Spielmechansimus. Gute zwei Personenspiele gibt es relativ wenig, und noch weniger, die die Bedürfnisse von Spieler befrieden, die gerne ausgedehnte, epische, strategische Spiele mögen. Twilight Struggle befriediegt dieses Bedürfnis voll und ganz und es im Internet auch in Deutschland relativ problemlos zu erhalten. Der Preis zwischen 50 und 60€ ist auf jeden Fall eine Investition die sich lohnt.
=====
Labyrinth vs. Twilight, ich habe ersteres nur einmal gespielt, allerdings deckt sich mein Eindruck mit den meisten englischsprachigen Reviews dazu und die sind sehr durchwachsen. So würde ich das Spiel und das Spielgefühl auch beschreiben. Es wirkt irgendwie gezwungen asymetrisch ohne dabei wirklich rund zu sein. Sicher auch ein gutes Spiel und wen das Thema anspricht, der wird damit sicher auch seine Freude haben, aber mir gefällt Twilight Struggle deutlich besser.
und bitte alle satzbau- und tippfehler ignorieren ^^
Zuletzt geändert von
Kyula am 1. Mai 2012, 18:31, insgesamt 1-mal geändert.