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[PEEP] Haspelknecht: Spiel von Thomas Spitzer

Kritiken und Rezensionen: Wie ist Spiel XY?
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Jerry
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[PEEP] Haspelknecht: Spiel von Thomas Spitzer

Beitragvon Jerry » 15. Januar 2016, 18:03

Vorab: Ich wurde vom Moderator gebeten, meine PEEPs hier direkt einzustellen anstatt nur mein Blog zu verlinken. Dieser Bitte will ich gerne nachkommen, allerdings kann ich es nicht leisten, alle Fotos hier ebenfalls einzubetten. Es gibt also ab jetzt hier immer beides: den PEEP in Textform und den Link auf den vollständigen Report inkl. Bilder.

Heute auf dem Menü: "Haspelknecht" von Thomas Spitzer, sowie als Absacker "Harbour" von Scott Almes

Bericht mit Bildern:
https://mittwochsspielen.wordpress.com/ ... t-harbour/

Bericht ohne Bilder:
Kohle unter’m Kies bringt Knete: Wir sind wackere Bauern im 16. Jhd, unter deren Höfen das neu entdeckte schwarze Gold lagert. Bauer Harm und seine Knechte machen sich auf in den Stollen, um über 3×3 Aktionsrunden das schwarze Gold zu schürfen und in Siegpunkte umzuwandeln. Arbeit gibt’s auf dem eigenen Hof, wo wir Getreide anbauen, den Stollen ausbauen, Kohle schürfen oder eine Art Technologiebaum mit verschiedenen Verbesserungen vorantreiben.

Motor unserer Aktionen sind Aktionssteine in drei Farben: schwarze Steine lassen uns im Schacht schürfen, braune produzieren Holzstützen für den Schacht und gelbe Steine bauen Getreide an oder lassen uns Kohle hochholen. Technologien können durch alle Steine entwickelt werden.

Die Struktur einer Runde ist recht simpel: erst holen wir uns bis zu 5 Aktionssteine, um sie anschließend für unsere Aktionen auszugeben. Haspelknecht ist dabei eines dieser Spiele, die klar in die Kategorie “Punktesalat” fallen, denn Punkte gibt es für alles Mögliche: für leergeräumte Schachtabschnitte, für nach oben geförderte Kohle, für erworbene Technologien, für überschüssige Ressourcen und einiges mehr – teils während des Spiels, teils in einer Schlusswertung. Das ist – vor allem in der ersten Partie – unüberschaubar. Die Interaktion ist äußerst dezent; Berührungen mit den anderen Spielern gibt es i.W. nur beim Nehmen der Aktionssteine, deren Verfügbarkeit in den einzelnen Farben begrenzt ist. Interessantestes Element des Spiels ist ohne Zweifel der Technologiebaum: Diesen erschließt jeder Spieler für sich von oben nach unten. Die verschiedenen Technologien sind dabei recht vielfältig: manche bringen direkt Ressourcen, andere generieren Siegpunkte, wiederum andere erhöhen in Form von Hausanbauten unsere Repertoire an Aktionen. Nach neun Runden, die in unserer Vierrunde ca. 2 Stunden dauern, ist das Spiel dann zu Ende.

In unserem Spiel entwickeln sich unterschiedliche Strategien: 2 Spieler setzen primär auf den Kohleabbau, einer konzentriert sich auf das Erforschen von Technologien und ein vierter fährt eine Mischung aus beidem. Gegen Ende des Spiels bietet sich – gemessen am Thema des Spiels – ein recht bizarres Bild. Der Grubenkönig hat seinen Schacht feinsäuberlich komplett geräumt, liegt aber damit gerade mal auf Platz drei, während der Saubermann das Spiel gewinnt, ohne sich seine Hände im Stollen auch nur ein einziges Mal schmutzig gemacht zu haben. Das fühlt sich zumindest merkwürdig an. Sollten wir nicht Bergleute sein?

Und wie spielt sich Haspelknecht nun? Für meinen Geschmack leider zu emotionslos. Zunächst einmal ist es ziemlich rechenlastig: “Hmmm… wenn ich das mache, sind es 3 plus 2 Punkte und nochmal 3 am Ende … aber dort 7 sofort und 1 am Ende. Oder, nee, vielleicht doch besser -1 jetzt und 9 am Ende?” – sowas hört man während des Spielens immer wieder von links und rechts. Zudem kommt das Thema nur zur Hälfte durch: das Fördern der Kohle ist recht gut umgesetzt, der Technologiebaum dagegen vollständig abstrakt. Am meisten gestört hat mich aber die geringe Spieldynamik, denn meine Möglichkeiten in Runde 9 sind i.W. die gleichen wie in Runde 1. Durchbrechen kann ich das nur durch massiven Ausbau meiner Technologien, aber dann bleiben für meinen Geschmack zu wenig Aktionen für den Bergbau übrig.

Fazit: Haspelknecht ist kein schlechtes Spiel, aber es begeistert auch nicht. Und dass man ein Kohleabbauspiel gewinnen kann, ohne Kohle abzubauen … naja … ich weiss nicht. Gemessen am Anspruch ist das Spiel für mich also leider eine Enttäuschung.

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Sascha 36

Re: [PEEP] Haspelknecht von Thomas Spitzer

Beitragvon Sascha 36 » 15. Januar 2016, 19:05

Finde den Bericht super, allerdings gibt es viele Menschen denen gerade dieses Rechnen gefällt und deshalb Haspelknecht für ein hervorragendes Spiel halten.
Emotionslos finde ich an dem Spiel absolut gar nichts, auch steht nirgendwo das es nur um den Kohleausbau geht, gerade diese vielen Wege zum Sieg machen es für mich zu einem herausragenden Spiel.
Der Zugmechanismus ist nicht das wir uns einfach Aktionsscheiben nehmen, sondern das wir in jederRunde uns nur eine bestimmte Anzahl an Scheiben nehmen können, man muss abwägen welche Farbe nehme ich, da ich immer alle Scheiben einer Farbe nehmen muss. Nehme ich aus dem ersten Kästchen die Scheiben oder aus dem zweiten Kästchen wo ich aber ein Wasser in Kauf nehmen muss bei der ersten Schubkarre. Auch regelt sich die Frage des Startspielers so, für mich ein gut durchdachter Mechanismus der viel Abwägen erfordert. Hinzu kommt das ich immer sehe was in der Reserve liegt und in der nächsten Runde nachrückt.
Mich hat es absolut begeistert, gerade meine dritte Partie abgeschlossen und finde es gerade als 2er Spiel absolut zu empfehlen.
Ansonsten ist der Punktesammelfaktor eher gering, die Wertungen laufen schnell und die Endwertung gestaltet sich da angenehm strukturiert. Da hab ich wirklich andere Spiele kennengelernt, bei denen es sich mühsamer gestaltet.

Gelbe Steine können übrigens nur für den Kohlegräber und Haspelknecht eingesetzt werden um Wasser zu holen, beim Bauer und Knecht eingesetzt produzieren sie nur Nahrung.
Schwarze Steine werden beim Bauern und Knecht für das Wasser bzw für die Kohle eingesetzt

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Jerry
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Re: [PEEP] Haspelknecht von Thomas Spitzer

Beitragvon Jerry » 16. Januar 2016, 07:06

Sascha 36 hat geschrieben:Finde den Bericht super, allerdings gibt es viele Menschen denen gerade dieses Rechnen gefällt und deshalb Haspelknecht für ein hervorragendes Spiel halten.

Erstmal danke für das Lob und für die Antwort :-) Die von dir angemerkten Regelfeinheiten waren mir/uns natürlich bewusst, ich verzichte bei meinen Zusammenfassungen allerdings, zu viele Details darzustellen, weil ich nicht viel von Regelnacherzählungen halte :-)

Emotionslos finde ich an dem Spiel absolut gar nichts

Ich will mal kurz erklären was ich damit meine: ich mag Spiele, die mich mitreißen. Das kann auf verschiedene Arten geschehen, z.B. über das Thema (Netrunner, Pandemic Legacy) oder über Interaktion (Dog, Tichu). Bei Experten- oder Kennerspielen geschieht das meist über die Spieldynamik: Gute Beispiele sind hier Russian Railroads mit seiner explodierenden Punkteausbeute, Imperial Settlers mit seinem immer größer werdenden Materialstrom oder Burgen von Burgund mit seinen immer wieder vorkommenden Kettenzügen.

Haspelknecht ist da eher westfälisch-unterkühlt: natürlich muss man aufpassen und mitrechnen und planen. Aber der große Schwung, die sich aufschaukelnde Dramatik fehlt mir hier. Kein schlechtes Spiel, ganz sicher. Aber für mich nicht mitreißend genug,,um gegen die anderen Titel im Regal ankommen zu können.

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Sascha 36

Re: [PEEP] Haspelknecht: Spiel von Thomas Spitzer

Beitragvon Sascha 36 » 16. Januar 2016, 12:20

Ich finde den Mechanismus wie ich die Aktionen wähle für den weiteren Spielverlauf einfach sehr interessant,
deshalb wollte ich es einfach noch erwähnen.
Was den unterkühlten Westfalen angeht so trifft das vollkommen auf mich zu, wohl der Grund warum ich Haspelknecht für ein Highlight des Spielejahrs halte.
Was dich allerdings bei Russian Railroads zB so begeistert hat ist für mich etwas emotionslos gewesen. So sind Geschmäcker halt verschieden, da ich aber Mangelspiele sehr mag wo man sich jeden Punkt erkämpfen muss hab ich an Thomas Spitzers Haspelknecht wirklich Spaß.

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Ernst-Jürgen Ridder
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Re: [PEEP] Haspelknecht: Spiel von Thomas Spitzer

Beitragvon Ernst-Jürgen Ridder » 29. Januar 2016, 14:08

Danke fürs PEEP und für die Gegenrede.

Für mich gehört Haspelknecht zu den richtig guten Spielen des Jahres 2015 (meine Wertungen: 8 Punkte bei BGG, 5 Punkte bei Hall9000).

Es ist ein thematisches Spiel, dessen Spielmechaniken zu einem erheblichen Teil mit dem Thema wirklich verknüpft sind. Es ist keine bloße Rechenaufgabe, was ich auch langweilig fände (und weswegen ich Russian Railroads und so manch anderes eher abstraktes Optimierspiel verkauft habe). Es ist auch keine Ansammlung von Spielmechanismen, die keine Geschichte erzählen. Auch ließ es mich nicht emotionslos, sondern ich fand es in den drei bisherigen Partien spannend.

Zugegeben, ich spiele viel, aber nicht mit dem unbedingten Willen zu gewinnen. Ich jage nicht jedem Punkt hinterher. Ich möchte von einem Spiel eingefangen und unterhalten werden. Deshalb mag ich thematische Spiele selbst dann, wenn sie Mechanismen enthalten, die spielmechanisch vielleicht nicht ganz rund sind, aber gut zum Thema passen. Spiele, die der Mechanik den Vorrang vor dem Thema einräumen, mag ich eher nicht.

In diesem Sinne ist Haspelknecht vielleicht nicht das Superspiel schlechthin, mein persönliches Highlight des Jahres 2015 ist es aber schon.
Mit Haspelknecht ist die Kohle-Trilogie vollendet. Thematisch gehören die Spiele in die Reihenfolge Haspelknecht, Ruhrschifffahrt und Kohle&Kolonie. Diese Trilogie zeigt, dass man thematische Spiele entwickeln kann, die in möglichst weitem Umfang ihre Mechaniken vom Thema ableiten und trotzdem spielerisch interessant sind. Es werden einem auch nicht bloß um der Spielmechanik willen extreme thematische Brüche zugemutet wie etwa das "wundersame" Auftauchen einer in einer Stadt gekauften Ware sofort auf einem auf hoher See befindlichen Schiff, Jahrhunderte vor Erfindung der Luftfahrt, oder die Beeinflussung des Laufes der Sonne durch Gebäude oder Menschen.

Spielerische Grüße
Ernst-Jürgen


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