Hinweis: Der folgende Artikel von mir wurde 2012 auf zuspieler.de veröffentlicht. Mehr dazu unter viewtopic.php?f=63&t=390396.
Pictomania ist ein Zeichenspiel für alle, die nicht zeichnen können. Unser Autor Sebastian Wenzel hat es ausprobiert und dabei ein Kindheitstrauma überwunden. Fast.
Vlaada Chvátil hat mich geheilt – mit einem Gesellschaftsspiel. Endlich habe ich mein Kindheitstrauma überwunden. Von wegen, ich könne nicht zeichnen. Mit schwarzen Strichen schmiere, äh ich meine male, ich den Begriff Holzboden auf meine Tafel. Meine Mitspieler Isa und Frank entziffern das Gekritzel sofort. Schön, dass die beiden mein Talent würdigen. Meine Kunstlehrerin in der Schule war davon nämlich nie überzeugt. Sie bestrafte mich regelmäßig mit schlechten Noten. Und das, obwohl mein Bruder meine Bilder zeichnete. Seltsam. Auch er war sich – wie der Rest meiner Familie – sicher, dass ich besser die Finger von Stiften, Pinseln und Farben lassen soll. Nur Chvátil glaubte immer an mich und erfand das Gesellschaftsspiel Pictomania
Pictomania ist ein Zeichenspiel für alle, die nicht zeichnen können. So steht es zumindest auf der Schachtel. Obwohl ich damit nicht gemeint sein kann, kommt das Werk des tschechischen Autors bei mir regelmäßig auf den Tisch. Es macht Spaß – auch weil es egal ist, wie elegant meine Mitspieler Isa und Frank ihre Stifte schwingen. Bei Pictomania geht es nicht um große Kunst, sondern um kleine Details. Hauptsache, ich erkenne den Unterschied zwischen einzelnen Begriffen. Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad ist das komplizierter oder einfacher. Anfänger müssen herausarbeiten, ob es sich bei ihrem Kunstwerk um einen Kamm, eine Pinzette oder eine Zahnbürste handelt. Profis malen den Unterschied zwischen einer Besprechung, einem Streit oder einer Sitzung.
Gleichzeitig malen und raten
Ich blicke panisch auf die Tafeln von Frank und Isa, denn ich muss nicht nur mein eigenes Bild vollenden. Gleichzeitig muss ich die Zeichnungen der anderen erkennen und tippen, was deren dilettantische Kritzeleien darstellen sollen. Das ist Hektik pur. Erst am Ende der Runde atme ich durch – nichts ahnend, was gleich auf mich zukommen wird. Ich war mir sicher, dass Isa meinen Holzboden eindeutig erkennt. Isa war sich sicher, dass meine Zeichnung ein Parkettboden sei. Dabei habe ich extra einen Baum gemalt – die bestehen bekanntlicherweise aus Holz. Trotzdem erhalten Isa und ich keine Punkte. Vielleicht hatte meine Kunstlehrerin doch Recht. Vielleicht kann ich wirklich nicht Zeichnen. Egal. Am nächsten Spieleabend kommt Pictomania wieder auf den Tisch. Schließlich ist es unterhaltsam und genau das richtige für mich: ein Spiel für alle, die nicht zeichnen können.
Übrigens: Finger weg von der ersten Pictomania-Auflage. Nur die zweite Auflage überzeugt mit einer übersichtlichen Anleitung, Mini-Schwämmchen zum Abwischen der Zeichentafeln und stabilen Kartenhaltern aus Kunststoff. Die zweite Auflage erkennen Hobbykünstler an dem blauen Schachtelhintergrund. Bei der ersten Auflage war dieser noch grün.
Der Beitrag erschien erstmalig auf seniorbook.de