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Papst, Christen und Medien (aus F1)

Sachfremdes
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Marten Holst

Papst, Christen und Medien (aus F1)

Beitragvon Marten Holst » 27. April 2005, 10:31

Moin Günter,

> So was ich direkt zum Papst-Tod und indirekt zur
> Amtseinführung mitgekriegt habe, dürfte da kein großer
> Unterschied sein.

Liest sich unten fast so, jo. Dauerberieselung zum Papsttod hätte mich wohl auch mehr gestört als zur Neuwahl - allerdings wohl nicht so wie Dich (wärste da jetzt drauf gekommen? ;-) )

>> Ich hätte "Bedürfnis" kursiv gesetzt. Die Nachricht war
>> schnell durch, aber in diesem Zusammenhang "bedürfen" viele
>> Leute einer Menge Hintergrundinformationen etc. Vielleicht
>> nicht objektiv, dennoch subjektiv.
>
> Es war da auch nix mit Hintergundinformation (zum Tod). Was
> könnte das auch sein?

Wer war der Papst, wie geht es jetzt weiter - passt in diesen Kontext. Zugegeben hätte man solche Sendungen bereits längerfristig anplanen können.

>> > Es ging auch den Öffentlich Rechtlichen nur darum, dem
>> > Papst zu huldigen und anderen diese Huldigung aufzuzwingen.
>>
>> Als Inge Meysel starb, wurde sie gehuldigt - macht man in dem
>> Moment erst mal so.
>
> Aber nicht in diesem Mass. Dass das laufende
> Fernsehprogramm unterbrochen wird und stundenlang nix
> anderes kommt als immer wieder dasselbe - das war letztes
> Mal bei 9/11 so.

Und davor bei Unterschrift des Atomwaffenabrüstungsabkommenst durch Reagan/Gorbatschow in etwa.

> Schauspieler wie Inge Meysel kriegen ne Meldung in der
> Tagesschau und anschließend wird ein Film durch einen
> anderen ersetzt. Eine Fernsehshow wird deswegen ganz
> bestimmt nicht unterbrochen.

"Unter" habe ich schon erlebt (Heinz Rühmann), "Ab" wäre tatsächlich neu.

>> >> Auch die Geschehnisse um die US-Wahlen 2000 und 2004 habe ich
>> >> jeweils recht genau verfolgt, ohne zu meinen, einem GWB-Kult
>> >> anzuhängen ;-)
>> >
>> > Das war Hauptereignis, hat aber nicht in dem Mass andere
>> > Nachrichten ersetzt.
>>
>> Ich hatte (bei der Papstwahl, nicht beim Tode, s.o.) nicht
>> das Gefühl der "ersetzten" Nachrichten, nur der "nach hinten
>> geschobenen". Ersetzt wurden zugegeben
>> Nichtnachrichtensendungen - die allerdings bei solchen Dingen
>> meines Erachtens schon mal zurück stehen können. Wäre es
>> nicht passiert, hätte es mich auch nicht "gestört", so
>> allerdings habe ich Verständnis dafür.
>
> Wenns das erste Thema ind er Tagesschau ist, wenns ne
> Sondersendung gibt, ok. Aber auf allen Kanälen und auf
> Dauer (wie beim Tod des Papstes) - das ist nur nervig.

Wobei "nervig" schon was anderes ist als "Medienterror". Beiträge zu Hartz IV sind ja auch gerne mal "nervig" - Thema ist trocken, macht nicht viel Spaß inhaltlich et cetera.

>> Allerdings: auch
>> nach dem Tode eines Franz-Josef Strauß wurde nicht gleich mit
>> der "kritischen Würdigung" begonnen. Und auch seinem
>
> ne, schon vorher, eigentlich ständig ;-)
>
>> Nachfolger gestattete man ein paar Wochen, bevor man seine
>> neue Amtsführung betrachtete. Die "Positivität" der
>> Berichterstattung hier sehe ich noch nicht als "Medienmacht
>> der Kirche" (ohne abstreiten zu wollen, dass die Kirche mehr
>> Medienmacht haben dürfte, als andere Organisationen, die in
>> vergleichbarer Größenordnung Menschen vertreten).
>
> Es ist die Menge der Berichterstattung und es fehlt IMHO
> jede Kritk daran, dass sich da jemand anmasst
> Stellvertreter Gottes zu sein, trotz AIDS-Gefahr gegen das
> Kondom spricht.

Dagegen habe ich allerdings viel mitbekommen - sowohl (seltener aber dennoch) direkt durch Berichte über Auswirkungen der Vatikanpolitik (gerne mal übernommen) als auch immer wieder mit dem Stilmittel "sublimer Nebensatz".

>> > Kommen wir mal zurück zum Thema: Warum gibt es so wenig
>> > Spiele mit kirchlichem Thema, wenn der Papst die Menschen
>> > so bewegt? Müsste doch der Verkaufsschlager sein? Oder
>> > braucht es dazu nicht doch den verordneten Spielekauf
>> > analog zur medialen Zwangsberieselung?
>>
>> Spiele zu realexistierenden Gegenwartsthemen haben meines
>> Erachtens die (sichter schon erwähnten Probleme), dass man
>> mit Diskriminierungsproblemen aufpassen muss (Wohnungsmakler
>> veralbern ist in Ordnung, Asylsuchende nicht - mal sehr platt
>> formuliert), und dass man sehr schnell Käuferschichten
>> verprellt, wenn man deren Meinung nicht teilt. Im Bereich
>
> Ich dachte jetzt nicht an satirische Spiele. Wenn die Leute
> so religiös sind und auch den Papst so gern sehen wollen,
> warum gibt es kein nichtsatirisches Papstspiel?

Noch ne These (merkt man, dass ich Lutheraner bin?): Weil wiederum im Gegensatz zum satirischen Spiel "Plumpe Anbiederung" und "Wir sind besser als Ihr" eben doch nur plump und doof ist? Gut, in konservativen US-Kreisen gibt es viele solche Spiele, in konservativen deutschen Kreisen sogar entsprechende "satirische" Romane (erinnere mich da an einen), aber einen großen Teil dürfte das verschrecken. Hier ist eben ein echtes Balanceproblem, wenn man seine Zielgruppe erreichen will.

>> Kirche bedeutet das sicherlich, dass sehr religiöse Menschen
>> ein anderes Verhältnis zur Kirche haben, als man es sonst
>> gegenüber Spielthemen trifft - ein weniger humoristisches
>> könnte man vielleicht sagen. Und Sinn von Humor (hier wieder
>
> Ich gehe schon davon aus, dass auch religiöse Menschen
> Humor haben.
> Allerdings sind sie wohl eher nicht Zielgruppe von
> 2F-Spielen.

Ich schon ;-)

>> zurück zu ich glaube Frank) ist eben, "mit" dem Opfer zu
>> lachen, nicht "darüber". Obendrein denke ich, dass die
>> Gruppen "Spielefreaks/Vielspieler" und "Agnostiker"
>> korrellieren, ohne es jetzt belegen zu können. Sprich: das
>
> Ist die Frage, was man jetzt genau unter religiös versteht.
> Den hyperfrommen aufs Jenseits orientierten Christen wird
> man sicherlich weniger unter Spielern finden. Aber mehr am
> diesseitgen Leben orientierte Christen sicherlich schon.
> Die fallen nur nicht so auf, weil sie nicht so dem Klischee
> entsprechen.

Weil es auch im Themenkomplex Spiele nicht thematisiert werden muss (im Normalfall), klar. Aber vielleicht eiert auch Dein Klischee, das doch eher den gängigen stereotypen erzkatholischen unter "Christenmensch" versteht?

Wie dem auch sei, lange geht es hier wohl nicht mehr, aber vielleicht sollten wir uns mal in F7 verkrümeln ;-)

Tschüß
Marten

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Michael Weber

Medienschelte

Beitragvon Michael Weber » 27. April 2005, 11:34

Möchte mal einen kleinen Beitrag leisten.

Was mich richtig entsetzt hat, ist die gleichzeitige Übertragung auf mindestens drei öffentlich-rechtlichen Sendern zur Amtseinführung. ARD/ZDF/BR berichteten alle! Muss das sein? Bei allen möglichen Anlässen wird schön darauf geachtet, Alternativprogramme zu senden, aber ausgerchnet hier wird mehrere Stunden der gleiche Inhalt geboten.

Neulich gab es mal heftige Kritik von einem Politiker, dass die Doppelübertragung von einer Monarchiesache den Rundfunkgebührenzahlern nicht zuzumuten ist. In dem Fall hat aber keiner was gesagt.

Ich wehre mich nicht gegen eine Übertragung, finde sie sogar gut und im Ansatz richtig oder gar wichtig, aber wenn ARD und ein darin integriertes drittes Programm das gleiche senden, ist das schon arg. Und dazu noch ZDF. Mal ganz abgsehen von den vielen Privatsendern.

Der Begriff Medienterror ist also durchaus nicht so weit hergeholt.

Und beim Tod des Papstes wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl auch nicht schelcht gewesen. Muss denn stundenlang gezeigt werden, wie "Pilger" am Sarg
vorbeilaufen?

Die Programme verflachen meiner Meinung nach eh immer stärker (aus dem einstigen recht brauchbaren Musikfernsehen ist zum Beispiel eine einzige Katastrophe auf zwei Sendern geworden - nicht wegen der Musik, die kommt ja nicht mal mehr, sondern wegen der Sendungen a la Pimp my top 100 boiling Fear). Wir erleben inzwischen live-OPs, sehen beim Sterben zu und kein Mord in Dorf x ist unwichtiger als eine politische Mledung aus Berlin oder der restlichen Welt. Meiden heißt heute nicht mehr Information, sondern offenbar fast ausschließlich Unterhaltung.

Mit solchen Aktionen wie bei der Papstberichterstattung, dem chriurgischen Eingriffen beim Irakkrieg oder anderen "Ereignissen" ist für mich der Bogen gegenüber der Sache, den Zuschauern und zum Teil den Gebührenzahlern überspannt. Rückehr zur Sachlichkeit ist bitter Notwendig. Nicht zuletzt auch wegen PISA ...

Michael
(musste mal wieder meckern)

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Günter Cornett

Re: Papst, Christen und Medien (aus F1)

Beitragvon Günter Cornett » 27. April 2005, 12:49

Marten Holst schrieb:
>
> Moin Günter,

Moin und danke für die Umleitung.

> > So was ich direkt zum Papst-Tod und indirekt zur
> > Amtseinführung mitgekriegt habe, dürfte da kein großer
> > Unterschied sein.
>
> Liest sich unten fast so, jo. Dauerberieselung zum Papsttod
> hätte mich wohl auch mehr gestört als zur Neuwahl -
> allerdings wohl nicht so wie Dich (wärste da jetzt drauf
> gekommen? ;-) )

Zum Glück hat man als Spieler immer ein Alternativprogramm zur Verfügung.
Was mich mehr stört als 'entgangene Fernsehfreuden' ist der zu große Einfluß der Institution Kirche auf die Medien, der sich bei solchen Gelegenheiten zeigt.

> >> Ich hätte "Bedürfnis" kursiv gesetzt. Die Nachricht war
> >> schnell durch, aber in diesem Zusammenhang "bedürfen" viele
> >> Leute einer Menge Hintergrundinformationen etc. Vielleicht
> >> nicht objektiv, dennoch subjektiv.
> >
> > Es war da auch nix mit Hintergundinformation (zum Tod). Was
> > könnte das auch sein?
>
> Wer war der Papst, wie geht es jetzt weiter - passt in diesen
> Kontext. Zugegeben hätte man solche Sendungen bereits
> längerfristig anplanen können.

Ein wenig über sein Leben wurde schon auch berichtet. Hauptsächlich wurde aber öffentlich-rechtlich gepilgert.

> > Wenns das erste Thema ind er Tagesschau ist, wenns ne
> > Sondersendung gibt, ok. Aber auf allen Kanälen und auf
> > Dauer (wie beim Tod des Papstes) - das ist nur nervig.
>
> Wobei "nervig" schon was anderes ist als "Medienterror".
> Beiträge zu Hartz IV sind ja auch gerne mal "nervig" - Thema
> ist trocken, macht nicht viel Spaß inhaltlich et cetera.

Manches nervt durch trocknen Inhalt, manches durch die bloße Menge.

> > Ich dachte jetzt nicht an satirische Spiele. Wenn die Leute
> > so religiös sind und auch den Papst so gern sehen wollen,
> > warum gibt es kein nichtsatirisches Papstspiel?
>
> Noch ne These (merkt man, dass ich Lutheraner bin?): Weil

So konkret nicht. Ich traue auch Katholiken Kritik am Papst zu (und Luther war ja auch kein so lieber, wie es meist überliefert wird; 'aufrührerische Bauern totschlagen' - aber das müssen wir hier nicht ausdiskutieren).

> wiederum im Gegensatz zum satirischen Spiel "Plumpe
> Anbiederung" und "Wir sind besser als Ihr" eben doch nur
> plump und doof ist? Gut, in konservativen US-Kreisen gibt es

Ein Spiel könnte auch inhaltlich etwas anderes rüberbringen als das. Selbst wenn es nur das Design ist wie bei 'Settlers of Canaan'.

> > Ich gehe schon davon aus, dass auch religiöse Menschen Humor haben.
> > Allerdings sind sie wohl eher nicht Zielgruppe von 2F-Spielen.
>
> Ich schon ;-)

Ich habe mich mit 'eher nicht' bewusst vage ausgedrückt, weil es mir klar ist, dass ein 'unter keinen Umständen' sehr einfach zu widerlegen ist. ;-)

> >> zurück zu ich glaube Frank) ist eben, "mit" dem Opfer zu
> >> lachen, nicht "darüber". Obendrein denke ich, dass die
> >> Gruppen "Spielefreaks/Vielspieler" und "Agnostiker"
> >> korrellieren, ohne es jetzt belegen zu können. Sprich: das
> >
> > Ist die Frage, was man jetzt genau unter religiös versteht.
> > Den hyperfrommen aufs Jenseits orientierten Christen wird
> > man sicherlich weniger unter Spielern finden. Aber mehr am
> > diesseitgen Leben orientierte Christen sicherlich schon.
> > Die fallen nur nicht so auf, weil sie nicht so dem Klischee
> > entsprechen.
>
> Weil es auch im Themenkomplex Spiele nicht thematisiert
> werden muss (im Normalfall), klar. Aber vielleicht eiert auch
> Dein Klischee, das doch eher den gängigen stereotypen
> erzkatholischen unter "Christenmensch" versteht?

Dieses Klischee entsteht IMHO auch durch solch Medienberichterstattung. Laut den genannten Einschaltquoten sollen etliche Millionen das ja so sehen wollen. Der Papstkult dominiert eben das Bild vom Christen.

Gruß, Günter

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Marten Holst

RE: Papst, Christen und Medien (aus F1)

Beitragvon Marten Holst » 27. April 2005, 17:00

Moin nochmal,

>> > So was ich direkt zum Papst-Tod und indirekt zur
>> > Amtseinführung mitgekriegt habe, dürfte da kein großer
>> > Unterschied sein.
>>
>> Liest sich unten fast so, jo. Dauerberieselung zum Papsttod
>> hätte mich wohl auch mehr gestört als zur Neuwahl -
>> allerdings wohl nicht so wie Dich (wärste da jetzt drauf
>> gekommen? ;-) )
>
> Zum Glück hat man als Spieler immer ein Alternativprogramm
> zur Verfügung.
> Was mich mehr stört als 'entgangene Fernsehfreuden' ist der
> zu große Einfluß der Institution Kirche auf die Medien, der
> sich bei solchen Gelegenheiten zeigt.

Die "entgangenen Fernsehfreuden" hatte ich auch nicht gemeint.

>> > Wenns das erste Thema ind er Tagesschau ist, wenns ne
>> > Sondersendung gibt, ok. Aber auf allen Kanälen und auf
>> > Dauer (wie beim Tod des Papstes) - das ist nur nervig.
>>
>> Wobei "nervig" schon was anderes ist als "Medienterror".
>> Beiträge zu Hartz IV sind ja auch gerne mal "nervig" - Thema
>> ist trocken, macht nicht viel Spaß inhaltlich et cetera.
>
> Manches nervt durch trocknen Inhalt, manches durch die
> bloße Menge.

Acuh das sei zugestanden für alles - wobei mir da jetzt das Wort "Sportgroßereignisse" kommt (wobei ich mich da nicht aufregen will, sehe sie ja gerne, und es nicht ganz so allumfassend ist, weil höchstens 4 der Sender Lizenz haben).

>> > Ich dachte jetzt nicht an satirische Spiele. Wenn die Leute
>> > so religiös sind und auch den Papst so gern sehen wollen,
>> > warum gibt es kein nichtsatirisches Papstspiel?
>>
>> Noch ne These (merkt man, dass ich Lutheraner bin?): Weil
>
> So konkret nicht.

War ein blöder Wortwitz wegen "These" ;-)

>> wiederum im Gegensatz zum satirischen Spiel "Plumpe
>> Anbiederung" und "Wir sind besser als Ihr" eben doch nur
>> plump und doof ist? Gut, in konservativen US-Kreisen gibt es
>
> Ein Spiel könnte auch inhaltlich etwas anderes rüberbringen
> als das. Selbst wenn es nur das Design ist wie bei
> 'Settlers of Canaan'.

Was aber den Nachteil hat, da es durch den (meines Wissens) nur neuen "Hintergrund" auf mich eher affig/anbiedernd rüberkommt, nach dem Motto "das originale ist nicht gut genug". Erstaunlicher Weise habe ich das Gefühl bei den 11 Millionen Monopolys nicht...

>> >> zurück zu ich glaube Frank) ist eben, "mit" dem Opfer zu
>> >> lachen, nicht "darüber". Obendrein denke ich, dass die
>> >> Gruppen "Spielefreaks/Vielspieler" und "Agnostiker"
>> >> korrellieren, ohne es jetzt belegen zu können. Sprich: das
>> >
>> > Ist die Frage, was man jetzt genau unter religiös versteht.
>> > Den hyperfrommen aufs Jenseits orientierten Christen wird
>> > man sicherlich weniger unter Spielern finden. Aber mehr am
>> > diesseitgen Leben orientierte Christen sicherlich schon.
>> > Die fallen nur nicht so auf, weil sie nicht so dem Klischee
>> > entsprechen.
>>
>> Weil es auch im Themenkomplex Spiele nicht thematisiert
>> werden muss (im Normalfall), klar. Aber vielleicht eiert auch
>> Dein Klischee, das doch eher den gängigen stereotypen
>> erzkatholischen unter "Christenmensch" versteht?
>
> Dieses Klischee entsteht IMHO auch durch solch
> Medienberichterstattung. Laut den genannten Einschaltquoten
> sollen etliche Millionen das ja so sehen wollen. Der
> Papstkult dominiert eben das Bild vom Christen.

Wie gesagt, nicht jeder, der sich für den Papst interessiert, muss deswegen ein Unterstützer des Papstes sein. Die im F1 erwähnten "nur" 5 von 80 Millionen (wochentags zur Arbeitszeit) würden mich übrigens mal marktanteilig interessieren (wohl wissend, dass der Zahlenwert gebläht ist, weil weniger als üblich Alternativen existierten).

Tschüß
Marten

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Peter Gustav Bartschat

Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 28. April 2005, 07:09

Michael Weber schrieb:
> Mit solchen Aktionen wie bei der Papstberichterstattung, dem
> chriurgischen Eingriffen beim Irakkrieg oder anderen
> "Ereignissen" ist für mich der Bogen gegenüber der Sache, den
> Zuschauern und zum Teil den Gebührenzahlern überspannt.
> Rückehr zur Sachlichkeit ist bitter Notwendig. Nicht zuletzt
> auch wegen PISA ...

Wo siehst du denn da die "PISA Connection", lieber Michael?

Die PISA*-Studie untersuchte in mehreren Ländern zwei Themenkomplexe:
- Wie ist es um die Chancengleichheit auf Bildung für Angehöriger verschiedener sozialter Schichten bestellt?
- Wie ist es um die Praxis-Orientierung der schulischen Ausbildung bestellt?

Das relativ schlechte Abschneiden Deutschlands bei den beiden bisher durchgeführten PISA-Studien lässt keine Rückschlüsse im Hinblick auf Dummheit oder Klugheit, Faulheit oder Fleiss deutscher Schüler zu (obwohl das das Bild zu sein scheint, das in der Öffentlichkeit über die PISA-Studie zirkuliert - weshalb auch immer), sondern auf Mängel im Bildungssystem.

Die Politiker haben übrigens schnell auf die Ergebnisse reagiert: Sie suchen intensiv nach jemandem, dem sie die Schuld dafür in die Schuhe schieben können. Ich vermute, dass private Rundfunk- und Fernsehsender da als Sündenböcke auch ganz willkommen wären.

Die Frage, ob ein Privatsender sich jetzt entschließt, Musik, Sport, Papstberichterstattung oder eine Retrospektive von José Giovannis Gängsterfilmen zu senden, ist im Hinblick auf die Aussagen, die die PISA-Studie über das deutsche Bildungssystem trifft, ohne Belang.

Mit einem lieben Gruß
Gustav

* PISA = Program for International Student Assassment (Maßnahme zum internationalen Schüler-Vergleich)

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Michael Weber

Re: Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Michael Weber » 28. April 2005, 09:28

Peter Gustav Bartschat schrieb:

> Wo siehst du denn da die "PISA Connection", lieber Michael?

> Das relativ schlechte Abschneiden Deutschlands bei den beiden
> bisher durchgeführten PISA-Studien lässt keine Rückschlüsse
> im Hinblick auf Dummheit oder Klugheit, Faulheit oder Fleiss
> deutscher Schüler zu (obwohl das das Bild zu sein scheint,
> das in der Öffentlichkeit über die PISA-Studie zirkuliert -
> weshalb auch immer), sondern auf Mängel im Bildungssystem.

Das ist richtig. Dennoch liegt nicht allein das System, sondern die Leistung der Schüler im Vergleich zurück. Und hier gibt es dann tatsächlich einen Anknüpfungepunkt. Denn wenn Fernsehen nicht mehr informiert, sondern in erster Linie in einer sehr (subjektiv gesehen) "flachen" Weise unterhält und RTL2-Nachrichten zum Beispiel überwiegend aus Promi-Meldungen bestehen, geht ein bisschen von dem "gesellschaftlich-politischen" Blick der Zuschauer verloren. Mein Beispiel mit dem Mord im Dorf X, der nicht unwichtiger als eine Meldung aus Berlin ist, die die Menschen vermutlich viel eher betrifft, aber sich in Punkto Einschaltquote viel schlechter verkaufen lässt. Man könnte jetzt eine Diskussion um den Bildungsuaftrag des Fernsehens führen, zumindest des öffentlich-rechtlichen, aber das führt vielelicht zu weit.

Natürlich soll Fernsheen unterhalten, aber die sachlichen Informationen sind - wie du vielleicht zustimmen wirst - doch in den letzten zehn, fün fzehn Jahren zumindest aus Nachrichtensendungen und vergleichbaren Formaten auf der Strecke geblieben.

Da das Fernsehen und Medien insgesamt einen nicht unwichtigen Teil von außerschulischer Selbstbildung ausmacht, gibt es hier meiner Meinung nach schon einen Ansatz, um auf PISA zu verweisen. Auch wenn es in der Studie nicht um die "Intelligenz" der Schüler geht. Einem vermutlich schlechten Bildungssystem wird eben noch eine "flache" Fernsehinformation drauf gesetzt. Das wird vielen Leuten klar sein, aber es wird auch einige geben, die PISA-Verlierer, die hier doppelt benachteiligt sind.

> Die Politiker haben übrigens schnell auf die Ergebnisse
> reagiert: Sie suchen intensiv nach jemandem, dem sie die
> Schuld dafür in die Schuhe schieben können. Ich vermute, dass
> private Rundfunk- und Fernsehsender da als Sündenböcke auch
> ganz willkommen wären.

Meine Kritik richtete sich hauptsächlich gegen die Dreifachübertragung von ARD/BR/ZDF. Ich möchte den Bildungspolitikkern kein Alibi oder schwarzen Peter zukommen lassen. (Allein schon nicht aus beruflichen Gründen)

> Die Frage, ob ein Privatsender sich jetzt entschließt, Musik,
> Sport, Papstberichterstattung oder eine Retrospektive von
> José Giovannis Gängsterfilmen zu senden, ist im Hinblick auf
> die Aussagen, die die PISA-Studie über das deutsche
> Bildungssystem trifft, ohne Belang.

Richtig, aber anders herum besteht meiner Meinung nach einen Zusammenhang, wenn auch keinen direkten oder offensichtlichen (s. o.). Ich sage nicht PISA zeigt die "Dummheit des TV" oder das TV trägt zu schlechten PISA-Ergebnissen bei. Aber die Verlierer des im Vergleich schwachen Bildungssystems können für sich
keine ausreichende Medienkompetenz bilden.

Michael
(ist gespannt, ob Gustav hier zumindest in Teilen zustimmt)

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Peter Gustav Bartschat

Re: Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 28. April 2005, 10:35

Michael Weber schrieb:
> (ist gespannt, ob Gustav hier zumindest in Teilen zustimmt)

Ja, das tue ich. Auf jeden Fall ist die gesamte Bildungs-Situation ein komplexes System, zu dem neben der schulischen auch die außerschulische Bildung - und damit auch die Massenmedien - beitragen.

Nicht so recht zustimmen kann ich lediglich, was den Gegenwarts-Kultur-Pessimismus betrifft. Ich sehe nämlich nicht, dass die sachlichen Informationen in letzter Zeit auf der Strecke geblieben wären: Die öffentlich-rechtlichen Sender, ganz speziell 3-Sat, haben ein sehr umfangreiches Bildungsangebot - und das durchaus auch mit "Infotainment"-Charakter - das sich vor der Vergangenheit wahrlich nicht verstecken muss.

Auch ARTE ist hier zu nennen, speziell mit seinen "Themen-Abenden", die Spielfilme und Dokumentationen zu bestimmten Themen im Zusammenhang zeigen.

Daneben gibt es natürlich auch Sender, die sich keinen Deut um das Transportieren von Sachinformationen scheren - das meiner Meinung aber auch nicht müssen: Wenn jemand einen Sender gründet, bei dem man tagsüber Scherzfragen gestellt bekommt und sich nachts nackte Mädels ansehen kann, dann weiß ich von vornherein, dass ich da nichts über die klimatischen und sozialen Ursachen des Mongolensturms im Hochmittelalter erfahren werde.

Jetzt drängt sich natürlich gleich das Argument auf: Aber wer sich nachts die nackten Mädels ansieht, sieht sich nicht die naturwissenschaftlichen Dokumentationen in der "Space Night" an.

Und darauf antworte ich: Die hätte er sich vor 15 Jahren auch nicht angesehen, und seine nackten Mädels hätte er dann halt auf einer Videokassette gehabt.

Seichte Unterhalten spricht Leute an, die sich von seiter Unterhaltung angesprochen fühlen - egal, ob vor 15 Jahren oder heute. Bildung spricht Leute an, die sich von Bildung angesprochen fühlen - egal, ob vor 15 Jahren oder heute.

Ach, der Papst ... jetzt haben wir ihn ganz aus den Augen verloren.

Mit einem lieben Gruß
Gustav

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Günter Cornett

Re: Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Günter Cornett » 28. April 2005, 10:58

Michael Weber schrieb:
>
> Natürlich soll Fernsheen unterhalten, aber die sachlichen
> Informationen sind - wie du vielleicht zustimmen wirst - doch
> in den letzten zehn, fün fzehn Jahren zumindest aus
> Nachrichtensendungen und vergleichbaren Formaten auf der
> Strecke geblieben.


Unter der Überschrift "Deutsche Kühe sind lila" war in der Badischen Zeitung vom 21.4.1995 zu lesen: "Für jedes dritte Kind selbst aus ländlichen Gebieten Deutschlands sind Kühe lila. Das berichtete am Donnerstag das in München erscheinende 'Landwirtschaftliche Wochenblatt' unter Berufung auf eine Malaktion in Bayern. Dort waren 40.000 Bauernhof-Poster an Kindergärten verteilt worden. Auf einem Drittel der eingeschickten Bilder waren die Kühe lila ausgemalt. Westfalens Landwirte werten dieses Phänomen als Hinweis darauf, 'daß die Scheinwelt' der Werbung 'und die Wirklichkeit in den Köpfen von Kindern immer mehr verwechselt werden'. Der bayrische Bauernverband sieht hierin ein Indiz dafür, daß die Realität selbst auf dem Lande in der kindlichen Phantasie von den Medien 'überlagert wird".


Gruß, Günter

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Michael Weber

Re: Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Michael Weber » 28. April 2005, 11:27

Peter Gustav Bartschat schrieb:
> Jetzt drängt sich natürlich gleich das Argument auf: Aber wer
> sich nachts die nackten Mädels ansieht, sieht sich nicht die
> naturwissenschaftlichen Dokumentationen in der "Space Night"
> an.
>
> Und darauf antworte ich: Die hätte er sich vor 15 Jahren auch
> nicht angesehen, und seine nackten Mädels hätte er dann halt
> auf einer Videokassette gehabt.

Ja, aber er hätte zumindest in der Schule erfahren, dass nackte Mädelns nicht im All umherfliegen, Astronauten nicht strippen und die Hauptbeschäftigung von Frauen nicht aus Ausziehen besteht (sondern eher aus mit anziehen vorm Spiegel, oder? ;-) :-D )

> Ach, der Papst ... jetzt haben wir ihn ganz aus den Augen
> verloren.

Richtig, aber der Papst, das sind ja wir ...

Michael
(muss manchmal für außerschulische Bildung seinen Pressekopf hinhalten)

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Michael Weber

Re: Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Michael Weber » 28. April 2005, 11:29

Günter Cornett schrieb:
> Unter der Überschrift "Deutsche Kühe sind lila" war in der
> Badischen Zeitung vom 21.4.1995 zu lesen: "Für jedes dritte
> Kind selbst aus ländlichen Gebieten Deutschlands sind Kühe
> lila.

Sag ich ja. So ist das eben mit den Medien. Vielleicht doch lieber auf sieben Sendern den Papst als Werbung auf einem?

Michael

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Günter Cornett

Re: Medienschelte, oder: Wieder mal ist das böse Fernsehen schuld

Beitragvon Günter Cornett » 28. April 2005, 11:38

Michael Weber schrieb:
>
> Günter Cornett schrieb:
> > Unter der Überschrift "Deutsche Kühe sind lila" war in der
> > Badischen Zeitung vom 21.4.1995 zu lesen: "Für jedes dritte
> > Kind selbst aus ländlichen Gebieten Deutschlands sind Kühe
> > lila.
>
> Sag ich ja. So ist das eben mit den Medien. Vielleicht doch
> lieber auf sieben Sendern den Papst als Werbung auf einem?

Aber nur aus Schokolade und in lila. Dann kommt er wesentlich sympathischer rüber und selbst ich werde jeden Papst'besuch' geniessen.

Gruß, Günter

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Marten Holst

RE: Medienschelte

Beitragvon Marten Holst » 28. April 2005, 14:41

Moin,

> PISA ...

(okay, hab ich mal etwas ausm Zusammenhang geholt ;-) )

Da fällt mir doch noch etwas ein: Mag mir jemand sagen, warum es eigentlich eine solche Katastrophe ist, wenn ein Land wie Deutschland in einem Ranking komplett hochrangiger, voll entwickelter Industrie- bzw. Dienstleistungsnationen (wer Brasilien und Mexiko da nicht enthalten sieht, der möge streichen) nicht absolute Spitze ist, sondern "nur" oberes Mittelfeld? Man stelle sich mal vor, es gibt 100 Länder mit perfektem Schulsystem, dann würde eines auch auf Platz 100 landen.

Klar ist: das heißt auch, es geht besser, und es gibt keinen Grund nicht zu versuchen, selber besser zu werden, klar ist auch: das Nebenergebnis, dass in keinem (vergleichbaren) Land so wenig Chancengleichheit herrscht, ist höchst besorgniserregend. Aber das simple "11. von 29" verursacht eine Panik, die ich zu teilen gereade nicht vermag.

Tschüß
Marten

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peer

PISA

Beitragvon peer » 28. April 2005, 16:48

Hi,
Marten Holst schrieb:
>> Da fällt mir doch noch etwas ein: Mag mir jemand sagen, warum
> es eigentlich eine solche Katastrophe ist, wenn ein Land wie
> Deutschland in einem Ranking komplett hochrangiger, voll
> entwickelter Industrie- bzw. Dienstleistungsnationen (wer
> Brasilien und Mexiko da nicht enthalten sieht, der möge
> streichen) nicht absolute Spitze ist, sondern "nur" oberes
> Mittelfeld? Man stelle sich mal vor, es gibt 100 Länder mit
> perfektem Schulsystem, dann würde eines auch auf Platz 100
> landen.

Mal abgesehen davon, dass Bildungspolitiker bis in die späten 90er noch die Unfehlbarkeit de deutschen Bildungssystems geprädigt haben, ist das Problem auch ganz woanders als in den Medien (da sind sie wieder!) und z.T auch von den politikern dargestellt:
In keinem Land ist der Unterschied zwischen schwachen und starken Schülern so gross wie in Deutschland: Während die stärksten vorne mithalten können, sind die schwächsten die schwächsten im ganzen PISA-Gebiet (da muss ich ehrlich gesagt zugeben, dass ich die Zahlen nicht im Kopf habe, vielleicht sinds auch nur die schlechten aus den OECD-Staaten (bei PISA haben ja auch 2,3 andere Länder mitgemacht).
Und noch schlimmer: Nirgendwo (nichtmal in Schwellenstaaten wie Mexiko) hängt Bildung so stark am sozialen Hintergrund ab, wie in Deutschland. Mit anderen Worten: Ein Schüler aus sozial schwächeren Verhältnissen hat es deutlich schwerer, als ein Schüler mit gutem Hintergrund. DAS ist imho durchaus etwas, an dem man arbeiten MUSS.
Der Platz ist sekundär (lässt sich aber viel besser in eine Titelzeile pressen...)

Übrigens ist das bemerkenswerte am finnischen System nicht so sehr die Qualität (die scheint nach der 10. Klasse nachzulassen wie entsprechende Vergleichsstudien wie TESS zeigen), sondern die Uniformität. Die Schule entsprechen in der Qualität zu etwa 95% (Zahl aus dem Kopf, aber die Grössenordnung kommt hin). Also, gibt es dort keine besseren und schlechteren Schulen und insofern o.s. Problem nicht.
Aber das ist in Deutschland auch nicht wirklich gewollt. Hierzulande ist es gut, wenn möglichst viele Schüler durchfallen...
ciao
peer


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