Beitragvon Günter Cornett » 28. November 2007, 11:13
Marten Holst schrieb:
>
> Moin Günter,
>
> > Das ist aber beinah nichtssagend. Insbesondere ist der
> > Begriff 'Kulturchrist' dann fehl am Platz, weil dieser
> > Begriff das Christliche an diesen nicht speziell
> > christlichen Werten hervorhebt, wo der Begriff
> > 'Kulturhellene' dann u.U. ähnlich zutreffend wäre.
>
> Nein, wäre es nicht (zumindest nicht im gemeinten Sinne des
> Begriffes), denn der Hellenismus ist als Träger und Mittler
> dieser Werte eben nicht mehr aktiv, das Christentum sehr wohl.
Hm, es geht also mehr um den Überbringer der Werte, nicht um die Werte selbst?
Ich habe relativ wenig mit Überbringern christlicher Werte zu tun, der Konfirmandenuntericht hat mich eher wenig beeinflusst. Säkularer Geschichts- und Deutschunterricht, Biologie etc. haben mich weit mehr beeinflusst als der Religionsunterricht. Das Christentum ist zwar hierzulande aktiv, aber zwischen dem Christentum und mir sind es meist andere, die mir Werte vermitteln.
So ist 'Kulturchristentum' wohl eher nicht gemeint. Es muss da schon etwas spezifisch christliches am 'Kulturchristentum' geben, zumindest eine bestimmte Mischung, die sich aber deutlich unterscheidet vom Nichtchristentum.
Dieses spezifische am Kulturchristentum muss zudem einen ausreichenden starken Einfluss auf mich haben, um mich als Kulturchristen zu bezeichnen. Während meiner Schulzeit habe ich mich z.B. mit Mathematik intensiver auseinandergesetzt als mit christlicher Religion. Bin ich jetzt Kulturmathematiker?
Nein, das keine rhetorische Frage, sondern sehr ernst gemeint. Ich bin mir sicher, dass Chinagold und Kahuna nicht entstanden wären, wenn mir die Mengenlehre nicht gefallen hätte.
Ich habe auch einen Prototyp mit christlichem-jüdisch-moslemischen Thema, liegt schon seit Jahren bei einem Verlag. Inhaltlich geht es ums Akzeptieren anderer Glaubensrichtungen. Spielmechanisch hat das Spiel jedoch mehr mit Geometrie zu tun, funktioniert es mit sehr unterschiedlichen Themen. Optisch erinnert es an orientalische Ornamente. Ein christlicher Verlag hat es übrigens abgelehnt, weil jemand bei diesem Spiel die moslemische Seite übernehmen müsste.
> > Das wäre ungefähr so, als wenn man jedem Demokraten
> > Deutschsein unterstellte, nur weil Deutschland eine
> > Demokratie ist.
>
> Jedem in Deutschland aufgewachsenen, durch die hiesigen Werte
> geprägten und deshalb (unter anderem auch) demokratisch
> eingestellt seienden: ja. Bzw. (um mal einen ekligen
> Neologismus als Analogie zu prägen) "Kulturdeutscher". (Ich
Hm, was ist mit den durch hiesige Werte geprägten und dennoch nicht demokratisch eingestellten Menschen. Sind sie undeutsch? Sind die Anhänger der NPD undeutsch?
Es gibt ja einen nicht unbedeutenden Anteil an Ausländerfeindlichkeit (nicht nur aber auch) in Deutschland. Ist das Teil deutscher Kultur?
Ich versuche es mal wieder mit Mengenlehre. Ich glaube, die hilft hier am besten weiter, um Begriffsverschiebungen deutlich zu machen.
Demokratische Werte werden (in nenneswertem Maß) innerhalb und ausserhalb Deutschlands vertreten und danach gelebt. Innerhalb Deutschlands werden auch undemokratische Werte gelebt.
Warum sprechen manche Politiker von Demokratie als deutschen Wert?
Warum nicht von Demokratie als Wert an sich?
Es geht um eine Verschiebung von Demokratie nach Deutsch und impliziert, dass Undeutsches auch Undemokratisches ist, ohne dass konkret zu behaupten.
'Wir sind hier eine Demokratie, benehmt euch danach' richtet sich gegen Antidemokraten.
'Wir sind hier in Deutschland' richtet sich gegen Ausländer.
Ob ich deutsch bin, ist mir relativ egal, wichtiger sind mir Werte, die ich mit Deutschen und Nichtdeutschen, Christen und Nichtchristen teile.
Attribute wie 'Kulturdeuscher' oder 'Kulturchrist' sind entweder wenig aussagekräftig oder abgrenzend. Wobei 'Kulturdeutscher' sicher noch etwas gehaltvoller ist als 'Kulturchrist'.
> Aber von
> einer einzelnen Eigenschaft schließen zu wollen, dürfte eh zu
> viel verlangt sein (Demokrat -> Deutscher, mitfühlend ->
> Christ), diese Verbindung ist in beide Richtungen nicht
> zwingend. Im naturwissenschaftlichen Sinne dürfte es eh schon
> "undefinierbar" sein, was ein Deutscher ist, was ein Demokrat
> ist, etc., um so mehr natürlich, was die Begriffe
> "verbindet".
Ich denke, es ist z.gr. Teil eine Frage des Selbstverständnisses.
> > Hm, da unsere Gesellschaft sehr stark vom Auto geprägt ist,
> > wäre die Bezeichnung 'Kulturautoist' womöglich passender
> > als 'Kulturchrist'. :)
>
> Sicherlich in einer gewissen Hinsicht auch das, wobei ich
> denke, dass der Computer das entscheidendere ist als
> Kulturpräger (Auto ist doch erst mal nur eine Fortentwicklung
> des Konzeptes "Kutsche", auch wenn die Gesamtfortentwicklung
> von Infrastruktur und Privatmobilität danach natürlich nicht
> mit Kutschen erreichbar gewesen wäre). Nur ist "Autofahren"
> kein Wertesystem (außerhalb von DSF und ADAC jetzt) und
> spielt daher in einer anderen Liga.
Da unterschätzt du das Auto aber ganz gewaltig.
Stell dir mal vor, es gäbe keine Autos. Stattdessen wären die Strassen einer Priesterschaft vorbehalten. Bei Todesstrafe wäre es verboten, plötzlich den Weg der Priester zu betreten (was noch vor 100 Jahren für jedes Kind eine Selbstverständlichkeit war). Alljährlich tötet diese Priester einige 1000 Menschen.
Was sich hierzulande keine Religion erlauben kann, ist eine Selbstverständlichkeit für die die bloße Fortentwicklung des Konzeptes Kutsche. Klar, wir sehen den Nutzen des Autos ein und nehmen dafür einiges in Kauf. Je stärker man den Nutzen einer Religion einsieht, desto mehr darf auch diese Religion.
Gruß, Günter