Beitragvon Gustav der Bär » 20. Juni 2002, 14:38
Heinrich Glumpler schrieb:
> ich glaub' eher, dass da jemand eine gute Idee hatte, die
> schnell Anhänger fand.
Die Frage, lieber Heinrich, ist doch in diesem Fall, WAS eigentlich an der Idee so gut ist.
Was kann ein Tag Kaufstreik bestenfalls ("bestenfalls" aus der Sicht der Streikenden) erreichen? Sagen wir mal: Niemand in ganz Deutschland gibt and diesem Tag auch nur einen lumpigen Cent aus, so dass der Einzelhandelsumsatz genau 0,00 Euro beträgt.
Wie kommt der Einzelhandel eigentlich an seinen Umsatz?
In dem er an (ohne Berücksichtigung des Streiktages) 305 Tagen im Jahr 2002 seine Läden öffnet und Geld einnimmt.
Die Zahl errechnet sich aus den Werktagen (Montag - Samstag), die nicht auf einen überregionalen Feiertag fallen, plus zwei Marktsonntage, minus ein Inventur-Tag.
Jetzt nehmen wir an, es fällt durch den Kaufstreik ein Verkaufstag weg, der Jahrsumsatz ergibt sich also nicht aus 305, sondern aus 304 Verkaufstagen. Der eine Tag Differenz macht, auf 305 Verkaufstage bezogen, 0,33 % aus. Was der Aufruf zum Kaufstreik uns nun weismachen will ist, dass 0,33 % weniger Umsatz die Einzelhändler so stark treffen, dass alle sofort ihre Preise senken, um das wieder auf zu fangen.
Eine realistische Erwartung?
Nun ist der Einzelhandelsumsatz in den ersten vier Monaten 2002 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2001 bereits um 3 % gesunken, die Prognosen erwarten im Jahresdurchschnitt 2002 eine Senkung zwischen 4 % und 5 % gegenüber 2001. Falls also "bestenfalls" 0,33 % des Gesamtverlustes auf den Kaufstreik zurück zu führen sind, verschwinden die irgendwo in den 4 % bis 5 % Gesamtverlust, die sowieso kommen, und mit oder ohne Kaufstreik ändert sich am Schicksal der kleineren Einzelhändler, die ohnehin um ihre Existenz kämpfen, nichts, während die größeren Ketten diesen Unterschied ohne weiteres verkraften.
Ist aber auch nur ein Umsatzverlust von 0,33 % durch den einen fehlenden Verkaufstag zu erwarten? Das wäre dann ja wenigstens etwas, was die Leute mit der "guten Idee" als moralischen Erfolg verbuchen können.
Nun, ausfallende Verkaufstage sind keine Sensation, das kommt alle Nase lang vor, nur heißt es meist nicht "Kaufstreik" sondern "Feiertag". Je nachdem, ob ein Feiertag und ein Sonntag zusammenfallen oder nicht, gibt´s mal mehr, mal weniger Verkaufstage im Monat. Ein ursächlicher Zusammenhang, das dadurch im Jahr mal mehr, mal weniger Umsatz gemacht wird, besteht allerdings nicht: Die Tagesumsätze steigen vor und nach Feiertagen so an, dass im Monat der selbe Wert erreicht wird, den es auch ohne Feiertag gäbe.
Und warum ist das so?
Na, wenn du dir ein paar neue Schuhe kaufen musst, weil die alten durchgelatscht sind, verzichtest du dann darauf und läufst lieber auf Socken, nur weil es im ganzen Jahr EINEN Tag Kaufstreik gibt? Wenn du Kaffe brauchst oder deine Goldfische Futter oder deine Kinder Unterwäsche: Trinkst du dann Leitungswasser, lässt deine Goldfische verhungern und deine Kinder in Lumpen herumrennen, nur weil es im ganzen Jahr EINEN Tag Kaufstreik gibt?
Eben.
Der Monats- und Jahresumsatz (Umsatzstatistiken auf Tagesbasis führen wohl höchsten Studenten der Betriebswirtschaft gelegentlich zu Übungszwecken) wird durch die Anzahl der Verkaufstage nicht beeinflusst und kann somit auch kein allgemeines Zusammenzucken und Preisesenken des Einzelhandels verursachen.
Aber ich will weder dir noch den anderen engagierten Streikern etwas ausreden: Kauf ruhig mal am 1. Juli nichts ein - aber erzählt mir doch bitte hinterher mal, ob ihr ihm ganzen Monat dann tatsächlich weniger Kaffee getrunken und weniger Käsebrötchen gegessen habt, häufiger in löcherigen Socken gelaufen und mit leerem Tank auf der Landstraße liegen geblieben seid als üblich. Und wenn nicht ... tja ... dann werden die Händler wohl trotz Kaufstreik irgendwie an euer Geld gekommen sein.
Auf Xuntheit!
Gustav der Bär
(Peter Gustav Bartschat)