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[F] Antisemitismus oder nicht ?

Sachfremdes
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Günter Cornett

[F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 24. Juni 2002, 23:45

Fortsetzung von: http://www.spielbox.de/phorum4/read.php4?f=1&i=46151&t=45883



Andreas Epplée schrieb:
>
> .... Blondinen [etc]....

Hallo Andreas,

ich denke, in der Regel kann man schon intuitiv abschätzen, was wann angebracht ist und was nicht. Und es ist auch nicht so schlimm, wenn man mal in ein Fettnäpfchen tritt, solange man sich bemüht es nicht zu tun und es nicht zum Prinzip wird.


>
> Lieber Günter,
>
> hältst Du es nicht für möglich, dass es mittlerweile eine
> Generation gibt, für die der Holocaust keine persönliche
> Verantwortung und keine (Mit-)Schuld impliziert? Und die


Nicht nur eine, es sind schon mehrere...


> deshalb über Sachen lachen kann, die man lange Zeit kaum
> auszusprechen wagte? Und die zu Recht fragt, wo denn der
> Unterschied sein soll, wenn ich Polen als Diebsgesindel,
> Deutsche als Schlagetots und Juden als habgierig - und,
> meinetwegen, Blondinen als doof - bezeichne?

Es ist immer der Kontext. Die Behauptung Juden seien habgierig stand vor Auschwitz. Wenn das wieder salonfähig wird, wird womöglich auch Auschwitz wieder salonfähig. Zu weit hergeholt ?

In Deutschland werden täglich jüdische Friedhöfe geschändet. Das ist Gegenwart, die ich nicht so einfach ausblenden kann, ebensnowenig wie die Tatsache, dass es in der deutschen Hauptstadt Schulen gibt, an denen sich ein Schüler nicht als links outen kann, ohne dass er dafür eins auf die Fresse kriegt.


> Ich denke, die momentan vielerorts so begierig aufgenommene
> Antisemitismus-Debatte hängt hauptsächlich mit dieser nun

Bitte interpretiere meine Beiträge nicht in diesem Zusammenhang. Ich bin durchaus der Meinung, dass man kein Antisemit sein muss, wenn man der israelsichen Regierung eine Vernichtungspolitik vorwirft oder Sharon einen Mörder nennt.

[Ich denke, es ist wichtig, die Antisemitismus-Debatte anders zu führen. Für die israelische Regierung ist es sehr bequem, Kritiker als Antisemiten darzustellen. Das wiederum erleichtert es Antisemiten Kritik an Israel als Bestätigung ihres Weltbildes darzustellen. Hier wäre mehr Differenzierung nötig anstatt Stimmungsmache und Rechthaberei (wie bei Möllemann und Friedman) angebracht. Allerdings bin ich mir bewusst, dass dies aus der sicheren Distanz einfacher gesagt ist als getan. Was für die einen Vergangenheit ist, ist für die anderen immernoch Gegenwart. Von daher ist es auch falsch, selbst überzogenen Antisemitismus-Vorwürfen pauschal unlautere Absichten zu unterstellen. - Dieses Thema würde das Forum sprengen.]

> langsam unumgänglich werdenden "Geschichtlichkeit" zusammen,
> von der in Deutschland immer noch erstaunlich viele glauben,
> sie könne dem Holocaust niemals zustossen. Dass diese Debatte
> sogar das Spielbox-Forum erreicht, zeigt ihre fundamentale
> Qualität, die Tiefe der alten Wunden - und wie schwierig die
> im Moment unausweichlich notwendige Ablösung von ehemaligen,
> wenn auch Jahrhunderte alten nationalen Identitäts-Bausteinen


[Eine Ablösung, die in dieser Form nichts bringt, da sie durch eine andere ebenso unheilvolle Identitätsbildung abgelöst wird.

Die Entstehung des Deutschen Nationalstaates wurde seinerzeit als Überwindung der Kleinstaaterei begrüßt. Heute tritt das 'grenzenlose Europa' an die Stelle europäischer Nationalstaaten mit einer umso stärkeren Abgrenzung nach aussen gegen anndere Kulturen. So sieht das für mich gegenwärtig aus.]

> ist, ob sie nun antisemitische oder krampfhaft
> anti-antisemitische Elemente enthalten. Deinen
> Diskussionspartnern Undifferenziertheit und mangelndes
> Bemühen um Verständnis vorzuwerfen, hilft (Dir) nicht weiter.

Undifferenziertheit werfe ich da vor, wo mir Sachen unterstellt werden, die ich eindeutig nicht geschrieben habe. Und dann wird gegen das argumentiert, was mir unterstellt wird (ich habe niemanden einen Nazi genannt und klar antipolnische Vorurteile benannt). Ich denke, ich muss das hier nicht weiter ausführen. Ist recht einfach nachzuprüfen.


> Dasselbe könnten sie Dir gegenüber tun, als echte Spieler
> lassen sie's ;-)

Das Ronald es lustig findet zu provozieren, indem er sagt, er lacht über Judenwitze mag für ihn nur ein Spiel sein. Für mich nicht.

> Die Wahrheit muss beide Positionen vereinen
> können.

'Die Wahrheit' gibt es nicht. Gerade bei diesem Thema gibt es sehr viele - subjektive - Wahrheiten. Ich nehme mir das Recht, diejenigen, die sich selbst nicht betroffen fühlen, auf die Wahrheit derer hinzuweisen, die (auch heute noch) betroffen sind.

Was mir an Gustavs Witz ausgesprochen seltsam vorkommt ist die Zuweisung: die Franzosen, die Polen, die Deutschen, die Juden, wobei die Schluss'pointe' den Juden pauschal Habgier unterstellt.

Für einen jüdischen Witz finde ich das eher untypisch. Ich könnte es mir diesen Witz gut vorstellen mit diversen im AT vorkommenden Personen (XY als Ehebrecher(in), als Dieb(in), Kain (oder jemand anders) als Mörder und Moses als Empfänger der Gesetzestafeln).

Blendet man den nationalen Aspekt aus, ist die Pointe natürlich komisch. Mir kommt es vor, als wäre hier ein jüdischer Witz nach dem zweiten Weltkrieg 'modernisiert' worden. Aber da ich das Buch nicht kenne, kann ich da nur spekulieren.


Gruß, Günter

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Ronald Novicky

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Ronald Novicky » 25. Juni 2002, 06:34

Günter Cornett schrieb:
>
> Das Ronald es lustig findet zu provozieren, indem er sagt, er
> lacht über Judenwitze mag für ihn nur ein Spiel sein. Für
> mich nicht.
>
Kann es sein, dass Du ein wenig fixiert bist? Ich sagte/schrieb, ich kann über _alle_ Arten von Witzen lachen (soferne sie gut sind), das impliziert auch Judenwitze. Andreas hat völlig recht, wenn er sagt, es gibt eine Generation, welche sich absolut unschuldig an den Ereignissen vor 60 Jahren sieht - ich gehöre sicher dazu! Diese Dinge stehen in den Geschichtsbüchern und haben für mich denselben Stellenwert wie das Abschlachten der Indianer oder die heilige Inquisition. Ich habe es satt, dass dauernd irgendwer mit erhobenem Zeigefinger dasteht und damit herumwachelt.

Rechte Idioten, die sich die Köpfe abscheren und jüdische Friedhöfe schänden haben bei mir denselben Stellenwert wie linke Idioten, die auf irgendwelchen Demos Steine gegen die Polizei (oder das System) werfen. Ich sehe da wirklich nicht allzuviel Unterschied, ausser, dass letzteres scheinbar salonfähiger ist.

Gerade in Wien leben sehr viele Juden, und einige davon nenne ich gerne und stolz meine Freunde (manche haben auch diesen lustigen Knick in der Nase, woran sie sehr leicht als Juden erkannbar sind!). Und lustigerweise, kaum hält man's für möglich, auch die können über Judenwitze lachen...! Genauso wie über Polenwitze, Gastarbeiterwitze, Blondinenwitze, was-auch-immer. Könnten sie das nicht, wären sie nicht meine Freunde, denn mit Humorlosigkeit kann ich nichts anfangen. Das Leben ist sowieso viel zu ernst - und dieser Thread mittlerweile auch...

lg
Ronald.

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Gustav der Bär

Zur "Habgier"-Frage

Beitragvon Gustav der Bär » 25. Juni 2002, 06:36

Günter Cornett schrieb:
> (...) Es ist immer der Kontext. Die Behauptung Juden seien habgierig stand
> vor Auschwitz. Wenn das wieder salonfähig wird, wird womöglich auch
> Auschwitz wieder salonfähig. Zu weit hergeholt ? (...)

Mein Eindruck, lieber Günter, ist nicht der, dass ich (oder der Witz, den ich zitiert habe), "den Juden" Habgier unterstelle (das würde mir auch absurd erscheinen, da Habgier meiner Einschätzung nach eine individuelle Angewohnheit ist und nicht ein dominant vererbbares Gen), sondern dass du Menschen, die bereit sind, Dinge günstig zu erwerben, Habgier unterstellst.

All die "habgierigen" Spieler, die letztes Jahr in Essen die Gelegenheit nutzten, kostenlos die "Fluß-Erweiterung" zu "Carcassonne" zu bekommen ... all die "habgierigen" Spieler, die in der BSW kostenlos siedeln, doppelkopfen oder tichuen ... und ausgerechnet ICH gehöre immer dazu!

Was aber hat das alles jetzt damit zu tun, ob die eigenen Vorfahren einem semitischen Volksstamm angehörten (oder _angeblich_ angehörten, weil die schriftlichen Aufzeichnungen über zivile Stammbäume in keinem Fall weit genug zurück gehen dürften, um das in jedem Einzelfall mit unzweifelhafter Sicherheit fest zu stellen) oder mosaischen Glaubens sind? Ich denke: Nichts! Meine Vorfahren stammen vom Baltikum, ich glaube nicht an transzendente Wesenheiten, aber wenn ich was umsonst kriege, sage ich doch nicht "nein".

Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber aus meiner Warte habe ich volles Verständnis für Leute, die gern etwas umsonst entgegen nehmen, und sogar Respekt für die, die eine Chance (zum Beispiel auf den kostenlosen Erhalt von zwei Tafeln an Stelle von einer) da erkennen, wo die Anderen nur ein Problem (zum Beispiel das Verbot einer lieben Angewohnheit) sehen.

Was hat das denn nun mit den Vernichtungslagern der Nazis zu tun? Was denn?? Sag´s mir doch so, dass ich´s verstehen kann, denn ich erkenne den Zusammenhang nicht: Die antisemitischen Witze der Nazis, soweit ich sie kenne (und die ich selbstverständlich hier nicht zitieren werde) sind von so sehr anderer Art und von solch abschreckender Primitivität, dass es schier ausgeschlossen ist, eine hübsche Geschichte wie den "Fünf Gebote"-Witz damit zu verwechseln.

Auf Xuntheit!
Gustav der Bär
(Peter Gustav Bartschat)

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Ulrich Schumacher

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Ulrich Schumacher » 25. Juni 2002, 06:49

Hallo Günter!

Wie würdest Du Gustavs Witz über die Gebote interpretieren, wenn Gustav die letzten beiden Abschnitte (Deutsche und Juden) vertauscht hätte, also "Deutsche und Morden" als Schlußpointe geliefert würde?
Und dann sei noch angenommen, der Witz wäre nicht von einem Deutschen erzählt worden.

Ich persönlich halte die Unterstellung, Deutsche sind Mörder, genausowenig für erträglich wie die, daß Juden habgierig sind. Letztere Unterstellung scheinst Du aus dem benannten Witz herauszulesen, weil Du ihn entsprechend ernst nimmst. Und dann müßte auch die erstere ernst genommen werden.


Mir scheint es bei dieser Diskussion aber immer mehr darauf hinauszulaufen, Provokationen abzuliefern und dazu entsprechende Reaktionen zu erwarten und zu bekommen. Schön und gut, solange jeder von uns weiß, was von solchen Witzen zu halten ist, nämlich daß eine Verallgemeinerung - harmlos oder nicht - vollkommen idiotisch ist. Das sollte hier im Forum ja wohl klar sein. Problematisch wird es dann, wenn tumbe Zeitgenossen diese Zusammenhänge nicht verstehen und daraus Vorurteile ableiten und diese dann auch noch in ihre Äußerungen oder gar Handlungen einbeziehen.



Grüße

Uli

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Günter Cornett

Re: Zur "Habgier"-Frage

Beitragvon Günter Cornett » 25. Juni 2002, 09:51

Gustav der Bär schrieb:
>
> Günter Cornett schrieb:
> > (...) Es ist immer der Kontext. Die Behauptung Juden seien
> habgierig stand
> > vor Auschwitz. Wenn das wieder salonfähig wird, wird
> womöglich auch
> > Auschwitz wieder salonfähig. Zu weit hergeholt ? (...)
>
> Mein Eindruck, lieber Günter, ist nicht der, dass ich (oder
> der Witz, den ich zitiert habe), "den Juden" Habgier
> unterstelle (das würde mir auch absurd erscheinen, da Habgier
> meiner Einschätzung nach eine individuelle Angewohnheit ist
> und nicht ein dominant vererbbares Gen),

ich habe doch gerade geschrieben, dass es durchaus witzig wäre, wenn es hier um einzelne Personen ginge. Tatsächlich wird dieses Verhalten, ganz generell 'den Juden' zugeschrieben.

> sondern dass du
> Menschen, die bereit sind, Dinge günstig zu erwerben, Habgier
> unterstellst.

Nein, weil es hier ums Habenwollen geht, ohne dass es auf den Inhalt ankommt. Die anderen fragen, was sie geschenkt kriegen und lehnen das ab, weil das Geschenk Einschränkungen für sie bedeutet.'Die Juden' aber interessieren sich nicht für den Inhalt sondern sagen 'geschenkt, dann gib mir zwei'. Es wäre durchaus komisch, wenn man dieses Verhalten einzelnen Personen zuschreiben würde, nicht aber Völkern.

> All die "habgierigen" Spieler, die letztes Jahr in Essen die
> Gelegenheit nutzten, kostenlos die "Fluß-Erweiterung" zu
> "Carcassonne" zu bekommen ... all die "habgierigen" Spieler,
> die in der BSW kostenlos siedeln, doppelkopfen oder tichuen
> ... und ausgerechnet ICH gehöre immer dazu!

Nun, ein wenig Habgier ist sicherlich auch dabei, das steckt schon in jedem (auch in mir), aber nicht speziell oder in stärkeren Mass in Juden oder Spielern. Jeder(!) kriegt eben gerne was geschenkt. In dem genannten Beispiel gehe ich mal davon aus, dass es den meisten Spieler vor allem um den Inhalt geht.


> Was aber hat das alles jetzt damit zu tun, ob die eigenen
> Vorfahren einem semitischen Volksstamm angehörten ... oder
> mosaischen Glaubens sind?

Nichts, der Witz stellt diesen falschen Zusammenhang her.

> Ich denke: Nichts! Meine Vorfahren stammen vom Baltikum, ich
> glaube nicht an transzendente Wesenheiten, aber wenn ich was
> umsonst kriege, sage ich doch nicht "nein".

Eben, es hat nichts mit Glauben oder Volkszugehörigkeit zu tun. Ich kritiseire, dass der Witz dieses aber behauptet, indem er Völker statt einzelnen Personen solche Eigenschaften unterstellt.


> Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber aus meiner Warte habe
> ich volles Verständnis für Leute, die gern etwas umsonst
> entgegen nehmen, und sogar Respekt für die, die eine Chance
> (zum Beispiel auf den kostenlosen Erhalt von zwei Tafeln an
> Stelle von einer) da erkennen, wo die Anderen nur ein Problem
> (zum Beispiel das Verbot einer lieben Angewohnheit) sehen.

'liebe Angewohnheit' ?


>
> Was hat das denn nun mit den Vernichtungslagern der Nazis zu
> tun? Was denn?? Sag´s mir doch so, dass ich´s verstehen kann,
> denn ich erkenne den Zusammenhang nicht:

Ich habe das schon mehrfach gesagt: Die Behauptung, Juden seien habgierig, wurde während der Judenpogrome immer wieder zur Stimmungsmache benutzt (schon seit dem Mittelalter). Es ist auch heute noch so, dass viele Menschen (nicht nur ein paar verbohrte Nazis) glauben, dass an diesem Vorurteil was dran ist. Siehe z.B. toastis Beitrag, der sagt, zu den Juden gehöre nun mal die Habgier, ob es berechtigt sei oder nicht.

> Die antisemitischen
> Witze der Nazis, soweit ich sie kenne (und die ich
> selbstverständlich hier nicht zitieren werde) sind von so
> sehr anderer Art und von solch abschreckender Primitivität,
> dass es schier ausgeschlossen ist, eine hübsche Geschichte
> wie den "Fünf Gebote"-Witz damit zu verwechseln.

Die 'hübsche Geschichte' hat eben den genannten 'Schönheitsfehler'. Und es gibt eben nicht nur den aggressiven Antisemitismus, der offen die Bekämpfung der Juden fordert, sondern auch einen subtileren, der Juden z.B. Habgier unterstellt.

Günter

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 25. Juni 2002, 10:15

Ulrich Schumacher schrieb:
>
> Hallo Günter!
>
> Wie würdest Du Gustavs Witz über die Gebote interpretieren,
> wenn Gustav die letzten beiden Abschnitte (Deutsche und
> Juden) vertauscht hätte, also "Deutsche und Morden" als
> Schlußpointe geliefert würde?

Das geht eben nicht, denn dann würde das Ganze nicht mehr 'witzig' klingen.
Es funktioniert eben nur so rum. In dieser Reihenfolge hat der Absatzüber die Deutschen eine Alibi-Funktion. Es ist schon eine seltsame Steigerung: untreue Franzosen, diebische Polen, mordende Deutsche, habgierige Juden.
Überlege mal wieder der Witz ohne diesen Absatz aussähe: untreue Franzosen, diebische Polen, habgierige Juden.

> Und dann sei noch angenommen, der Witz wäre nicht von einem
> Deutschen erzählt worden.

Wenn jemand ernsthaft behaupten würde, Deutsche seien Mörder, widerspreche ich dem natürlich. In welcher Form ich das tue, hängt sehr vom Zusammenhang ab.

> Ich persönlich halte die Unterstellung, Deutsche sind
> Mörder, genausowenig für erträglich wie die, daß Juden
> habgierig sind. Letztere Unterstellung scheinst Du aus dem
> benannten Witz herauszulesen, weil Du ihn entsprechend ernst
> nimmst. Und dann müßte auch die erstere ernst genommen werden.

das sehe ich nicht so. Der Passus über die Deutschen hat IMHO eben nur die Alibifunktion, um den folgenden zu rechtfertigen. Der Schlusspointe kommt eben eine besondere Bedeutung zu.

Gruß, Günter

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Ralf Arnemann

Zum Thema Balten ...

Beitragvon Ralf Arnemann » 25. Juni 2002, 10:44

> Meine Vorfahren stammen vom Baltikum ...
Dann sind wir ja froh, daß Du genug Lesen und Schreiben kannst, um hier mitzumachen ;-)

-------------
Wünscht der Gast des baltischen Barons noch etwas zu Lesen vor dem Einschlafen. Sagt der Baron zum Dienstmädchen: "Olga, wo ist denn das Buch. Wir hatten doch eins".
-------------

Will doch keine Gelegenheit auslassen, irgendwelche Gruppen zu diffamieren ...

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Gustav der Bär

Mehr zum Thema Balten ...

Beitragvon Gustav der Bär » 25. Juni 2002, 10:53

Marktanalysen haben ergeben, dass auch im Baltikum der Trend inzwischen deutlich zum Zweitbuch geht, vermutlich auf Grund einer aufwändigen Werbekampagne jü... jütländischer Buchregalverkäufer.

AX!GdB

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Ralf Arnemann
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Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Ralf Arnemann » 25. Juni 2002, 11:04

> Die Behauptung Juden seien habgierig stand vor Auschwitz.
Ja. Aber es war nicht dieses Klische (das gerade bei jüdischen Witzen eine prominente Rolle spielt), daß zu Ausschwitz geführt hat.

> Wenn das wieder salonfähig wird, wird womöglich auch Auschwitz
> wieder salonfähig. Zu weit hergeholt ?
Viel zu weit.
Und es ist m. E. geradezu kontraproduktiv, wenn man die Warnsignale schon derart im Vorfeld aufleuchten läßt.
Es ist eben ein Riesenunterschied, ob man über irgendwelche traditionellen Eigenheiten frotzelt oder gegen jemanden Gewalt ausübt. Eben diesen Unterschied klarzumachen ist wichtig, das verwischt doch, wenn man schon alles tabuisiert, was vielleicht irgendwann zu Gewalt führen könnte.

Ich habe einige Erfahrung mit der Arbeit in Teams, die aus verschiedenen Nationalitäten zusammengesetzt sind.
Da kommt es immer zu Reibereien, die Leute sind nun einmal unterschiedlich geprägt, und gewisse nationale Macken können einem da schnell auf die Nerven gehen (vor allem wenn Streß drauf ist).
Da Dampf abzulassen in Form solcher Witze kann ganz entscheidend helfen, daß es eben nicht zu echtem Streit kommt.


> dass es in der deutschen Hauptstadt Schulen gibt, an denen sich
> ein Schüler nicht als links outen kann, ohne dass er dafür eins
> auf die Fresse kriegt.
Und auf anderen Schulen kann sich ein Schüler nicht als "nicht-links" outen, ohne daß er dafür eins auf die Fresse kriegt.
Und was hat das mit Witzen zu tun?

> Was mir an Gustavs Witz ausgesprochen seltsam vorkommt ist die
> Zuweisung: die Franzosen, die Polen, die Deutschen, die Juden,
> wobei die Schluss'pointe' den Juden pauschal Habgier
> unterstellt.
Das ist doch nicht seltsam, sondern völlig gängig.

> Für einen jüdischen Witz finde ich das eher untypisch.
S.o., gerade bei jüdischen Witzen ist das völlig typisch:
-------------
Liegt der alte Mandelbaum im Sterben, um ihn versammelt die Familie.
Da fragt er: "Sarah, meine gute Frau, bist Du hier?"
"Ja, sicher bin ich hier."
"Und meine Kinder, seid Ihr alle hier?"
"Ja Tateleben, wir sind alle bei Dir."
"Und die Tante, ist die auch hier?"
"Ja, sicher bin ich hier."
Richtet sich Mandelbaum empört auf und ruft "Und wer ist im Geschäft?"
--------------
Ein geradezu klassischer jüdischer Witz, und m. E. wesentlich drastischer als Gustavs Beispiel.

> Mir kommt es vor als wäre hier ein jüdischer Witz nach dem
> zweiten Weltkrieg 'modernisiert' worden.
Natürlich. Der Passus mit den Deutschen und "Du sollst nicht töten" ist ganz klar neu eingefügt.
Und eigentlich auch ein Stilbruch, denn diese Typisierung ist weit drastischer als die übrigen und entspricht nicht den "normalen" Völkercharakterisierungen.
Ich lasse diesen Teil auch lieber weg, das paßt nicht.

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Ralf Arnemann
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Re: Mehr zum Thema Balten ...

Beitragvon Ralf Arnemann » 25. Juni 2002, 11:05

ROTFL.
Aber IKEA kommt nicht aus Jütland ;-)

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Andreas Epplée

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Andreas Epplée » 25. Juni 2002, 12:43

Hallo Günter,

wenn ich Deine Antworten so lese, scheint mir ein Konsens zwischen uns (und Dir und den Anderen) nicht so ohne weiteres möglich - zu existenziell scheint für Dich die Rolle eines Warners vor untergründigen Ressentiments und Verteidigers verkannter oder gefährdeter Ethnien - Deine Spiele zeigen das ja auch nicht gerade undeutlich ;-) Das ist ein sehr merkwürdiges, aber geschichtlich gesehen überdeutliches Phänomen: je stärker jemand missionarisch auftritt, desto mehr Menschen, Meinungen etc. muss er ausgrenzen - oft bis zu dem Punkt, an dem die (explizit oder implizit) Ausgegrenzten ihn nicht mehr aushalten können und ihn zum Schweigen bringen müssen. Beispiele erübrigen sich wohl. Ich habe eigentlich immer nur eine Antwort auf alle Fragen überzeugend gefunden: jeder hat zu jedem Zeitpunkt für sich gesehen immer recht. Die verschiedenen Aspekte des "Recht habens" und ihre möglichen Verbindungen aufzufinden, ist der Weg zur Wahrheit (den man natürlich gehen muss, auch wenn das Ziel unklar oder unerreichbar scheint).


Günter Cornett schrieb:

> > .... Blondinen [etc]....

> ich denke, in der Regel kann man schon intuitiv abschätzen,
> was wann angebracht ist und was nicht. Und es ist auch nicht
> so schlimm, wenn man mal in ein Fettnäpfchen tritt, solange
> man sich bemüht es nicht zu tun und es nicht zum Prinzip wird.

"Smilies nach Wahl" habe ich geschrieben - relax! Sonst endest Du noch wie Herr Ridder ;-) (Auch wenn ich die Entscheidung, das kultige "Guillotine" auf deutsch herauszubringen, für wirtschaftlich ebenso erfolglos halte wie das jetzt schon wieder aufgegebene "Schussfahrt". Gerade den Deutschen, das zeigt auch der Ausgangsthread, kann man mit sowas kaum kommen, schon gar nicht bei Amigo. Merkwürdige Veröffentlichung. Wir Spieler neigen doch immer wieder dazu, die Welt für verspielter zu halten, als sie ist - steckt da nicht Staupe dahinter?)

> Es ist immer der Kontext. Die Behauptung Juden seien
> habgierig stand vor Auschwitz. Wenn das wieder salonfähig
> wird, wird womöglich auch Auschwitz wieder salonfähig. Zu
> weit hergeholt ?

Ja und nein. Unsere Zeit ist wie alle Zeiten vor ihr zu allen Grausamkeiten, kriegerischen, ideologischen, umweltschädlichen und sonstigen schwachsinnigen Aktionen bereit. Das Problem im Dritten Reich waren nicht die Juden. Aber Sündenböcke mussten her, und die Juden hatten in der Hinsicht nicht nur in Deutschland eine lange Tradition. Wenn ein Volk sich bedroht, verängstigt, in seinem Selbstbewusstsein getroffen fühlt, muss es sich an irgendwem abreagieren - siehe Amerika. Mit Ratio hat das nichts zu tun, und "salonfähig" sind solche Reaktionen dann immer. "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze (sc. und/oder das Geld) weg" z.B. ist so ein Vorwurf von heute, durchaus salonfähig weil für den einfachen Verstand nicht leicht zu widerlegen und deshalb auch durchaus katastrophenfähig. Und schon haben die "Rechten" wieder eine Zielscheibe. Das hat weder mit den Juden, noch mit Auschwitz zu tun, noch recht eigentlich mit den Deutschen. Nur haben die Deutschen auch in negativer Hinsicht gewaltige Energien, die oft nicht von positiven, lebensbejahenden, freudigen, liberalen Netzen aufgefangen werden können. Die Globalisierung könnte in dieser Hinsicht ein Segen sein - KÖNNTE...
"Juden sind habgierig" stand vor Auschwitz. Ganz richtig. Und zwar lange vorher. Wie schon des öfteren analysiert war es vielleicht eine notwendige, möglicherweise die einzige Überlebensstrategie in der Diaspora. "Nimm was Du kriegen kannst", wer könnte es einem Menschen oder Volk verübeln, dem scheinbar "nichst zusteht"? Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Dass darüber Witze gemacht werden, auch verächtliche, ist völlig menschlich (vor allem, wenn die Anderen die "Macht", das Geld haben). Nicht, dass die Juden für habgierig gehalten wurden, war das Schreckliche, sondern die Tatsache, dass sich diese Meinung für einen Völkermord instrumentalisieren ließ.

> In Deutschland werden täglich jüdische Friedhöfe geschändet.
> Das ist Gegenwart, die ich nicht so einfach ausblenden kann,
> ebensnowenig wie die Tatsache, dass es in der deutschen
> Hauptstadt Schulen gibt, an denen sich ein Schüler nicht als
> links outen kann, ohne dass er dafür eins auf die Fresse
> kriegt.

Ja, es gibt viel Schreckliches. Aber die oft furchtbaren Folgen des - beliebiges Beispiel - Unterschiedes zwischen den Geschlechtern hindern doch niemanden daran, darüber Witze zu machen. Ob solche verallgemeinernden Witze überhaupt sinnvoll (und witzig) sind, ist sicher eine Frage des individuellen Bewusstseins. Aber darum kann es ja hier nicht gehen. Dass es schlimmer sein soll, einen Juden um seines Judentums willen verächtlich zu machen, als eine Frau um ihrer schieren Weiblichkeit willen, kann ich nicht einsehen.

> Bitte interpretiere meine Beiträge nicht in diesem
> Zusammenhang. Ich bin durchaus der Meinung, dass man kein
> Antisemit sein muss, wenn man der israelsichen Regierung eine
> Vernichtungspolitik vorwirft oder Sharon einen Mörder nennt.

Es geht ja nicht nur darum. Walsers Buch z.B. hat mit den konkreten Auseinandersetzungen dort nichts zu tun. Es scheint nur, dass allgemein der Vorwurf "Antisemitismus" immer noch einer ist, der wilde emotionale, ideologische Debatten durch alle Schichten der Bevölkerung auslösen kann - kein Anzeichen für eine wirklich entspannte, tolerante Haltung. Der Konflikt zwischen den Parteien ist tragisch genug, wie so viele im Moment - außen Stehende müssen sich nicht auch noch die Köpfe einschlagen. Leider, auch das entbehrt nicht der religions-immanenten Tragik, können und wollen sich viele Deutsche eben auch nicht als "außen stehend" empfinden. Und je mehr man glaubt, eine "Meinung" haben zu müssen, desto weitere Kreise zieht der Konflikt.

> [Ich denke, es ist wichtig, die Antisemitismus-Debatte anders
> zu führen. Für die israelische Regierung ist es sehr bequem,
> Kritiker als Antisemiten darzustellen. Das wiederum
> erleichtert es Antisemiten Kritik an Israel als Bestätigung
> ihres Weltbildes darzustellen. Hier wäre mehr Differenzierung
> nötig anstatt Stimmungsmache und Rechthaberei (wie bei
> Möllemann und Friedman) angebracht. Allerdings bin ich mir
> bewusst, dass dies aus der sicheren Distanz einfacher gesagt
> ist als getan. Was für die einen Vergangenheit ist, ist für
> die anderen immernoch Gegenwart. Von daher ist es auch
> falsch, selbst überzogenen Antisemitismus-Vorwürfen pauschal
> unlautere Absichten zu unterstellen. - Dieses Thema würde das
> Forum sprengen.]

Das Problem ist m.E. weder mit Gedanken noch mit Worten zu lösen. Wie sollen zwei Menschengruppen, die sich ständig aufs Äußerste von einander bedroht fühlen, friedlich zusammen leben können? Vertrauen, Frieden suchen, einander glauben nach soviel Verrat und Vernichtung? Gerade Religions-konstituierte Menschen sind wie Kinder (wollen sie ja auch sein - kein Smilie), sie können schwachsinnig streiten bis zum Umfallen und sich aus purer Unkenntnis (und mangels besserer Ziele) die Köpfe einschlagen. Wenn nicht irgendwann die Eltern dazwischen gehen, gibt es keine Ruhe. Will sagen: der einzige Weg, den ich sehe, führt über eine "Weltregierung", auch eine "Weltpolizei". Solange solche Institutionen nur als Projekte existieren, werden wir (die Staatengemeinschaft) solche Konflikte nicht in den Griff bekommen.

> [Eine Ablösung, die in dieser Form nichts bringt, da sie
> durch eine andere ebenso unheilvolle Identitätsbildung
> abgelöst wird.

Doch, denn Bewegung ist notwendig. Ob das neue Bewußsein notwendig so unheilvoll wie das alte sein muss, steht glücklicherweise immer wieder dahin. Sinnlos an überkommenen, unzeitgemäßen Urteilen und Vorurteilen festzuhalten, ist das Schlimmste.

> Die Entstehung des Deutschen Nationalstaates wurde seinerzeit
> als Überwindung der Kleinstaaterei begrüßt. Heute tritt das
> 'grenzenlose Europa' an die Stelle europäischer
> Nationalstaaten mit einer umso stärkeren Abgrenzung nach
> aussen gegen anndere Kulturen. So sieht das für mich
> gegenwärtig aus.]

Na, ganz ohne Abgrenzung geht es natürlich nicht! Aber die Öffnung, die Befreiung aus nationalstaatlicher Enge ist doch auch unübersehbar???

> Undifferenziertheit werfe ich da vor, wo mir Sachen
> unterstellt werden, die ich eindeutig nicht geschrieben habe.
> Und dann wird gegen das argumentiert, was mir unterstellt
> wird (ich habe niemanden einen Nazi genannt und klar
> antipolnische Vorurteile benannt). Ich denke, ich muss das
> hier nicht weiter ausführen. Ist recht einfach nachzuprüfen.

Naja, impliziert hast Du allerdings eine ganze Menge. Ist auch recht einfach nachzuprüfen. Wenn Du "keine antisemitischen Witze im Forum" anmahnst und schon entfernt das nächste Auschwitz heran nahen siehst, sollten sich die Angegriffenen nicht zu Recht mit rechter Brühe in einen Topf geschüttet fühlen?
Ein Witz ist ein Witz ist ein Witz. Du darfst Dein Bemühen um Verständnis ruhig auch artikulieren, wenn Du angemessen reagieren willst.

> Das Ronald es lustig findet zu provozieren, indem er sagt, er
> lacht über Judenwitze mag für ihn nur ein Spiel sein. Für
> mich nicht.

Nein, es ist kein Spiel (siehe seine Antwort). Er ist nur nicht so allergisch auf bestimmte (Witz-)Themen und Begriffe.

> > Die Wahrheit muss beide Positionen vereinen
> > können.
>
> 'Die Wahrheit' gibt es nicht. Gerade bei diesem Thema gibt es
> sehr viele - subjektive - Wahrheiten.

Na klar, ich meinte natürlich "die Wahrheit, soweit wir sie erkennen können", oder "die möglichste Annäherung an die Wahrheit" o.ä. Denn die "relative" Wahrheit besteht für mich in der Zusammenfassung und gleichzeitigen Ermöglichung möglichst vieler Einzelwahrheiten.

> Ich nehme mir das
> Recht, diejenigen, die sich selbst nicht betroffen fühlen,
> auf die Wahrheit derer hinzuweisen, die (auch heute noch)
> betroffen sind.

Unbenommen. Nur nicht ganz so dogmatisch bitte. Die andere Seite hat auch Recht.

> Was mir an Gustavs Witz ausgesprochen seltsam vorkommt ist
> die Zuweisung: die Franzosen, die Polen, die Deutschen, die
> Juden, wobei die Schluss'pointe' den Juden pauschal Habgier
> unterstellt.

Na, die Pointe ist doch nicht, dass Juden habgierig sind - sondern dass auf solche Weise die konstituierenden Texte dieses Volkes entstanden sein sollen :lol:

> Für einen jüdischen Witz finde ich das eher untypisch. Ich
> könnte es mir diesen Witz gut vorstellen mit diversen im AT
> vorkommenden Personen (XY als Ehebrecher(in), als Dieb(in),
> Kain (oder jemand anders) als Mörder und Moses als Empfänger
> der Gesetzestafeln).

hm...

> Blendet man den nationalen Aspekt aus, ist die Pointe
> natürlich komisch.

Wer WIRKLICH über nationale Aspekte lachen kann, ist kein schlechter Mensch ;-)

Gruß
Andreas

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 25. Juni 2002, 14:44

Ralf Arnemann schrieb:
>
> > Was mir an Gustavs Witz ausgesprochen seltsam vorkommt ist
> die
> > Zuweisung: die Franzosen, die Polen, die Deutschen, die
> Juden,
> > wobei die Schluss'pointe' den Juden pauschal Habgier
> > unterstellt.
> Das ist doch nicht seltsam, sondern völlig gängig.
>
> > Für einen jüdischen Witz finde ich das eher untypisch.
> S.o., gerade bei jüdischen Witzen ist das völlig typisch:
> -------------
> Liegt der alte Mandelbaum im Sterben, um ihn versammelt die
> Familie.
> Da fragt er: "Sarah, meine gute Frau, bist Du hier?"
> "Ja, sicher bin ich hier."
> "Und meine Kinder, seid Ihr alle hier?"
> "Ja Tateleben, wir sind alle bei Dir."
> "Und die Tante, ist die auch hier?"
> "Ja, sicher bin ich hier."
> Richtet sich Mandelbaum empört auf und ruft "Und wer ist im
> Geschäft?"
> --------------
> Ein geradezu klassischer jüdischer Witz, und m. E. wesentlich
> drastischer als Gustavs Beispiel.

Das eine ist, was in dem Witz passiert, das andere welche Etikettierungen vergeben werden. Hier steht die Person Mandelbaum nicht für 'die Juden'; denn sein Charakter wird in einen Gegensatz zu dem derjenigen Juden gestellt, die um ihn trauern. Es geht hier also um individuelles Verhalten nicht um Pauschalisierungen.

Günter

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 25. Juni 2002, 15:23

Andreas Epplée schrieb:
>
> Hallo Günter,
>
> wenn ich Deine Antworten so lese, scheint mir ein Konsens
> zwischen uns (und Dir und den Anderen) nicht so ohne weiteres
> möglich - zu existenziell scheint für Dich die Rolle eines
> Warners vor untergründigen Ressentiments und Verteidigers
> verkannter oder gefährdeter Ethnien - Deine Spiele zeigen das
> ja auch nicht gerade undeutlich ;-) Das ist ein sehr

Hallo Andreas,

Was meinst du: Autoscooter (aussterbende Jahrmärkte) ? Flaschenteufel (arme Teufel) ? Sonnenkönig (gebeutelte Monarchen) ? FleetBoard (Werbespiel für einen notleidenden Autokonzern) ? ;-)

Zwei meiner Spiele beschäftigen sich mit anderen Kulturen, Kanaloa und Nanuuk!. Letzteres war zunächst ein einfaches Taktikspiel. Aber es hat mir Spass gemacht, mich näher auf das Thema einzulassen. Es ging mir zunächst nicht darum, eine Message im Spiel rüberzubringen, aber bei dem Thema bot es sich an, ein wenig über die Inuit zu schreiben. Dass du das jetzt nutzt, um mir ein solches Etikett aufzudrücken, mich (ob mit oder ohne Smily) auf eine Eigenschaft zu reduzieren... - upps, da sind wir ja wieder beim Thema.


> merkwürdiges, aber geschichtlich gesehen überdeutliches
> Phänomen: je stärker jemand missionarisch auftritt, desto
> mehr Menschen, Meinungen etc. muss er ausgrenzen - oft bis zu


Ich mag es einfach nicht, wenn man über Judenwitze lacht. Sorry, da gibt es wohl ne Menge empfindliche Gemüter, denen es weh tut, wenn man nicht mitlacht. Ich denke aber eher an die, die in dieser beziehung nichts zu lachen haben. Ronald hätte schon eindeutiger formulieren können: er lacht auch gerne über Witze, in denen Juden vorkommen, sofern sie nichtantisemtisch sind. Angesichts der vielen Judenwitze, die es gibt und die dem Begriff Judenwitz ihren Stempel aufgedrückt haben, ist es nicht zu viel verlangt, sich klar genug auszudrücken. Er hat IMHO bewusst eine provozierende Form gewählt.

> dem Punkt, an dem die (explizit oder implizit) Ausgegrenzten
> ihn nicht mehr aushalten können und ihn zum Schweigen bringen
> müssen. Beispiele erübrigen sich wohl. Ich habe eigentlich

Müssen ???

Danke jedenfalls für die Warnung;-)

oder was willst du damit sagen ?



> immer nur eine Antwort auf alle Fragen überzeugend gefunden:
> jeder hat zu jedem Zeitpunkt für sich gesehen immer recht.
> Die verschiedenen Aspekte des "Recht habens" und ihre
> möglichen Verbindungen aufzufinden, ist der Weg zur Wahrheit
> (den man natürlich gehen muss, auch wenn das Ziel unklar oder
> unerreichbar scheint).

:-?

> Günter Cornett schrieb:
>
> > > .... Blondinen [etc]....
>
> > ich denke, in der Regel kann man schon intuitiv abschätzen,
> > was wann angebracht ist und was nicht. Und es ist auch nicht
> > so schlimm, wenn man mal in ein Fettnäpfchen tritt, solange
> > man sich bemüht es nicht zu tun und es nicht zum Prinzip
> wird.
>
> "Smilies nach Wahl" habe ich geschrieben - relax! Sonst

ja, ich weiss; aber dein Beitrag in dieser Sache war doch recht lang

> endest Du noch wie Herr Ridder ;-) (Auch wenn ich die
> Entscheidung, das kultige "Guillotine" auf deutsch
> herauszubringen, für wirtschaftlich ebenso erfolglos halte
> wie das jetzt schon wieder aufgegebene "Schussfahrt". Gerade
> den Deutschen, das zeigt auch der Ausgangsthread, kann man
> mit sowas kaum kommen, schon gar nicht bei Amigo. Merkwürdige
> Veröffentlichung. Wir Spieler neigen doch immer wieder dazu,
> die Welt für verspielter zu halten, als sie ist - steckt da
> nicht Staupe dahinter?)
>
> > Es ist immer der Kontext. Die Behauptung Juden seien
> > habgierig stand vor Auschwitz. Wenn das wieder salonfähig
> > wird, wird womöglich auch Auschwitz wieder salonfähig. Zu
> > weit hergeholt ?
>
> Ja und nein. Unsere Zeit ist wie alle Zeiten vor ihr zu allen
> Grausamkeiten, kriegerischen, ideologischen,
> umweltschädlichen und sonstigen schwachsinnigen Aktionen
> bereit.

Da kann es doch nicht so verkehrt sein, zwischen zwei Lachern mal ein ernstes Wort zu sagen oder in die heile Spielewelt mal etwas Realität einfliessen zu lassen, wenn es sich denn thematisch anbietet, oder ?



> Das Problem im Dritten Reich waren nicht die Juden.

Danke für die Info. :roll:

> Aber Sündenböcke mussten her, und die Juden hatten in der
> Hinsicht nicht nur in Deutschland eine lange Tradition. Wenn
> ein Volk sich bedroht, verängstigt, in seinem
> Selbstbewusstsein getroffen fühlt, muss es sich an irgendwem
> abreagieren - siehe Amerika. Mit Ratio hat das nichts zu tun,
> und "salonfähig" sind solche Reaktionen dann immer. "Die
> Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze (sc. und/oder das
> Geld) weg" z.B. ist so ein Vorwurf von heute, durchaus
> salonfähig weil für den einfachen Verstand nicht leicht zu
> widerlegen und deshalb auch durchaus katastrophenfähig. Und
> schon haben die "Rechten" wieder eine Zielscheibe. Das hat
> weder mit den Juden, noch mit Auschwitz zu tun, noch recht
> eigentlich mit den Deutschen. Nur haben die Deutschen auch in
> negativer Hinsicht gewaltige Energien, die oft nicht von
> positiven, lebensbejahenden, freudigen, liberalen Netzen
> aufgefangen werden können. Die Globalisierung könnte in
> dieser Hinsicht ein Segen sein - KÖNNTE...
> "Juden sind habgierig" stand vor Auschwitz. Ganz richtig. Und
> zwar lange vorher. Wie schon des öfteren analysiert war es
> vielleicht eine notwendige, möglicherweise die einzige
> Überlebensstrategie in der Diaspora. "Nimm was Du kriegen
> kannst", wer könnte es einem Menschen oder Volk verübeln, dem
> scheinbar "nichst zusteht"? Wer den Schaden hat, braucht für
> den Spott nicht zu sorgen. Dass darüber Witze gemacht werden,
> auch verächtliche, ist völlig menschlich (vor allem, wenn die
> Anderen die "Macht", das Geld haben). Nicht, dass die Juden
> für habgierig gehalten wurden, war das Schreckliche, sondern
> die Tatsache, dass sich diese Meinung für einen Völkermord
> instrumentalisieren ließ.

Wir können uns also noch nicht einmal auf den Satz

|: Juden sind nicht habgieriger als andere Menschen.

verständigen ?

Es erschreckt mich, wie recht ich habe mit meinen Befürchtungen.


> > Was mir an Gustavs Witz ausgesprochen seltsam vorkommt ist
> > die Zuweisung: die Franzosen, die Polen, die Deutschen, die
> > Juden, wobei die Schluss'pointe' den Juden pauschal Habgier
> > unterstellt.
>
> Na, die Pointe ist doch nicht, dass Juden habgierig sind -
> sondern dass auf solche Weise die konstituierenden Texte
> dieses Volkes entstanden sein sollen :lol:

Das wäre so, wenn der Witz anders erzählt worden wäre, ohne die nationalen Etikettierungen.

> > Für einen jüdischen Witz finde ich das eher untypisch. Ich
> > könnte es mir diesen Witz gut vorstellen mit diversen im AT
> > vorkommenden Personen (XY als Ehebrecher(in), als Dieb(in),
> > Kain (oder jemand anders) als Mörder und Moses als Empfänger
> > der Gesetzestafeln).
>
> hm...

ja? was kommt nach dem hm... ?

Günter

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Ronald Novicky

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Ronald Novicky » 25. Juni 2002, 16:12

Günter Cornett schrieb:
> Ronald
> hätte schon eindeutiger formulieren können: er lacht auch
> gerne über Witze, in denen Juden vorkommen, sofern sie
> nichtantisemtisch sind. Angesichts der vielen Judenwitze, die
> es gibt und die dem Begriff Judenwitz ihren Stempel
> aufgedrückt haben, ist es nicht zu viel verlangt, sich klar
> genug auszudrücken. Er hat IMHO bewusst eine provozierende
> Form gewählt.

Nochmals eine Klarstellung: Ich lache über jeden guten Witz - antisemitisch, antideutsch, antiösterreichisch, anti-blond, anti-terroristisch, von mir aus auch anti-Cornett, wennst unbedingt willst.

Witze leben davon, eine Minderheit oder eine bestimmte Person auszulachen... und ich habe keine Ahnung, warum es schlimmer ist, sich über Juden lustigzumachen, als über Araber. Vielleicht ist die Lobby der erstgenannten größer, kann das sein?

Schreist Du eigentlich sofort auf, wenn in Deinem Bekanntenkreis jemand einen Witz zum Besten gibt, der sich als Opfer Österreicher ausnimmt? Oder schreibst Du eifrig Leserbriefe an deutsche Sender/Zeitungen, die sich über die nicht-WM-Teilnahme der Holländer lustig machen? Nein? Warum dann die Aufregung über Judenwitze? Wegen einer Vergangenheit, die ich nie erlebt habe? Das sind für mich Seiten in Geschichtsbüchern, genauso wie Cäsar, Napoleon und all die anderen ausgekeksten 'Führer'.

Wenn mich jemand wegen eines Judenwitzes als Antisemit hinstellen will (was ich Dir hiermit _nicht_ unterstelle!!!), so würde ich auch über diesen Menschen lachen, da er scheinbar über einen etwas beschränkten Verstand verfügen müßte, wenn er einen Witz nicht von Realität unterscheiden kann.

lg
Ronald.

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Ralf Arnemann
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Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Ralf Arnemann » 25. Juni 2002, 17:18

> Hier steht die Person Mandelbaum nicht für 'die Juden';
Aber natürlich!
Ohne diese kulturellen Kontext "jüdische Geschäftstüchtigkeit" wäre der Witz weg.
Es ist doch kein Zufall, daß dies ein jüdischer Witz ist - in Oberbayern würde der kein müdes Grinsen erzeugen.

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 26. Juni 2002, 01:10

Ralf Arnemann schrieb:
>
> > Hier steht die Person Mandelbaum nicht für 'die Juden';

gut gekürzt - da sparst du dir Argumente und kannst

> Aber natürlich!
> Ohne diese kulturellen Kontext "jüdische
> Geschäftstüchtigkeit" wäre der Witz weg.

Der Witz greift die übertriebene Geschäftstüchtigkeit des Geschäftsmannes an, unterstellt diese aber nicht generell allen Juden. Frau, Kinder und Tante sind davon ja ausdrücklich ausgenommen.

> Es ist doch kein Zufall, daß dies ein jüdischer Witz ist - in
> Oberbayern würde der kein müdes Grinsen erzeugen.

Natürlich klingen Witze besonders komisch, wenn sie einen bestimmten kulturellen Kontext haben (z.B. jüdisch oder plattdeutsch), aber glaubst du, jüdische Witze wurden erfunden, damit Nichtjuden was zu lachen haben ?

Kritisiert wird Geschäftstüchtigkeit, der Kontext dazu ist jüdisch, weil der Witz ein jüdischer Witz ist. Von daher ist es nichts ungewöhnliches, dass ein Geschäftsmann, von dem der Witz handelt, Jude ist. Ich könnte mir den Witz z.B. durchaus ebenso lustig als niederdeutsche Szene im Ohnsorg-Theater vorstellen.

Du nicht ? Das sagt dann etwas über dich aus, über deinen 'Humor', nicht aber über diesen Witz oder über 'jüdische Geschäftstüchtigkeit'.

Günter

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus - - -

Beitragvon Günter Cornett » 26. Juni 2002, 01:18

Auf das 'oder nicht ?' können wir mit diesen Bekenntnissen wohl verzichten:


Ronald Novicky schrieb:
>
> Nochmals eine Klarstellung: Ich lache über jeden guten Witz -
> antisemitisch, antideutsch, ...

> Witze leben davon, eine Minderheit oder eine bestimmte Person
> auszulachen...

> ich habe keine Ahnung, warum es schlimmer
> ist, sich über Juden lustigzumachen, als über Araber.
> Vielleicht ist die Lobby der erstgenannten größer, kann das
> sein?

> Wenn mich jemand wegen eines Judenwitzes als Antisemit
> hinstellen will

> so würde ich auch über diesen Menschen lachen, da er
> scheinbar über einen etwas beschränkten Verstand verfügen
> müßte, wenn er einen Witz nicht von Realität unterscheiden
> kann.

Lieber einen beschränkten Verstand als grenzenlose Blödheit.

Es gab hier schon Äußerungen, die die in solchen Witzen behauptete 'jüdische Habgier' für wahr hielten.

Günter

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Andreas Epplée

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Andreas Epplée » 26. Juni 2002, 01:22

Hallo nochmals,


Günter Cornett schrieb:

> Zwei meiner Spiele beschäftigen sich mit anderen Kulturen,
> Kanaloa und Nanuuk!. Letzteres war zunächst ein einfaches
> Taktikspiel. Aber es hat mir Spass gemacht, mich näher auf
> das Thema einzulassen. Es ging mir zunächst nicht darum, eine
> Message im Spiel rüberzubringen, aber bei dem Thema bot es
> sich an, ein wenig über die Inuit zu schreiben. Dass du das
> jetzt nutzt, um mir ein solches Etikett aufzudrücken, mich
> (ob mit oder ohne Smily) auf eine Eigenschaft zu
> reduzieren... - upps, da sind wir ja wieder beim Thema.

Nun, nun - ich wollte Dir weder ein Etikett aufdrücken, noch Dich auf dasselbe reduzieren. Es gibt ja nicht viele Autoren, die entferntere Kulturen thematisch "importieren" (was ist übrigens mit "Kahuna"?), da schien mir die Verbindung zur vehementen In-Schutz-Nahme der Juden nicht abwegig...

> Ich mag es einfach nicht, wenn man über Judenwitze lacht.

Na, deutlicher hättest Du den Kern unserer Diskussion nicht auf den Punkt bringen können ;-)

> Sorry, da gibt es wohl ne Menge empfindliche Gemüter, denen
> es weh tut, wenn man nicht mitlacht. I

Nein, denen "tut es nur weh", für das Lachen getadelt zu werden.

> > dem Punkt, an dem die (explizit oder implizit) Ausgegrenzten
> > ihn nicht mehr aushalten können und ihn zum Schweigen bringen
> > müssen. Beispiele erübrigen sich wohl. Ich habe eigentlich
>
> Müssen ???

Ja, es gibt da einen gewissen Zusammenhang zwischen der Intensität der Mission und ihrer gewalttätigen Beendigung (Sokrates, Jesus, Ghandi, Che Guevara, Martin Luther King, sogar Pim Fortuyn könnte vielleicht in der Reihe auftauchen etc. etc.)

> Danke jedenfalls für die Warnung;-)
>
> oder was willst du damit sagen ?

Oh, sorry. Das bezog sich nicht auf Dich. Lag nur in der Konsequenz des Gedankens.

> > immer nur eine Antwort auf alle Fragen überzeugend gefunden:
> > jeder hat zu jedem Zeitpunkt für sich gesehen immer recht.
> > Die verschiedenen Aspekte des "Recht habens" und ihre
> > möglichen Verbindungen aufzufinden, ist der Weg zur Wahrheit
> > (den man natürlich gehen muss, auch wenn das Ziel unklar oder
> > unerreichbar scheint).
>
> :-?

Es macht keinen Sinn zu glauben, dass es ein absolutes Recht oder Unrecht gibt. Jeder tut oder sagt in jedem Moment das für ihn Erreichbarste, verhält sich relativ zu seinen Möglichkeiten optimal. Also kann ich niemals sagen, jemand hat unrecht - er hat nur auf andere Weise recht. Und wenn ich eine Aussage finde, die seine und meine Sicht gleichzeitig richtig erscheinen lässt, nähere ich mich der Wahrheit. Ein Weg, wahrscheinlich ohne Endstation für die meisten von uns, aber mit durchaus befriedigenden Zwischenhalts...

> ja, ich weiss; aber dein Beitrag in dieser Sache war doch
> recht lang

Ja, ab und zu überkommt's mich ;-)

> Da kann es doch nicht so verkehrt sein, zwischen zwei Lachern
> mal ein ernstes Wort zu sagen oder in die heile Spielewelt
> mal etwas Realität einfliessen zu lassen, wenn es sich denn
> thematisch anbietet, oder ?

Im Gegenteil, ich wäre der Letzte, der im luftleeren Raum spielen möchte (wie so viele). Aber Du scheinst die Realität der Anderen nicht recht wahrnehmen zu wollen. Nur deshalb mein Klärungsversuch. Auch von mir nochmal die Botschaft in einem Satz: wer über "Judenwitze" lacht, ist nicht notwendig Antisemit.

> Wir können uns also noch nicht einmal auf den Satz
>
> |: Juden sind nicht habgieriger als andere Menschen.
>
> verständigen ?
>
> Es erschreckt mich, wie recht ich habe mit meinen
> Befürchtungen.

Ich habe noch nicht gelebt, als die Juden dieses Etikett bekamen. Irgendwoher muss es kommen. Oder hast Du noch keine doofe Blondine erlebt? Etiketten sind immer ein Problem. Aber für Witze nun mal gut zu gebrauchen. Ich glaube langsam, die Frage hier heißt eher: Was ist eigentlich ein Witz? Anderen vorzuschreiben, worüber sie (nicht) zu lachen haben, hat (hier schon überhaupt) keinen Sinn. Und allein die Meldung: "Ich finde das nicht witzig" auch wenig.

> > > Für einen jüdischen Witz finde ich das eher untypisch. Ich
> > > könnte es mir diesen Witz gut vorstellen mit diversen im AT
> > > vorkommenden Personen (XY als Ehebrecher(in), als Dieb(in),
> > > Kain (oder jemand anders) als Mörder und Moses als
> Empfänger
> > > der Gesetzestafeln).
> >
> > hm...
>
> ja? was kommt nach dem hm... ?

Dass ich es mir eher nicht vorstellen könnte, aber keine Lust hatte, darüber eingehender nachzudenken, geschweige denn zu schreiben. Wäre aber vielleicht nicht uninteressant...

Gruß
Andreas

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Ulrich Schumacher

Re: [F] Antisemitismus - - -

Beitragvon Ulrich Schumacher » 26. Juni 2002, 06:24

Günter Cornett schrieb:
>
> Es gab hier schon Äußerungen, die die in solchen Witzen
> behauptete 'jüdische Habgier' für wahr hielten.

Möglich (Ich habe das jetzt nicht nachgeprüft). Aber warum sollten sie nur diesen Zusammenhang für wahr halten? Warum sollten solche Leute einsichtig genug sein, "diebische Polen", "untreue Franzosen" und "mordlüsterne Deutsche" für absurde Klischees zu halten, aber nicht die Behauptung über "jüdische Habgier"?

Natürlich sollten wir sensibel sein. Jeder sollte einen persönlichen "Seismographen" für Tendenzen entwickeln, die sich gegen bestimmte Gruppen richten. Es macht aber in meinen Augen wenig Sinn, ein winziges fallendes Steinchen gleich für den Vorboten eines Erdbebens zu halten. Das heißt natürlich nicht, erst dann aufzuwachen, wenn sich schon Erdspalten unter uns auftun.


Grüße

Uli

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Ronald Novicky

Re: [F] Antisemitismus - - -

Beitragvon Ronald Novicky » 26. Juni 2002, 06:26

Günter Cornett schrieb:
>
> Lieber einen beschränkten Verstand als grenzenlose Blödheit.
>
> Es gab hier schon Äußerungen, die die in solchen Witzen
> behauptete 'jüdische Habgier' für wahr hielten.
>
> Günter

Na wennst Dich jetzt besser fühlst...

Mir kommt dieser Thread langsam vor, wie der vor ein paar Monaten mit dem Titel 'Jedem das Seine'.
Und nachdem das Niveau ebenfalls bereits absinkt (siehe Zitat), werde ich mich auch verabschieden.

Viel Spaß noch,
Ronald.

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 26. Juni 2002, 10:19

Andreas Epplée schrieb:
>
> Günter Cornett schrieb:
>
> Nun, nun - ich wollte Dir weder ein Etikett aufdrücken, noch
> Dich auf dasselbe reduzieren. Es gibt ja nicht viele Autoren,
> die entferntere Kulturen thematisch "importieren" (was ist
> übrigens mit "Kahuna"?),

Hallo Andreas,

das Thema kam vom Verlag Kosmos (gefällt mir gut). Das Spiel, das ich dort ursprünglich eingereicht hatte, hiess Arabana-Ikibiti:
http://www.bambusspiele.de/spiele/arabana/arab_fr.htm .
Kanaloa war eine direkte Folge dieser thematischen Umsetzung (der 'mißglückte' Versuch eines 4-Personen-Kahuna).

> da schien mir die Verbindung zur
> vehementen In-Schutz-Nahme der Juden nicht abwegig...
>
> > Ich mag es einfach nicht, wenn man über Judenwitze lacht.
>
> Na, deutlicher hättest Du den Kern unserer Diskussion nicht
> auf den Punkt bringen können ;-)

Ja, und ich hatte offen gesagt, nicht damit gerechnet, dass mir so viel Widerstand entgegengesetzt wird, wenn ich das offen sage.
>
> > Sorry, da gibt es wohl ne Menge empfindliche Gemüter, denen
> > es weh tut, wenn man nicht mitlacht. I
>
> Nein, denen "tut es nur weh", für das Lachen getadelt zu
> werden.

Naja, es hiess (sinngemäß): wer nicht über Juenwitze lachen kann, kann gar nicht lachen...


> > > dem Punkt, an dem die (explizit oder implizit)
> Ausgegrenzten
> > > ihn nicht mehr aushalten können und ihn zum Schweigen
> bringen
> > > müssen. Beispiele erübrigen sich wohl. Ich habe eigentlich
> >
> > Müssen ???
>
> Ja, es gibt da einen gewissen Zusammenhang zwischen der
> Intensität der Mission und ihrer gewalttätigen Beendigung
> (Sokrates, Jesus, Ghandi, Che Guevara, Martin Luther King,


diese Vergleiche zu der Diskussion im Forum sind ein bisschen sehr weit hergeholt.

Und das 'müssen' klingt wie 'selber Schuld'.

> > ja, ich weiss; aber dein Beitrag in dieser Sache war doch
> > recht lang
>
> Ja, ab und zu überkommt's mich ;-)
>
> > Da kann es doch nicht so verkehrt sein, zwischen zwei Lachern
> > mal ein ernstes Wort zu sagen oder in die heile Spielewelt
> > mal etwas Realität einfliessen zu lassen, wenn es sich denn
> > thematisch anbietet, oder ?
>
> Im Gegenteil, ich wäre der Letzte, der im luftleeren Raum
> spielen möchte (wie so viele). Aber Du scheinst die Realität
> der Anderen nicht recht wahrnehmen zu wollen. Nur deshalb
> mein Klärungsversuch. Auch von mir nochmal die Botschaft in
> einem Satz: wer über "Judenwitze" lacht, ist nicht notwendig
> Antisemit.

Nicht in dem Sinn, dass der die Vernichtung von Juden fordert. Aber die Witze transportieren antijüdische Klischees bzw. machen sich über deren Schicksal lustig. Dass das mehr aus Gedankenlosikeit geschieht als aus Böswilligkeit, macht es nicht unbedingt besser.

> > Wir können uns also noch nicht einmal auf den Satz
> >
> > |: Juden sind nicht habgieriger als andere Menschen.
> >
> > verständigen ?
> >
> > Es erschreckt mich, wie recht ich habe mit meinen
> > Befürchtungen.
>
> Ich habe noch nicht gelebt, als die Juden dieses Etikett
> bekamen. Irgendwoher muss es kommen.

Ja, anstatt das Klischee unhinterfragt weiterzugeben, sollte man mal darüber nachdenken, woher es kommt. Insbesondere für die Katholische Kirche waren die 'Christusmörder' willkommene Sündenböcke, wenn es darum ging von der eigenen Raffgier abzulenken. Der ungeheure Reichtum der katholischen Kirche ist u.a. durch Urkundenfälschung (Landbesitz) und Erpressung (Ablass) entstanden. Jedoch gibt es keine Witze über habgierige Päpste...

> Oder hast Du noch keine
> doofe Blondine erlebt? Etiketten sind immer ein Problem. Aber

Sicher, genauso wie doofe xy-haarige beiderlei Geschlechts.

> für Witze nun mal gut zu gebrauchen. Ich glaube langsam, die
> Frage hier heißt eher: Was ist eigentlich ein Witz? Anderen
> vorzuschreiben, worüber sie (nicht) zu lachen haben, hat
> (hier schon überhaupt) keinen Sinn. Und allein die Meldung:
> "Ich finde das nicht witzig" auch wenig.

Deswegen habe ich das ja begründet. Judenwitze transportieren antijüdische Einstellungen (bis ins scheinbar aufgeklärte 21. Jahrhundert) und sind nicht Ursache aber eben ein Baustein von Auschwitz.

Das ist etwas gänzlich anderes als beiSchottenwitzen oder Blondinenwitzen. Dort gehen sie nicht konform mit einer Ablehnung der Bevölkerungsgruppe (wobei es bei Blondinenwitzen auch eine Frage des Kontextes ist, in dem sie erzählt werden).

Und wenn du aus der Existenz von Judenwitzen schliesst, dass Juden habgieriger sind als andere Menschen, dann habe diese Witze ihre antisemitische Funktion erfüllt.

So wie du hier schreibst, klingt es nicht so, als wärest du jemand, der nicht nachdenkt. Überlege doch mal, welche Wirkunng solche Witze auf Leute haben, die etwas weniger überlegen als du.
Das Erzählen eines Judenwitzes ist daher kein unschuldiges Vergnügen.

Gruß, Günter

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Ralf Arnemann
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Das wars dann wohl

Beitragvon Ralf Arnemann » 26. Juni 2002, 10:47

> Du nicht ? Das sagt dann etwas über dich aus, über deinen
> 'Humor', nicht aber über diesen Witz oder über 'jüdische
> Geschäftstüchtigkeit'.
OK, offenbar sind die Argumente ausgegangen und es geht auf die persönliche Ebene. Da hat es keinen Sinn weiter zu diskutieren.

Ansonsten kann ich da nur klare Defizite beim kulturellen und historischen Hintergrund feststellen, wie auch beim Beitrag weiter unten mit den klassischen Vorurteilen zu Kirche etc.
Das können wir hier nicht aufarbeiten, mir fehlt auch jede Lust dazu.

Wer zum Thema was Qualitätvolles lesen möchte, dem empfehle ich:
"Der echte jüdische Witz" von Jan Meyerowitz.
Arani Berlin, 1997, ISBN: 3760586694

Das Buch von Salcia Landmann ist weiter verbreitet, aber nicht so gut, vor allem bei den Hintergründen.

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Roland G. Hülsmann
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Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Roland G. Hülsmann » 26. Juni 2002, 11:14

Jetzt muß ich mich doch mal kurz in die Diskussion einklinken:

Günter Cornett schrieb:

> Jedoch gibt es keine Witze über habgierige Päpste...

Was? Wenn Du wüßtest, was für Witze Abends in der Bar der theologischen Universität erzählt wurden ... da werden die für ihre Witze berüchtigten Mediziner an den zweiten Platz verdrängt. (Natürlich verbreiten sie sich nicht so sehr, da Nicht-Theologen oft die Pointe entgeht, ebenso wie ich an einem Tisch von Medizinern mangels Fachkenntnis auch nicht so recht lachen konnte.) Selbstverständlich geben hier die vermeintlichen, unterstellten und wirklichen Schwächen und Fehler der Kirche und Theologie hier die Munition für die heftigsten Witze. Es gibt reichlich Witze über habgierige Päpste. (Nein, frage mich jetzt nicht nach Beispielen. Ich kann mir Witze nicht merken. Sorry!)

Roland (Dipl. theol. - kath.)

BTW: Die bisher hier zitierten jüdischen Witze stammen, so weit ich das eruieren kann, aus dem jüdischen Kulturraum und sind keine Witze von Nichtjuden über Juden. Fritz Muliars zitiertes Werk gibt jüdische und jiddische Witze wieder und ist wohl über jeden Zweifel erhaben. Auch manchem Deutschen würde es nicht schaden, über sich, sein Volk und seine Kultur lachen zu können.

Apropos Witze, einer fällt mir doch noch ein (nein, nicht theologisch, sondern ganz weltlich, also selbst hier ziemlich OT):

Treffen sich am Rande einer großen Tagung drei Millionäre. Und wie es das Gespräch so will, kommen sie über Ihren Mut und ihre Herren-Clubabende ins Gespräch: Prahlt der Texaner:
"Wenn wir in Texas haben einen Clubabend, dann essen wir, dann trinken wir. Und am Ende reichen wir einen Revolver mit Platzpatronen herum. Soviel Patronen im Magazin wie Clubmitglieder. Jeder hält ihn an seine Stirn und drückt ab: Risiko: Eine Patrone ist echt"
"Das ist doch langweilig!", kontert der Schotte, "Wenn wir machen Clubabend, dann fahren wir mit unseren Wagen hoch in die schottischen Berge. Dann essen wir, dann trinken wir und danch fahren wir wieder heim. Risiko: Bei einem Auto fehlen dann die Bremsen!"
"Wie primitiv!" erwiedert der Franzose, "Wenn wir machen Clubabend, dann treffen wir uns im vornehmsten Haus in Paris. Wir dinnieren, trinken Sekt, ... und zum Abschluß des Abends kommen so viele wunderschöne Frauen, wie Mitglieder anwesend sind. Sie ziehen sich splitterfasernackt aus, tanzen und kriechen dann zu den Mitgliedern unter die Tische, öffnen deren Hosen und machen ... wie sagt man noch gleich? ... französische Liebe ..."
"Und wo" unterbrechen die anderen "ist da das Risiko?"
"Eine ist Kannibalin!"

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Volker L.

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Volker L. » 26. Juni 2002, 13:31

Andreas Epplée schrieb:
>
> Ich habe noch nicht gelebt, als die Juden dieses Etikett
> bekamen. Irgendwoher muss es kommen.

Nur zur Information:
Diese Pauschal-Etikett stammt vermutlich aus dem Mittelalter, als
es Christen gesetzlich verboten war, Geld (gegen Zinsen) zu
verleihen. Somit war praktisch das gesamte Bankgewerbe (bzw.
das "Geldverleihen", wie es damals hiess) in juedischer Hand,
weil das eben die einzige Bevoelkerungsgruppe war, die das machen
durfte.

Gruss, Volker (hat ansonsten keine Lust, sich inhaltlich an
dieser Diskussion zu beteiligen)

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Günter Cornett

Re: [F] Antisemitismus oder nicht ?

Beitragvon Günter Cornett » 26. Juni 2002, 13:56

Volker L. schrieb:
>
> Andreas Epplée schrieb:
> >
> > Ich habe noch nicht gelebt, als die Juden dieses Etikett
> > bekamen. Irgendwoher muss es kommen.
>
> Nur zur Information:
> Diese Pauschal-Etikett stammt vermutlich aus dem Mittelalter,
> als
> es Christen gesetzlich verboten war, Geld (gegen Zinsen) zu
> verleihen.

Tja, die armen Christen, denen ging es wirklich schlecht im Mittelalter ;-)

Es ist richtig, aber nur die halbe Wahrheit. Juden durften meist keinen Grund besitzen und wurden auch nicht zu den Zünften zugelassen.

> Somit war praktisch das gesamte Bankgewerbe (bzw.
> das "Geldverleihen", wie es damals hiess) in juedischer Hand,
> weil das eben die einzige Bevoelkerungsgruppe war, die das
> machen durfte.

... was manche zu der irrigen Annahme verleitet, alle Juden seien Banker...

und wieso das ein Grund sein soll, Juden generell für habgierig zu halten, verstehe ich nicht, sorry.

Günter


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