Beitragvon Marten Holst » 5. März 2004, 14:51
Moin Jost,
>>> Immerhin ist zu Beginn des dritten Teils die Entwicklung
>>> vom Flussmenschen Smeagol zum Geschöpf Gollum (inhaltlich
>>> plausibel!) genau dokumentiert... ;-)
>>
>> (a) Smeagol ist/war selber Hobbit,
>
> Ganz spitzfindig:
> Im Buch hättest du recht, im Film aber nicht. :-P
Hmmm, ich hab jetzt beim Dritten Teil nicht so auf den Text zur Einführung geachtet, da ich ja weiß, dass er einer ist, aber die Füüüüüüüße...
Genug gespitzfindelt hier, wir einig ja sind uns.
>> Die Rolle hat nur den Nachteil, dass sie viel zu
>> sehr der aufrechte, ehrliche Gute ist, um brillieren zu
>> können.
>
> Dafür hatte er m.E. dann doch zu viele Schwächen... Gerade
> anhand von Sam (und natürlich auch den zu Beginn sehr
> "verspielten" Hobbits Merry und Pippin) kann man gut
> erkennen, dass HdR im Grunde ein Entwicklungsroman ist:
> Erst sehr kleinbürgerlich, ängstlich, scheu und sehr
> verschlossen. Später - aufgrund vieler kleinerer und manch
> größerer Erfahrungen - erwachsen, reif, mutig und offen.
> Aber natürlich immer treu!
Ich finde, dass die Entwicklung ganz allgemein sehr krass ist. Man (Kurzform von MArteN ;-) ) hat manchmal das Gefühl, beobachten zu können, wie J.R.R. Ewing der Text aus der Hand geglitten ist. Am Anfang ein Schelmenbüchlein wie "The Hobbit" wird es immer mehr zur Kontinentalsaga.
Was aber Charakterzeichnungen betrifft, so ist das "viele Schwächen" haben auch nur die zweite Stufe und noch weit von einem runden Charakter entfernt
>> insbesondere da auch gerade der dritte Teil die
>> "Actionszenen" gegenüber den "Charakterstudien" sehr stark
>> überbetont hat,
>
> Dieses "Argument" wird sehr oft genannt. Tatsächlich machen
> die "gigantischen" Kampfszenen aber nur 20% des Films aus.
> 40 Minuten ("handgestoppt") bei üblicher Spielfilmlänge
> wären extrem - aber selbst da gibt es Beispiele für
> "schauspielerische" Oscars, etwa Hanks(?). Wir sprechen
> hier aber über einen Film mit 210 Minuten Laufzeit...
Hatte er für SPR den Oscar bekommen? Wusste ich schon gar nicht mehr... Aber wenn Du schon Mathematik betreibst, dann musst Du die "Restfilmzeit" durch die Anzahl der ausgearbeiteten Charaktere teilen, da bleibt auch nicht mehr viel übrig ;-)
>> hierbei schon: ein Umfeld das so sein [i]könnte[/i]
>> schraubt unsere interne Glaubwürdigkeitskontrolle
>> (zumindest meine) massiv nach oben, Elben und Klingonen
>> verzeiht man doch noch etwas mehr Merkwürdigkeiten.
>
> Für mich ist die "innere Konsistenz" viiieeel wichtiger!
Innere Konsistenz ist auch wichtig, aber in diversen Hinsichten leichter, wenn man keine "externen Probleme" berücksichtigen muss (in anderer Hinsicht auch schwerer, weil einem zu schiefe Charaktere in FS und SF-Filmen oftmals dann auch misslingen)
> Ein gutes(?) Beispiel für kompletten Schwachsinn ist etwa
> "Gladiator": Er spielt in einer "verbürgten" Zeit, aber
> ganz zum Schluß siegt der "Held" nur deswegen, weil der
> Kaiser sich unnötigerweise auf einen Zweikampf mit ihm
> einlässt!?! :roll: Arrghhh! :-/
Hmmm, wenn ich Dir erzähle, dass ich diesen Film bis vor kurzem erfolgreich aus der Erinnerung verdrängt habe, musst Du dann Schadenersatz zahlen? ;-)
> Ebensolche "Unstimmigkeiten" sind auch in vielen anderen
> (preisgekrönten) Filmen zu entdecken... (Wer sagt da
> "Titanic"? Jawoll!)
"Titanic" ist übrigens meiner Meinung nach ein sehr gutes Beispiel dafür, dass man den Ottokar nicht überbewerten sollte (ebenso wie Julia Roberts). Dagegen ist "Chicago" ja ein Wim-Wenders-Film.
>> Dafür lenken die Erklärungen all dessen, was nicht aus
>> unserem Erfahrungshorizont kommt, ab.
>
> Wenn man diese Aussage interpoliert, so muss man zu dem
> Schluss kommen, dass für dich "gute Filme" nur das normale
> Alltagsleben zum Hintergrund haben dürfen. Meinst du das
> wirklich? :-?
Nein, zweierlei
(1) Erfahrungshorizont soll auch "tradierten Erfahrungshorizont" enthalten - aber man muss es in "seine Welt" einsortieren können.
(2) "Gute" Filme können so viel sein: anspruchsvoll wie anspruchslos, unterhaltend wie anstrengend. (DHdR ist für mich eine wunderschöne Troglodyt und damit drei gute Filme.) Aber eine obelix-prämierte Schauspielerleistung ist meines Erachtens in diesem Bereich "nachvollziehbarer", eine extrem gute Leistung ist oftmals für den Film wichtiger (soll das ein Kriterium sein? Gute Frage) und für das Publikum leichter zu erkennen.
>>> Bei HdR geht es um die zeitlosen Themen Freundschaft,
>>> Treue, Ehre, Liebe, Opfer- und Hilfsbereitschaft,
>>> Hoffnung(slosigkeit), persönliche Entwicklung, Mut,
>>> Leidensfähigkeit, ..., sowie um die gerade jetzt besonders
>>> aktuellen Themen wie Naturschutz, Technikmißbrauch, soziale
>>> Umgestaltung, ...
>>
>> Wenn ich böse wäre, würde ich fragen ob sich das nicht
>> genau so über einen der bayrischen Bergsteigerheimat-
>> schnulzenfilme aus den 60er Jahren sagen ließe?
>
> Das wäre wirklich böse und vor allem auch unwahr!
> Nenne mir nur einen Film, der sich auch nur mit 2 dieser
> Themen wirklich beschäftigt. :-P :LOL:
Treue, Ehre, Liebe, Mut... irgend ein Luis-Trenker-Film
Das war jetzt unfair Jost, Du hast genau so wenig wie ich einen dieser Filme bis zum Ende durchgehalten und Dir fällt auch kein Name eines solchen Films ein ;-)
Von daher kann ich ja einfach mal "Alpenglühn und Edelweiß", "Der Alm-Sepp in der großen Stadt" und "Massenmord am Matterhorn" erwähnen... :-P
>>> In der Rolle von Sam wurden diese Eigenschaften
>>> schauspielerisch sehr gut umgesetzt.
>>
>> Wobei er aber auch - für meinen Geschmack - zu "chargig",
>> zu "eindimensional" geraten ist, er stellt diese
>> Eigenschaften gut dar, aber dahinter hat die Figur nichts
>> mehr.
>
> Mmmhh, wieso muss ich jetzt eher an "Monster" denken?
Keine Ahnung, nach meinen Informationen taucht Sam in dem Film gar nicht auf... ;-)
>>> Wem sind z.B. nicht die Tränen gekommen,
>>
>> Mir kamen sie nicht :-P
>> Allerdings bin ich auch kein großer Kinogefühlsmensch...
>
> Ich [i]normalerweise[/i] auch nicht. Aber bei HdR (und
> sonst bei den Schlussszenen von "Das letzte Einhorn" :-)) )
> mache ich gerne eine Ausnahme...
Mein letztes Mal richtig weinen im Kino war wohl E.T. (wenn man weinen aufgrund von Magenschmerzen verursacht durch die Dämlichkeut des Filmes mitzählt, kommen allerdings Matrix 2 und Episode 2 in den letzten Jahren dazu)
> Vielleicht bleiben die oft poetischen Szenen (ob Wanderung
> oder Rast) bei eher oberflächigen Zuschauern (oder Lesern)
> nur nicht nachhaltig genug hängen (das sind dann genau
> diejenigen, welche im Film anfangen zu quatschen! :roll: )
Letztere gehören eh mit dem Balrog zusammen die Brücke runter gestoßen...
>> Aber dieser Film ist technisch (nahezu) perfekte
>> Unterhaltung, aber keine "Kunst" im hochgezwieselten Sinne
>> des intellektuellen Anspruchs.
>
> Volker hat es schon richtig gesagt: "Kunst kommt von
> Können!"
Und dennoch werden viele "gekonnt" ausgeübte Tätigkeiten nicht als Kunst bezeichnet, sondern erst, wenn es der Unterhaltung dient und keinen Zweck im sonstigen Sinne mehr hat (das ist nicht abwertend gemeint). Und "gekonnt" unterhalten tun offenkundig auch Modern Talking, das Musikantenstadl und Täglich-Seifen - will man die deswegen allesamt als "Kunst" bezeichnen?
> Mmmhh, ist dies eventuell das "Problem"? :-?
> Schliessen sich d.E. "kommerzieller Erfolg" (in welcher
> Ausprägung auch immer) und "künstlerische Aussage"
> gegenseitig aus?
Sollten nicht, in vielerlei Wahrnehmung allerdings sicher.
> Jost aus Soest (hofft, dass aufgrund der Oscars HdR wieder
> verstärkt im Kino zu sehen sein wird)
Ich denke, seinen Platz in den Programmkinos dieser Welt hat er sicher. Gibt nur leider immer weniger davon :-(
Tschüß
Marten