Beitragvon ZwergAuge » 18. Februar 2004, 20:22
Witzig, dass du ausgerechnet die beiden Spiele nennst.
Wallenstein diente mir nämlich nach meinen ersten drei GoT-Partien als Parade-Gegenbeispiel für ein Spiel der ähnlichen Gewichtsklasse, das eindeutig besser austariert ist, als Game of Thrones.
Ich bring es mal auf den Punkt:
GoT krankt daran, dass es ein klar definiertes Siegziel gibt ("Sieben Burgen erobern"). Sprich, wenn jemand kurz davor ist, dieses Ziel zu erreichen müssen im Grunde alle anderen gegen ihn spielen, ansonsten haben sie verloren. Wenn zwei kurz davor sind, das Ziel zu erreichen, geht das Geschacher los... die Diskussion hatten wir ja vor der Messe hier, mit dem Thema: "Wie verhalte ich mich generell in Strategiespielen, spiele ich gegen den Ersten oder spiele ich, um vierter zu werden".
Es ist durchaus möglich, dass jemand bereits nach drei Runden sieht, dass er keine Chance hat, es sei denn, die anderen lassen ihn im folgenden in Ruhe und das Spiel geht noch sieben Runden. Meistens lassen sie ihn aber nicht in Ruhe, denn sie haben ja nichts davon. Ein schwächerer Gegner ist eine leichtere Beute.
Das Spiel hat einige sehr interessante Mechanismen, die dieser "Schwäche" (die letztlich wohl jedem Kriegsspiel dieser Art gemein ist) entgegenwirken; beispielsweise indem man nicht beliebig nachproduzieren kann (dein "exponentielles Wachstum"-Argument), denn die Anzahl der Armeen ist stark begrenzt und richtet sich außerdem nach dem Zufall der "Musterungs"-Aktionskarte.
Letztlich aber bleibt: Man muss vorher wissen, dass man ein Spiel spielt, bei dem es nur darauf ankommt "am Ende hat einer sieben Burgen erobert"; mit allen Konsquenzen des Königsmacher-Prinzips und des Prinzips des dritten, der schon zwei Runden vor Schluss weiß, dass er nur noch zusehen kann.
Wallenstein dagegen hat folgende Vorteile
- jeder sammelt die ganze Zeit Punkte: Wenn ich Mehrheiten an Gebäuden habe, bekomme ich Punkte, wenn ich eine Provinz erobere, bekomme ich Punkte. Und: Es gibt eine Zwischenwertung: Wenn ich die erste Hälfte clever gespielt habe, ist nicht alles für die Katz, nur weil in der folgenden Runde drei Leute auf mich stürzen. GoT hat da dagegen einen gewissen Frustfaktor, dass letztlich "die letzte Runde alles entscheidet"
- Wer nicht auf "Königsmacher" steht, kann sich auf den Standpunkt zurückziehen: Ich schaue danach, was MIR mehr Punkte bringt. Ich greife also eine Provinz an, in der ein Gebäude steht, zu dem mir die Mehrheit fehlt. Oder um eine andere Mehrheit zu zerstören. Erst wenn bei solchen Argumenten "Gleichstand" besteht, kann ich danach schauen "wer liegt weiter vorne". Bei GoT ist das nicht möglich. Eine Burg ist eine Burg ist eine Burg. Von wem ich sie nehme, ist ziemlich schnuppe. Ich stehe also permanent vor der Entscheidung: Spiele ich gegen den Führenden oder nicht?
- es läuft ziemlich exakt zwei Stunden; man weiß in etwa worauf man sich zeitlich einlässt, und wenn man tatsächlich mal hoffnungslos hinten liegen sollte, ist ein Ende abzusehen
- mit dem "Würfelturm" ist bei den Kämpfen in Wallenstein ein gewisses Glückselement drin, das bei den Kämpfen von GoT fehlt. Das ist Geschmackssache. Ich finde ein wenig Glück (zumal es in dem Fall origniell und plastisch in Szene gesetzt wird) bei solchen Spielen ganz angenehm, weil es die Verbissenheit etwas entschärft. Notorische Nörgler können dann immer noch sagen "ich hab aber heute ein Pech!" statt "Warum spielst du die ganze Zeit gegen mich!!" Außerdem bleiben die Steine beim Kampf bekanntlich im Würfelturm liegen: Wenn ich den einen verliere, weiß ich zumindest dass ich wohl einen der nächsten gewinne (weil noch so viele Steine drin sind)
Das sind für mich alles Punkte, die Wallenstein zu einem Vorbild für ein "Strategisches Spiel" machen, während GoT ganz ohne Zweifel ein hervorragendes Spiel ist, aber bei dem man einfach wissen muss, dass man sich ein klassisches Königsmacher-Spiel einhandelt, bei dem jemand auch schon mal in der 2. Runde ganz aus dem Spiel fliegen kann und danach vier Stunden lang zuschaut.
Dank der Story drumherum und der hervorragenden Bücher kreiert GoT zwar eine Stimmung (bei den richtigen Mitspielern), die es sogar wert ist, dass man vier Stunden lang zuschaut, aber das Gelbe vom Ei ist es natürlich trotzdem nicht ;-)