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Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

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Matthias Wagner
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Matthias Wagner » 18. März 2010, 16:41

Hab mal ein bisschen rumüberlegt. Die Statistikvorlesung liegt zwar schon ein paar Jährchen zurück aber naja...

Ich habe aus den Häufigkeiten von Agricola eine Tabelle mit Start- & Endpositionen in R (SPSS ist Mist ;)) erstellt. Genauer gesagt einen Vektor (x) mit den Platzierungen und einen Faktor (g) der gleichen Länge und den Stufen Start1 bis Start4 (je 222x).

st1 <- rep(1:4,c(61,61,58,42))
st2 <- rep(1:4,c(60,60,54,48))
st3 <- rep(1:4,c(66,48,53,55))
st4 <- rep(1:4,c(50,51,54,67))
x <- c(st1,st2,st3,st4)
g<-factor(rep(1:4,c(222,222,222,222)),labels=c("Start1","Start2","Start3","Start4"))

Danach hab ich einen Kruskal-Wallis-Test gerechnet:

kruskal.test(x,g)

Ergebnis p = .08, sprich der Startplatz hat keinen Einfluss auf die Platzierung (Ich gehe von einem Signifikanzniveau von .05 aus). Böse Zungen würden behaupten es ist knapp, aber egal ;).

Anschlusstest gestalten sich hier leider eher schwierig. Irgendwo hab ich was zu einem "Nemenyi"-Test gefunden. Ergebnis:

Vergleich p-value
Start2 - Start1 0.982
Start3 - Start1 0.914
Start4 - Start1 0.078
Start3 - Start2 0.992
Start4 - Start2 0.181
Start4 - Start3 0.303

Selbst der Unterschied zwischen Startplatz 1 und Startplatz 4 ist nicht signifikant.

Vergisst man die Ordinalskalierung und die Normalverteilung (Varianzhomogenität ist gegeben) und rechnet eine Anova kommt man zu folgendem Ergebnis:

summary(aov(x~g))

p = .078

Anschlusstest Tukey-HSD:

Vergleich p-value
Start2-Start1 0.981
Start3-Start1 0.905
Start4-Start1 0.075
Start3-Start2 0.990
Start4-Start2 0.176
Start4-Start3 0.305

Vergleicht man das mit den Werten aus den nicht-parametrischen Tests könnte man auf die Idee kommen, dass es keinen Unterschied macht (meine naive statistische Sichtweise). Insofern könnte man sich die komplizierteren Nemenyi-Tests Anschlusstest sparen.

So nun die alles entscheidende Frage: Hab ich hier total Mist gebaut und den Nachmittag umsonst verplämpert oder hat das was ich gerechnet habe irgendeinen statistischen Nutzen? Wenn ja kann ich gerne mal andere Spiele betrachten - das dauert jetzt keine 2 Minuten pro Spiel.

VG

Matthias

(...der eigentlich Lernen sollte aber das hier viel spannender findet)

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Matthias Wagner
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Matthias Wagner » 18. März 2010, 16:46

Danke für die Darstellung, das klingt logisch. Meine Statistikkenntnisse halten sich schwer in Grenzen, aber ich finde es sehr interessant. Kannst du bitte mal bei meinem Beitrag unten (16:41 Uhr) nachschauen ob das irgendeinen Sinn ergibt?

VG

Matthias

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Dagobert
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Dagobert » 18. März 2010, 17:46

Also: Meiner unmaßgeblichen Einschätzung zufolge, da ich R leider bisher nicht verwende (Asche auf mein Haupt), sieht das Ganze zumindest äußerst plausibel aus. Da die Varianzanalyse praktisch identische Ergebnisse liefert, scheint es ja doppelt abgesichert. Üblicherweise macht es ja von der Ergebnisseite her betrachtet auch nicht so viel aus, welchen Test man verwendet (ob non-parametrisch oder nicht). Tolle Sache!

Da wir derzeit fast ein Zwiegespräch führen, möchte ich Dir fairerweise sagen, dass ich morgen in Urlaub fliege... Aber vielleicht honoriert noch jemand anders Deine Bemühungen. Ich finde es jedenfalls sehr spannend!

Viele Grüße

Dagobert

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Matthias Wagner
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Matthias Wagner » 18. März 2010, 18:15

Danke für deine Antwort. Zugegebenermaßen hätte ich keinen Plan wie ich die Daten in SPSS eingegeben hätte ohne jede der 888 Kombinationen aus Start- und Endposition einzugeben ;). R ist da ein ziemlich mächtiges und vor allem kostenloses Tool und so sind es nur ein paar Zeilen Code (www.r-project.org). Besonders einstiegsfreundlich ist es nicht, aber man kann sich einiges zusammengoogeln.

Ich finde die Tests vor allem deswegen interessant, weil die Leute dazu neigen, solche Häufigkeitstabellen überzuinterpretieren (siehe Farbwahl?!), aber wie du schon geschrieben hast eine konkretere Aussage auf Basis der vorliegenden Daten erstmal nicht möglich ist.
Den 3. Spieler-Vorteil bei PR kann ich übrigens mit den Berechnungen untermauern. Bei Cartagena wird aber beispielsweise nichts signifikant.

Lol, danke für den Hinweis, honoriert werden muss es aber sicher nicht. Ich freu mich nur über Kommentare dazu. Viel Spaß im Urlaub!

VG

Matthias

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Dagobert
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Dagobert » 18. März 2010, 18:30

Matthias Wagner schrieb:
>
> Danke für deine Antwort. Zugegebenermaßen hätte ich keinen
> Plan wie ich die Daten in SPSS eingegeben hätte ohne jede der
> 888 Kombinationen aus Start- und Endposition einzugeben ;). R
> ist da ein ziemlich mächtiges und vor allem kostenloses Tool
> und so sind es nur ein paar Zeilen Code (www.r-project.org).
> Besonders einstiegsfreundlich ist es nicht, aber man kann
> sich einiges zusammengoogeln.



Jaja, meine Kolleginnen verwenden R auch schon... ;-)



>
> Ich finde die Tests vor allem deswegen interessant, weil die
> Leute dazu neigen, solche Häufigkeitstabellen
> überzuinterpretieren (siehe Farbwahl?!), aber wie du schon
> geschrieben hast eine konkretere Aussage auf Basis der
> vorliegenden Daten erstmal nicht möglich ist.
> Den 3. Spieler-Vorteil bei PR kann ich übrigens mit den
> Berechnungen untermauern. Bei Cartagena wird aber
> beispielsweise nichts signifikant.
>
> Lol, danke für den Hinweis, honoriert werden muss es aber
> sicher nicht. Ich freu mich nur über Kommentare dazu. Viel
> Spaß im Urlaub!


Danke Dir! Dann werde ich bei PR jetzt darauf achten immer als 3. anzufangen... ;-)

Viele Grüße und viel Durchhaltevermögen beim Lernen - wofür denn?

Dagobert

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Matthias Wagner
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Matthias Wagner » 18. März 2010, 18:33

Diplomprüfung Psychologie. Nur noch 3 mündliche und dann isses endlich rum :-).

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Dagobert
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Dagobert » 18. März 2010, 18:35

Welche Uni? Und wie gefällt Dir A&O-Psychologie?

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Matthias Wagner
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Matthias Wagner » 18. März 2010, 18:41

Mainz. Tjoa A&O sagt mir eher zu als klinische. Mal schaun ob ich irgendwas in der Spielebranche finde (wär a Traum), ansonsten geh ich sicher in Richtung Personalbereich.
Nächste Prüfung ist aber erstmal Psychopathologie, also bei einem Mediziner (Psychiater) - mal sehn was da bei rausspringt. Im Allgemeinen sind die Mediziner nicht so begeistert von den Psychologen (gilt sicher aber auch umgekehrt) ;-).

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Dagobert
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Dagobert » 18. März 2010, 18:42

Dann grüß mal Christian Dormann von mir... ;-)

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Matthias Wagner
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Matthias Wagner » 18. März 2010, 18:49

Ahh woher kennst du den denn? Ich muss zugeben, dass ich mich für die Marketing/Kommunikation-Prüfung angemeldet habe (Prof. Mattenklott). Mal schaun ob ich den Herrn Dormann nochmal treffe - bin ab und zu bei denen in der Abteilung weil ich dort einen Doktoranden kenne. Aber selbst wenn, ich kann ja schlecht von "Dagobert" schöne Grüße ausrichten ;).

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Dagobert
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Dagobert » 18. März 2010, 18:54

Matthias Wagner schrieb:
>
> Ahh woher kennst du den denn? Ich muss zugeben, dass ich mich
> für die Marketing/Kommunikation-Prüfung angemeldet habe
> (Prof. Mattenklott). Mal schaun ob ich den Herrn Dormann
> nochmal treffe - bin ab und zu bei denen in der Abteilung
> weil ich dort einen Doktoranden kenne. Aber selbst wenn, ich
> kann ja schlecht von "Dagobert" schöne Grüße ausrichten ;).

Hehe, käme aber bestimmt nicht schlecht!

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Stephan Zimmermann
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Stephan Zimmermann » 18. März 2010, 23:35

Klaus Zündorf schrieb:

> Ich habe für jede Platzierung die jeweiligen Anzahlen der
> Startpositionen ins Verhältnis gesetzt und gegen den
> Erwartungswert (Gleichverteilung) getestet (Ich hoffe, die
> Formatierung geht nicht komplett verloren):

[...]

> Chi-Quadrat-Anpassungstest für beobachtete Anzahlen in
> Variable: 1. Platz
> Unter Verwendung von Kategorienamen in Startposition
> Beitrag zu
> Kategorie Beobachtet Testanteil Erwartet Chi-Quadrat
> 1 61 0,25 59,25 0,05169
> 2 60 0,25 59,25 0,00949
> 3 66 0,25 59,25 0,76899
> 4 50 0,25 59,25 1,44409

> N DF Chi-Qd p-Wert
> 237 3 2,27426 0,517

[...]


Schaut schick aus. Aber was sagen uns die ganzen Zahlen letztendlich?

Viele Grüße, Stephan

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Stephan Zimmermann
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Re: Guter Platz, schlechter Platz - Spieleanalysen (für Statistikfreunde)

Beitragvon Stephan Zimmermann » 18. März 2010, 23:39

Dagobert schrieb:

> Stimmt absolut, Matthias, ich dachte, Stephan hätte das genau
> so vorliegen und daraus dann die ganzen Mittelwerte
> berechnet.

Naja, den Platzschnitt kann man sehr leicht ohne die Einzelnen Spielresultate berechnen (hab ich jedenfalls so gemacht) - einfach gewichtet den Mittelwert über alle bilden:

( 1 * #1. + 2 * #2. + 3 * #3. + 4 *#4. ) / ( #1. + #2. + #3. + #4. )


> Ohne die jeweiligen Einzelergebnisse jeder Partie
> geht es nicht.

Die hab ich auch vorliegen...

Viele Grüße, Stephan

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Ralf Arnemann
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Leicht zu reparieren

Beitragvon Ralf Arnemann » 19. März 2010, 11:13

Es ist wohl meist nicht möglich, solche Unterschiede beim Wert der Startpositionen spielintern auszugleichen. Wollte man z. B. bei einem ansonsten sehr gut austarierten Spiel wie Puerto Rico nun den Vorteil des dritten Spielers mit Regeländerungen ausgleichen, würde das wohl zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Wenn man ihm z. B. auch ein Indigo statt des vorteilhaften Mais geben würde, wäre dann vielleicht der Vorteil beim vierten Spieler und insgesamt wäre nichts gewonnen.

Was aber fast immer geht, das ist ein Ausgleich über Versteigern der Positionen. Und zwar mit Siegpunkten am Spielende als Währung. Man kann dann also ein Gebot für die vorteilhafte 3. Position abgeben, und die entsprechende Anzahl von Punkten bekommt man am Spielende abgezogen.

Noch einfacher ist der Ausgleich natürlich bei Spielen wie Dominion, wo der Startspielervorteil im wesentlichen darauf beruht, daß man statistisch häufiger am Zug ist - weil nämlich das Spielende mitten in einer Runde passieren kann und dann einige Spieler nicht mehr dran kommen. Die sinnvolle Hausregel ist hier ja, daß die Runde immer zu Ende gespielt wird, notfalls mit fiktivem Spielmaterial (sprich bei Dominion: Wenn das Spielende durch den Kauf der letzten Provinz ausgelöst wurde, dann dürfen die noch verbleibenden Spieler auch noch Provinzen kaufen).

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HolgerD
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Re:Dominion "reparieren"

Beitragvon HolgerD » 21. März 2010, 02:05

Bei Dominion könnte ich mir aber vorstellen, dass ein Zuendespielen der Runde mit fiktivem Spielmaterial zu einem Vorteil für die letzten Spieler führt - der Schlussspieler könnte dann z.B. als einziger das Spiel mit seinem Zug direkt beenden. Eine elegantere und mMn noch gerechtere Lösung wäre, die Runde ohne fiktives Spielmaterial zu beenden - das bevorteilt die Schlussspieler gegenüber der Originalregel immer noch, aber nicht so stark.
(Nur für den Trickser sollte man dann über eine Sonderregel nachdenken, damit er nicht bei leerem Provinzenstapel Provinzen komplett zerstören kann...)

Gruß Holger


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