Die Diskussionen der letzten Tage, was das Spiele produzieren und die Verdientsmöglichkeiten eines Autors angehen, haben mich zu folgenden Gedankengängen und Klarstellungen angeregt.
Bis ein Spiel auf dem Tisch des geneigten Vielspielers liegt, gilt es drei Phasen zu durchlaufen. Phase Eins: Das Erfinden = Lust; Phase Zwei: Das Produzieren = Arbeit; Phase Drei: Der Verkauf = Frust.
Phase I: Das Erfinden = Lust
Im Urlaub. Spaziergang durch Xdorf. Geschätzte Entstehungszeit: Mittelalter. Gedankenblitz: Da könnte man ein Spiel draus machen. Zu Hause sprudeln nur so die Ideen. Im Internet weiter recherchiert. Es macht einfach Lust und Laune, zu sehen, wie die eigene Kreativität galaktische Ausmaße annimmt. Das Experimentieren mit all den bunten Pöppeln und Scheiben. Die Frau, (noch) lächelnd: "Das Kind im Manne." Ignorant(in)! Dann freudig den ersten Spielplan entworfen. Ach, wie ist das Leben eines Spieleerfinders schön. Dann der erste Spieletest mit Freunden. Nach fünf Minuten muss abgebrochen werden, da nach drei Zügen schon die Hälfte der Mitspieler bankrott gegangen ist. Macht nix. Der Wein war auf jeden Fall vorzüglich. Nach und nach wird dann tatsächlich aus den ersten Versuchen ein gar taugliches Spiel. Um den Veröffentlichungsvorgang abzukürzen, werden weder Agenturen (Achtung: Thread-Löschgefahr!), noch die Ochsentour über die Vorstellung bei den Verlagen (geschätzte Dauer dreieinhalb Jahre) gewählt. Eigenverlag heißt das Zauberwort (Noch immer Lustphase!). Schulterklopfen bei den Freunden. Der Gesichtsausdruck der Frau nicht so genau zu definieren.
Phase II: Das Produzieren = Arbeit
Jetzt wird's Ernst. Zuerst die Regel, die außer dem Autor noch kein Mensch versteht. Später. Bei verschiedenen Herstellern angefragt und Angebote reingeholt. Ups. Um das Spiel mit dem beabsichtigten Material zu produzieren, müsste man schon über einen Geldspeicher wie Dagobert Duck oder zumindest wie Bill Gates verfügen. Also erstmal abgespeckt. Die Regel? Muss warten. Was passiert, wenn anstatt Material X, Material Y verwendet wird? Sieht nicht mehr so gut aus, ist aber praktikabel und billiger. Genehmigt. Und die Regel? Wird später umgeschrieben. Erstmal neue Testrunden mit dem veränderten Material. Läuft ganz gut. "Du, die Regel stimmt jetzt nicht mehr mit dem Material ..." Ja, ja, wird geändert. Die ersten Kalkulationen. Wenn jetzt die Lagerkosten eingespart werden und vielleicht könnte man die Spiele selbst abholen ... Und überhaupt, mit dem geänderten Material ... Verdienstmöglichkeiten? Der Applaus ist das Brot des Künstlers. Also trocken Brot. Auch der Suche nach einem Grafiker ist Erfolg beschieden. Auch diese Kosten in die Kalkulation reingepackt. Ein Vergleich mit dem erwarteten VK. Auch gut, fällt die geplante Urlaubsreise aus dem Gewinn etwas schmaler aus. Rügen Selbstversorger statt Rükücü AI. An den Grafiker: "Der erste Entwurf muss bis zum xten fertig sein." Hä, hä, es tut gut, auch mal anderen Druck zu machen. Die Regel! Jaha. So, das Spiel funktioniert prächtig, der Hersteller ist ausgewählt, jetzt ist Zeit, sich um die Lagermöglichkeiten zu kümmern. Regel? Muss erst in zwei Wochen in der Druckerei sein. Der Grafiker war zwischenzeitlich im Urlaub. Aber jetzt geht's los. Nun, wohin also mit den Spielen? Im Vorverkauf sind schon dreißig abgesetzt. Läuft super. Und an ??? gehen auch mindestens vier weg. In die Garage? Das Auto steht immer noch draußen, weil drinnen noch der Rest der ersten Produktion lagert. Also Oma's Keller. Erledigt. Die Grafiken sind fertig, die Kalkulation steht, der Vertrieb ist geregelt, die Produktion läuft, die Lagermöglichkeiten geklärt. Die Regel. Verdammt! Schlaf? Wer braucht schon Schlaf? Was ein Bereitschaftsarzt kann, kann auch ein Spieleproduzent. Die Regeln sind überarbeitet und das gar nicht mal so schlecht. Den Rest müssen die Foren klären. Geschafft. Die Haarfarbe hat sich zwar wieder etwas mehr ins graue verändert, aber das sind nur Randerscheinungen und sieht auch ganz sexy aus oder wie war der Blick der Frau zu deuten?
Phase III: Der Verkauf = Frust
Die Lieferung kommt. Oma's Keller hat nicht ganz gereicht. Schnell ein paar Freunde angerufen. "Kannst Du vielleicht eine Kiste ... Ja, Du weist schon, vom Spiel ... Ja? Prima! Du darfst Dir auch eins davon behalten." So, das wäre auch geklärt. Mit zittrigen Fingern das erste Spiel ausgepackt. Sollten die Pöppel nicht dunkelblau anstatt pink sein? Egal, sieht trotzdem cool aus. Ein Blick in die Regel. Tausendmal redigiert, von zig Leuten quergelesen. Auf den ersten Blick sofort zwei Tipfeler entdeckt. Insgesamt vier. Na ja, das its noch im Ramen. Auf Seite drei sind zwei Bilder vertauscht worden. Nicht so schlimm, aber das gibt's in den Rezensionen bestimmt sofort aufs Butterbrot geschmiert.
Mittlerweile stapeln sich die Anfragen nach kostenlosen Rezensionsexemplaren und Gratisspielen für Spieleclubs. Für jedes verschenkte Spiel müssen zehn verkauft werden. Okay, die Spieleschachtel bekommt eins, auch die Leute von Odyssee 2020. Wer ist denn das?
www.ich-rezensiere-dein-spiel.de? Nie gehört. Mal im Netz nachschauen. Ah, die haben schon fünf Spiele besprochen. Warum nicht auch dem Nachwuchs eine Chance geben? Spiel eingetütet und weg. Der Break-Even-Point entfernt sich immer mehr aus dem Blickfeld und ist bestenfalls noch mit dem Fernglas zu erkennen. Verhandlungen mit dem Handel. "Was? Nur xx,00 ¤?" Das liegt verdächtig nah am eigenen EK. Aber egal. Hauptsache eine Kiste weniger in Oma's Keller und die Garage wird so langsam auch wieder leer. Wird auch Zeit vor dem Winter. Die ersten Rezensionen erscheinen: "Auf Seite drei der Regel wurden die Bilder ..." Gna, gna gna...
Ein Anruf: "Du, der Karli möchte wieder in sein Spielzimmer. Könntest Du die Kisten mit ..." Komme Ende der Woche vorbei.
Das Personal für die Messen muss sorgfältigst ausgewählt werden. Nur, die, die Ahnung von Spielen haben, haben keine Zeit und die, die Zeit haben, haben keine Ahnung von Spielen. Da ist eine intensive Unterweisung von Nöten. "Wenn Du was gefragt wirst, was Du nicht verstehst, sag einfach 'Das können Sie demnächst in der Spieleschachtel nachlesen.' Das reicht dann vollkommen."
"Auf welche Messe willst Du denn schon wieder hin?" Die beste Ehefrau von allen (Ich weis: Zitat). "Hast Du vergessen, dass wir heute bei Tante Frieda zum traditionellen Kartoffelsalatessen eingeladen sind?" Mist, vergessen! "Du Schatz, das dauert heute nicht so lange. Ich komme nach." Doch erst um Viertel nach neun aus der Halle gekommen und erst um halb elf bei Tante Frieda aufgelaufen. Kartoffelsalat weg und eine Frau, die nicht mehr mit einem spricht. Auch nicht schlimm. Nach gefühlten sechzehn Stunden Spiele erklären steht einem sowieso nicht mehr so recht der Sinn nach Kommunikation. Aber der Blick ...
Tags zu Hause: "Du, da ist Post für Dich gekommen. Ein Brief von einem Verein mit dem komischen Namen SdJ. Die wollen, dass Du nach Berlin kommst. Ausgerechnet an dem Wochenende wollten wir doch zu Onkel ..." "Ja, Schatz, §$%&?&%$§!"
In der Nacht: Rüttel, rüttel. "Wach auf. Seit wann sprichst Du denn im Schlaf? Und dann noch so seltsame Sachen wie 'Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!' Ich dachte, Du müsstest heute zum Spieletreff nach Xterhausen?" Blinzel. Viertel nach Vier. Nochmal einschlafen lohnt jetzt nicht mehr. Kann ich auch aufstehen und schon das Auto für Xterhausen packen ...
Jegliche Ereignisse und Personen, außer Tante Frieda, sind frei erfunden. Sollte es Ähnlichkeiten zu tatächlich lebenden Personen oder tatsächlich stattgefundenen Ereignissen geben, lehnt der Schreiber dieser Zeilen hierfür jegliche Verantwortung ab!
Spielerische Grüße
ho99ro (dessen Auto mittlerweile wieder in der Garage steht, dafür aber eine Scheidungsklage am Halse hat)
P.S.: Das eine davon ist wahr, das andere nicht!