Beitragvon Marten Holst » 31. Oktober 2010, 12:30
Moin,
bei Satire bin ich ganz bei Tucholsky, aber nicht jede Hetze oder sonstwie aggressive Pöbelei soll sich dahinter verstecken dürfen. Dennoch ist natürlich Meinungsfreiheit ein zu hohes Gut, als dass man sie einschränken dürfte (Jon Stewart (sinngemäß): Wenn man Prinzipien opfert, um einen einfachen Ausweg zu finden, sind es keine Prinzipien, sondern Hobbies.). Aber das fordert Rolf ja auch nicht, er regt Meinungsbildung an.
Zunächst: ich kenne das Spiel nicht. Ob es mir gefällt (thematisch, nicht mechanisch, das ist hier ja egal) kann ich nicht sagen. Aber bezugnehmend auf die Diskussion weiter oben im Thread, ob man im Spiel der Realität entkommen wolle, kann ich für mich sprechen: sicherlich. Und dennoch, ich bin ich, auch im Spiel. In halbwegs realistischen "Rollenspielen" treffe ich als Spieler meist die Entscheidungen, die ich als Mensch "in echt" auch treffen würde. Ich töte also nicht aus Jux Person XY, die sich bis dahin anständig verhielt, nur um zu sehen, was passiert, ist ja nur ein Spiel. Ich kenne Leute, die sehen das genau gegenteilig, die wollen etwas probieren, was sie in echt nie täten. Ich denke, für diese Frage sind wir bei der gleichen Problematik wie bei der unsäglichen "Ballerspiel"-Debatte: dort gibt es Leute, die sich mit solchen Spielen aufheizen und solche, die sich abreagieren. Hier gibt es Leute, die mal völlig anders agieren wollen und solche, die das eben nicht tun. Wenn also einer sagt "(fast) alle Spieler wollen X", dann stimmt das fast sicher nicht.
Und auch die Frage nach Abstraktion hier und Überspitzung da kommt hinzu. Als Schachspieler spiele ich wöchentlich ein Kriegsspiel mit Mord und Totschlag, aber es ist stark abstrahiert. Vor zehn Jahren spielte ich am PC "Panzer-General", und schickte als solcher schon deutlich weniger abstrakt meine Soldaten in den Tod. Kann ich nun sagen, dass mir 3D-Egoshooter zuwider sind? Ja, kann ich (weiß ich nicht, ich stehe nicht auf Actionspiele am PC). Kann ich anderen vorwerfen, dass töten im Spiel unmoralisch ist? Ich denke nein.
Zur Überspitzung, und langsam komme ich zurück zum Trollland: es gibt Spiele, die sind so sehr satirisch überspitzt, dass ich das Thema, ähnlich wie bei der Abstraktion, aus den Augen verliere. Es gab vor Ewigkeiten mal ein sinnloses "Strategiespiel" auf dem Rechner, bei dem es darum ging, in einer völlig albernen Welt aus 4 oder 5 Ländern als letzter noch Einwohner zu haben. Man konnte Propaganda und Atombomben einsetzen, und die Länder waren erkennbar nach echten Vorbildern gestaltet, mit Karikaturen der Landeschefs usw. Dennoch konnte ich es, eben wegen dem abstrusen Karikaturenumfeld, nie als das wahrnehmen, was es darstellte, sondern empfand es als Parodie. Und mir scheint, dass dieses zumindest die Zielrichtung ist, die Cathala hier einschlagen will (nach allem, was ich hier lese, scheint die politische Stoßrichtung ja absolut klar gegen Deportationen/Abschiebungen zu sein). Aber ich verstehe schon, dass Rolf da Magenschmerzen bekommt. Gerade bei solchen Themen erwischt es einen eventuell als Tiefschlag, eventuell auch aufgrund persönlicher Vorgeschichte.
Viele Grüße
Marten