Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 31. Oktober 2011, 12:02
Ich hab's gestern zum ersten Mal gespielt und war auf Anhieb hellauf begeistert.
Als erklärter Fan der Scheibenwelt-Romanserie kam ich um einen Kauf ohnehin nicht herum, aber ich war doch etwas skeptisch: Martin Wallace war in meinem Augen immer ein Autor der guten Themen, aber selten der guten Spielregeln.
In Spielen wie 'Liberté' und 'Princes of the Renaissance' steckt immer ein guter Ansatz, die behandelten historischen Themen in Spielmechanik umzusetzen, aber die Spiele selbst spielen sich für meinen Geschmack meist zu holprig, zu umständlich, oder mit Rückgriff auf unpassende Mechaniken (die Streitigkeiten zwischen Renaissance-Fürsten in 'Princes of the Renaissance' als Kette aufeinander folgender Versteigerungen, zum Beispiel).
Da kommt 'Scheibenwelt: Ankh-Morpork' aber ganz anders daher. Thematisch geht es hier um einen mit Intrigen und scharfen Klingen geführten Machtkampf im Fantasy-Stadtmoloch Ankh-Morpork. Jeder Spieler stellt einen anderen Charakter mit unterschiedlichen Siegbedingungen dar. Wer welche Siegbedingung hat, weiß am Anfang nur jeder Spieler selbst.
Ankh-Morpork ist in den Romanen von Terry Pratchett eine auf recht wackeligen Beinen stehende Stadtrepublik, in der die alten Adelsfamilien und die Anhänger des vor einigen Jahrzehnten getöteten Königs immer noch einflussreich sind, und der 'Patrizier', das höchste Amt im Staate, auch nicht gerade mit einem Menschenfreund besetzt ist. Daneben versucht ein neues Bank-Imperium unter Leitung eines Trolls politische mit wirtschaftlicher Macht zu verbinden, und die Wache - die städtische Polizei - hat ihre liebe Not, angesichts der mit harten Bandagen geführten Machtkämpfe die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Jeder Spieler kann nun eine dieser Parteien vertreten und versuchen, die Macht in einer Mehrheit von Stadtbezirken zu erlangen (für einen Spieler mit diesem Ziel handelt es sich um ein Mehrheiten-Spiel), reich zu werden (ein Wirtschaftsspiel), möglichst viele Punkte zu machen (ein Aufbau-Strategiespiel) oder alle anderen Spieler an der Erreichung ihrer Ziele zu hindern und dadurch zu gewinnen.
Trotz dieser Bandbreite an möglichen Strategien ist die Spielmechanik denkbar einfach und rasch erlernt, ohne dadurch aber langweilig zu werden. Das Spiel wird durch eine oder mehrere pro Zug ausgespielte Aktionskarten gesteuert, die jeweils eine oder mehrere Möglichkeiten bieten, die man manchmal ausführen muss, meisten aber darf.
Neben dem Spaß am Intrigieren - und hin und wieder mal der gepflegten 'Inhumierung' (Ermordung) eines gegnerischen Handlangers - lebt das Spiel auch von den humorvollen Zeichnungen auf den Karten und von seinem sehr schön gestalteten Spielmaterial aus Holz.
Das Typische der Scheibenwelt-Romane - die eigentlich sehr ernsten Ereignisse mit Anspielungen auf die Probleme unserer Welt, verbunden mit einer humorvoll-zynischen Erzählweise - findet sich atmosähärisch auch im Spiel wieder.
Ich denke, dass die Handschrift des TM-Redaktionsteams um Klaus Teuber einen Großteil der Qualität der Regel für ein flüssig verlaufendes Spiel nach einer gut formulierten Spielanleitung getrost auf ihre Fahnen schreiben darf.
Jetzt noch ein Wort der Warnung: Humorbefreite Würfelhasser und Zugoptimierer sollten sich von diesem Spiel fern halten: Es macht viel zu viel Spaß und könnte als unerwünschte Nebenwirkung gute Laune erzeugen.
MfGPGB