Beitragvon Gead » 10. August 2012, 11:51
Hallo Michi,
ich verfolge das Pilotprojekt von Eggertspiele bei der Spielschmiede sehr aufmerksam. Zur Thematik der Anschubfinanzierung habe ich mich auch bei Zuspieler.de schon geäußert.
Da ich mich für mein (gescheitertes) Crowdfunding-Projekt naturgemäß auch intensiv mit den Produktionskosten eines Brettspiels auseinandergesetzt habe, kann ich dir dazu erläuternd - was eine Anschubfinanzierung ist und ab wann man mit "Überschüssen" (oder einem Gewinn) rechnen kann - folgendes sagen:
Express 01 hat bzw. hatte eine ursprünglich geplante Auflage von 1.000 Stück. Ich gehe davon aus, dass die angesetzten 10.000 Euro den reinen Produktionskosten der Mindestausstattung des Spiels entsprechen. Mit jeder höheren Finanzierungsstufe (den sogenannten "stretch goals") verbessert sich die Ausstattung; auch hier nehme ich an, dass die höheren Finanzierungsstufen die verbesserte Ausstattung 1 zu 1 abdecken (z.B. ist für eine Sortiereinlage bzw. ein Tiefziehteil ein spezielles Werkzeug erforderlich, das sehr kostspielig ist).
Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass alle bis zur Drucklegung anfallenden Kosten - bis mindestens zur Schwelle des letzten stretch goals (die 30.000 Euro) nicht abgedeckt sind.
Der Verlag hatte nach eigener Aussage den Prototypen von Express 01 "einige Jahre" in der Schublade - mit anderen Worten: im Test. Eggertspiele, wie sicherlich auch alle anderen Verlage, testen Prototypen, die sie für interessant erachten, sehr ausgiebig. In der Dokumentation der Spieleautorentagung (in Band 4 aus dem Jahre 2009) hat sich Peter Eggert dazu sehr ausführlich geäußert, wie viel Zeit der Verlag in Tests und die Weiterentwicklung des Prototypen investiert (Zeitaufwand von 172 Stunden verteilt über eine Zeitspanne von 83 Wochen). Am Ende solcher Tests kann nämlich auch die Entscheidung stehen, ein Spiel nicht zu produzieren - was wiederum bedeutet, dass Arbeitszeit "umsonst", also ohne Verdienst, investiert wurde. Entscheidet sich der Verlag aber dafür, ein Spiel zu produzieren, oder - jetzt ganz neu - es über Crowdfunding zu finanzieren, dann fallen für die Vorbereitung des Projekts weitere Kosten an. Der Grafiker und Illustrator wird beauftragt und muss für seine Arbeit bezahlt werden, die Redaktion erstellt (in Zusammenarbeit mit dem Autor) das Regelwerk usw. Wenn Peter Eggert also von Anschubfinanzierung (den 10.000 Euro gleichbedeutend mit den nächsten Finanzierungsstufen) spricht, schließt das seine eigenen Kosten eben noch nicht mit ein. Sondern erst ab dem Erreichen der höchsten Finanzierungsstufe werden diese Kosten langsam abgedeckt. Von einem Überschuss - oder auch Gewinn - dürfte also noch längst nicht die Rede sein.
Durch die Zusage des Vertriebspartners, Pegasus, wird eine höhere Startauflage ermöglicht. Eine Verdopplung auf 2.000 Stück reduziert zwar den Stückpreis (pro Spiel), erhöht aber dennoch die Produktionskosten. Und es ist keineswegs so, dass mit der Verdopplung der Auflage der Stückpreis entsprechend halbiert wird. Aus eigener Erfahrung (und beim Produzenten eingeholten Angeboten) kann ich sagen, dass (in meinem konkreten Fall) erst bei zehnfacher Auflagehöhe dieser Effekt eintritt. Grundsätzlich ist hierbei zu beachten, dass unterschiedliche Spielmaterialien und -komponenten unterschiedlich stark im Preis sinken: z.B. sind Spielkarten etwa um den Faktor 4 günstiger; ein Stülpkarton (bestehend aus Boden und Deckel) um den Faktor 2,5; Holzteile nur um den Faktor 1,1 bis 1,2; ein Werkzeug (zum Stanzen oder für das Tiefziehteil) sinkt dagegen um den Faktor 10 (d.h. die Kosten machen sich bei niedrigen Auflagen besonders im Preis bemerkbar). Nicht zu vergessen ist auch hier, dass Pegasus zunächst investieren muss und die zusätzliche Auflage erst verkauft werden muss, bevor sich die Investition amortisiert. Alles in allem dürfte nach meinem Ermessen bei einer Auflage von 2.000 Stück gerade Kostendeckung für alle Beteiligten erreicht werden. Und der Autor sollte ja auch noch was bekommen (und die Spiele-Offensive) ...
Wie an anderer Stelle schon gesagt, halte ich Crowdfunding für eine ziemlich gute Sache. Und ich hoffe, dass sich die Vorbehalte, die dagegen bestehen mit der Zeit (und weiteren Projekten) aufheben lassen. Darum auch meine Bitte an die direkt beteiligten Verlage (und ihre Vertreter), mich hier ggf. zu korrigieren, wenn ich ungenaue Angaben gemacht haben sollte.
Schwarmfinanzierte Grüße
Gead