Anzeige

Crowdfunding - Fluch oder Segen

Das ehemalige spielbox-Spielerforum
Benutzeravatar
Tequila
Kennerspieler
Beiträge: 250

Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Tequila » 21. April 2013, 18:58

Hallo zusammen,

ichhabe in den letzten Wochen immer wieder darüber gegrübelt, ob ich Crowdfunding für total toll, den Satan oder irgendetwas genau dazwischen halten soll und bin zum letzteren gekommen.

Meine Gedanken hierzu habe ich, wie man es kennt und fürchtet, auf meinem Blog zusammen gefasst: http://www.tequilaswelt.de/2013/04/crowdfunding-fluch-oder-segen/

Allerdings interessiert mich hierzu auch die Meinung der holden Leserschaft hier, da die Leser des Spielboxforums vollkommen anders gewichtet sind, wie in den sonstigen Foren, in denen ichmich rumtreibe.

Was haltet ihr generell von Crowdfunding, habt ihr es schon mal gemacht oder lehnt ihr es komplett ab (wenn ja, warum?).


P.S. Nachdem es hier Kritik an der Lesbarkeit meines Blogs gab, hoffe ich, das es nun besser zu lesen ist. Auch hierzu würde mich Feedback freuen...

Benutzeravatar
Tom Hilgert
Kennerspieler
Beiträge: 211

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Tom Hilgert » 21. April 2013, 20:40

Ich mach mal den Anfang und wuerde ganz klar Fluch sagen. Das Problem vom Crowdfunding ist meiner Meinung nach, dass meist, nicht immer, viel Geld in unfertigen Spielen verbrannt wird. Dieses Geld wird anderen Verlagen, Laeden und Versendern dann "fehlen". Ich kenne einige Spieler, die immer noch auf vorfinanzerte Spiele warten, die sie vor 2 oder mehr Jahren bezahlt haben.
Beim Crowdfunding finde ich es immer amuesant, welche Gimmicks mit Namen und Titelbildern angeboten werden um ein paar eitle Zeitgenossen zum $XXX - "Gebot" zu bringen und es scheint zu funktionieren. Das gibt mir fast noch mehr zu denken.
Man kann auch das GMT-P500-Modell als Godfather of Crowdfunding bezeichnen, es wird auch hier solange "gesammelt", bis die Kohle fuer eine Produktion mit allen Schikanen gewaehrleistet ist, jedoch mit dem gewaltigen Unterschied, dass es meist 40% Rabatt zum Endpreis oder nennen wir es Empfohlenen Verkaufspreis gibt, und das gibt es bei den mir bekannten Crowdfunding-Projekte nicht oft.
Das Internet und seine Moeglcihkeiten veraendert nicht nur die Spieleszene rasant, aber wenn ich an Adam-Kataloge von frueher denke, wo vielleicht 100 neue Spiele nach Essen oder Nürnberg angekeundigt wurden, werde ich immer ein bisschen wehmuetig. Durch Crowdfunding wird die Flut immer noch groesser, das wird irgendwann auch dazu fuehren, dass einige Verlage alle Viere von sich strecken werden , ob das gut oder schlecht sein wird, werden wir wohl dann diskutieren.

Benutzeravatar
Duchamp

Selbstregulierung

Beitragvon Duchamp » 21. April 2013, 21:32

Hallo!

In der aktuellen Spielbox gibt es übrigens einen zweiseitigen Artikel zum Phänomen.

Meine Erfahrungen sind beidseitig.

Als Unterstützer würde ich meine Erfahrungen positiv zusammenfassen. Ich bin nicht der Stretch-Goal-Typ - sprich, mich interessieren irgendwelche Wahnsinns-Miniaturen nicht. Ich habe 12 Projekte auf kickstarter und 11 auf startnext unterstützt sowie 2 auf indiegogo. Ich bleibe cool, wenn es länger dauert, denn ich brauche keinen der unterstützten Artikel ganz dringend zu irgendeinem Zeitpunkt. Bei Spielen habe ich ausschließlich solche unterstützt, bei denen kein größerer Verlag dahintersteht, und die vermutlich nur schwierig bis gar nicht anschließend erhältlich wären. Insofern - alles bene.
Wenn mich etwas genervt hat, war es Intransparenz. Dass ein Kartenspiel anschließend eben doch in China hergestellt wird (um 500 Stück für die erzielte Summe machen lassen zu können, bei 150 unterstützen Exemplaren), das gehört in die VORplanung ... und Regeln sollten nun schon verfügbar sein.

Als Starter habe ich daher vor allem vermieden, was mich nervt. Dass wir mit dem deutschen Hersteller Kalenderwoche für Kalenderwoche das Procedere durchbesprochen haben, ist für mich selbstverständlich. Es gibt kein einziges Stretch Goal - wir spenden nur 10% der "Über-Summe" an die Stuttgarter Tafel, da nach oben hin das Ganze etwas preiswerter für uns wird. Das Spiel gibt es anschleßend NICHT im Vertrieb - außer bei den Händlern, die uns unterstützt haben. Wir sind kein wirklicher Verlag, sondern eben das, wofür Crowdfunding ursprünlich gedacht war - zwei kreative Köpfe mit einer Idee. Dass unser Projekt sehr erfolgreich läuft, hat glaube ich u.a. genau damit zu tun. Und das freut mich. Übrigens laufen die Spiele-Projekte auf startnext gerade insgesamt recht gut, das Niveau ist hoch, Transparenz und Kommunikation stimmen. Ich glaube, da geht noch mehr.

Insgesamt vermute ich, dass es eine Art backlash geben wird, was etablietre Verlage oder Crwodfunding als Methode, eingebettet in andere Marktsegmente angeht. Die Schwarmfinanzierung unabhängiger Ideen wird bleiben. Es wird sich meiner Meinung nach schlicht selbst regulieren.

Benutzeravatar
ErichZann
Kennerspieler
Beiträge: 1549
Wohnort: Münster
Kontakt:

Re: Selbstregulierung

Beitragvon ErichZann » 21. April 2013, 21:50

Sehr ich genauso (ich glaube ich habe dein Kartenspiel mitgebacken ;-)

Alles hat seine guten und seine schlechten Seiten und Crowdfunding wird sich nicht aufhalten lassen, ich denke in den USA ist es auch deshalb so ein großer Erfolg weil wohl die Verlagsstruktur lange nicht so gut ist wie in Deutschland (ist aber nur eine vermutung)...wenn ich an Spiele wie Alien Frontiers, Eminent Domain und Belfort denke bin ich froh das es sowas wie Crowdfundig gibt.

Wer seine Kohle in halbgare Sachen steckt ist halt selbst schuld...man sollte also schon sehr genau prüfen und wenn ich erkenne das noch nix fertig ist, backe ich auch nicht.
Nazi Punks Fuck Off!!

Benutzeravatar
Braz
Kennerspieler
Beiträge: 6431

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Braz » 21. April 2013, 22:38

Tequila schrieb:

> Allerdings interessiert mich hierzu auch die Meinung der
> holden Leserschaft hier, da die Leser des Spielboxforums
> vollkommen anders gewichtet sind, wie in den sonstigen Foren,
> in denen ichmich rumtreibe.
>
> Was haltet ihr generell von Crowdfunding, habt ihr es schon
> mal gemacht oder lehnt ihr es komplett ab (wenn ja, warum?).
>

Also bei mir handelt es sich um ein zweischneidiges Schwert:

Einerseits bin ich froh, dass man oft viele Extras mit dem Crowdfunding bekommt. Aktuelles Beispiel, das ich unterstützt hatte, ist "Zombicide 2". Hier gibt es ansch. alleine durch die Stretchgoals fast nochmal so viele Miniaturen oben drauf, wie man ohne diese Unterstützung bekommen würde, wenn man das Spiel im Nachhinein bei einem Händler kaufen würde.

Eindeutige Nachteile beim Crowdfunding sehe ich aber darin:

1) oft kann man die zusätzlichen Stretchgoals, wenn man mal nicht Backer war, nicht zusätzlich noch nachkaufen. Oft sind sie nicht mehr verfügbar. Beispiele: "Among the Stars"-Zusatzkarten, zusätzliche Minis für Zombicide 1.

ABER manche Verlage gehen aber auch einen anderen Weg, den ich da schon eher bevorzuge: Alle Stretchgoals kann man nachträglich weiterhin kaufen...muss halt aber extra dafür zahlen. Beispiel: D-Day Dice. Bis auf die "Extra-Camouflage-Würfel" (die man mE eigentlich nicht braucht) konnte man IMHO alles nachkaufen. Alle Extras wurden angeboten. Klar kostet das dann eben mehr, aber sie sind verfügbar.

2) den Nachteil der Crowdfunding sehe ich in der fehlenden Redaktionsarbeit UND dadurch an möglicher mangelnder Qualität. Jeder Mist kann angeboten werden und findet oft noch irgendwie Unterstützung. Aktuelles Beispiel: http://www.kickstarter.com/projects/springboard/emperors-new-clothes?ref=live


Pro`s:
- Nischenprojekte, die sonst keine Unterstützung durch Verlage bekommen würde, welche massentaugliche Produkte verkaufen wollen, finden hierbei Unterstützung
- viele Extras werden angeboten, die man zum Preis des Basisspiels bekommt

Nachteil:
- Qualität von Spielen kann aufgrund fehlender Redaktionsarbeit schlecht sein (muss es aber nicht, wie Ground Floor, Zombicide, Homesteaders etc. beweisen)
- Stretchgoals können oft nachträglich nicht zusätzlich nachgekauft werden und erhöhen so den Druck ein aktuelles Risiko durch Unterstützung des Spiels einzugehen
- Geld kann weg sein, wenn das Projekt nicht zustande kommt


Ich selbst bin daher sehr skeptisch, wenn Kickstarter-Projekte (insbesondere von großen Verlagen wie Queen Games) angeboten werden, da das Risiko des Spielprojektes (lohnt es sich bei der Qualität von Spiel oder lohnt es sich nicht) voll auf den Unterstützer abgegeben wird.

Auf der anderen Seite bin ich natürlich froh, wenn ich ein Projekt unterstützt habe, dieses mir dann noch gefällt und ich zudem viele Extras dazu bekomme. Ob man die Extras im Nachhinein dann noch irgendwo als Addons kaufen kann finde ich seht gut und es stört mich nicht. Ich bekomme sie ja als Addon "kostenlos" mit oben drauf, hingegen andere dafür zahlen müssen. Von daher hat sich das "Backen" schon in diesem Fall rentiert.
Auf der anderen Seite nerven mich oft die "Stretchgoals", die man, war man halt nicht "Backer", eben nicht im Nachhinein nachkaufen kann. Dann habe ich schon gar keine Lust mehr, dass ich das Basisspiel später dann zu kaufen, da ich immer denke, dass "etwas" fehlt.

Kurzum: Ich finde Kickstarter an sich und solches von der Idee her gut. Die Umsetzung oft mangelhaft. Und von großen Verlagen wie z.B. Queen Games deplatziert.

Gruß
Braz

Benutzeravatar
PzVIE-spielbox
Kennerspieler
Beiträge: 957

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon PzVIE-spielbox » 22. April 2013, 06:02

Ich habe bisher 28 Projekte unterstützt - Kickstarter, IndieGoGo und auch eines bei der Spieleschmiede.

Eines davon war eine Gurke (das der Schmiede), der Rest war von "hervorragend" bis "nicht schlecht" - eher im oberen Bereich. Eines hat die Finanzierung gar nicht geschafft.

Wenn ich mir meine letzten 28 Spiele anschaue, die ich "herkömmlich" gekauft habe, komme ich ungefähr auf dieselbe Verteilung.

Die Infos, die man vorab bekommt, werden immer besser - egal ob Crowdgefunded oder im FLGS/Onlineversand gekauft; d.h. Normalerweise kann ich die Regeln schon irgendwo herunterladen und mir ein Bild über den Spielablauf machen.

Den persönlichen Vorteil des Crowdfundings sehe ich in exklusiven Gimmicks und im "ich-hab's-als-Erster"-Effekt.

Der generelle Vorteil ist, dass es plötzlich Alternativen zu den alteingesessenen Verlagen gibt, die nahezu ausschließlich auf Bewährtes setzen (das soll jetzt nicht so negativ rüberkommen wie es klingt - schließlich wollen ja alle am Ende nur eines: Geld verdienen; von daher ist das schon in Ordnung).

Wäre ich ein Spieleerfinder und hätte die Idee und den Enthusiasmus, mein Spiel zu publizieren und ich möchte mich nicht mit einem Verlag oder Redakteur zusammenraufen müssen, der mir erklärt "so nicht, und das machen wir anders, und dieses Teil wird rot ..." dann wäre Crowdfunding wohl eine gute Alternative.

Um also die Frage zu beantworten: für mich geht's in Richtung Segen. Aber das Schöne daran ist ja, dass es sich jeder selbst aussuchen kann :-)

Benutzeravatar
Tequila
Kennerspieler
Beiträge: 250

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Tequila » 22. April 2013, 07:29

Ich geb dir völlig recht: Wenn es sich um Liebhaberprjekte von "Freaks" handelt, dann finde ich das vollkommen geil und zück auch gern meine Brieftasche. (Da sind mir streckenweise dann sogar die Stretchgoals egal)
Oder wenn (nur zum Beispiel) eine Miniaturenschmiede nun ein Spiel, passend zu ihren Figuren veröfentlicht, sie also ein neues Geschäftsfeld betritt.

Wenn aber eine Forma wie White Wolf, deren Kernkompetenz nun mal das Veröffetlichen von Rollenspielbüchern ist, ein Luxusreprint ihrer Haussysteme via Crowdfunding veröffetlicht, dann pack ich mir an den Kopf.

Da muss man sich ja quasi fragen: Vertaut der Verlag seinem eignen Produkt nicht?

Benutzeravatar
Duchamp

Crowdfunding - auch Marketingtool

Beitragvon Duchamp » 22. April 2013, 07:36

Tequila schrieb:
>
> Da muss man sich ja quasi fragen: Vertaut der Verlag seinem
> eignen Produkt nicht?

Ein wichtiger Aspekt scheint mir bei Verlagsprojekten schlicht der der Aufmerksamkeit zu sein. Ob noch ein weiteres Spiel in Essen rauskommt, ist ja jetzt nicht per se interessant. Aber (fast) über jedes CF-SPiel finden sich Threads allerorten.

Da ist es dann eben ein "cooles" Marketingtool - neben dem Vorfinanzierungsaspekt.

Benutzeravatar
Attila
Kennerspieler
Beiträge: 4715

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Attila » 22. April 2013, 11:37

Hi,

Ich denke da muss man ein wenig differenzieren. Das meiste was hier gesagt wird hat überhaupt nichts mit Crowdfounding an sich zu tun, sondern lediglich damit wie die Projektverantwortlichen mit dem plötzlichen "Geldsegen" umgehen.

Da werden dann irgendwelche ultra-limitierte Spezialgimmicks angepriesen, super-duper-Minis und was weiss ich ... nach dem Motto "bewerft mich mit Geld und ich mach was ganz tolles".

Das ist zwar nett gemeint, aber irgendwie albern. Davon lenkt man sich selbst vom wesentlichen ab und man läuft Gefahr das dazu der Auslieferungstermin nicht eingehalten werden kann. - Das klappt doch fast nie. Ich weiss nicht wieso man da überhaupt noch ein Datum dranschreibt. "Irgendwann dieses oder nächstes Jahr" wäre ehrlicher und min ebenso genau! :-)

Das hat aber alles nix mit Crowdfounding zu tun, sondern nur was wie damit umgegangen wird.

Bis auf GMT P-500 Projekte mache ich inzwischen so was nicht mehr. Viel zu viel was einem da versprochen wird, wird eh nicht eingehalten.
Und falls (nicht wenn) da mal wirklich ein absolutes "must have" dabei ist ... hey, dann kauft man das, wenn das Produkt denn mal erschienen ist.

Atti

Benutzeravatar
Attila
Kennerspieler
Beiträge: 4715

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Attila » 22. April 2013, 11:40

Hi,

Letztendlich kann man Crowdfounding auch als Vorbestellung ansehen, wo der Käufer in Vorleistung geht.

Aber "Vorbestellung - Fluch oder Segen" hört sich doof an ...

Atti

Thygra
Kennerspieler
Beiträge: 3159

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Thygra » 22. April 2013, 12:47

Tequila schrieb:
> Wenn aber eine Forma wie White Wolf, deren Kernkompetenz nun
> mal das Veröffetlichen von Rollenspielbüchern ist, ein
> Luxusreprint ihrer Haussysteme via Crowdfunding
> veröffetlicht, dann pack ich mir an den Kopf.
>
> Da muss man sich ja quasi fragen: Vertaut der Verlag seinem
> eignen Produkt nicht?

Ich kenne diesen Fall jetzt nicht weiter, aber aufgrund deiner Beschreibung als "Luxusreprint" kann ich mir schon vorstellen, dass es für den Verlag sehr schwer einzuschätzen ist, wie viele Exemplare sich von einer Luxusversion verkaufen lassen. Solche Luxus-Projekte sind im Rollenspielbereich in der Vergangenheit schon mehr als einmal gescheitert. Da habe ich schon Verständnis, wenn man eher auf Nummer Sicher gehen will.
André Zottmann (geb. Bronswijk)
Thygra Spiele
(u. a. für Pegasus Spiele tätig)

Benutzeravatar
Tequila
Kennerspieler
Beiträge: 250

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Tequila » 22. April 2013, 13:07

Dann sollte man aber so fair sein und das als Pre-Order umsetzen, nicht als Crowdfunding, denn das sind nun mal zwei Paar Schuhe.

Zumal White Wolf den Werbefaktor Kickstarter ja nicht nötig hat...

Benutzeravatar
Attila
Kennerspieler
Beiträge: 4715

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Attila » 22. April 2013, 15:03

Hi,

Warum sind das zwei paar Schuhe für dich?

Für mich bestehen da nur kleiner Unterschiede.

Atti

Thygra
Kennerspieler
Beiträge: 3159

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Thygra » 22. April 2013, 15:20

Tequila schrieb:
> Dann sollte man aber so fair sein und das als Pre-Order
> umsetzen, nicht als Crowdfunding, denn das sind nun mal zwei
> Paar Schuhe.

Ich schließe mich der Frage von Attila an. Was ist daran so verschieden? Crowdfunding ist sogar noch transparenter für den Endverbraucher!
André Zottmann (geb. Bronswijk)
Thygra Spiele
(u. a. für Pegasus Spiele tätig)

Benutzeravatar
Ralf Arnemann
Kennerspieler
Beiträge: 2447

Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Ralf Arnemann » 22. April 2013, 16:49

Mir ist nach wie vor unklar, wieso Crowdfunding im Spielebereich überhaupt eine Rolle spielt.

Crowdfunding wäre eine Antwort für die folgenden beiden Probleme:
a) zu wenige Neuerscheinungen auf dem Spielemarkt
b) gute Spiele werden nicht veröffentlicht, weil die klassischen Verlage sie nicht finanzieren wollen.

Und beide "Probleme" existieren m. E. überhaupt nicht. Es gibt fast mehr als genug neue Spiele, und gute Ideen finden auch einen Verlag. Es gibt ja auch mehr Verlage als jemals zuvor.

Thygra
Kennerspieler
Beiträge: 3159

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Thygra » 22. April 2013, 16:55

Ralf Arnemann schrieb:
> b) gute Spiele werden nicht veröffentlicht, weil die
> klassischen Verlage sie nicht finanzieren wollen.

Das ist zwar kein "Problem", wie du es nennst, aber dieser Grund existiert durchaus. Insbesondere bei Spielen mit hohen Vorlaufkosten macht Crowdfunding durchaus Sinn, um das Risiko zu minimieren.
André Zottmann (geb. Bronswijk)
Thygra Spiele
(u. a. für Pegasus Spiele tätig)

Benutzeravatar
ravn

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon ravn » 22. April 2013, 19:19

Thygra schrieb:
>
> Ralf Arnemann schrieb:
> > b) gute Spiele werden nicht veröffentlicht, weil die
> > klassischen Verlage sie nicht finanzieren wollen.
>
> Das ist zwar kein "Problem", wie du es nennst, aber dieser
> Grund existiert durchaus. Insbesondere bei Spielen mit hohen
> Vorlaufkosten macht Crowdfunding durchaus Sinn, um das Risiko
> zu minimieren.

So gesehen ist Crowdfunding auf Brettspiele bezogen nur ein anderer Vertriebsweg, da Interessenten per Internet eine verbindliche Vorbestellung tätigen können. Die Spiele an sich werden dadurch nicht direkt besser oder schlechter.

Eventuell verführt es einige Anbieter dazu, kurzsichtig bei der Umsetzungsreife zu schlampen, wenn die Spiele eh schon bezahlt sind. Wenn man aber Herzblut und/oder langfristiges Denken unterstellt, werden die Spiele so gut, wie es eben geht. Nur ob die dann so gut sind, wie sich die Vorbesteller das gedacht haben, ist noch eine ganz andere Frage. Weil vorab gespielt konnte man die meisten Crowdfunding-Vorbestellungen eben nicht.

Nur warum sollte man dieses Risiko des Crowdfunding-Fehlkaufes eingehen, wenn man aktuell dank diverser regionaler und überregionaler Spieleveranstaltungen fast jede Neuheit vor dem eigenen Kauf anspielen kann?

Cu / Ralf

Benutzeravatar
Attila
Kennerspieler
Beiträge: 4715

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Attila » 22. April 2013, 20:33

Hi,

Naja, GMT zeigt das es auch andere Gründe gibt.

Atti

Benutzeravatar
Ralf Arnemann
Kennerspieler
Beiträge: 2447

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Ralf Arnemann » 22. April 2013, 21:01

Schon klar, für die Verlage ist es praktisch, das Risiko abzuwälzen (siehe auch Antwort von ravn).

Aus Sicht der Spielerszene sehe ich keinen vernünftigen Grund.
Jedenfalls habe ich persönlich noch keinerlei Motivation verspürt, auf Probespielen zu verzichten und ein ungesehenes geplantes Spiel zu erwerben.
Gute Spiele finden auch ganz klassisch ihre Verlage, und es gibt jedes Jahr mehr solcher guten Spiele, als ich kaufen kann. Und m. W. hat es bisher auch kein Brettspiel gegeben, für das die höhere Finanzkraft des neuen Modells nötig gewesen wäre (was bei Computerspielen ein Argument sein kann). Wozu also Crowdfunding bei Brettspielen?

Benutzeravatar
Ingo Althöfer
Kennerspieler
Beiträge: 585

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Ingo Althöfer » 22. April 2013, 21:18

> Wozu also Crowdfunding bei Brettspielen?

Aus Sicht eines Spiele-Autors, der sein Spiel vergeblich
Verlagen angedient hat, kann ein Crowdfunding die "letzte"
Chance sein, das Spiel zu publizieren.

Gab es eigentlich schon Fälle, wo Verläge ein Spiel
abgelehnt haben, der Autor dann ein Crowdfunding begonnen
hat, dieses sehr gut anlief und sich dann doch ein Verlag
gefunden hat?

Ingo.

Benutzeravatar
Krimsu
Spielkind
Beiträge: 8

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Krimsu » 22. April 2013, 21:42

Hi auch,

da ich grad in der Thematik aktiv mitten drin stecke, hab ich die Diskussion hier interessiert verfolgt und geb gern mal meine Gedanken dazu:
- Erstmal: Crowdfunding find ich klasse: Jemand hat ne Idee, hat nicht das Geld um sie umzusetzen, ein großer Kreditgeber scheidet aus, also wendet man sich direkt an die Zielgruppe und fragt: Hier Idee, wenn ihr viele, mir jeder ein bisschen Geld gebt = viel Geld, dann setz ich die Idee um. Das ist für mich Crowdfunding. Und das war auch die Idee bei uns, als wir unseren "Das Labyrinth des Pharao" auf startnext gesetzt haben.
- Ich kann jetzt auch nur aus Erfahrung mit dieser Plattform sprechen, aber hier wird einem Projektleiter nur dann das Geld ausgezahlt, wenn das beschriebene Projekt auch finanziell erreicht wurde. Also kein Verlust bei Scheitern und auch kein Projekt-Light. Gibt es da echt Plattformen wo das Geld so oder so weg ist? Wow...
- Grundidee des Crowdfunding ist es aber auch, dass man auch eine Idee unterstützen kann, ohne etwas dafür zu bekommen. Im Spielebereich will man aber natürlich auch das Spiel, das man da vorfinanziert hat, haben - is bei uns ja auch so. Und aus dem Grund hab ich auch schon Spiele-Projekte unterstützt :-).
- Als Projektpräsentator ist es dabei wichtig, das Projekt so informativ darzustellen, wie es geht - und der mögliche Supporter sollte dann den Kosten/Nutzen erwägen, bevor er unterstützt. Wie, wenn er auf ner Messe ein Spiel testet...
- Dass Profi-Spiele-Verlage Crowdfunding als Art einer Finanzierung auch für ihre Produkte testen, kann ich aufgrund der finanziellen Absicherung auch verstehen - auch wenn das irgendwie komisch rüberkommt, und ich auch lieber einen "Kleinen" unterstützen würde. Vielleicht sollten diese Verlage überlegen, das über eine eigene Plattform selber aufzuziehen.
- Was die Sache angeht: "Gute Spiele finden schon ihre Verleger": 1. Es gibt hier halt eine verdammt dichte Spieleszene, und da wird auch einiges Gutes unter den Tisch fallen. 2. Wir denken, bestätigt auch durch zahlreiche Spieltests, wir haben ein gutes Spiel. Das Spiel wurde auch schon Verlagen vorgestellt, da wurde es aus folgenden Gründen abgelehnt: Passt nicht ins Programm, Spiel hat keine Interaktion (is so), Spielausstattung ist zu umfangreich (interessant, ne? Das sagten Vertreter großer Spieleverlage)...

Zusammenfassend bin ich natürlich ein Pro-Crowdfunding-Vertreter, grad wenn ich das Gefühl habe, ein kleines, engagiertes, exklusives, privates Projekt zu unterstützen, aber hier sollte auch jeder einfach genau gucken, was jeweils angeboten wird...

De Krimsu

Benutzeravatar
Zottelmonster
Kennerspieler
Beiträge: 596

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Zottelmonster » 22. April 2013, 23:14

War das nicht quasi der Weg, den Express 01 in der Spieleschmiede gegangen ist. Ich meine am Ende hat Eggertspiele doch noch mehr Geld reingesteckt.
<img src="http://boardgamegeek.com/jswidget.php?username=Zottelmonster&numitems=6&text=none&images=small-fixed&show=recentplays&imagesonly=1&imagepos=left&inline=1&showplaydate=1&domains%5B%5D=boardgame&imagewidget=1" border="0"/>

Benutzeravatar
Gunnarson

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon Gunnarson » 23. April 2013, 00:51

Tequila schrieb:
> Was haltet ihr generell von Crowdfunding, habt ihr es schon
> mal gemacht oder lehnt ihr es komplett ab (wenn ja, warum?).

Crowdfunding via Internet erlaubt Dinge zu ermöglichen, die sonst nicht so realisierbar wären. Das finde ich prinzipiell gut. Mal ein Beispiel abseits der Spielewelt:

http://www.stoersender.tv/
http://www.startnext.de/stoersender

Ja, mit Nie-Wieder-80-Dieter-Hildebrandt :-))

Würde jetzt jede Kabaretistengruppe diesen Weg gehen, dann wird es zuviel und vielleicht fehlt dem Störsender dann auch das nötige Kapital.

Tja, und so ist es bei Spielen gerade an der Grenze: Wenn es zu viel & zu unübersichtlich wird, werden wieder weniger Menschen mitmachen. Bin gespannt, wann die ersten Fake-Unterstützungen und gesamten Fake-Spiele auftauchen, in denen nur so getan wird, ob ein Produkt / genügend Unterstützer vorliegen würden.

Benutzeravatar
widow-s-cruse

Re: Crowdfunding - Fluch oder Segen

Beitragvon widow-s-cruse » 23. April 2013, 07:33

Hallo Gunnarson,

Gunnarson schrieb:
> Bin gespannt, wann die ersten
> Fake-Unterstützungen und gesamten Fake-Spiele auftauchen, in
> denen nur so getan wird, ob ein Produkt / genügend
> Unterstützer vorliegen würden.

Darf ich für Spielzeug ein Beispiel nennen - auch, wenn es ein klein wenig größer ausfällt. :-))

Bau ma a Todessternle!
http://www.zeit.de/digital/internet/2013-02/todesstern-crowdfunding-kickstarter

Liebe Grüße
Nils

Benutzeravatar
Attila
Kennerspieler
Beiträge: 4715

Re: Die Antwort, bei der die Frage fehlt.

Beitragvon Attila » 23. April 2013, 09:04

Hi,

Du hast dich jetzt nicht wirklich mit dem Thema beschäftigt, oder? - Speziell GMT und P-500 ...

Die Frage "was ist ein gutes Spiel" lässt sich objektiv überhaupt nicht beantworten. Also ist deine Aussage "Gute Spiele finden auch ganz klassisch ihre Verlage" ziemlich nutzlos. (Ich sage nicht das sie falsch ist)

Nehmen wir das "klassische" GMT Portfolio - ist da *irgendein* Spiel, welches ein deutscher Verlag aufgelegt hätte? - Da muss man lange zurück gehen um eins zu finden. (Rome von Knizia, das es übrigens bis heute nicht neu Aufgelegt gibt soweit mir bekannt)
Aus'm Bauch raus nehme ich mal an, das die Spiele aus deiner sicht dann halt nicht "gut genug für den Markt" sind.

Das "Problem" was GMT hat, ist nunmal das sie sehr spezielle Spiele machen, für eine spezielle Kundschaft. Wie man sich denken kann, ist es ein Problem wenn man den Keller voll von produzierten Spielen hat und keiner kauft sie. Das ist das Risiko. Bei einer so speziellen Kundschaft ist das Risiko hat grösser mal "am Markt vorbei" zu produzieren, als bei einer weniger speziellen Kundschaft - alleine aufgrund der Anzahl der potentiellen Kunden.
Das war dann auch ein Problem von GMT, wodurch sie fast von der Bildfläche verschwunden sind. Der speziellen Kundschaft ist es übrigens nicht egal ob der Verlag das zeitliche segnet oder nicht (zumindest nicht zu der Zeit), denn wer deckt dann ihre speziellen Bedürftnisse? - Keiner. Das kann natürlich nicht im Sinne des Kunden sein.
Also hat GMT sich umorganisiert und hat von nun an ihre Produktion an die bedürftnisse ihrer Kunden gekoppelt. Das Wort "Crowdfounding" war nicht nicht geboren, und so hat man es einfach und ehrlich P-500 genannt. P für "pre-order" und 500 für die Anzahl die erreicht werden muss damit es produziert wird.

GMT macht übrigens keinen hehl daraus, das es darum geht die Produktion zu finanzieren: http://www.gmtgames.com/t-GMTP500Details.aspx

GMT hat sich auch nicht zu eigen gemacht seine Kunden mit dubiosen "stretch-goals" anzulocken. P-500 Kunden bekommen ein definiertes Produkt welches identisch zu dem ist, welches man auch als nicht P-500 Kunde erwerben kann (wenn es denn Produziert wird). P-500 Kunden bekommen "lediglich" einen Rabatt (20% glaube ich).

GMT hat sich nun im laufe der letzten 10 Jahre mit einigen Spielen durchaus einen Namen gemacht und ich gehe davon aus, das rein finanziell P-500 nicht mehr notwendig ist. (d.h. die 20% Rabatt für die P-500 Kunden könnten sie sich eigentlich selbst in die Tasche stecken) - GMT legt dabei rel. viel Wert auf Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit.

d.h. letztendlich produzieren sie Produkte welche auf spezielle Käuferbedürftnisse zugeschnitten sind - welche es am Markt ansonsten nicht gäbe.

d.h. deine Grundvorraussetzung "gute Spiele kommen so oder so" - trifft hier überhaupt nicht zu. Wenn ich als Kunde den Bedarf an hochkomplexen historisch akkuraten Spielen habe, ist die Anzahl der Verlage die hier in Frage kommen ziemlich eingeschränkt - genauso wie die Anzahl der jedes Jahr erscheinenden Titel.

Die Herangehensweise ist halt unterschiedlich: Die "grossen, allerweltsverlage" produzieren Produkte welche sie an möglichst viele Kunden verschachern möchten. Es gibt im Grunde keine Kundenbindung - es interessiert auch zweitrangig ob die Kundschaft spezielle Bedürftnisse hat - die bekommen irgendein Produkt vorgesetzt und dann wird man sie schon irgendwie dazu bekommen es zu kaufen. Ein Grossteil "versickert" sowieso als Geschenk oder wurde gekauft, weil "so günstig" ist. Die reine Masse ist die relevante Grösse. Ein "gutes Spiel" ist eins was sich oft verkauft.
Die andere Herangehensweise ist die, die Bedürftnisse der Kunden zu erkennen und zu decken. Dazu benötigt man Produkte mit hoher Qualität. Und da die Bedürftnisse sehr individuell sind, ist die reine Menge eher Zweitranging.

"Crowdfounding" ist ein Werkzeug. Das kann man sinnvoll einsetzen und man kann es nicht sinnvoll einsetzen. Genauso wie ein Hammer oder eine Zange.

Atti


Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 38 Gäste