Beitragvon Günter Cornett » 5. Januar 2008, 22:00
Peter Gustav Bartschat schrieb:
>
> Tyrfing schrieb:
> > Was ist dann ein "Nicht-Autorenspiel"?
> > Ein Spiel ohne Verantwortlichen?
>
> Vorausschicken möchte ich, dass es bei der Frage danach, was
> ein Autorenspiel ist, vermutlich keine objektive Wahrheit zu
> entdecken gibt.
Die Wahrheit ist wohl: Der Begriff Autorenspiel sucht noch erst nach einer Bedeutung. :)
Zumindest hat sich noch nicht eine bestimmte Bedeutung etabliert.
> Das bestmögliche Ergebnis, dass man bei einer Diskussion
> darum, was ein "Autorenspiel" ist, erreichen kann, wäre
> höchstens ein vorübergehender Konsens, wie dieser Begriff in
> einem bestimmten Zusammenhang benutzt werden sollte.
>
> Alles, was im Laufe der Geschichte geschrieben, gemalt und
> komponiert worden ist, vom ödesten Stammtischwitz bis zum
> "Faust", hat selbstverständlich einen - besser gesagt:
> MINDESTENS einen - Autor.
Hm, hat ein Einkaufszettel einen Autor?
Der Begriff Autor ist für mich verbunden mit dem Begriff des literarischen oder künstlerischen Werkes. Das ist bei einem Einkaufszettel üblicherweise nicht der Fall.
Man kann Stoff bemalen. Aber wer sich die Nase schneuzt, ist deswegen noch kein Maler. Wer einen Stein zerkloppt, ist noch kein Bildhauer; wer vor Schmerzen schreit noch kein Sänger.
Es geht schon um einen bewußten kreativen Schöpfungsakt: Ich erfinde ein Spiel. Der ersten Definition von Andreas stimme ich daher spontan zu: "für mich ist ein Autorenspiel ganz einfach ein Spiel, für das ein Autor oder eine Gruppe von Autoren verantwortlich zeichnet. D.h. dieser Autor oder diese Gruppe hat dieses Spiel in einem kreativen Prozess entwickelt. "
http://www.spielbox.de/phorum4/read.php4?f=1&i=185859&t=185793&
> Seit den 60er Jahren gibt es den Begriff des "Autorenfilms",
> der meines Wissens ursprünglich von den französischen
> Kritikern der "Cahiers du Cinema" geprägt wurde. Sie schufen
> ihn, um Filme, über deren endgültige Form ein Autor - in der
> Filmkritik sieht man als Autor meist den Regisseur, obwohl
> man sicher auch da anderer Meinung sein kann - die letzte
> Entscheidung hat.
>
> Der Begriff, von dem die Abgrenzung erfolgen sollte, war der
> "kommerzielle Film", über dessen endgültige Form der
> Produzent entscheidet.
Ein sehr interessanter Aspekt.
Soweit ich das beurteilen kann, geht es beim Autorenspiel zunächst einmal darum, darauf hinzuweisen, dass es überhaupt Spieleautoren gibt. Anders als beim Film, gehört es nicht zum Allgemeinwissen, dass Spiele so bewusst konzipiert werden.
> Kehren wir zum Spiel zurück: Wenn ich den Begriff des
> "Autorenspiels" analog dem des "Autorenfilms" begreifen
> möchte (und ich möchte das jetzt mal, weil mich das zu einer
> verwendbaren Deutung des Begriffs führt), dann ist ein
> Autorenspiel ein Spiel, über dessen letztes Aussehen der
> Autor bestimmt, während über ein "kommerzielles Spiel" (oder
> vielleicht "Verlegerspiel") der Verleger bestimmt.
...
> Im großen und ganzen ist meine Vorstellung davon, was ein
> Autorenspiel ist, also gar nicht so weit von dem entfernt,
> was in dem Wikipedia-Artikel steht.
Es steht dem genau gegenüber. :)
Denn die Kriterien, die dort für ein Autorenspiel http://de.wikipedia.org/wiki/Autorenspiel festgelegt werden, hinsichtlich Spielmaterial, Regelwerk, Spieldauer, Spielende, Spielerzahl, Thematik, Interaktion, Erweiterbarkeit sind Kriterien des Marktes. Es geht um optimale Verkaufbarkeit. Die Intention des Autors spielt überhaupt keine Rolle (sofern er andere Intentionen hat als optimale Verkaufszahlen).
Beschrieben wird dort also eher das "Verlegerspiel".
Ansonsten: ein interessanter Ausflug in die Filmwelt.
Wenn bei einem Autorenspiel ein Autor die Kontrolle über den gesamten Entwicklungsprozess hat, dann gibt es verdammt wenig Autorenspiele. M.W. wären auch Drunter&Drüber und Löwenherz keine Autorenspiele, weil diese m.W. mit einem ganz anderen Thema eingereicht wurden.
Dass ein Autor darüber entscheidet, wie das Spiel letztlich aussieht, dürfte jedenfalls die große Ausnahme sein. Und ist - in dem Punkt hast du verdammt recht - auch nicht immer erstrebenswert. Denn die Redaktion bringt meistens Erfahrungen ein, nicht nur hinsichtlich der Verkaufbarkeit, die die meisten Autoren nicht haben. Andererseits hat manche Redaktion auch schon ein Spiel versiebt.
Ein Qualitätsmerkmal ist 'Autorenspiel' sicher nicht, allenfalls in der Abgrenzung zum Werbespiel wie Christian es beschrieben hat.
Ein Punkt, der mir wichtig ist:
Das Werk des Autors ist i.A. fertiggestellt, bevor es veröffentlicht ist, oftmals bevor es an den Verlag geschickt wird. Dann ist man also auch schon Autor.
Das unterscheidet sich vom Film, wo der Produzent den Film in Auftrag gibt und auf den Entstehungsprozess Einfluß nimmt. Bei Spielen kommen - abgesehen von Auftragsarbeiten - allenfalls im Nachhinein Änderungswünsche. Aber der Verlag wählt aus den Arbeiten des Autors aus, gibt ihm zunächst einmal keine Anweisungen, lässt die vielen Autoren einfach rumwerkeln.
Der Verlag entscheidet dann meist allein über das Design, auch über die Frage 'Holz oder Plastik', weswegen das sicher kein Kriterium für ein Autorenspiel sein kann. Der Autor hat damit oftmals gar nix zu tun. Laut Wikipedia wird das Spiel also erst durch die Bearbeitung des Verlages zum Autorenspiel. Das finde ich reichlich widersinnig. Ebenso, dass ein Spiel u.a. dadurch zum Autorenspiel werden soll, dass ein professioneller Grafikdesigner mit daran gearbeit hat.
Gruß, Günter