Beitragvon Christian Hildenbrand » 5. November 2008, 18:50
"Braz" hat am 05.11.2008 geschrieben:
Hallo Braz,
da Du hier Verlage konkret ansprichst und dazu auch wir von HUCH & friends mit unserem Partnerverlag TenkiGames durchaus betroffen sind, will ich gerne ein paar Worte zu Deinen Ausführungen verlieren (keine Angst, ich fühle mich nicht angegriffen, aber ich denke, dass das ein oder andere schon etwas klarer gemacht werden kann).
> Oft kommt es mir so vor, als ob einige Verlage (und hierbei
> spreche ich allgemein) einfach das Produkt schnell auf den
> Markt knallen, ohne es vorher genau überprüft zu haben.
> Auch finde ich fehlende Teile einfach ärgerlich...läßt sich
> halt ansch. nicht vermeiden, aber ist dennoch ärgerlich.
> Man stelle sich vor, dass du ein Buch kaufst und die
> letzten Seiten fehlen...oder eine MusikCD kaufst und die
> Tracks stimmen nicht mit den Tracks auf dem Cover zu 100%
> überein....
Ich denke, ich kann für alle Verlage meine Hand ins Feuer legen, dass es nicht einen Fehler gibt, der bewusst gemacht wurde. Sicherlich kommt es hier und da zu "fahrlässigem" Verhalten, indem ein zuständiger Redakteur oder ein Eigenverleger am Ende nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt auf die letzte Datenkontrolle achtet. Betriebsblindheit kommt am Ende unter Umständen noch dazu.
Nicht zu unterschätzen ist auch der Zeitdruck, der viele ereilt in der Zeit speziell vor Essen. Spiele wurden schon Monate vorher durch Hinz und Kunz vorangekündigt, die Spielerschaft hier im Forum wie auch auf BGN und BGG heiß gemacht auf DIE Neuheiten. Sehr viele Spiele sind nur sehr knapp vor der Messe fertig - und am Ende MÜSSEN sie auch fertig werden, weil ein Nicht-Erscheinen zu diesem Zeitpunkt für den Kleinverlag tödlich sein kann. Essen ist nun mal die Möglichkeit, durch Direktverkauf einen Großteil der Unkosten wieder wett zu machen, sich vielleicht das Polster zu schaffen für die Arbeit des nächsten Jahres.
Somit kommt es sicherlich hier und da vor, dass etwas im Notfall auch nicht noch mal korrigiert wird / werden kann, wenn es schon soweit im Druck ist. Ein gutes Beispiel ist hierbei die Comuni-Regel. Wir haben den Fehler durchaus vor der Messe noch erkannt, der sich in der Regel befindet mit dem widersprüchlichen Text in Haupt- und Seitenbalkentext. Doch leider war zu diesem Zeitpunkt die Regel schon im Druck und ein Korrigieren wäre nicht mehr möglich gewesen, ohne auf das Spiel in Essen zu verzichten.
Was ich vielleicht an dieser Stelle erwähnen sollte ist, dass Druckdaten für verschiedenste Komponenten schon viele Wochen vor einem Drucktermin abgegeben werden müssen, um einen bestimmten Lieferzeitpunkt einhalten zu können. Und wenn da was erledigt ist, ist es halt erledigt. Dann gibt es wiederum nur die beiden Möglichkeiten, es in der ersten Auflage so zu belassen oder halt den Liefertermin zu verschieben und in dem speziellen Fall die Messe sausen zu lassen für das Produkt.
Macht man aber letzteres, ist gleich schlechte Stimmung da von wegen "Der Verlag bringt es scheinbar nicht auf die Reihe, ein Spiel zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig zu haben - wie können die sich das nur erlauben." (hier alles schon gehört bzw. gelesen in der Vergangenheit).
> Ich finde, dass man viele Fehler vermeiden könnte, würde
> man das Endprodukt einfach gewissenhafter prüfen. Oder wie
> sonst kann man sich erklären, dass ein "Supernova" von
> ValleyGames im ausgepöppelten Zustand so gar nicht in die
> Schachteleinlagen passen mag....ehrlich gesagt ist da kein
> Platz für irgendein ausgepöppeltes Stanzteil..man muß das
> Inlay sogar gänzlich entfernen, damit die Schachtel dann
> -ganz gefüllt- überhaupt geschlossen werden kann.........
> oder aber die nicht 100% zueinander passenden Planteile
> eines Keythedrals....wie auch die Planteile beim Tempus,
> die nicht 100% zum Spielplan passen...... oder aber der
> nicht 100 % passende Deckel der ersten Auflage eines Stone
> Ages...oder aber der Fehler bei den Baugenehmigungen beim
> Planet Steam....oder aber die falschen Anschlußpreise beim
> Funkenschlag...oder aber das schlechte Material bei der 2.
> Auflage von Through the Ages, das wellt wie Sau..... oder
> aber der Fehler in der Spielanleitung bei der 1. Version
> von Khronos, bei dem die Zeiten verwechselt wurde....oder
> aber die nicht passenden Steine auf den Köpfen der Statuen
> beim Giants....oder aber der Fehler in der Kurzübersicht
> beim DuckDealer....oder aber die fehlerhaften Figuren der
> Deluxe Edition beim Dungeon Twister, die leicht brechen
> oder schon zerbrochen in der Schachtel lage...... oder aber
> eben Fehler auf dem Spielplan, wie eben diese Zählleiste.
Wie schon gesagt: Fehler passieren unter diesem Zeitdruck, völlig egal, wie viele Menschen da am Ende drüber schauen. Denn ob man nun genau die Zahlen auf so einer (unwichtigen) Zählleiste wie der Invasionsleiste bei Comuni Feld für Feld kontrolliert ... ich werde das in Zukunft tun, das ist sicher. Aber ohne solch eine Sensibilisierung würde ich behaupten, dass meine Kollegen das nur überfliegen und es zu einem gewissen Prozentsatz auch nicht gesehen hätten. (ich bin ja froh, dass ich da keine Datenfreigabe gemacht habe, sondern das bei den Italienern lag *g)
Nun ist bei manchen Fehlern halt abzuwägen, wie man damit umgeht. So eine fehlende Zahl macht dem Spiel nichts aus. Wieso also ein Schweinegeld bezahlen für eine Neuproduktion des Spielplans? Mal schnell gerechnet ... alte Pläne vernichtet, neue gemacht ... das ist schnell mal etwas mehr als 1 Euro pro Spiel, je nach Auflagenhöhe. Wirtschaftlich hochgerechnet bedeutet dieses: jedes Spiel hätte 4-5 Euro mehr kosten müssen auf der Messe. D.h. es hätten einige Tausend Käufer 4-5 Euro mehr bezahlt, weil sich eine Handvoll über den Fehler aufregt. Ist das verhältnismäßig?
> Hätte ich einen Wunsch frei, dann würde ich mir eine
> bessere Endkontrolle der Spiele wünschen.....ob der Fehler
> jetzt geringfügig und nicht spielentscheidend ist, oder
> nicht.... ich kaufe ein Produkt und erwarte, dass es 100%
> paßt und nicht nur zu 98%....
Die Fehler gab es immer und die Fehler wird es auch immer geben. Ich denke, ich kann Dir in jedem einzelnen Spiel, das ich im Regal stehen habe, einen Fehler finden, wenn ich nur lang genug suche. Von den Neuheiten, die ich bislang aus Essen näher betrachtet habe, ist auch kein einziges ohne Fehler gewesen bislang. Und die meisten davon wurden hier noch nicht mal ansatzweise angesprochen, ich behaupte sogar: noch nicht entdeckt. Es ist aber halt immer die Frage, ob der Fehler wichtig, unwichtig, groß, klein, relevant, unrelevant ist für das Spiel oder den Spielspaß.
Früher fielen diese "schwereren" Fehler nicht so sehr auf. Warum? 2 Gründe: Es gab noch kein Forum, in dem schon am selben Abend nach Erstpräsentation das Spiel in seine Einzelteile zerlegt wird. Und: die Zahl der Spiele war bedeutend kleiner. Bei 500 Neuheiten 15 Spiele mit deutlichem Fehler zu finden ist nun mal einfacher als wenn man dieses bei 300 Neuheiten machen soll.
Fehler finde ich im Übrigen auch in jedem Buch, das ich lese. Wenn ich nur genau hinschaue, was sich da alles im Text vor mir findet.
> Oft ist es dann auch so, dass Käufer der ersten Auflage
> dadurch mE benachteiligt werden. Fixes wird`s immer geben,
> das ist klar, aber meine angeführten Punkten hätten mE auch
> beim ersten "groben" Drüberschauen erkannt und behoben
> werden können, [b]hätte man nur einmal sich das erste Produkt,
> welches das Band verläßt, genauer angeschaut.....[/b]
... und genau an dieser Stelle scheint ein zum Teil falsches Bild der Spieleproduktion vorzuliegen. Wenn das erste Spiel vom Band geht, gehen in einem Zug im Normalfall um die 2.999 weitere hinterher (mal mehr, mal weniger). Da ist nix mehr mit Korrigieren in der Auflage möglich. Das ganze geht sogar noch einen Schritt weiter: Bestelle ich 5.000 Spiele, von denen ich mal die ersten 2.000 machen lasse zum Beispiel für die Messe in Essen, so muss ich davon ausgehen, dass schon alle 5.000 Schachtelbezüge, Spielpläne, Kartensätze und Stanztableaus gedruckt sind. D.h. nicht einmal mitten in einer Auflage ist eine Änderung möglich, es sei denn, man nimmt einen Batzen Geld in die Hand. Und dieses Geld ist in den engen Kalkulationen der Spiele heutzutage im Normalfall nicht mal ansatzweise vorhanden.
Der Moment, in dem man die letzte Korrektur vornehmen kann, ist dann, wenn die Vordrucke in den Verlag kommen. Mittels dieser Vordrucke, die dem dann anstehenden fertigen Spiel bzw. der fertigen Komponente (Spielplan, Karten, Schachtelbezug, ...) entsprechen sollen
, wird die Druckfreigabe von Seiten des Verlages erteilt. Wird HIER ein Fehler übersehen, ist er nachher auch im Spiel in der gesamten Auflage - und das unwiderruflich.
Wenn man noch einen Schritt weitergehen will: selbst hiernach kann es noch zu Fehlern kommen, wenn zum Beispiel in der Druckerei die Farben nicht hundertprozentig eingestellt sind oder der Holzlieferant einfach schlecht konfektioniert. So ergibt sich zum Beispiel ein etwas zu dunkles "Dominion" (das zumindest ist meine Erklärung ... da reicht es schon, wenn der Regler für eine dunkle Farbe einen Hauch zu weit geschoben wurde oder ähnliches).
Doch selbst in den Proofs (so heißen diese Vordrucke bei uns) werden schnell mal Fehler übersehen. Man stelle sich vor, dass man ein DIN A1 oder größeres Blatt vor sich liegen hat mit hunderten von Spielkarten, oder die Anleitung, die man eh schon 100Mal gelesen hat. Da geht schnell mal eine Kleinigkeit verloren - Ihr ahnt ja nicht im Geringsten, was da schon alles so durch die Lappen ging, wenn ein Redakteur auch noch so konzentriert alles kontrolliert hat.
Wird in dem Moment ein Fehler erkannt, ist oft noch die Zeit, gaaaanz schnell was zu ändern. Das muss dann aber innerhalb von im Normalfall einem Tag gehen, dass der Grafiker neue Daten macht, alles zur Produktionsfirma geht, die das prüft, neue Proofs erstellt (manchmal auch einfach nur per Mail als pdf) und dann alles freigegeben wird.
> Aber egal: Ich will hier nicht über Comuni mosern, denn
> dazu habe ich keinen Grund...mein Anliegen war eher
> allgemeiner Natur ;)
Ich hab ja schon oben gesagt, dass ich mich nicht angegriffen fühle. Bei dem Spiel ging so viel schief, dass wir erst am Dienstag erfahren hatten, dass es am Mittwoch auf die Messe geliefert werden würde. Die Autoren kamen am Wochenende vor Druckdatenabgabe auf die Idee, diverses anzumerken und auch noch zu ändern, so dass innerhalb von 2 Tagen 3 verschiedensprachige Regeln angepasst werden mussten. Und nachdem alles abgegeben war, und nachdem alles gedruckt war ... kamen sie wohl noch auf die Idee, die Schlusswertung schon immer anders gemeint zu haben ... etwas, das weder von uns noch von Tenki noch von irgendjemand anderem korrigiert werden konnte. Selbst habe ich erst letztes Wochenende davon erfahren ... also nach der Messe. Das vielleicht einfach noch abschließend, damit Ihr einen kleinen Eindruck von der Kompliziertheit des Fertigstellens eines Spiels bekommt.
Ich denke, dass die ein oder andere Erwartung von einzelnen in diesem Forum überzogen scheint - sei es aus Unwissenheit, aber auch aus dem inneren Drang, Unkorrektes nicht dulden zu können, weil es beleidigend fürs Spielerauge ist.
Ich kann eines garantieren: wir Verlagsvertreter, vor allem wir Redakteure nehmen jede Kritik, die hier geäußert wird, wahr, wenn sie unsere Produkte betrifft. Und wir versuchen alle so schnell wie möglich diese großen und kleinen "Fehler" aus unseren Spielen zu eliminieren. Bei manch einem Tonfall fällt das schwerer, bei anderen Anmerkungen viel leichter. Doch hier und da gibt es einfach Grenzen, die nach außen nicht unbedingt sichtbar sind. So ist - wie schon an anderer Stelle erwähnt - der Austausch von Spielplänen wegen solchen Unwichtigkeiten einfach übertrieben, ebenso das Erstellen und Verschicken von Aufklebern zum Überkleben einer falschen Zahl wie auf der Comuni-Invasionsleiste. Der verwaltungstechnische Aufwand und die damit verbundenen Kosten stehen in keiner, aber wirklich gar keiner Relation.
Handelt es sich um einen gravierenden, spielrelevanten Fehler, so ist das überhaupt keine Frage, denn dann bewegen wir uns auf einem ganz anderen Level.
Damit will ich meine Ausführungen mal beenden. Ich hoffe, der ein oder andere hat was interessantes für sich in meinem Posting entdeckt. Wenn Ihr Fragen habt, könnt Ihr Euch auch gerne direkt an mich wenden. Meine eMail-Adresse ist ja angegeben. Ich hab eh schon hin und wieder einen Forumsteilnehmer zum Kaffee oder ähnlichem bei mir sitzen. :-)
In diesem Sinne wünsche ich einen verspielten Abend,
Christian
Redaktion HIUCH & friends