Beitragvon Günter Cornett » 19. September 2006, 22:31
Ralf Arnemann schrieb:
>
> > Strafzölle bei bestimmten Umständen sind wichtig
> > um die eigene Wirtschaft zu schützen.
> In der Regel schaden die Strafzölle den eigenen Konsumenten
> (die müssen die nämlich zahlen) und die eigene Wirtschaft
> bleibt leistungsschwach (weil sie nur noch auf dem
> geschützten Heimatmarkt was absetzen kann, nicht aber
> international, wo ihr niemand mit Zöllen hilft).
na, die Frage ist dabei auch: wer bekommt das Geld?
Der Staat. Was macht er damit?
> > Besondere Umstände liegen vor, wenn durch
> > Zwangsarbeit und Verschleppung eine
> > Wettbewerbsverzerrung entsteht.
> Wogegen Strafzölle überhaupt nichts helfen.
> Im Gegenteil: Die erhöhen nur noch den Kostendruck.
Wenn es Strafzölle für bspw. Kinderarbeit sind, dann werden die Kinderausbeuter vor die Wahl gestellt: Die Kinder für weniger als nichts arbeiten zu lassen oder eben auf solche Bedingungen zu verzichten. Der Sinn der Strafzölle ist wie du richtigerweise bemerkst:
> Man sollte auch ehrlich bleiben: ENTWEDER will man die
> eigenen Arbeitsplätze schützen, ODER den Arbeitern in den
> Entwicklungsländern helfen.
Im ersten Fall macht es Sinn, den Kostendruck zu erhöhen.
Im zweiten Fall geht es darum, humanere Produktionsweisen zu fördern, nämlich durch die Aussicht, dass die Zölle dann wegfallen.
> Beides zusammen geht mit Strafzöllen nicht: Wer die eigenen
> Leute schützt, nimmt automatisch in Kauf, daß die Arbeiter in
> China etc. verrecken.
Jo, der Schutz von eigenen Arbeitsplätzen lässt sich damit imho mehr kurzfristig erreichen.
Beispiel: Nordstadt produziert billig Schuhe, Südstadt produziert billig Milch, Weststadt produziert billig Schrippen.
Weststadt erhebt Zölle gegen Schuhe aus Nordstadt und Milch aus Südstadt, um die eigene Milch-Schuh-Produktion zu fördern.
Südstadt lässt seine Schuhproduktion Schuhproduktion sein und kauft sie in Nordstadt. Nordstadt lässt seine Milchprdouktion Milchproduktion sein und kauft seine Milch in Südstadt.
Ergebnis: In Nordstadt und Südstadt sind Schuhe und Milch billig und Schrippen teuer. In Weststadt sind nur Schrippen billig, aber Schuhe und Milch teuer.
Grundsätzlich liegen also Vorteile im Handel. Konkret gibt es aber starke Nachteile, vor allem dann, wenn der Händler den ganzen Reibach einsackt, der den Schuhverkauf in Südstadt und den Milchhandel in Nordstadt kontrolliert und es keine freie Grenzen für die Bevölkerung gibt, wenn Globalisierung Möglichkeiten für einige wenige bedeutet global zu agieren, nicht aber für alle.
> > Kinderarbeit hat erst durch die Tätigkeit
> > imperialistischen Länder in Afrika und Asien stark zugenommen.
> Was ein Vokabular!
Was ist daran auszusetzen?
> > Unter Kinderarbeit ist dabei nicht die häusliche
> > Mithilfe zum Überleben gemeint, sondern industrielle Ausbeutung.
> Ja logisch. Solange es keine Industrie gibt, müssen die
> Kinder aufs Feld. Das mit "häusliche Mithilfe" zu umschreiben
> ist schon etwas zynisch.
Es gibt einen fließenden Übergang von häuslicher Mitarbeit zu Ausbeutung.
Mitarbeit im Familienbetrieb kann, muss aber nicht harte Feldarbeit sein und ist sicherlich weniger schwer als Fabrikarbeit.
Und es gibt Kinderarbeit, die den Kindern das Überleben und etwas Unabhängigkeit sichert (z.B. Verkauf auf dem Markt). Es gibt Kinderrechtsorganisationen, die sich deshalb für bessere Arbeitsbedingungen, nicht aber generell gegen Kinderarbeit einsetzen. In Südamerika z.B. gibt es etwas weniger üppige Sozialleistungen.
> Das ist nämlich knallharte Arbeit, nicht unbedingt besser als
> die "Ausbeutung" in der Fabrik, aber allemal schlechter
> bezahlt, d.h. obs fürs Überleben reicht ist bei der
> traditionellen Wirtschaft noch viel unsicherer.
>
> > ... diese Aussage wie ein Schlag ins Gesicht
> > der gepeinigten Kinder.
> Starke Worte.
> Die Kinder in althergewohnter Weise verhungern zu lassen ist
> natürlich kein "Schlag ins Gesicht", sondern gelebter Anti-Imperialismus.
>
> > Wirtschaft ist leider nur dem Mammon verpflichtet
> > und nicht der Ethik.
> Während es natürlich viel "ethischer" ist, die Arbeitsplätze
> mit Strafzöllen abzuschotten und damit sicherzustellen, daß
> nur kein pöser Mammon in die dritte Welt kommt.
Auf http://fair-spielt.de/ kann man lesen, wovon wir hier reden:
"Zurzeit müssen wir bis 23.00 Uhr arbeiten. Wenn wir dann in die Unterkunft kommen, müssen wir Schlange stehen, um duschen zu können und die Kleider zu waschen. Naja, und dann kannst du erst um zwei Uhr in der Früh einschlafen. Am Morgen musst du aber schon wieder um halb sieben aufstehen, frühstücken und um halb acht geht die Arbeit wieder los. Wie soll man da genug Schlaf kriegen?
Am Arbeitsplatz stinkt es nach Chemie und überall schweben Farbwolken rum. Als ich kam, wollte ich jeden Tag abhauen. Ständig hatte ich Magenschmerzen, und immer war mir schwindlig.
Wir arbeiten im Akkord, und da will natürlich jede so viel wie möglich schaffen. Letztes Jahr haben wir mehr verdient, dieses Jahr ist es viel schlimmer. Jeden Tag gehe ich arbeiten, und was kriege ich dafür? Nur 600 bis 700 RMB (etwa: 86 bis 100 Euro) im Monat. Und dann müssen wir noch für Essen und Unterkunft zahlen. Wenn ich das Geld nicht bräuchte, damit mein Sohn zur Schule gehen kann, würde ich niemals in der Lackiererei arbeiten."
Eine Arbeiterin in einer Lackiererei.
nach: Hong Kong Christian Industrial Committee (2001):
How Hasbro, McDonald’s, Mattel and Disney manufacture their toys,
Hong Kong
direkter Link:
http://www.woek-web.de/conchilli-mx/cms/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=155&idart=623&m=&s=
Es gibt mit dem CE-Zeichen eine Regelung, die fast alle Produkte, die in Europa verkauft werden bestimmten Sicherheitsstandards unterwirft. Die Einbeziehung sozialer Standards sollte schon auch möglich sein.
Gruß, Günter