Beitragvon Heinrich Tegethoff » 6. November 2007, 16:03
Hallo André,
wegen der Münchner Spielwiesn eine etwas verzögerte Antwort -- und gerade deswegen. Neben der Messe dort lebt die Spielwiesn von den "lebenden Spielregeln", also uns Erklärbären. Hier kann man 3 Tage sehr konzentriert sehen, wie verschiedene Spielertypen mit Regeln umgehen und wie eben nicht. Denn zum einen werden Regeln vorgelesen, und zum anderen werden (teils verzweifelt) Erklärer gesucht. Und ich glaube, dieses Szenario lässt sich auf den Hausbereich übertragen.
Denn entweder liest einer die Regel vor, oder - wie es land-auf-land-ab propagiert wird - es bereitet sich einer vor und erklärt dann.
Was kann dann aber eine Spielregel von einem gutem Erklärbären lernen?
* Als Mitspieler möchte ich als erstes Wissen, wie man als einzelner Spieler das Spiel gewinnt. Was sind die wesentlichen Grundzüge? Manche Spiele machen das, um ein Thema aufzusetzen, aber dabei wird einfach nicht klar, was eigentlich *wichtig* am Spiel ist. Wofür bekomme ich die wichtigsten Siegpunkte? Warum gewinnt jemand - eben nicht wie?
Lasst Euch als Regelschreiber doch einfach einmal darauf ein, nicht juristisch korrekt einzuführen, sondern in zwei Minuten den Spielrahmen zusammenzufassen! Es schrieb schon jemand, und es ist so wichtig: erst am Ende steht (bisher), warum ich die meiste Zeit gespielt habe. Klar "meiste Siegpunkte" oder so, aber woher kommen die?
Wenn es Hilfen gibt, wie man ein Spiel erklärt, warum hält sich dann die Regel nicht daran? Als Erklärbär gebe ein groben Abriss über das Spiel, ggf. jede Runde und die Spieleraktion pro "dran sein" (pro Runde). Warum muss das im Regelheft immer mit Paragraphen-ähnlichem Aufbau gemischt sein, z.B. "genau eine der folgenden Aktionen pro Phase"? Das braucht es erst später!
* Es gibt mir zu viele technische Beschreibungen der Regeln eines Spiels. Dabei versteckt sich die Bedeutung für das Spiel, also deren Priorität. Zentrale Sätze klingen dann beim Vorlesen genau so wie Nebenregeln. Wie häufig sind Nebenregeln schon nachgehakt und diskutiert worden, ohne Sinn?
* Regeln, die mehr als 4 A4-Seiten umfassen, brauchen leider ein Inhaltsverzeichnis. Ist woanders Usus. Aber damit zwinge ich den Regelschreiber auch zu einer Struktur!
* Der erste Schritt eines Spiels ist der Spielaufbau. Wie häufig suche ich hier wie viele Pesos bzw. Handkarten jeder Spieler bekommt? Steht irgendwo(!) im Text. Drum: Spielplan mit Bild, aber jeder Spieler als *Tabelle* ohne Fließtext, insbesondere, wenn es spieleranzahl-anhängig wird.
Desaströs ist hier Maestro Leonardo zu nennen, dass trotz des hier öfter geforderten Bildes unendlich viel Zeit beim Aufbau-nach-Regel braucht (ich hatte letztes Jahr extra eine Aufbauanleitung für Spielwiesn-Erklärer geschrieben).
* Nach meiner Erfahrung sind für viele Spieler die schiere Länge (*Seitenzahl*!) einer modernen Regel ein Hindernis. "Tanz der Hornochsen" ist doch wahrlich nicht so kompliziert, dass es 4 volle Seiten A4 braucht, oder? Wirkt aber so. Das Spiel wird abgelehnt, bevor es los geht.
Tipp, auch wenn es nicht etwas mehr kostet: Trennt diese Kartenerklärungen etc. in ein zweites Heft ("Glossar"). Macht die Spielregel entscheidend dünner. Ist nicht wesentlich, wenn das Spiel schon verkauft wurde, aber ein Schritt, es gespielt zu bekommen.
Andere Tricks, die Seitenzahl der Hauptregel zu verringern, werden sicherlich die Akzeptanz, sich mit der Regel auseinander zu setzen, erhöhen! Ein Spiel braucht eine vollständig gelesene Regel, mein neues Handy nicht (115 Seiten A6...).
* Ich habe am Samstag auf der Spielwiesn einmal "Showmanager" erklärt - welch Wunder, wie schnell sich die Regel quer lesen lässt! Schwarz auf weiß, zweispaltiger Aufbau, kurze Sätze.
Und noch wichtiger: Die Regeln wurden nach ihrer Wichtigkeit erklärt, und nicht nach der langweiligen chronologischen Reihenfolge!
- Bis heute ist meine liebste Regel die von "Spiel & Spion", welches auch die Essener Feder erhielt. Wenn schon vorlesen, dann sind Witze eingebaut. Allemal klar strukturiert, wenn auch aus heutiger Sicht in langweiligem schwarz-weiß. Den Hermagor-Horror erwähnten schon andere...
* Ergo, wenn schon Redundanz: Erklärt die Regeln erst nach Wichtigkeit, dann erst chronologisch, exakt und mit Beispielen. Das hilft beim Vorlesen, dass hilft dem einarbeitendem Erklärer, ohne Spielerfahrung das Wesentliche zu erfassen und bereits weitergeben zu können(!).
Auch wenn ich es aus anderen Gründen gar nicht so gerne sage: Queen hat sicher bei der Jury in der letzten Zeit so viel "Erfolg", weil die Spielregeln eine spürbar niedrigere Einstiegshürde darstellen. Sind auch meist einfachere Spiele, aber z.B. Jenseits von Theben kommt bei weitem nicht so schwierig daher wie das Regelmenge-ähnliche Yspahan. Die Hintergrundfarben sehen schrecklich aus, sind aber hilfreich.
Zum Thema DVD:
Zum einen wird sich dies nur für wenige Spiele aus Kostengründen lohnen, zum anderen sehe ich den zeitlichen Konflikt bei den Verlagen: das Spiel muss ja bei einem Film im Gegensatz zu "gestellten" Beispielen fertig produziert sein, bevor es einen Einführungsfilm dazu gibt. Das verzögert die Markteinführung wesentlich, geschweige denn "muss zu Essen fertig sein". Da bin ich realistisch: es passt nur zu erfolgreichen Spielen in Zweitauflage. Oder man erhofft sich die SdJ-Trophäe, wie bei Manila :-)
Servus,
Heinz