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Kriegsspiele

Das ehemalige spielbox-Spielerforum
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Warbear

Re: Ausblendung wesentlicher Ebenen

Beitragvon Warbear » 10. Juli 2008, 11:44

Duchamp schrieb:
>
> Heute (nach Zeitungslektüre zum Thema "Krieg") fiel mir ein,
> wie ich meine persönliche Sichtweise zu dem Thema vielleicht
> doch nochmal hier verdeutlichen könnte.
>
> Natürlich hat jeder CoSim-Spieler die Haltung und das
> Geschichtsbewusstsein etc., die er für sich beansprucht und
> ich gebe zu, dass ich in meinem ersten Post (aufgrund eher
> anderer Begegnungen mit Wargamern) über Gebühr
> herumpauschalisiert habe. Aufgrund aber eines tief sitzenden
> Gefühls gegenüber dem Begriff "Krieg", das wahrscheinlich
> ähnlich dem Gefühl vieler Menschen ist, wenn sie Begriffe wie
> "Endlösung" oder "Auschwitz" hören. Der sinnlose Schmerz, den
> Menschen einander zufügen, die nackte Angst, die absolut
> inhumane Grausamkeit einer Tötungs-, nein,
> Leidensmaschinerie, verstümmelter, verblutender, auf
> Fleischklumpen reduzierter, verreckender und verwesender
> Menschen löst in mir geradezu körperliche Reaktionen des
> Ekels und der Abwehr aus.
>
> Ich glaube, meine Aversion gegen „konkrete“
> Kriege als Spielethema rührt daher, dass zwei Ebenen dort in
> der Regel eher ausgeblendet werden – die "oberste",
> politische Entscheidungsebene, bei der es um Interessen von
> Machthabern und deren Gewissenlosigkeit geht und die
> "unterste", konkrete Ebene des menschlichen Schmerzes und der
> Agonien – und ich kann mir bei Strategiespielen nicht
> vorstellen, dass die Auseinandersetzung mit dem realen
> Wahnsinn allzusehr Spielelement sein und den Reiz beim
> Spielen ausmachen soll. Es gibt zwar auch "Mann-gegen-Mann"
> – Szenarien (http://www.boardgamegeek.com/game/8471),
> aber ob die Counter vermitteln können, was diverse
> Augenzeugenberichte aus den Kriegen der letzten hundert Jahre
> berichten, da bleibe ich doch skeptisch.
>
> Es geht vor allem um die strategische, planerische,
> kriegsspielerisch interessante "mittlere" Ebene –
> Versorgung, Bewaffnung, Stellungen, Einheiten, Attacken,
> "gewinnen wollen" - wie bei fast jedem Spiel.
>
> Letztlich könnte man, unter Ausblendung der beiden
> entsprechenden Ebenen und der Konzentration auf die mittlere,
> eben auch Sklavenschiffe möglichst gewinnbringend nach
> Amerika schicken oder die Logistik der Deportationen in
> Konzentrationslager nachspielen.
>
> Das Leiden der Menschen ist nämlich stets dasselbe.
>
> Und natürlich ist das ein Vorwurf, dem man vielen
> Wirtschaftsspielen und dergleichen ebenso machen könnte
> – bei "Puerto Rico" angefangen
> (http://www.boardgamegeek.com/thread/189854) bis hin zu
> irgendeinem "Pyramiden-bauen"-Spiel. Weil die "mittlere"
> Ebene eben die strategisch, logistisch, spielmechanistisch
> interessanteste ist. Nur, dass die, bzw. das "Schlachten"
> moderner Kriege meines Erachtens ein ungleich sensibleres
> Thema sind.
>
> Hoffe, mich nun etwas verständlicher gemacht zu haben.

Hallo Daniel,

dieses Posting scheint mir eher Deinem Niveau zu entsprechen als Deine Eingangs-Postings. Schön, daß Du die Kurve noch so geschafft hast.

Einige - unsortierte - Anmerkungen dazu:

- Trenchfoot (übrigens ein WWI-Spiel) ist nicht unbedingt das Referenz-Spiel für Man-to-Man Combat. Eher zu nennen wären hier vor allem ASL (Advanced Squad Leader), aber auch ATS (Advanced Tobruk System), Panzer Grenadier, Combat Commander, Lock'n Load, etc. Nicht zu vergessen auch die im Mittelalter spielende Cry Havoc Serie (von Standard Games / Eurogames).

- generell zu unterscheiden sind taktische und strategisch/operationale Cosims. Taktische Cosims behandeln einzelne Schlachten, Teile davon, oder auch Man-to-Man Combat. Strategisch/operationale Cosims haben eher globalere Themen wie Feldzüge oder komplette Kriege. Sie decken oftmals auch das ab, was Du die "obere Ebene" nennst.

-andere Unterscheidungen bei Cosims wären z.B. Hexfeld-Games, Area-Movement Games, Card Driven Games, Block Games, Tabletop Games etc. Sie sind so unterschiedlich, daß man sie eigentlich nicht über einen Kamm scheren kann.

- Deine "untere Ebene" ist mir bei einem Cosim bisher noch nicht untergekommen (jedenfalls kann ich mich nicht erinnern). Bei anderen Spielen allerdings schon. So erinnere ich mich an ein Spiel aus den 80ern (leider habe ich den Namen vergessen), wo nach jedem erfolgreichen Hai-Angriff bei den jeweiligen Schwimmern sukzessive ein weiterer Arm oder ein weiteres Bein manuell abmontiert wurde, bis dann - als Spielziel - der gliedmaßenlose Körper endlich ertrank (oder verblutete?).

- Deine "mittlere Ebene" wird, wie Du richtig sagst, auch bei vielen nicht-kriegerischen Spielen abgedeckt. Man bemerkt es halt - je nach Thema und Abstraktionsgrad - nur weniger oder gar nicht. Das gilt m.E. sogar für Schach, oder Mädn, oder Skat, oder sonstwas. Zu manchen Themen (Guillotine, Piraten, Sklaven bei Puerto Rico, etc. etc.) gibt es ja schon einige andere - mehr oder eher weniger ergiebige - Threads.

Warbear

.

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Heinrich Glumpler

OT: Man-Eater

Beitragvon Heinrich Glumpler » 10. Juli 2008, 11:53

Hi,

hier ist das angesprochene "Hai"-Spiel:

http://www.boardgamegeek.com/game/5902

Grüße
Heinrich

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Warbear

Re: OT: Man-Eater

Beitragvon Warbear » 10. Juli 2008, 12:07

Heinrich Glumpler schrieb:
>
> hier ist das angesprochene "Hai"-Spiel:
>
> http://www.boardgamegeek.com/game/5902

Stimmt! Vielen Dank!

Und nach dem jetzt möglichen Blick in meine Spiele-Excel kann ich feststellen, daß es sich sogar noch in meinem Besitz befindet.

Ich muß es nur noch finden ... ;-)

.

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Klaus Knechtskern
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RE: OT: Man-Eater

Beitragvon Klaus Knechtskern » 10. Juli 2008, 12:39

"Warbear" hat am 10.07.2008 geschrieben:
> Ich muß es nur noch finden ... ;-)
>
> .
Das kann ja höchstens ein paar Tage dauern ;-)


Grüße

Klaus

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Warbear

RE: OT: Man-Eater

Beitragvon Warbear » 10. Juli 2008, 12:47

Klaus Knechtskern schrieb:
>
> "Warbear" hat am 10.07.2008 geschrieben:
> > Ich muß es nur noch finden ... ;-)
> >
> > .
> Das kann ja höchstens ein paar Tage dauern ;-)

Nix da!
Ich hab's schon.

Es hat nur deshalb etwas länger gedauert, weil ich ich erst nach der blauen Schachtel in BBG gesucht hatte.

Ich habe aber die rote ...

.

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Klaus Knechtskern
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RE: OT: Man-Eater

Beitragvon Klaus Knechtskern » 10. Juli 2008, 13:02

"Warbear" hat am 10.07.2008 geschrieben:
> Klaus Knechtskern schrieb:
>>
>> "Warbear" hat am 10.07.2008 geschrieben:
>> > Ich muß es nur noch finden ... ;-)
>> >
>> > .
>> Das kann ja höchstens ein paar Tage dauern ;-)
>
> Nix da!
> Ich hab's schon.
>
> Es hat nur deshalb etwas länger gedauert, weil ich ich erst
> nach der blauen Schachtel in BBG gesucht hatte.
>
> Ich habe aber die rote ...
>
> .
Eindeutig eine Lücke...

The Missing Blue Box ;-)

btw. Ich hoffe Dir geht es gut!


Gruß

Klaus

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Duchamp

Re: Ausblendung wesentlicher Ebenen

Beitragvon Duchamp » 10. Juli 2008, 13:12

Warbear schrieb:

> dieses Posting scheint mir eher Deinem Niveau zu entsprechen
> als Deine Eingangs-Postings. Schön, daß Du die Kurve noch so
> geschafft hast.

Danke für die netten Worte - je emotionaler das Thema, desto niedriger ist eben rasch das Niveau ... ;)

> - Trenchfoot (übrigens ein WWI-Spiel) ist nicht unbedingt das
> Referenz-Spiel für Man-to-Man Combat.

Ich bin in dem genannten BGG-Thread darauf gestoßen, in dem jemand berichtete, wie in einer Partie ein einziger seiner Soldaten übrigblieb, nachdem alle anderen auf grausame Weise im Schützengraben umgekommen waren - daher das Beispiel.

> - Deine "untere Ebene" ist mir bei einem Cosim bisher noch
> nicht untergekommen (jedenfalls kann ich mich nicht
> erinnern). Bei anderen Spielen allerdings schon.

Es gibt natürlich "gory" Themen wie Zombies, Kannibalismus etc., in der Regel aber unter der Überschrift: "Makabrer Humor / Splatterspaß", hier einige Beispiele:
http://www.boardgamegeek.com/geeklist/17194
Nicht aber eine realistische Einbindung (wie auch?), selbst bei Themen, die das m.E. nahelegen würden.

> - Deine "mittlere Ebene" wird, wie Du richtig sagst, auch bei
> vielen nicht-kriegerischen Spielen abgedeckt. Man bemerkt es
> halt - je nach Thema und Abstraktionsgrad - nur weniger oder
> gar nicht. Das gilt m.E. sogar für Schach, oder Mädn, oder
> Skat, oder sonstwas.

Diese Ebene findet eben auch sonst im Leben permanent statt, ob im Beruf, in der Familie, in der Wirtschaft, im Sport ... Man möchte eigene Interessen durchsetzen und muss die Interessen anderer sowie deren Stärken und Schwächen berücksichtigen. "Strategisch-taktische Auseinandersetzungen" sind allgegenwärtig, da liegen geeignete Spielthemen auf der Hand ...

Was allerdings das in dem von Klaus Knechtskern empfohlenen CoSim-Artikel als deren Urform bezeichnete "Go" angeht, so symbolisiert das Spielbrett meines Wissens das Universum (der Mittelpunkt heißt demgemäß "Mitte des Himmels") und die beiden Farben die zwei grundsätzlich miteinander ringenden Urkräfte. Es geht eher um Balance und Harmonie und die Einsicht, dass eine einzige Kraft niemals die "absolute Herrschaft" erringen kann - oder auch nur sollte. So gewinnt man ja auch "nur" nach Punkten (oft wenigen). Der Vorläufer des Mädn, das alte indische "Chaupur / Pachisi" ist ähnlich angelegt.

Die Schachfiguren und deren Bewegungsmöglichkeiten sind so weit abstrahiert, dass dabei wohl niemand mehr an konkreten Krieg denkt. Jedem ist klar, dass es sich um das Denkduell zweier Spieler handelt, ohne Glückselement und unter gleichen Voraussetzungen. Entsprechend haben sich neutrale Bezeichnungen durchgesetzt. König, Dame, Läufer, Turm, Springer und Bauer lösen nicht die gleichen Assoziationen aus wie Feldherr, General, Bogenschütze, Kavallerie und Infantrist. Ich bezweifle, dass das Spiel mit diesen Bezeichnungen heute noch so erfolgreich wäre. 1939 gab es übrigens den Ansatz, das Schachspiel modern zu "re-militarisieren" (http://de.wikipedia.org/wiki/Wehrschach) ...

Mein Lieblingsspiel XiangQi zeichnet sich u.a. durch eine etwas größere "Realitätsnähe" gegenüber seinem Pendant Schach aus, was mir den Spielspaß allerdings mitnichten vermiest.

Um Harmonie ringende, dabei aber auch noch gewinnen wollende Grüße, ;)

Daniel

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peer

Re: OT: Man-Eater

Beitragvon peer » 10. Juli 2008, 17:03

Hi,
Heinrich Glumpler schrieb:
>
> Hi,
>
> hier ist das angesprochene "Hai"-Spiel:
>
> http://www.boardgamegeek.com/game/5902

Wobei dasselbe Thema in einem sehr ähnlichen Spiel neu verarbeitet wurde: "Get Bit" von Robot Martini Games.

ciao
peer

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Toker
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Re: Ausblendung wesentlicher Ebenen

Beitragvon Toker » 12. Juli 2008, 16:17

reichlich spät ein paar gedanken, die mir beim lesen dieses threads gekommen sind - wahrscheinlich interessiert's keinen mehr; aber ich fand den thread sehr anregend! bin halt etwas langsam im denken + v.a. im aufschreiben meiner gedanken ...

was das ausblenden der ebenen angeht:
- es gibt ein paar spiele, die die oberste eben thematisieren: Days of Decision die zeit zwischen 1936 + 39 - also die diplomatischen bemühungen um vermeidung des großen krieges - leider sehr langatmig + im ausgang vorhersehbar, noch nicht das gelbe vom ei.
- sehr grobschlächtig was die "simulation" angeht, aber als spiele schon z.T. ziemlch gut fand ich Civilisation, History of the World, 7 Ages + die ganzen Brittania-ähnlichen spiele.
- einfach genial: Here I Stand; da habe ich als evangelischer pfarrer, der ich mich im studium + später natürlich intensiv mit dem zeitalter der reformation beschäftigt habe, echte aha-erlebnisse gehabt: im theologiestudium steht natürlich die kirchen- + theologiegeschichte im vordergrund; die einbettung in die weltpolitischen auseinandersetzungen kommt zwar vor, ist mir aber nie recht plastisch geworden; bei einer partie HIS kriegt man gut vermittelt, dass politische + militärische faktoren sehr entscheidend für das überleben der reformation waren: salopp ausgedrückt hat Luther es u.a. den von ihm so verteufelten "Türken" zu verdanken, dass sein arsch gerettet wurde, denn wenn die nicht Karl V. vor Wien in atem gehalten hätten, hätte der sich ernsthaft um ruhe + ordnung im deutschen reich kümmern können - und dann gute nacht schmalkaldischer bund ...
auch dieses spiel ist natürlich politisch alles andere als korrekt - allein dass der Papst-spieler VPs kriegt für das verbrennen von ketzern, oijoijoijoijoi ...

wichtige ebenen ausgeblendet werden auch in vielen anderen spielen:
- in welchem autorennspiel werden die unfalltode von Ayrton Senna, Jim Clark undundund thematisiert?
- in welchem eisenbahnspiel - angefangen von Transamerika bis zu den 18xx-spielen - ist im blick, dass der eisenbahnbau im 19. jh. in Europa nicht zuletzt aus militärstrategischen überlegungen vorangetrieben worden ist - und in Nordamerika den genozid an den uramerikanern wesentlich befördert hat?
- sogar bei einem so "unschuldigen" spiel wie Siedler bekam ein guter freund von mir (absoluter nicht-spieler) einen anfall von political correctness: weil er sich jahrzehntelang beruflich mit dem israelisch-palästinensischen konflikt auseinanderzusetzen hatte, löste der begriff "Siedler" bei ihm sofort die assoziation an die extrem nationalistische siedlerbewegung in Israel aus

dass andere spiele ebenen ausblenden, ist natürlich kein grund dafür, dass kriegsspiele ebenen ausblenden;
ich bin nun nicht der echte wargamer, sondern beschränke mich auf die CDGs - habe also nur einen begrenzten horizont was das angeht; jedenfalls finde ich die art + weise, wie die spiele von GMT ediert werden, auch in dieser hinsicht vorbildlich:
- über der beschäftigung mit PoG habe ich z.b. ein buch aus der im regelheft abgedruckten literaturliste gelesen, das mir erstmals so richtig drastisch vor augen geführt hat, was für ein massaker dieser WWI war
- wegen FtP habe ich überhaupt erst informationen über den Amerikanischen bürgerkrieg mitbekommen - und auch hier, was für ein massaker das gewesen ist
- ich könnte eine reihe weitere beispiele nennen.

will sagen: bei mir war es so, dass erst mein faible für die CDGs ein interesse für die dort behandelten kriege und das von ihnen bewirkte leid ausgelöst hat - diese kriegsspiele haben also diese ebene bei mir überhaupt erst "eingeblendet".

ist natürlich nur das, wie's mir ergangen ist - anderen geht's anders.

eine ganz andere frage ist, warum ich CDGs mit kriegsthematik spannend finde - und nicht Tabu oder Scrabble oder Activity oder ähnliche friedliche dinge; aber dazu vielleicht ein andermal mehr ...

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Toker
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Re: Ausblendung wesentlicher Ebenen

Beitragvon Toker » 12. Juli 2008, 18:34

zur "obersten" eben sind mit noch 2 spiele eingefallen:
- Twilight Struggle
- Pax Brittanica

bei beiden verliert übrigens der/die spieler/in, die den krieg/atomkrieg auslöst
(wobei ich bei Pax Brittanica die imperialismusapologetische tendenz des autors befremdlich fand ...)


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