Duchamp schrieb:
>
> Heute (nach Zeitungslektüre zum Thema "Krieg") fiel mir ein,
> wie ich meine persönliche Sichtweise zu dem Thema vielleicht
> doch nochmal hier verdeutlichen könnte.
>
> Natürlich hat jeder CoSim-Spieler die Haltung und das
> Geschichtsbewusstsein etc., die er für sich beansprucht und
> ich gebe zu, dass ich in meinem ersten Post (aufgrund eher
> anderer Begegnungen mit Wargamern) über Gebühr
> herumpauschalisiert habe. Aufgrund aber eines tief sitzenden
> Gefühls gegenüber dem Begriff "Krieg", das wahrscheinlich
> ähnlich dem Gefühl vieler Menschen ist, wenn sie Begriffe wie
> "Endlösung" oder "Auschwitz" hören. Der sinnlose Schmerz, den
> Menschen einander zufügen, die nackte Angst, die absolut
> inhumane Grausamkeit einer Tötungs-, nein,
> Leidensmaschinerie, verstümmelter, verblutender, auf
> Fleischklumpen reduzierter, verreckender und verwesender
> Menschen löst in mir geradezu körperliche Reaktionen des
> Ekels und der Abwehr aus.
>
> Ich glaube, meine Aversion gegen „konkrete“
> Kriege als Spielethema rührt daher, dass zwei Ebenen dort in
> der Regel eher ausgeblendet werden – die "oberste",
> politische Entscheidungsebene, bei der es um Interessen von
> Machthabern und deren Gewissenlosigkeit geht und die
> "unterste", konkrete Ebene des menschlichen Schmerzes und der
> Agonien – und ich kann mir bei Strategiespielen nicht
> vorstellen, dass die Auseinandersetzung mit dem realen
> Wahnsinn allzusehr Spielelement sein und den Reiz beim
> Spielen ausmachen soll. Es gibt zwar auch "Mann-gegen-Mann"
> – Szenarien (http://www.boardgamegeek.com/game/8471),
> aber ob die Counter vermitteln können, was diverse
> Augenzeugenberichte aus den Kriegen der letzten hundert Jahre
> berichten, da bleibe ich doch skeptisch.
>
> Es geht vor allem um die strategische, planerische,
> kriegsspielerisch interessante "mittlere" Ebene –
> Versorgung, Bewaffnung, Stellungen, Einheiten, Attacken,
> "gewinnen wollen" - wie bei fast jedem Spiel.
>
> Letztlich könnte man, unter Ausblendung der beiden
> entsprechenden Ebenen und der Konzentration auf die mittlere,
> eben auch Sklavenschiffe möglichst gewinnbringend nach
> Amerika schicken oder die Logistik der Deportationen in
> Konzentrationslager nachspielen.
>
> Das Leiden der Menschen ist nämlich stets dasselbe.
>
> Und natürlich ist das ein Vorwurf, dem man vielen
> Wirtschaftsspielen und dergleichen ebenso machen könnte
> – bei "Puerto Rico" angefangen
> (http://www.boardgamegeek.com/thread/189854) bis hin zu
> irgendeinem "Pyramiden-bauen"-Spiel. Weil die "mittlere"
> Ebene eben die strategisch, logistisch, spielmechanistisch
> interessanteste ist. Nur, dass die, bzw. das "Schlachten"
> moderner Kriege meines Erachtens ein ungleich sensibleres
> Thema sind.
>
> Hoffe, mich nun etwas verständlicher gemacht zu haben.
Hallo Daniel,
dieses Posting scheint mir eher Deinem Niveau zu entsprechen als Deine Eingangs-Postings. Schön, daß Du die Kurve noch so geschafft hast.
Einige - unsortierte - Anmerkungen dazu:
- Trenchfoot (übrigens ein WWI-Spiel) ist nicht unbedingt das Referenz-Spiel für Man-to-Man Combat. Eher zu nennen wären hier vor allem ASL (Advanced Squad Leader), aber auch ATS (Advanced Tobruk System), Panzer Grenadier, Combat Commander, Lock'n Load, etc. Nicht zu vergessen auch die im Mittelalter spielende Cry Havoc Serie (von Standard Games / Eurogames).
- generell zu unterscheiden sind taktische und strategisch/operationale Cosims. Taktische Cosims behandeln einzelne Schlachten, Teile davon, oder auch Man-to-Man Combat. Strategisch/operationale Cosims haben eher globalere Themen wie Feldzüge oder komplette Kriege. Sie decken oftmals auch das ab, was Du die "obere Ebene" nennst.
-andere Unterscheidungen bei Cosims wären z.B. Hexfeld-Games, Area-Movement Games, Card Driven Games, Block Games, Tabletop Games etc. Sie sind so unterschiedlich, daß man sie eigentlich nicht über einen Kamm scheren kann.
- Deine "untere Ebene" ist mir bei einem Cosim bisher noch nicht untergekommen (jedenfalls kann ich mich nicht erinnern). Bei anderen Spielen allerdings schon. So erinnere ich mich an ein Spiel aus den 80ern (leider habe ich den Namen vergessen), wo nach jedem erfolgreichen Hai-Angriff bei den jeweiligen Schwimmern sukzessive ein weiterer Arm oder ein weiteres Bein manuell abmontiert wurde, bis dann - als Spielziel - der gliedmaßenlose Körper endlich ertrank (oder verblutete?).
- Deine "mittlere Ebene" wird, wie Du richtig sagst, auch bei vielen nicht-kriegerischen Spielen abgedeckt. Man bemerkt es halt - je nach Thema und Abstraktionsgrad - nur weniger oder gar nicht. Das gilt m.E. sogar für Schach, oder Mädn, oder Skat, oder sonstwas. Zu manchen Themen (Guillotine, Piraten, Sklaven bei Puerto Rico, etc. etc.) gibt es ja schon einige andere - mehr oder eher weniger ergiebige - Threads.
Warbear
.