Beitragvon Matthias Staber » 7. September 2007, 11:12
In das Genre, das du "Brettrollenspiel" mennst, gibt es ein paar sehr tolle Einträge. Ich selbst verwende den Ausdruck "Brettrollenspiel" allerdings eher nicht, um Diskussionen mit Pen-and-Paper-Rollenspielen zu vermeiden.
Diese werden immer versuchen, einen zu überreden es mal mit einem "richtigen" Rollenspiel zu versuchen und nicht verstehen, dass gerade beispielsweise das Rumlatschen und Monsterplätten ohne endloses Gequatsche und Spielleiterwillkür den Reiz der Abenteuerbrettspiele ausmacht.
Bei mir erfüllen Abenteuerbrettspiele spielspaßmäßig eine ähnliche Funktion wie Computerrollenspiele (auch hier werden "echte" Rollenspieler stets rufen, dass es sich nicht um "richtige" Rollenspiele handele. Ganz genau: Deswegen machen sie Spaß. Ich habe "echtes" Rollenspiel ausprobiert, und das ziellose Gesabbel von profilneurotischen Kommunikationshysterikern ging mir nach rund einer halben Stunde auf den Zeiger.)
Ein paar Vorbermerkungen: Mit der Vorgabe "zwei Stunden Spielzeit und Kampf ohne Glück" wirst du es schwer haben. Die meisten Spiele dieser Art dauern länger und verwenden Kampfwürfelmechanismen.
Auch solltest du dir vor Anschaffung eines Titels überlegen, welchen Aspekt des Genres du gerne betont haben möchtest - Charakterentwicklung - Kampf - Entdecken - Questen usw. - weil die Spiele meist einen unterschiedlichen Fokus legen.
1. Rückkehr der Helden - (Autor: Lutz Stepponat, Verlag: Pegasus).
Erfüllt deine Vorgabe "unter zwei Stunden Spielzeit" - wenn man mit den Regeln vertraut ist (wozu die FAQ auf der Pegasus-Website nützlich ist). Betont die Erfüllung von Questen und die Charakterentwicklung gegenüber dem Kampf. Nette Fantasywelt, die sich mit ihrem Bezug auf die europäische Märchentradition erfrischend von der martialischen Ästhetik angelsächsischer Genrekost abhebt. Hat ein paar Erweiterungen - in Essen 07 kommt eine weitere hinzu - kann in dieser Hinsicht aber nicht mit Runebound mithalten.
2. Städte- Schätze - Abenteuer: Das Midgard-Brettspiel. (Autor: Lutz Stepponat, Verlag: Phantastische Spielewelten). Wird voraussichtlich in Essen 07 erscheinen. Vom gleichen Autor wie Rückkehr der Helden ist es jedoch deutlich komplexer als dieses. Verwendet die Welt des Pen-and-Paper-Vorbildes. Das Erfüllen von Questen, das Bilden von Abenteuergruppen und das Kämpfen sind gleichermaßen wichtig. Ich habe es bisher einmal spielen können (Lutz hat es auf unserem Spielecon Auryn präsentiert), es hat mich überzeugt (vor allem wegen der Möglichkeit, sowohl mit- als auch gegeneinander zu spielen) und ich freue mich darauf. Spielzeit scheint über derjenigen von Rückkehr der Helden zu liegen.
3. Runebound. (Autor: Martin Wallace, Verlag: Fantasy Flight Games / Heidelberger). Rumlatschen, Monsterplätten, Charakter entwickeln, noch mehr Monster plätten, noch besseren Krempel kaufen usw. in Reinkultur. Spieldauer meist über drei Stunden. Mir macht's tierisch viel Spaß, man muss aber wissen, auf was man sich einlässt. Hat eine
Myriade von großen und kleinen Erweiterungen, die das Spiel auf lange Zeit frisch halten, die allerdings unterschiedlich gut gelungen sind.
4. World of Warcraft: The Boardgame. (Autor: Christian T. Petersen, Verlag: Fantasy Flight Games / Heidelberger). Komplexes Charakterfrickeln und Monsterplätten. Punkt. Dieses Spiel besteht aus nichts anderem. Mir macht's Spaß. Eher vier Stunden Spielzeit.
5. Arkham Horror: (Autor: Richard Launius / Kevin Wilson, Verlag: Fantasy Flight Games / Heidelberger). Kooperatives Abenteuer-Horror-Spiel im Universum vom Howard Phillips Lovecraft. Prickelnde kollektive Endzeitpanik bestimmt das Spiel. Außer der Akquise neuer Gegenstände findet allerdings keine Charakterentwicklung statt. Eines meiner absoluten Lieblingsspiele.
6. Prophecy: (Autor: Vladimír Chvátil, Verlag: Altar / Z-Man Games). Kampfbetontes Abenteuerbrettspiel mit Fokus auf Charakterentwicklung. Questen gibt es keine. Der Charakterentwicklungsaspekt ist besonders gelungen: Neue Fähigkeiten sind nicht nur abstrakte Zahlen, die man auf bestimmte Werte draufgebuttert bekommt wie bei Rückkehr der Helden oder Runebound, sondern regeldurchbrechende Eigenschaften. Sehr toll. Bekommt gerade zu Recht eine Neuauflage bei Z-Man Games spendiert, offensichtlich mit verkürzter Spieldauer, die beim tschechischen Original noch bei über drei Stunden liegt.
7. Descent: Journeys in the dark. (Autor: Kevin Wilson, Verlag: Fantasy Flight Games / Heidelberger). Mehrere Helden treten in einem Dungeon gegen den bösen Overlord an, der allerdings nicht Spielleiter, sondern Gegenspieler ist. Außer der Akquise neuer Gegenstände keine Charakterentwicklung, aber spannendes taktisches Kampfsystem, das die Engine des Doom-Brettspiels aus dem gleichen Verlag verwendet. Spielzeit je nach Quest von zwei Stunden bis deutlich darüber.
8. Magic Realm. (Autor: Richard Hamblen. Verlag: Avalon Hill.) Nicht mehr erhältlich, aber mit online zu findendem Material in verbesserter Form leicht nachzubauen:
http://www.geocities.com/SiliconValley/Vista/9049/mr00.htm
http://www.boardgamegeek.com/game/22
Überkomplexes Fantasyabenteuerspiel aus den Achtzigern (Oder Endsiebzigern, wenn man die erste Auflage zählen möchte). Dies kommt heraus, wenn ein passionierter Wargame-Autor ein Brettrollenspiel entwickelt. Wenn man einmal durchgestiegen ist - was eine Weile dauern kann- bietet dieses Spiel endlose Variationen mit Charakteren, die sich alle völlig unterschiedlich spielen. Simuliert eine zwar kleine, aber vollständige Fantasywelt. Kampfsystem hammerkomplex aber dafür wenig glücksbetont. Kurzum: Dieses Spiel lohnt die Mühe, sowohl für den Nachbau als auch für das Regelstudium.
9. Geschichten aus 1001 Nacht, (Autor: Eric Goldberg, Verlag: Edition Erlkönig). Out of print, aber bei einigen Händlern noch zu bekommen. Erzählspiel, das die Idee der abschnittsorientierten Spielbücher der Achtziger aufgreift. Hat mit den restlichen Spielen dieser Liste wenig zu tun, da es weniger um das stringente Verfolgen von Zielen geht, als um das gemeinsame stimmungsvolle Abtauchen in die phatastische Morgenlandatmosphäre. Sehr toll.
Grüßle,
Matthias