Beitragvon Roman Pelek » 17. Juli 2001, 04:46
Hi,
nach den jüngsten Diskussionen um Kritiker und ihre Fehlgriffe bzgl. Regeln möchte ich gerne das Thema mal grundlegend aufgreifen und die Frage stellen, wie viele Spiele überhaupt „richtig“, also gemäß der gedachten Regeln gespielt werden. Ich denke nämlich, dass das Thema alle Spieler, egal ob Selten- oder Vielspieler, Kritiker oder Redakteur gleichermaßen betrifft. Je nach Erfahrung vielleicht mal mehr, mal weniger.
Ich stelle für mich persönlich fest, dass ich oftmals zwei bis drei Anläufe in unseren Runden brauche, bis ein Spiel „korrekt“ läuft – und selbst das wird häufig konterkariert durch irgendeine „dumme“ Regelfrage (die gar nicht dumm ist), die einen auf etwas aufmerksam macht, an das man bisher nicht gedacht hat.
Oder man denke an folgende Situation: Person XY erklärt ein Spiel. Man spielt es, und im Verlaufe denkt man: nee, das kann nicht sein. Irgendwas stimmt nicht, so blöd kann niemand sein (weder Autor, Verlag noch Spieler), dass so eine Spielsituation wirklich eintritt. Dann findet man sich kurzentschlossen mit dem Arschloch/Regelfuchser-Stigma ab und greift zum Regeltext. Und, siehe da, da ist Licht am Ende des Tunnels: die Regel ist ja ganz anders und viel besser, als von Person XY erklärt.
Auch oft erlebt habe ich, dass ich mich mit jemandem vortrefflich über ein Spiel streite und wir uns partout nicht einig werden. Bis, ja bis, wir eine Partie zusammen spielen und feststellen, dass wir bislang nach unterschiedlichen Regelauslegungen gespielt haben. Sind diese Differenzen beseitigt, so sind wir häufig auch einer Meinung über das Spiel selbst...
Immer wieder faszinierend auch die Tatsache, dass man als Vielspieler so manche Regel binnen 10 Minuten intus hat (oder zumindest dem Glauben anhängt, dass dies so sei), während Spielgruppe X aus Y nach geschlagenen 1,5h sich noch immer darüber streitet, wie denn dieses Buchstabenfragment, das sich Regel nennt, zu deuten sei.
Und, nicht zu vergessen: gibt es eine ideale – oder tiefergegriffen: gute – Regel überhaupt? Oder ist diese von der Zielgruppe abhängig? Haben Vielspieler nicht ganz andere Ansprüche als Hänschen Klein unterm Weihnachtsbein – ‚tschuldigung, -baum? Mir fällt’s immer wieder auf, dass mir das 136. Beispiel und der 56. Nachsatz auf die Nerven gehen, weil ich kaum die Grundregeln des Spiels auf einen Blick finde unter all den gutgemeinten Erläuterungen. Ungeachtet dessen mag so mancher Spielunerfahrene verzweifeln, wenn ihm nicht gesagt wird, dass der Ereigniskartenstapel neu gemischt wird, sollte er sich in einen reinen offenen Ablagestapel, aus dem naturgemäß keine verdeckten Karten mehr gezogen werden können, verwandelt haben.
So oder so: Um mal eine ketzerische Zahl als Diskussionsanreiz in den Raum zu werfen: ich denke, dass 80% der Partien, die gespielt werden, nicht nach korrekten Regeln verlaufen, Klassiker wie Schach, Go, Skat etc. mal ausgenommen. Und ich denke, dass es meistens dem Spielspass abträglich ist. Was denkt Ihr, wie hoch die Quote ist? Wie hoch bei Vielspielern, wie hoch bei den selteneren Gästen unseres Hobbies? Wie wichtig ist „richtiges“ Spielen überhaupt? Wie viele interessante Varianten entstehen vielleicht erst durch falsches Spielen?
Ich bin gespannt auf Eure Erfahrungen – ich hoffe auf eine spannende und kontroverse Diskussion!
Ciao,
Roman (spielt anfänglich oft "falsch" und liest deshalb Regeln mehrfach...)