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Mombasa: problematisches Spielthema?

Diskussionen über einzelne Spiele
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Pindopp
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Re: Mombasa

Beitragvon Pindopp » 8. August 2015, 16:06

Und noch ein paar mehr Infos zur Meinungsbildung.

Der Autor Alexander Pfister schreibt in seinem Blog:

"Mombasa ist ein waschechtes Vielspielerspiel. Ich bin froh wie es sich entwickelt hat. Ich denke, dass es bei Vielspielern gut ankommen wird.

Ich mag Spiele mit einer topografischen Karte. Es ist interaktiv, aber ohne direkten Ärgerfaktor. Das kommt dadurch zustande, dass sich 4 Handelskompanien in Afrika ausbreiten und Handelsposten errichten und wir als Spieler in alle 4 investieren können. Natürlich wird man sich gegen Ende hin eher auf eine einzige Kompanie konzentrieren und für diese spielen. Aber das ist eben nur eine mögliche Strategie.

Das Investieren in eine Kompanie schaltet Boni frei. Es gibt 4 doppelseitige Investitionsleisten, somit liegt in jeder Partie eine andere Kombination aus. Für Varianz ist also gesorgt. Am Anfang einer Partie geht es einem Spieler meist darum einen Bonus freizuschalten. Die helfen nämlich dem Spieler beträchtlich weiter. Und wenn man dann aber schon in diese Kompanie investiert ist, will man da auch expandieren. Immerhin sollen die Anteile auch nicht wertlos am Spielende sein.

Daneben muss jeder noch eigene Plantagen erwerben. Zwar startet man schon mit Plantagen, die sind aber relativ schwach - produzieren nicht viel.

3 Karten wählen alle Spieler gleichzeitig aus. Das können neben Plantagen auch Buchhalter, Diamantenhändler oder Reiter sein. Durch das gleichzeitige Auswählen ist die Downtime gering. Anschließend ist jeder reihum mit einer Aktion an der Reihe, solange bis alle Spieler gepasst haben. Dadurch spielt sich Mombasa trotz "strategischem Schwergewicht" flüssig - dies ist mir persönlich sehr wichtig. Die Spieldauer liegt bei ca. 2 Stunden."

Diese vier Spielelemente Plantagen, Buchhalter, Diamanten und Reiter sind ganz offensichtlich auf dem Cover dargestellt, insofern wird der Inhalt gut charakterisiert. Sicher liege ich aber mit der Vermutung nicht falsch, dass die Aktionen dieser vier im Spiel, im Vergleich zur Realität, sehr verharmlost dargestellt werden.

Der Prototyp von Mombasa hat unter dem Titel "Afrika 1830" beim Hippodice-Spieleautorenwettbewerb 2011 den ersten Platz belegt. Das Thema hat der Verlag also vom Autor übernommen. Wieland Herold von der Jury Spiel des Jahres schrieb damals auf der Internetseite der Jury dazu:

"Über den ersten Platz darf sich 2011 ein österreichischer Autor freuen, der kein ganz Unbekannter mehr in der Szene ist: Der Wiener Alexander Pfister („Die Minen von Zavandor“, „Freibeuter der Karibik“) folgt mit „Afrika 1830“ keinem Eisenbahntrend, sondern der Simulation imperialer Großmachtpolitik. Im Grunde genommen hat Pfister ein knallhartes Wirtschaftsspiel erfunden, das aber stimmig eingebunden wird in das Expansionsbemühen von Handelskompanien, die den Kontinent unter sich aufteilen. - Ein spannendes, schon perfekt austariertes Spielsystem, das wohl bald einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird."

Das Thema scheint also durchaus stimmig zu sein und das Spiel vielversprechend.

Ich habe diese Diskussion hier zum Anlass genommen, mich intensiver über die Kolonialgeschichte Afrikas, insbesondere der deutschen Kolonien zu informieren und war, obwohl ich nicht ahnungslos oder naiv bin, doch arg erschrocken, welche Grausamkeiten in welchem Ausmaß dort wirklich von Deutschen begannen worden sind.

Es wäre schön, wenn "Mombasa" auch andere dazu anregen würde, sich mehr mit afrikanischer Geschichte zu befassen und vielleicht sogar die Spielanleitung einen entsprechenden Hinweis geben könnte. Vermutlich wird dies nicht der Fall sein. Verharmlosen und Verdrängen hat ja nicht nur beim Kulturgut Spiel Tradition.

Nachdem, was ich über das Spiel gelesen habe, kann ich jedem empfehlen, es sich näher anzuschauen, es scheint wirklich vielversprechend zu sein. Genauso rate ich aber dringend davon ab, es in einen Afrika-Urlaub mitzunehmen.

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groenemeyer05
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Re: Mombasa

Beitragvon groenemeyer05 » 18. August 2015, 23:40

Hallo,

ich habe jetzt direkt im Internet nach einer solchen Diskussion gesucht, da ich ehrlich gesagt auch unmittelbar Anstoss genommen habe an der augenscheinlichen Thematik und der - ich sage mal - eher mechanischen Präsentation des Themas im Spiel. Daher finde ich es zunächst mal gut, dass hier überhaupt das Thema diskutiert wird und möchte gern mich auch nochmal zu dem Thema äußern.

Mich macht es schon etwas sauer, wenn hier gesagt wird, im Spiel "Werwölfe" würde ja auch jemand umgebracht oder in Agricola auch Tiere geschlachtet, da sei es ja quasi übertrieben politisch korrekt, bei dem Spiel "Mombasa" sich wegen des Themas zu echauffieren. Irgendwann müsse ja auch mal Schluss sein. Es geht aber eben nicht darum OB aus einem Thema ein Spiel werden darf, sondern WIE aus einem Thema ein Spiel wird.

Zunächst sind natürlich viele Spiele Kriegsspiele. Das geht von abstrakten Spielen, wie Schach, bis hin zu zu komplexen Kriegsspielsimulationen. Ob der einzelne Spieler sich beim Spielen sich abstrakt in einem sportlichen Wettbewerb misst oder sich selbst als Feldherr fühlt, da gibt es sicher viele Schattierungen, je nach Spiel. Ich selber bin kein großer Fan davon mit Plastik-Miniaturpanzern und Pickelhaube auf irgendwelche realen Kriegsereignisse zu simulieren, Sorry. Grundsätzlich halte ich jedoch den (auch aggressiven) Wettbewerb als zentrales Spielelement und mag daher auch weniger kooperative Spiele. Und ethisch einwandfreie Spiele, bei denen alle gemeinsam was erarbeiten und am Ende darauf gemeinsam stolz sind, finde ich schlicht langweilig.

Je konkret thematischer und aktueller ein Spiel wird, desto mehr kann man m. E. jedoch erwarten, dass mit einer Thematik sensibel umgegangen wird. Kolonialismus ist nicht das alte Rom, die Auswirkungen des Kolonialsimus sind auch heute noch hochaktuell. Ich kann doch wohl von einem Spiel erwarten, dass der Kolonialismus nicht verklärt-nostalgisch romantisiert wird, während andere grade jetzt erst beginnen den Kolonialismus vernünftig aufzuarbeiten (mal ein Verweis auf einen Beitrag aus dem Deutschlandfunk: http://www.deutschlandfunk.de/forschung ... _id=310148).

Kolonialismus ist seit jeher auch propagandistisch verklärt und verkitscht. Und das Cover der Spieleschachtel von Mombasa reproduziert diesen Kitsch. Es drängt sich daher hier meiner Meinung nach gradezu auf, zumindest danach zu fragen, wie das Thema Kolonialismus hier behandelt wird. Dass das wichtig ist, hat wohl auch der Verlag (!?)gemerkt, wie der bereits gepostete Text nahelegt ("The cruel colonial exploitations of the African continent and its people are not explicitly referenced within the gameplay itself. However, if you are aware of these implicit historical dimensions, they will resonate as an underlying theme with the game on quite a few levels. This awareness will certainly contribute to your gaming experience of Mombasa and may even prompt you to put human actions and motivations up for debate")
Das finde ich sehr schwach. Es bleibt dieser Beigeschmack: Der Spieler spielt in "first-person-perspective" den großen Kolonialherren; die Auswirkungen, die diese Epoche auf das Land gehabt hat und noch hat - nicht Teil des Spiels...

Und nochmal: Bei noch der Umsetzung von grundsätzlich kontroversen Themen kommt es aufs WIE an. Es gibt natürlich Spiele die aktuelle brisante Themen auf den Tisch bringen: Satirische Spiele, wie z. B. Junta über "Bananenrepubliken". Auch Spiele mit vermeintlich tabusierten Themen (Danke Sebastian!: http://zuspieler.de/judenvernichtung-als-brettspiel/). Grundsätzlich ist alles möglich, auch Sklavenhandel, wenn dieser eingebettet ist ein eine stimmige Spielmechanik, die auch irgendwo den Spieler vor den Kopf stößt. "Schlechte" Handlungen könnten ja auch immer Spielmechanik neben offensichtlichen Vorteilen durch ein Spiel selbst auf lange Sicht sanktioniert werden und kritisch die Folgen des Handels verdeutlichen. (Ich glaube allerdings, dass Spiele, die den Spieler bildend an unterschiedliche gesellschaftliche Themen heranführen wollen, grundsätzlich nur bedingt Spaß bringen, da die Darstellung komplexer Zusammenhänge oder Dilemmata in der Regel nicht mit auf Dauer spaßbringenden und griffigen Spielmechaniken in Einklang zu bringen sind; aber das nur am Rande). Ich erwarte aber immer, dass das Ganze mit etwas Geist geschieht und nicht irgendeine Mechanik naiv-zufällig im Propagandagewand daher kommt.
So ein wenig Nachdenken über die Zweifelhaftigkeit eines thematischen Settings, kann man doch erwarten, oder nicht? Wer jetzt meint, dass sei alles Wurscht, weil Spiel ist Spiel und kein Buch, und irgendwer wird immer irgendwo geschlagen, der hat dann wohl auch kein Problem damit "Juden raus" zu spielen, nehme ich an?! (https://de.wikipedia.org/wiki/Juden_raus!_(Spiel)).

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Lehni
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Re: Mombasa

Beitragvon Lehni » 19. August 2015, 00:37

Das war ja bereits das Fazit dieses Threads: Schauen wir uns an WIE es umgesetzt wird.

Thygra
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Re: Mombasa

Beitragvon Thygra » 19. August 2015, 11:23

groenemeyer05 hat geschrieben:Mich macht es schon etwas sauer, wenn hier gesagt wird, im Spiel "Werwölfe" würde ja auch jemand umgebracht oder in Agricola auch Tiere geschlachtet, da sei es ja quasi übertrieben politisch korrekt, bei dem Spiel "Mombasa" sich wegen des Themas zu echauffieren. Irgendwann müsse ja auch mal Schluss sein.

Dann erkläre mir bitte, weshalb Werwölfe für dich in Ordnung ist. Da wird aktiv Lynchjustiz durch Abstimmung durchgeführt. Und das findet nicht satirisch statt, wie zum Beispiel vor einigen Jahren im Spiel Guillotine.

Es geht aber eben nicht darum OB aus einem Thema ein Spiel werden darf, sondern WIE aus einem Thema ein Spiel wird.

Da stimme ich dir zu. Ein Spiel, in dem man möglichst viele Juden in ein KZ bringen soll, wäre sicher etwas anderes als ein Spiel, in dem man möglichst viele Juden vor den Nazis verstecken soll.

Je konkret thematischer und aktueller ein Spiel wird, desto mehr kann man m. E. jedoch erwarten, dass mit einer Thematik sensibel umgegangen wird. Kolonialismus ist nicht das alte Rom, die Auswirkungen des Kolonialsimus sind auch heute noch hochaktuell.

Dies habe ich nicht verstanden. Weshalb sollte es so sein? Weshalb ist die Sklaverei im alten Rom weniger sensibel zu behandeln als die Sklaverei im Kolonialismus?

Dass das wichtig ist, hat wohl auch der Verlag (!?)gemerkt, wie der bereits gepostete Text nahelegt ("The cruel colonial exploitations of the African continent and its people are not explicitly referenced within the gameplay itself. However, if you are aware of these implicit historical dimensions, they will resonate as an underlying theme with the game on quite a few levels. This awareness will certainly contribute to your gaming experience of Mombasa and may even prompt you to put human actions and motivations up for debate")

Dieser Text ist nach meinem Wissensstand nicht von Pegasus autorisiert worden. Kannst du bitte eine Quelle für dieses Zitat angeben?
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HDScurox
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Re: Mombasa

Beitragvon HDScurox » 19. August 2015, 23:03

Dann erkläre mir bitte, weshalb Werwölfe für dich in Ordnung ist. Da wird aktiv Lynchjustiz durch Abstimmung durchgeführt. Und das findet nicht satirisch statt, wie zum Beispiel vor einigen Jahren im Spiel Guillotine.

Ganz einfach, weil bei Werwölfe das Thema abstrahiert in eine Fantasy-Welt verlagert wurde. Man kann natürlich - z.B. im Ethik Unterricht - dann darüber diskutieren, wieso nun alle damit einverstanden sind, dass jemand gelyncht wird. Aber da gibt es aus spieltheoretischer Sicht ganz einfache Erklärungen für. Die Spieler befinden sich innerhalb des Spielkonstrukts und haben durch Regeln vereinbart, dass Lynchjustiz in diesem Spiel in Ordnung ist. Das hat durch die Konstruktion als Spiel, keine Auswirkungen auf die Welt außerhalb des Spielkonstrukts.

Wie sieht es nun mit Mombasa aus?
Dort ist das Thema der Kolonialismus, wie schon angeführt ein auch heute noch hoch aktuelles Thema, welches aktiv Menschen betrifft, auch Menschen, die sich nicht auf das Spielkonstrukt Mombasa einlassen, sondern nur davon hören. Es ist eben diese (deutsche) Verklärung eines Zeitalters voller Schrecken und wenn dieses Zeitalter thematisiert wird, ohne den Schrecken mit zu thematisieren, dann nennt man das undifferenziert. Mal ein anderes Beispiel, wenn ein Politiklehrer das Thema Flüchtlinge aufgreift, hat er keine andere Wahl (Beutelsbacher Konsens) als auch rechte Positionen zumindest mit aufzugreifen, um das Thema differenziert zu betrachten. Und nein ich finde nicht, das Brettspiele sich aus dieser Verantwortung stehlen können. Gerade Brettspiele, die so vieles vereinfachen, müssen diesen Spagat eben machen, oder ein anderes Thema für das Spiel wählen.

Dies habe ich nicht verstanden. Weshalb sollte es so sein? Weshalb ist die Sklaverei im alten Rom weniger sensibel zu behandeln als die Sklaverei im Kolonialismus?

Weil unter den Schrecken des Kolonialismus heute noch Menschen leiden. Aktiv leiden. Das ist bei den Römern lange, lange vorbei. Dort interessiert es wirklich heute niemanden mehr, so dass er sagen könnte, ich bin selbst aktiv betroffen, weil meine Familie vor 2000 Jahren Sklaven waren. Aber auch da, wäre es wünschenswert, wenn die Sklaverei im Antiken Rom nicht verklärt wird.

So, genug dazu gesagt. Ich bin mechanisch sehr auf das Spiel gespannt.

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BGBandit
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Re: Mombasa

Beitragvon BGBandit » 19. August 2015, 23:29

HDScurox hat geschrieben:
Dies habe ich nicht verstanden. Weshalb sollte es so sein? Weshalb ist die Sklaverei im alten Rom weniger sensibel zu behandeln als die Sklaverei im Kolonialismus?


Weil unter den Schrecken des Kolonialismus heute noch Menschen leiden. Aktiv leiden. Das ist bei den Römern lange, lange vorbei. Dort interessiert es wirklich heute niemanden mehr, so dass er sagen könnte, ich bin selbst aktiv betroffen, weil meine Familie vor 2000 Jahren Sklaven waren. Aber auch da, wäre es wünschenswert, wenn die Sklaverei im Antiken Rom nicht verklärt wird.



Das hiesse aber im Umkehrschluss, wenn jemand nicht aktiv (von einem Thema) betroffen ist, kann er das Spiel ohne moralische Einschränkungen spielen.

Der Gegenstand an sich (Sklaverei) bleibt grausam, egal ob im alten Rom oder in Afrika. Und ich bin von beidem nicht persönlich betroffen. Darf ich das Spiel jetzt ohne Gewissensbisse spielen und ein Franzose mit afrikanischen Vorfahren nicht?

Die Argumentation hinkt doch, da muss ich Thygra ausnahmsweise recht geben.

Zu dem Beispiel mit dem Juden-KZ-Spiel mit den Zügen: ich denke da muss man eine klare Grenze ziehen zwischen bildender Kunst (im Sinne von Menschen zum Nachdenken bringen), welches nie in den Handel kommt und einem Spiel, das lediglich unterhalten soll.

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Re: Mombasa

Beitragvon groenemeyer05 » 19. August 2015, 23:34

Ich fühle mich durch HDScurox ausreichend verstanden und vertreten und habe daher hinsichtlich meines ersten Posts nichts hinzuzufügen.
Ob der englische Text autorisiert ist, weiß ich nicht. Er wurde von einem anderen User mit Link hier bereits gepostet. Ich konnte die Quelle nicht nachvollziehen. Wobei ich sagen muss, dass ich es grundsätzlich ja gut fände, wenn es zumindest so einen Text im der Spielanleitung geben würde, da er zumindest zeigt, dass überhaupt eine Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Kolonialismus stattgefunden hat. Diese sonstigen kursierenden Pressemitteilungen zeugen jedenfalls nicht davon. Ich will hier aber niemandem irgendetwas in den Mund schieben.

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Re: Mombasa

Beitragvon Thygra » 19. August 2015, 23:42

HDScurox hat geschrieben:Die Spieler befinden sich innerhalb des Spielkonstrukts und haben durch Regeln vereinbart, dass Lynchjustiz in diesem Spiel in Ordnung ist.

Ist das so? Die Spieler haben das durch Regeln vereinbart?

Könnten die Spieler dann nicht auch bei Mombasa durch Regeln vereinbaren, dass Kolonianismus in diesem Spiel in Ordnung ist?

Das hat durch die Konstruktion als Spiel, keine Auswirkungen auf die Welt außerhalb des Spielkonstrukts.

Wäre das bei Mombasa nicht auch so? Das hat doch auch keine Auswirkungen die Welt außerhalb des Spielkonstrukts!?

Sorry, wenn ich das so haarklein hinterfrage, aber ich verstehe den Unterschied immer noch nicht. Ich würde ihn aber wirklich gerne verstehen!

Es ist eben diese (deutsche) Verklärung eines Zeitalters voller Schrecken und wenn dieses Zeitalter thematisiert wird, ohne den Schrecken mit zu thematisieren, dann nennt man das undifferenziert.

Das wird nicht geschehen. Es wird in der Einleitung darauf hingewiesen, dass es sich um ein dunkles Zeitalter der Sklaverei und Ausbeutung handelt, und es wird auch eine Literaturempfehlung geben für Menschen, die sich über das Thema Kolonialismus näher informieren möchten.
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Re: Mombasa

Beitragvon HDScurox » 19. August 2015, 23:49

Wäre das bei Mombasa nicht auch so? Das hat doch auch keine Auswirkungen die Welt außerhalb des Spielkonstrukts!?


Doch hat es, weil das Thema auch in der Realität vorhanden ist. Menschen die von Werwölfen gefressen werden, sind so nicht vorhanden. Die Transferleistung und die direkte Betroffenheit macht hier den Unterschied. Du kannst das gerne weiter nachfragen und ich kann dir das gerne morgen noch weiter mit Literaturbelegen aufbröseln.

Könnten die Spieler dann nicht auch bei Mombasa durch Regeln vereinbaren, dass Kolonianismus in diesem Spiel in Ordnung ist?

Doch können die Spieler, aber Mombasa wirkt durch das Thema eben nicht nur, wenn man es Spielt, sondern das Thema verlässt die Welt des Spielkonstrukts und befindet sich - auch heute noch - in der Realität. Man braucht es also gar nicht zu Spielen, um daran anstoß zu nehmen und dann kann eben innerhalb des Spielkonstrukts auch nichts vereinbart werden.

Ein Unterschied ist es z.B. bei Wargames wie Conflict of Heroes - zumindest meiner Meinung nach - diese stellen historisch korrekt Schlachten nach, auch mit SS-Einheiten. Es geht aber rein um die Schlacht, das Gefecht als Simulation. Da wird durch die Konstruktion alles andere ausgeklammert, so dass man diesem Spiel nicht eine Verherrlichung der NS-Zeit oder der SS vorwerfen könnte. (Wobei es sicher Idioten gibt, die sich nen Ast freuen, die SS spielen zu können...).

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Re: Mombasa

Beitragvon Klaus Knechtskern » 19. August 2015, 23:50

MIch wundert nur dass sich niemand über das Thema Hexenverbrennung, welches ja auch immer wieder in Spielen thematisiert wird, mokiert

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Re: Mombasa

Beitragvon BGBandit » 19. August 2015, 23:56

@ Thygra

Nur damit ich noch folgen kann: wenn in der Spielanleitung bereits "auf das dunkle Zeitalter der Sklaverei" hingewiesen wird, inwieweit betrifft denn jetzt das Spiel überhaupt das Thema Sklaverei? Ich hatte das jetzt so verstanden, als ginge es um Ressourcenmanagement und nicht um Sklavenhandel. Lediglich im selben Zeitalter (und Kontinent). Das habe ich doch so richtig verstanden?

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Re: Mombasa

Beitragvon Thygra » 19. August 2015, 23:59

HDScurox hat geschrieben:Menschen die von Werwölfen gefressen werden, sind so nicht vorhanden.

Um die ging es mir ja auch nicht. Mir geht es um die Menschen, die durch Lynchjustiz von anderen Menschen getötet werden. Das hat es durchaus in der Geschichte schon gegeben.

Klaus Knechtskern hat geschrieben:MIch wundert nur dass sich niemand über das Thema Hexenverbrennung, welches ja auch immer wieder in Spielen thematisiert wird, mokiert

Von Marco Polo ist auch bekannt, dass er sich einen Sklaven hielt. Aber der Sklave kommt nicht im Spiel vor ...

BGBandit hat geschrieben:Nur damit ich noch folgen kann: wenn in der Spielanleitung bereits "auf das dunkle Zeitalter der Sklaverei" hingewiesen wird, inwieweit betrifft denn jetzt das Spiel überhaupt das Thema Sklaverei? Ich hatte das jetzt so verstanden, als ginge es um Ressourcenmanagement und nicht um Sklavenhandel. Lediglich im selben Zeitalter (und Kontinent). Das habe ich doch so richtig verstanden?

Das hast du richtig verstanden.
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Re: Mombasa

Beitragvon BGBandit » 20. August 2015, 00:04

@ HDScurox

Also wenn ich eine Schlacht mit Gemetzel nachspiele, sogar explizit als SS simuliere, ist das weniger schlimm, als wenn ich ein Ressourcenmanagement-Spiel spiele, welches lediglich im selben ZEITALLTER wie die Sklaverei stattfindet?

Wobei zudem eben ja noch die Argumentation war, dass Rom weiter zurückliegt, als die Zeit der Kolonialmächte. Und wenn ich zumindest ansatzweise in Geschichte aufgepasst habe, liegt Afrika in diesem Kontext weiter zurück, als die Zeit des Nazi-Regimes? Da liegt mir die Nazi-Zeit, die ich noch schwarz auf weiss in Omas Bilderalbum sehen kann, aber weitaus näher, als der Kolonialismus. Auch wenn beides zeitlich nicht sooo weit auseinander ist.

Sorry, jetzt muss ich passen.

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Re: Mombasa

Beitragvon HDScurox » 20. August 2015, 00:11

Klaus Knechtskern hat geschrieben:MIch wundert nur dass sich niemand über das Thema Hexenverbrennung, welches ja auch immer wieder in Spielen thematisiert wird, mokiert

Auch hier, weit genug weg, zumindest denken dass die meisten, die letzte Hexenverbrennung war ja erst 1775.

Um die ging es mir ja auch nicht. Mir geht es um die Menschen, die durch Lynchjustiz von anderen Menschen getötet werden. Das hat es durchaus in der Geschichte schon gegeben.

Da trifft dann das gleiche wie bei Mombasa zu, die Dimension ist nur vieeeel kleiner. Zwischen "hat es mehrfach in der Geschichte (und sicher auch heute) gegeben" und "ein ganzes Zeitalter" liegen halt Welten.

Von Marco Polo ist auch bekannt, dass er sich einen Sklaven hielt. Aber der Sklave kommt nicht im Spiel vor ...

Genau so wie bei uns die Schwarzen Würfel oft als Sklaven interpretiert werden. Da hader ich auch immer wieder mit mir. Da würde mich echt Mal die Meinung eines Verlags interessieren. Müssen "zusätzliche Arbeiter" (und nichts anderes sind die Würfel ja quasi), denn schwarz sein? Gibt es keine anderen "Farben"? Mir ist schon klar, das bewusst eben keine Farbe genommen wurde (Schwarz und Weiß sind keine Farben wie wir wissen), damit die Würfel nicht mit den Spielerwürfeln verwechselt werden und schwarz eben, damit der Unterschied zum Weißen Würfel von Matteo Polo da ist, aber mensch, da muss es doch andere Lösungen geben, auch wenn mir keiner einfällt.

Ich weiß, ich komm jetzt hier sehr "spießig" rüber. Aber ich denke einfach nur gerne über solche Themen nach (auch Studiums bedingt) Marco Polo spiel ich sehr gerne.

Also wenn ich eine Schlacht mit Gemetzel nachspiele, sogar explizit als SS simuliere, ist das weniger schlimm, als wenn ich ein Ressourcenmanagement-Spiel spiele, welches lediglich im selben ZEITALLTER wie die Sklaverei stattfindet?

Achtung! Nicht pauschalisieren. Ich habe explizit auf das Spielkonstrukt als Gefechtssimulation hingewiesen. Hier ist der Rahmen klar abgesteckt und historisch korrekt. In den Gefechten Armee gegen Armee, war die Judenvernichtung kein Thema - das kam danach.
Bei Mombasa, als Wirtschaftsspiel, war die Sklaverei aber direkt und unlösbar damit verbunden. Denn darauf basierte die Wirtschaft zu dieser Zeit.

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Re: Mombasa

Beitragvon Klaus Knechtskern » 20. August 2015, 00:18

HDScurox hat geschrieben:Da würde mich echt Mal die Meinung eines Verlags interessieren. Müssen "zusätzliche Arbeiter" (und nichts anderes sind die Würfel ja quasi), denn schwarz sein? Gibt es keine anderen "Farben"? Mir ist schon klar, das bewusst eben keine Farbe genommen wurde (Schwarz und Weiß sind keine Farben wie wir wissen), damit die Würfel nicht mit den Spielerwürfeln verwechselt werden und schwarz eben, damit der Unterschied zum Weißen Würfel von Matteo Polo da ist, aber mensch, da muss es doch andere Lösungen geben, auch wenn mir keiner einfällt.


Wieso interpretierst Du Schwarz unbedingt als "Sklavenfarbe". Sklaven gabs es immer in der Geschichte(und es gibt sie noch) aber beileibe nicht alle Sklaven waren schwarz.

Wenn Du Dir die Spielmaterialien von MP anschaust blöeibt doch schon keine Farbe mehr übrig um Verwechslungen zu vermeiden. Nimmt man die doch weit verbreitete Rot-/Grün-Schwäche hinzu ist die Auswahl sehr eingeschränkt, wenn eine Farbe nciht zweifach verwendet werden soll

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Re: Mombasa

Beitragvon BGBandit » 20. August 2015, 00:23

@ HDScurox

Bis dahin hab ich es verstanden. Ich versteh bloß nicht, warum es das besser macht? Warum sind einzelne Hexenverbrennungen weniger schlimm, als ein Zeitalter der Sklaverei? Warum ist eine Simulation eines Gefechts ohne tote Juden (dafür aber mit ganz vielen anderen unschuldigen Menschen) besser, als eine Wirtschaftssimulation? Der Krieg Hitlers beruhte auch nicht darauf, mit den angrenzenden Ländern Kaffee trinken zu wollen.

Zu den schwarzen Würfeln: wieder wird in einen Würfel etwas hineininterpretiert, weil eine Farbe Assoziationen weckt. Sowie IS interpretiert und assoziiert wird. DAS ist für mich der Knackpunkt.

Ich persönlich -und das ist wie gesagt meine Meinung- finde es viel schlimmer, wenn direkt etwas nachgestellt wird und man mit direkten brutalen Handlungen auch noch "gewinnt". Schwarze Würfel sind schwarze Würfel.... wobei es allein produktionstechnisch gesehen eben NICHT mglich ist, jede x-beliebige Farbe zu verwenden, wenn gleichzeitig Preis und Übersichtlichkeit gewährt bleiben soll. Was da also hineininterpretiert wird, ist jedem selbst überlassen. In einer historischen Simulation dagegen ist der Sieg mit der SS quasi vorgegeben.

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Re: Mombasa

Beitragvon groenemeyer05 » 20. August 2015, 00:27

vielleicht doch noch was
Der Gegenstand an sich (Sklaverei) bleibt grausam, egal ob im alten Rom oder in Afrika. Und ich bin von beidem nicht persönlich betroffen. Darf ich das Spiel jetzt ohne Gewissensbisse spielen und ein Franzose mit afrikanischen Vorfahren nicht?

Die Argumentation hinkt doch, da muss ich Thygra ausnahmsweise recht geben.

Zu dem Beispiel mit dem Juden-KZ-Spiel mit den Zügen: ich denke da muss man eine klare Grenze ziehen zwischen bildender Kunst (im Sinne von Menschen zum Nachdenken bringen), welches nie in den Handel kommt und einem Spiel, das lediglich unterhalten soll.


Ich verstehe diese Ausführungen überhaupt nicht. Es geht mir überhaupt nicht darum wer ein Spiel spielen darf und wer nicht. Es geht mir darum, wie ein thematisches Spiel sich zu gesellschaftlichen Realitäten positioniert oder eben nicht positioniert. Das sollte meiner Meinung nach schon mit etwas Reflexion geschehen. Wenn ich ein Spiel erfinde, das die Überfahrt syrischer Flüchtlinge übers Meer nach Europa thematisiert und setze eine Spielmechanik drauf, in der der Spieler ein Schlepper ist, der gewinnt, wenn er in Konkurrenz zu anderen Schleppern am meisten Geld durch clevere Routenwahl bei den Überfahrten erwirtschaftet hat -fertig- dann darf doch die Frage erlaubt sein, ob das eine gute Umsetzung eines aktuellen Themas ist, oder ob das nicht viel mehr stumpf, pietätlos, aufgesetzt und moralisch fragwürdig ist. Wer sowas spielen würde, mit dem Hinweis, das ist jetzt aber nur Unterhaltung und nicht bildende Kunst, den könnte ich nicht verstehen. Ich kann mir aber auch nicht "Pearl Harbour" im Kino ansehen ohne kotzen zu müssen. Leute die aus solchen Filmen rausgehen und dann sagen: "Guter Film, geile Effekte, ich hab Freizeit, ich will nicht nachdenken" machen mich auch regelmäßig wahnsinnig. Wer sich zumindest einen Hauch dafür interessiert, wie Kunst Realität abbildet, der hat halt wie ich ein Problem damit, wenn etwas entweder offen propagandistisch ist, naiv propagandistische Inhalte reproduziert oder schlicht geistlos ist. Und grade die Populärkultur ist hierfür anfällig. Wenn dieses Spiel jetzt nicht grenzgenial gängige Erwartungsmuster durchkreuzt (und danach sieht es wirklich nicht aus, eher nach mangelndem Fingerspitzengefühl) wirkt die jetzige Setting auf mich so abstoßend, dass ich trotz von mir aus genialer Mechanismen, immer einen schalen Machgeschmack spüren würde, wenn ich mich siegreich als "Kolonialherr" behauptet hätte... Und ich bin nicht mal die moralische Instanz in meinem Freundeskreis.

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Re: Mombasa

Beitragvon HDScurox » 20. August 2015, 01:08

Wieso interpretierst Du Schwarz unbedingt als "Sklavenfarbe". Sklaven gabs es immer in der Geschichte(und es gibt sie noch) aber beileibe nicht alle Sklaven waren schwarz.
und
Zu den schwarzen Würfeln: wieder wird in einen Würfel etwas hineininterpretiert, weil eine Farbe Assoziationen weckt. Sowie IS interpretiert und assoziiert wird. DAS ist für mich der Knackpunkt.

Richtig, aber da es in meinem Englisch-Leistungskurs in der Schule thematisch quasi nur um afrikanische Sklaven in Amerika ging, ist diese Assoziation stark verhaftet und nicht nur bei mir, das kommt in jeder meiner Spielrunden vor. Das hat Übirgens nicht per se etwas mit der Farbe zu tun, sondern ist ein Zusammenspiel aus Farbe des Spielmaterials, Art der Erlangung und Funktion. Am Beispiel Marco Polo: ich tausche etwas (Kamele) gegen zusätzliche Würfel für zusätzliche Aktionen. Vor dem historischen Hintergrund lässt es also die Interpretation zu: Ich kaufe mir für Kamele zusätzliche (schwarze) Arbeitskräfte.

Warum ist eine Simulation eines Gefechts ohne tote Juden (dafür aber mit ganz vielen anderen unschuldigen Menschen) besser, als eine Wirtschaftssimulation? Der Krieg Hitlers beruhte auch nicht darauf, mit den angrenzenden Ländern Kaffee trinken zu wollen.
Es spricht nie jemand von besser oder schlechter. Sondern von der Eindeutigkeit und des Abgegrenzten Rahmens. Vielleicht denke ich hier auch zu sehr in der erziehungswissenschaftlichen Spieltheorie.
In einer historischen Simulation dagegen ist der Sieg mit der SS quasi vorgegeben.
Der Sieg ist eben nicht vorgegeben, sonst wäre es kein Spiel mehr. Das Spiel steckt nur ganz klar den Rahmen ab. Es geht um das Gefecht mit genau diesen Soldaten. Keine Zivilisten, nichts. Dabei werden weder Details ausgelassen noch etwas verharmlost. Sogar der historisch korrekte Schlachtverlauf wird im Handbuch dazu erläutert und das ist es, wie man an solch ein Thema rangeht. Man baut das passende Konstrukt, welches den Rahmen ganz klar absteckt.

Anderes Beispiel: Kolejka von HUCH! & friends. Riesiges Vor und Nachwort mit historischer Erläuterung. All das, was das Spiel vereinfacht oder sogar humoristisch darstellt, wird im Handbuch mit all seinen Schrecken erläutert. So geht historische Aufarbeitung meiner Meinung nach. Es ist klar, dass man nicht alles im Spiel abbilden kann, man darf es aber weder tot schweigen noch es mit einem Satz abwatschen. Das ist respektlos den heute lebenden Menschen gegenüber.

Und macht bitte wegen Marco Polo kein Fass auf, diese Interpretation ist möglich, liegt aber nicht jedem nahe. Wie hätte man das Vermeiden können? In dem man ganz klar darauf eingeht, was die Würfel darstellen (zum Beispiel Zeit die aufgewendet wird). Denn wenn geklärt wird, was was ist, bleiben Interpretationen aus. Nicht um sonst ist in der Wissenschaft die Definition von Begriffen immer das wichtigste.

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Re: Mombasa

Beitragvon BGBandit » 20. August 2015, 01:12

groenemeyer05 hat geschrieben:
dann darf doch die Frage erlaubt sein, ob das eine gute Umsetzung eines aktuellen Themas ist, oder ob das nicht viel mehr stumpf, pietätlos, aufgesetzt und moralisch fragwürdig ist. Wer sowas spielen würde, mit dem Hinweis, das ist jetzt aber nur Unterhaltung und nicht bildende Kunst, den könnte ich nicht verstehen.


Natürlich darf die Frage erlaubt sein, darüber reden wir ja hier. Nur müssen auch Gegenmeinungen erlaubt sein. In dem KZ-Juden-Zug-Spiel handelt es sich allerdings de facto NICHT um ein Spiel im eigentlichen Sinne. Genaugenommen müsste man dieses "Spiel" ausklammern aus der Diskussion, weil es eben nicht zum Zweck der Unterhaltung erfunden wurde, sondern einen ganz gezielten Zweck verfolgt: Den Schock-Moment, wenn die Spieler erfahren, was sie da eigentlich gerade "gespielt" haben. Schliesslich wussten sie überhaupt nicht, welche thematische Einbindung das Ganze hat

"Juden raus" dagegen ist ein echtes Spiel (da müsste man allerdings berücksichtigen, zu welchem Zeitpunkt das Spiel erfunden wurde, was es aus heutiger Sicht natürlich nicht besser oder harmloser macht).


Ich kann mir aber auch nicht "Pearl Harbour" im Kino ansehen ohne kotzen zu müssen. Leute die aus solchen Filmen rausgehen und dann sagen: "Guter Film, geile Effekte, ich hab Freizeit, ich will nicht nachdenken" machen mich auch regelmäßig wahnsinnig.


Das ist deine persönliche Einschätzung und Meinung, die du gerne vertreten darfst. Aber auch hier gilt: man muss auch Gegenmeinungen akzeptieren

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BGBandit
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Re: Mombasa

Beitragvon BGBandit » 20. August 2015, 01:18

@ HDScurox

Man hätte das mit Sicherheit vermeiden können. Aber über 2 Dinge sollte man in diesem Kontext dann auch reden:

1.) ist es die Schuld eines Verlages, was Leute interrpretieren KÖNNTEN?
2.) kann ein Verlag immer genau vorherbestimmen, was irgendwelche Menschen interpretieren KÖNNTEN und somit auf alle Eventualitäten eingehen?

Ich finde übrigens erläuternde Texte zur Geschichte und den historischen Begebenheiten auch sehr interessant. Aber ich habe es bisher immer als nettes Gimmick gesehen und nicht als vorgeschobenen "Verteidigungstext des Verlages, um nicht vor Gericht und an den Pranger gestellt zu werden". Und für historische oder gar wissenschaftliche Aufklärung ist in meinen Augen auch kein Spieleverlag zuständig.

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Re: Mombasa

Beitragvon HDScurox » 20. August 2015, 01:48

Und für historische oder gar wissenschaftliche Aufklärung ist in meinen Augen auch kein Spieleverlag zuständig.
Wenn er sich ein historisches Setting, besonders solch ein grausames Aussucht, ist er das meiner Meinung nach. Wenn man das nicht will, lässt man solche Themen links liegen. Oder sagen wir es so: Ich würde es mir Wünschen, besonders da Brettspiele eben nicht nur Spielzeug sind.

1.) ist es die Schuld eines Verlages, was Leute interrpretieren KÖNNTEN?

Jaein, es gibt einfach Interpretation die näher liegen als andere. Um bei Marco Polo zu bleiben, wenn ich der einzige bin, der das mit Sklaven verbunden hätte, ok. Ich war aber bei weitem nicht der einzige. Vielleicht ist das aber auch die "Filterblase" meines Freundes- und Bekanntenkreises, das wir alle recht ähnlich bei solchen Themen denken.

"Verteidigungstext des Verlages, um nicht vor Gericht und an den Pranger gestellt zu werden".
Es geht mir gar nicht um eine Verteidigung, sondern um einen angemessenen Umgang mit sensiblen Themen. Ein Thema ist für mich immer dann sensibel, wenn davon heute lebende Menschen betroffen sein können, wenn sie sich verletzt fühlen können. Und genau wie bei den Sklaven von Five Tribes, kann ich mir vorstellen, dass es Menschen gibt, deren Familie unter der Kolonialzeit gelitten hat oder noch heute leidet.

Und wehe es kommt jetzt jemand mit: Die Menschen die es betrifft sehen das meist selbst viel lockerer - es gibt solche und solche.

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Sascha 36

Re: Mombasa

Beitragvon Sascha 36 » 20. August 2015, 01:58

Zum Thema Interpretation und Wirklichkeit ein schönes Beispiel aus meinem Alltag:
Ein Junge malt ein Bild, Monster die von einem Ritter bekämpft werden, alles in der Farbe schwarz.
Kollegin Sackt das Bild ein und möchte gerne das wir das Thema im Team besprechen und auf jeden Fall ein Elterngespräch führen. Als Grund gibt sie an das der Junge ja wohl eine Störung haben muss da er nur schwarz malt und dann solch blutrünstige Bilder.
Ich werfe einen Blick auf den Tisch, den Jungen und die Stiftauslage. In der Stiftauslage befanden sich nur noch rosa und schwarze Stifte, somit gab ich der Kollegin zu verstehen das er keine Auswahl hat und deshalb schwarz malt.
Das Thema ist mittlerweile vom Tisch, der Junge malt immer noch Ritter und wenn er Farben hat nutzt er diese auch.

Damit meine ich nur, man muss nicht immer in alles schlimme Absichten hineininterpretieren, denke hier wird einfach maßlos übertrieben und damit tut sich keiner wirklich einen Gefallen. Extrem ist in den meisten Fällen scheisse, egal ob links rechts oder oben und unten.

Ansonsten kauft das Spiel halt nicht, ich guck mir auch keine Sklavenfilme an wenn ich keine Lust drauf hab.

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Re: Mombasa

Beitragvon HDScurox » 20. August 2015, 02:09

Das ist wieder rum ein sehr gutes Beispiel Sascha, denn es zeigt sehr schön, dass man die Thematik nicht auf einen Aspekt runterbrechen kann. Das Gesamtbild zählt. Deswegen habe ich bei Mombasa auch noch kein Urteil, das Cover und die Thema-Informationen sind mir da zu wenig.

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groenemeyer05
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Re: Mombasa

Beitragvon groenemeyer05 » 20. August 2015, 07:38

Das ist deine persönliche Einschätzung und Meinung, die du gerne vertreten darfst. Aber auch hier gilt: man muss auch Gegenmeinungen akzeptieren

Eine Meinung ist doch nichts tolles. Ich akzeptiere, wenn jemand eine andere Meinung hat. Wenn derjenige seine Meinung aus meiner Sicht nicht gut begründet und dann fordert, ich solle diese Meinung trotzdem akzeptieren, ist das einfach ein Statement um Diskussionen abzuwürgen. So argumentiert die Kanzlerin gegen die Homoehe. Befriedigt mich das, wenn sie auf dieser Grundlage die Lebenswelt vieler Menschen weitreichend prägende Entscheidungen triff? Nein! Meinungen kann man auch versachlichen; um unterschiedliche Positionen kann man auch ringen. Das macht keinen dümmer. Ich war nicht derjenige der gefordert hat, dieser Post müsste geschlossen werden. Das hat hier aber auch schon jemand gefordert (so ungefähr: alles übertrieben. Spieleautoren diffamierend!), um die Diskussion abzuwürgen.
Mir stößt in übrigen auch garnicht ein mögliches Sklaventhema auf, von dem ich noch nicht mal weiß, ob es im Spiel angemessen wäre, dies zu thematisieren oder nicht (dazu kenne ich mich im konkreten Fall historisch überhaupt nicht gut genug aus), sondern die überhebliche Arroganz der Kolonialisten, mit der sie sich einen Kontinent aneignen und ausbeuten. Die Folgen prägen bis heute die Situation in diesen Ländern und die unterschiedlichen Lebensrealitäten zwischen "unserer Welt" und großen Teilen des afrikanischen Kontinents. Die Dekolonisation Afrikas ist noch nicht lange her. Und schlecht aufgearbeitet. Das Thema ist insgesamt daher meiner Meinung nach sensibler anzupacken.
Wer sagt: "Wems nicht passt, der solls halt nicht spielen", dem ist dann aber auch alles egal, oder? Würde das auch für dieses "Juden raus" Spiel oder mein geschmackloses "Schlepperspiel" gelten?

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Sascha 36

Re: Mombasa

Beitragvon Sascha 36 » 20. August 2015, 10:10

groenemeyer05 hat geschrieben:
Das ist deine persönliche Einschätzung und Meinung, die du gerne vertreten darfst. Aber auch hier gilt: man muss auch Gegenmeinungen akzeptieren


Wer sagt: "Wems nicht passt, der solls halt nicht spielen", dem ist dann aber auch alles egal, oder? Würde das auch für dieses "Juden raus" Spiel oder mein geschmackloses "Schlepperspiel" gelten?


Wieso soll den Leuten alles egal sein, gibt jede Mengen Themen die mir nicht gefallen in der Spielewelt, dann Kauf ich die halt nicht und damit kann ich gut leben.
Manchmal glaub ich hier wird die Masse einfach für blöd gehalten, das Nazi Spiel und Schlepperspiel würde garantiert kein Verkaufsschlager werden, auch ohne den Fingerzeig von der Korrekten Front.

Ansonsten denke ich trifft der Mann es hier ziemlich gut :
http://youtu.be/YnH1Cfin9TY
Zuletzt geändert von Sascha 36 am 20. August 2015, 10:16, insgesamt 1-mal geändert.


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