Beitragvon G´Ork (H.-Georg Rausch) » 15. Juni 2004, 11:43
Hallo,
bekannt dafür, mich in die Nesseln zu setzen, hier nach dem Vorstoß von Ravensburger einmal ein Vorstoß von H.-Georg Rausch:
Über Sinn oder Unsinn einer dem Verlag vorgeschalteten Spieleagentur lässt sich trefflich streiten. Das eine Agentur für Agenturleistungen auch Geld haben möchte, ist ein kaufmännisches Grundprinzip - und wenn sich eine Agentur intensiv mit einer Spielidee beschäftigt (sprich: Originalität prüft, evtl. Regelvarianten auslotet, die Idee bewertet, Rechts/Plagiatsfragen prüft) so wie dies in amerikanischen Agenturen üblich ist, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Sprich, dort (in den Staaten) erhalte ich eine gute Leistung für mein Geld, auch, wenn die Spielidee letzten endes abgelehnt wird.
Was allerdings von Ravensburger versucht wird, zu betreiben, ist reine "Deppen-Abzocke". Kein SAZ-Mitglied oder jemand, der schonmal etwas von Göttingen gehört hat, wird es ernsthaft in Erwägung ziehen, der Agentur PRO SPIEL 65 Euro für die (zu 99,9% abschlägige) Beantwortung einer Email zu zahlen.
Diejenigen, die die 100. Version von Mensch-Ärgere-Dich-Nicht "entwickelt" haben, werden so von ihrer Idee überzeugt sein, daß auch die 65 Euro sie sicher nicht schrecken - und für Ravensburger ist damit das Primärziel erreicht: Personal- und Kosteneinsparung bei der Redaktion.
Nur zum Vergleich:
In meiner Eigenschaft als Kleinstverleger (NMG-Spiele) kann ich eingehende Exposes von Spielen nur zurückweisen mit dem Hinweis, das ich nur meine eigenen Erfindungen im Eigenverlag veröffentliche. Diese Antwort kostet maximal 65 cent - und nicht 65 Euro - (nämlich 55 cent für das Porto, der Rest für eine Kopie und den Umschlag). Mehr ist eine oberflächliche Antwort auf eine "Emaileinsendung" oder ein "Exposé" auch erst einmal nicht wert. Nun bekomme ich keine 1500 Einsendungen pro Jahr, sondern vielleicht 15, und nur seltenst einen portoaufwendigen Prototypen. Ein solcher Schriftverkehr gehört nach meinem Dafürhalten zum Tagesgeschäft jedes Unternehmens und Ravensburger ist schlecht beraten, dieses Tagesgeschäft und die Kosten hierfür auf ihre "Ideenlieferanten" abzuwälzen, statt sie in die allgemeine Kalkulation einfließen zu lassen.
Wenn Ravensburger keine Spiele von Autoren veröffentlichen mag, die es nicht ohnehin im Vertrag hat oder selber brieft, mag der Verlag das so annoncieren.
Aber ich halte es gelinde gesagt für Bauernfängerei, durch die Vorschaltung einer Pseudo-Agentur (das Ein-Mann-Unternehmen Beiersdorf) den Eindruck zu erwecken, die dorthin gerichteten Einsendungen hätten eine auch nur geringe Chance auf Veröffentlichung in diesem Verlag (nach Ravensburgers Angaben haben nur ganz selten unverlangt eingesandte Spielideen den Sprung in die Veröffentlichung geschafft).
Der Nachsatz, das "weitere Agenturkosten im Falle einer Veröffentlichung nicht anfallen", kann nur als Hohn angesehen werden, denn weitere Leistungen werden von der Agentur ja gar nicht erbracht. Die freundlicherweise zugesicherten Hinweise, was die Spielidee für zukünftige Einsendungen "fit" machen könnte, lassen sich sicher genausogut im Handbuch für Spieleerfinder oder auf der Hans-im-Glück-Homepage (oder vergleichbaren Publikationen) nachlesen.
Der Vorstoß von Ravensburger mag unter kaufmännischen Erwägungen irgendwo Sinn machen. Bedenklich in dem Zusammenhang ist allerdings auch die Exklusivität der Vorschaltung der Pro Spiel Agentur - denn alles, was von dort an Ravensburger zur endgültigen Entscheidung überhaupt weitergeleitet wird, trägt zwangsläufig den Stempel dieses "Ein-Mann-Unternehmens". Die Agentur vertritt hier in erster Linie den Verlag und nicht die Interessen des Autors - das wäre anders, wenn der Autor "seine" Agentur frei wählen könnte.
Das von Ravensburger mit Hinweis auf "internationale Gepflogenheiten" ist in dieser Form jedenfalls unausgegoren und kontraproduktiv. 65 Euro für die Beantwortung eines Briefes zu zahlen, halte ich für überflüssig.
Anstelle daher nun eine unverlangte Spielidee an die Agentur Pro Spiel zu senden und dieser 65 Euro für eine quasi vorprogrammierte Absage zu zahlen, empfehle ich mit dem Geld den Besuch einer nahegelegenen Pferderennbahn und den Einsatz des Geldes auf einen Einlauf-Dreier. Die Gewinnchancen dort sind ungleich höher und der Nachmittag auf der Rennbahn macht bestimmt mehr Spaß als das Lesen des abschlägigen Bescheides einer Spieleagentur.
Ich werde zu diesem Thema sicher noch SAZ-intern kommunizieren, denn ein paar Ideen dazu habe ich schon noch - vor allem, da offenbar auch immer wieder Autoren Spiele von der SAZ "bewerten" lassen wollen, was natürlich nicht der Zweck der SAZ sein kann. An dieser Stelle soll es das erst einmal gewesen sein.
Über Kommentare freue ich mich.
MfG
G´Ork
(H.-Georg Rausch)