Beitragvon Guido » 2. Oktober 2008, 19:09
Dario schrieb:
>
> Ein Zitat am Rande:
>
> Strategie ohne Taktik ist der langsamste Pfad zum Sieg.
> Taktik ohne Strategie ist der Lärm vor der Niederlage.
> Sun Tzu
>
> Taktische Grüsse
> Dario
Nettes Zitat. Ich glaube, dass Problem ist, dass Strategie als Begriff einfach mehrdeutig ist. In einem Lehrbuch über strategisches Managment habe ich mal gelesen, dass Strategie sich immer wieder neu vor dem Hintergrund seines Verwendungszweckes erklärt, also Stratgie je nach Betrachtung und Betrachter anders gemeint sein kann. Die allgemeine Definition des "Ziel-Weg" als Strategie ist nur eine Facette.
H. Mintzberg (in bezug auf die BWL) hat hierzu mal gesagt, dass es fünf Arten der Strategie gebe, oder auch "Five P's of Strategy: plan, ploy, pattern, position and perspective". (Ich denke, man darf das auch übertragen auf andere Bereiche.)
plan: Man setzt zuerst ein Ziel und praktisch gleichzeitig auch fest, wie man es erreichen will, also die Mittel. Diese Ansicht kommt dem Alltagsgebrauch und der Meinung vieler Kommentare in diese Tread wohl am nächsten.
Ähnlich ist der Begriff ploy (englisch für Spielzug): hier geht es aber um die konkrete (Re)Aktionen gegen Konkurrenten, also Winkelzüge,etc., die imho auch längerfristig angesetzt sein können.
pattern: ist etwas abstrakter gemeint und definiert "strategy" als ein generelles Handlungsmuster, nach dem agiert werden soll. Also soetwas wie ich mache immer A und B und in der Ausnahmesituation C. Ziele werden hier imho eher auch aus dem patter (das allg. handlunsmuster) abgeleitet. vielleicht soetwas wie die Umkehrung von plan.
position: man lokalisiert sich selbst: wo stehe ich und stehe ich gut hier? wenn ja, dann bleibe ich einfach da. wenn nicht, sehe ich zu dass ich bewusst woanders hinkomme. Diese Art der Strategie muss aber nicht zwangsläufig passiv sein, nach dem Motto, welche Nische ist für mich frei. Wichtig/Entscheidend ist die ständige Sondierung des Umfeldes.
perspektive: ist sehr theoretisch und abstrakt. Es geht darum, wie die Welt wahrgenommen wird und wie/warum man sich seine Realität zusammenbaut. Hat was psychologisches. In der BWL versucht man das "kollektive Bewusstsein" zu entwickeln und zu beeinflussen, wie die Welt wahrgenommen und insbesondere welche Informationen erfasst und verarbeitet werden sollen.
Diese Arten der strategy können imho im Endeffekt das gleiche Ergebnis haben, aber ihr Ablauf, ihr Wesen ist tatsächlich anders! Klar, dass sind hier nur theroretische Definitionen, aber ich finde es gut, mal die (ein paar) Facetten der "Strategie" auseinanderzuklamüsern. Gemeinsam haben sie, dass sie versuchen zu steuern (!). Dabei schliesst sich der Zufall aber gerade nicht aus! Denn gerade aufgrund von Zufällen (Unsicherheit, Unprognostizierbarkeit von Ereignissen) versuche ich eine aktive "Lenkung" oder auch "Gestaltung", gleich welcher Art, vorzunehmen. Im Spiel vermischen sich diese Aspekte häufig und zwangsläufig. Ich denke, deshalb sollte man Strategie als ein organisches Ganzes betrachten.
Ein Strategiespiel, durchaus mit Zufallselementen, ist eines, in welchem ich meinen Kurs (relativ) frei lenken kann und in dem ich das Spielgeschehen (zu meinen Gunsten) lenken kann. Zeitliche Betrachtungen als Definitionsgrundlagen (langfristig/ kurzfristig) sind imho unglücklich gewählt, auch wenn es nahe heran kommt. Aber es trifft den Kern der Sache nicht ganz, da es ja auch "kurzfristige" und "langfristige" Strategien gibt. Wenn ich sage, Strategie sei langfristig und Taktik kurzfristig, verheddere ich mich bei einer genauren Differenzierung und es wird schwammig, wie die Beiträge in diesem Thread zeigen. Taktik ist für mich das Agieren in und vor allem Optmieren/ Ausnutzen einer konkreten Situation (hier Situationskontext, nicht zeitlich gesehen). Wenn ich die Situation ausnutze, um eine größere "Lenkung" (also Strategie, ich sage bewusst nicht Plan, da ich alle Facetten einschliessen möchte) zu verwirklichen, dann ist das das "taktische Elment" meiner Strategie. Dies kann einen Zug dauern oder aber auch mehrere Züge (ich denke, es ist jetzt klar, dass eine zeitliche Definition unglücklich ist). (Günter Cornett hat es ja z.b. auch schon gesagt, dass sich Schachspiele häufiger über taktische Spielfehler entscheiden. Der Spieler hat es nicht geschafft, konkrete Spielsituation so zu entscheiden, dass er die "größere Lenkung" durchziehen konnte.) Taktisches Vorgehen ist eine Situation zu seinen Gunsten zu entscheiden und in Einklang mit seiner "größeren Lenkung" zu bekommen. Das kann bedeuten, dass man etwas opfert, oder blufft, oder eine Option testet, oder oder oder. Eine Strategie besteht also aus taktischen Schritten. Aus dem Erkennen und Nutzen verschiedener (Spiel)situationen. Man könnte es vielleicht auch die operative Umsetzung seiner "Spiellenkung/gestalung" nennen.
Bei einem Taktikspiel fällt die Möglichkeit der Lenkung weitestgehend heraus. Es gibt nur ein Weg. Die Mittel dazu sind auch eher beschräntk. Genauer: die taktischen Mittel, dass Ziel zu erreichen, sind beschränkt. Ich muss jetzt sagen, dass ich selber denke, dass es ein "reines" Taktikspiel nicht gibt. Es lassen sich fast immer zwei, drei Überlegungen anstellen (bluffen, angreifen, Schnelligkeit, etc.), wie man das Ziel erreicht. Aber in einem Taktikspiel sind die Überlegungen eher einseitig, da die Mittel eben beschränkt sind. Es gibt nicht viel "zu überlegen", oder sagen wir besser "abzuwägen" und daher zu "lenken". Es muss man einfach nur zusehen, dass man die vorhanden Möglichkeiten von Situation zu Situation ausnutzt. Da es kaum "Ausweichmöglichkeiten" an Spielzügen gibt, schlagen Zufallselmente bei Taktikspielen auch stärker ins Gewicht. Als Beispiele für Taktikspiele fällt mir Einfach Genial, Backgammon, Tactix, Blokus (ja, ich halte dieses Spiel auch eher für ein Taktikspiel, insbesondere zu viert), Kahuna, Babel, Aqua Romana, Metro, Tsuro, etc. ein. Übgänge zu Strategiespielen sind fliessend. Wikinger z.B. finde ich auch eher taktisch als strategisch, auch wenn es "Lenkungsmöglichkeiten" bietet. "Klassische" Strategiespiele wie Agricola, Funkenschlag, Puerto Rico, San Juan, Caylus, Im Jahr des Drachen, etc. lassen eindeutig mehrere und unterschiedliche Möglichkeiten zu, wie ich den Spielablauf gestalten und nach Möglichkeit beeinflussen will.
Nun gut. Hoffe, einen positiven Beitrag zur Diskussion geleistet zu haben.
Gruß
Guido