Beitragvon Tobias / Glomeor » 19. März 2004, 03:17
Hi Siegfried,
> > Ein Indiz für diesen Zusammenhang ist - meiner Auffassung
> > nach -, dass abstrakte Spiele entweder kaum eine
> > Zufallskomponente haben oder sehr einfach gestrickt sind. Zur
> > Gipf-Reihe oder ähnlichen Spielen z.B. würde kein Zufall
> > passen. Andererseits gibt es reine Würfelspiele, wie z.B.
> > Kniffeln oder Meiern, beim dem das Erlebnis des Zufalls
> > (siehe den Beitrag von Gerd) direkt im Vordergrund steht und
> > deshalb das Regelwerk sehr einfach ist.
> Bei Gipf oder Zertz kann ich den Zufall direkt einführen,
> indem ich die Startaufstellung zufällig variiere.
Ok, bei einer Startaufstellung gebe ich Dir recht, aber ich (!!) empfinde, dass abstrakte Spiele, bei denen nicht das Erlebnis des Zufalls im Vordergrund steht, durch Hinzufügen einer Zufallskomponente einen Teil ihres Reizes verlieren, der in einer Art bloßen, meist einfach strukturierten Eleganz liegt.
Natürlich kann man auch regelaufwendige abstrakte Spiele mit Zufallselement erfinden, doch wird dies eben nicht getan, weil - meiner Meinung nach - der Reiz des Abstrakten häufig in seiner Einfachheit liegt.
Anders gesagt: Wenn in abstrakten Spielen Zufallselemente auftauchen, dann weil sie im Zentrum des Spiels stehen, d.h. um ihrer selbst willen verwendet werden. Das verwendete Zufallselement selbst ist dann ja auch von abstrakter Natur.
Noch anders gesagt: In einem abstrakten Spiel ist ein Würfelergebnis nur ein Würfelergebnis. In einem thematischen Spiel kann es für tausend Dinge stehen.
Ein Beispiel: Würde man das sehr thematische Spiel "Das Tal der Mammuts" seines Themas entledigen und nur die trockenen, aber kompletten Mechanismen aufschreiben, die das Spiel ausmachen, würden wahrscheinlich etliche Dinge auffallen, die man in dieser, dann abstrakten, Version weglassen würde, damit das Spiel wieder "rund" erscheinen würde.
Etwas blumig gesprochen könnte man sagen: Wenn der Mantel des Themas eines "runden" Spieles abgehoben wird, ist dieses einer Erosion unterlegen, die solange anhält, bis der Mechanismus ansich "rund" ist und keines Themas mehr bedarf. Man hätte dann allerdings nicht zwangsläufig ein besseres, sondern einfach ein anderes Spiel.
> Außerdem
> ist jedes Kartenspiel abstrakt oder bedeutet "Pik 7" in der
> Realität etwas?
Natürlich nicht, aber Kartenspiele mit z.B. Skatkarten haben wiederum häufig ein sehr einfaches Regelsystem verglichen mit der Mehrzahl der thematischen Spiele.
Vielleicht kann man sogar sagen, dass der Drang nach Thematisierung mit zunehmendem Regelwerk steigt.
> > Wer also zufallslose, aber thematische Spiele erfindet, der
> > vernachlässigt die quantenmechanische Natur des Themas. ;-)
> Das ist der Stand der Quantenphysik gegen Ende der 50er
> Jahre. Die hier noch verwendeten Begrifflichkeiten wurden
> später durch die Quantenelektrodynamik (Feynmann, Schrödinger
> et.al.) neu definiert. Und damit begannen dann die wirklichen
> Probleme.
Ok, ich wollte nur einen Bezug zwischen Zufall und Realität herstellen, der (in anderer Form) auch in modernen Untersuchungen wesentlich ist.
Wie wäre es denn mit einem Spiel, indem Verschränkungen eine wesentliche Rolle spielen? ;-)
> > Der Begriff "Schicksal" steht für mich diesen Zusammenhängen
> > genau gegenüber. Schicksal beinhaltet für mich die
> > zwanghafte, unbedingte Konsequenz durch Kausalität. Alle
> > Spiele ohne Glückselement könnten daher als "schicksalshaft"
> > beschrieben werden, denn das Ergebnis ist theoretisch (!!!)
> > vorher komplett bestimmbar.
> Leider falsch. Bereits Turing und Church beschreiben
> Algorithmen, die auch theoretisch nicht mehr komplett
> erfaßbar sind. Bekanntestes Beispiel aus der Neuzeit ist das
> sogenannte Collatz-Problem (3n+1). Wir unterscheiden
> mittlerweile mehrere Stufen von Nichtberechenbarkeit bei
> theoretisch vollständigen Systemen. Darin liegt auch
> begründet, daß Computer einfach nicht vernünftig Go spielen
> können.
Ich gebe Dir Recht, das hatte ich nicht bedacht.
Ich denke das Problem des von mir oben definierten Begriffs Schicksal liegt darin, dass ein solches unbestimmbares Spiel (ohne Zufallselemente) in seiner Gesamtheit nicht kartographisch erfassbar ist. Wohl kann aber jede einzelne Partie erfasst werden, denn sie ist endlich. Insofern steht das Ergebnis zwar fest, wenn die Spielweise eindeutig ist, aber es kann nicht zwangsweise bestimmt werden.
Mit Hilfe des Collatz-Problems: Das Problem insgesamt ist unlösbar, aber für jede einzelne Zahl kann es überprüft werden.
Bei Spielen mit Glückselement gebe es auch bei eindeutiger Spielweise kein eindeutiges Ergebnis.
Tobias