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Spielthema vs. historische Korrektheit

Tipps und Tricks für Autoren und Illustratoren
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Tim Heinzen

Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Tim Heinzen » 3. Juni 2005, 21:09

Guten Tag,
dies ist mein erster Eintrag in diesem Forum. Bitte um Nachsicht wenn ich unwissentlich gegen die hiesige Netiquette verstoße.

Doch nun zu meiner Frage:
ich habe ein Spiel entworfen, dass im großen und ganzem einem Handels und Aufbauspiel entspricht. Da die Inspiration der Spielidee aus einem Grundproblem der Informatik besteht, nämlich dem "Generäle von Byzanz- Problem" habe ich kurzerhand den Handlungsort eben nach Byzanz verlegt.
Die weitere Spielthematik hat allerdings herzlich wenig mit einer historischen Stadt am Bospurus zu tun.Es geht um Weinhandel und den Aufbau einer Stadt an zwei Ufern eines Flusses bzw. einer Meerenge.

Wie wichtig ist der Zusammenhang zwischen dem Spielkonzept und der Geschichte die drumherum erfunden wird um das Spiel prinzip zu konkretisieren?

Ich hänge ein wenig an dem klangvollen Namen und will das Spiel nach Möglichkeit nicht nach Bordeaux o.ä. verlegen, auch weil es halt an das Informatik-Grundproblem erinnert.

Sollte ich den Namen ändern oder ist es vorwiegend das Konzept das zählt?
Schließlich könnte man "Puerto Rico" auch ins Ruhrgebiet transformieren und "Alhambra" funktioniert auch als "Stimmt so!"

Vielen Dank für die Hilfe.
Tim

PS
Ups! Da ist es schon passiert. Ich hab ins falsche Forum geposted. Wäre nett, wenn ein Admin den anderen Thread löschen könnte.
Tim

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Andreas Last

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Andreas Last » 6. Juni 2005, 11:04

Moin Tim,
ich denke nicht, dass das ein Problem ist. Kahuna hat auch nicht wirklich etwas mit der polynesischen Bedeutung dieses Worts zu tun.
Am Ende kommt es doch darauf an, dass dein Spiel Spaß macht. Sieh dir diverse PC Strategiespiele an. Die legen auch nicht immer historische Korrektheit auf die Goldwaage. Sonst könnte man bei Spielen, die einem geschichtlichen Faden folgen nie die unterlegene Seite spielen und auf einen Sieg hoffen.
Zerbrich dir also darüber nicht den Kopf ;-)

Andreas

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Leif Busse

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Leif Busse » 6. Juni 2005, 12:06

Hallo,

wichtig ist, dass du mit der Korrektheit deines Werks selbst zufrieden bist, dass du ebenfalls einen Verlag davon überzeugen kannst und dass auch die Spieler mit deiner Version der Geschichte leben können. Die meisten werden diesen Punkt wohl eher locker sehen. Ich persönlich weiß eine gute Recherche für ein realistisches Spiel zu schätzen, aber wichtiger noch sind ein guter Mechanismus und eine stimmige Atmosphäre - alles zusammen ist natürlich optimal.

Themenwechsel ist sicherlich weit verbreitet; Spieler und infolgedessen Verlage haben bekanntlich ihre Lieblingthemen. Meine Meinung ist, dass Thema und Mechanismus vor allem zueinader passen sollten, dann akzeptiere ich so ziemlich jedes Thema und finde auch etwas Abwechslung nicht schlecht. Wozu dein Mechanismus in deinem Fall passt weiß ich natürlich nicht, aber Byzanz kann man sicher in die Gruppe der kommerziell gängigen Themen einordnen.

Deine Testspiele kannst du natürlich so oder so machen. Erst sobald du das Spiel einem Verlag anbietest, musst du dich entscheiden.

Viel Spaß dabei

Leif

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Charles

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Charles » 10. Juni 2005, 03:06

Jetzt bin ich aber neugierig! Was ist denn das "Generäle von Byzanz"-Problem?!?

Byzanz als Thema has sicherlich schön viel Flair. Aber ich hoffe wir reden hier von der Zeit der Stadtgründung und nicht vom Konstantinopel der Spätantike bzw. des Mittelalters. Da war ja der Stadtaufbau schon vollzogen...

A propos Konstantinopel, ich fänd' ein Spiel zur Mozart-Oper "Entführung aus dem Serail" sehr schön. Exotisches Flair etc.

Historische Korrektheit:

Nun bei Spielen kommt es da ganz auf den Grad der Abstraktion an. Ich sehe da drei verschiedene Kategorien:

1.)

An dem einen Ende der Skala findet man im Grunde abstrakte Spiele, die lediglich ein historisches Setting haben (z.B Kahuna, Zug um Zug, Kreta u.v.m).

Dazu gehören die allermeisten deutschen Spiele. Im Grunde kommt es da viel mehr darauf an, daß das Thema stimmig ist als auf spezifische historische Details. Wallenstein ist hierfür ein negatives Beispiel. Während des Spiels, welches im Dreissigjährigen Krieg angesiedelt soll, bauen die Spieler munter Kontore, Kirchen und Paläste... Wirklich ein schlechter Witz, wenn man bedenkt was in jenen unheilvollen Jahren passiert ist... Kein Wunder, daß das Spiel bald als Japan-Spiel herauskommt. Sehr viel stimmiger.

Noch ein negatives Beispiel: Zug um Zug Europa. Soll um 1900 angesiedelt sein. Die Karte ist auch größtenteils korrekt. Aber Kroatien ist aus irgendwelchen Gründen von Österreich-Ungarn abgetrennt. War der Grafiker ein Kroate oder was soll das? Vollkommen unnötig. Nicht daß das Spiel an sich deswegen schlechter ist und die meisten Leute werden das garnicht bemerken, aber stimmig ist das sicherlich nicht. Schon etwas ärgerlich und so etwas sollte man schon vermeiden.

2.)

Dann gibt es Spiele, die zwar ganz in der deutschen Spieletradition stehen, aber darüber hinausgehen, etwas über das Thema vermitteln und ein wenig Simulationscharakter haben. Gelungene Beispiele dafür wären Im Schatten des Kaisers oder Friedrich (um nur zwei meiner Lieblingsspiele zu nennen).

3.)

Und schließlich gibt es jene Spiele, die Simulationscharakter haben. Kosims oder auch die 18xx Eisenbahnspiele gehören m.E dazu.

FAZIT:

Grob gesagt: Je länger und komplexer das Spiel, desto handfester sollte meiner Meinung nach das Thema (welches ja meist historisch ist) sein. Historische Unkorrektheiten bzw. Unstimmigkeiten sind aber in jedem Fall zu vermeiden. Das ZuZ Europa Beispiel dafür ist einfach nur peinlich und unprofessionell.

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Steffen Brückner
Kennerspieler
Beiträge: 116

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Steffen Brückner » 10. Juni 2005, 09:12

Hallo,

Charles schrieb:

> An dem einen Ende der Skala findet man im Grunde abstrakte
> Spiele, die lediglich ein historisches Setting haben (z.B
> Kahuna, Zug um Zug, Kreta u.v.m).
>
> Dazu gehören die allermeisten deutschen Spiele. Im Grunde
> kommt es da viel mehr darauf an, daß das Thema stimmig ist
> als auf spezifische historische Details. Wallenstein ist
> hierfür ein negatives Beispiel. Während des Spiels, welches
> im Dreissigjährigen Krieg angesiedelt soll, bauen die Spieler
> munter Kontore, Kirchen und Paläste... Wirklich ein
> schlechter Witz, wenn man bedenkt was in jenen unheilvollen
> Jahren passiert ist... Kein Wunder, daß das Spiel bald als
> Japan-Spiel herauskommt. Sehr viel stimmiger.

Bisher hatte ich Wallenstein nur mal so kurz angesehen bzw. flüchtig ne Rezi gelesen, da hatte ich auch noch über einen Kauf nachgedacht (Schachtel war ja auch schön schwer ;-) ). Aber letztes Wochenende in Göttingen hat mich ja ein Kollege schon über diese Palastbau-Ungereimtheit etc. aufgeklärt.
Schade, dann ist wohl schon wieder ein schwungvoller Spielename verbraucht, ohne das Thema wirklich stimmungsvoll und korrekt umzusetzen.


> Noch ein negatives Beispiel: Zug um Zug Europa. Soll um 1900
> angesiedelt sein. Die Karte ist auch größtenteils korrekt.
> Aber Kroatien ist aus irgendwelchen Gründen von
> Österreich-Ungarn abgetrennt. War der Grafiker ein Kroate
> oder was soll das? Vollkommen unnötig. Nicht daß das Spiel an
> sich deswegen schlechter ist und die meisten Leute werden das
> garnicht bemerken, aber stimmig ist das sicherlich nicht.
> Schon etwas ärgerlich und so etwas sollte man schon vermeiden.

Ist zwar ärgerlich, vor allem weil es dann wieder falsches Wissen vermittelt, finde ich aber nicht so schlimm wie das Wallensteinproblem, da Zug um Zug vom Mechanismus her nicht wirklich auf eine bestimmte Zeitepoche angewiesen ist. Wallenstein sollte allerdings schon genauer in den zeitlichen Rahmenbedingungen eingepasst sein.

> Dann gibt es Spiele, die zwar ganz in der deutschen
> Spieletradition stehen, aber darüber hinausgehen, etwas über
> das Thema vermitteln und ein wenig Simulationscharakter
> haben. Gelungene Beispiele dafür wären Im Schatten des
> Kaisers oder Friedrich (um nur zwei meiner Lieblingsspiele
> zu nennen).

Für meine nächsten diesmal auch im historischen Raum angesiedelten Spieleentwicklungen möchte ich mich auch daran orientieren.
Also drückt mir die Daumen. ;-)


Als denn...
STB

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Christian Esken

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Christian Esken » 11. Juni 2005, 18:11

Charles schrieb:
>
> Jetzt bin ich aber neugierig! Was ist denn das "Generäle von
> Byzanz"-Problem?!?

Das dass ein Informatik-Standardproblem sein soll, möchte ich mal nachdrücklich bezwifeln. Welches Grundproblem der Informatik soll denn schon bei Google satte Null Treffer werfen (anders ist das z.B. bei "Türme von Hanoi", "Philosophen-Problem", "Busy Beaver" oder "Rucksack-Problem").


> Sollte ich den Namen ändern oder ist es vorwiegend das Konzept das zählt?

Wenn dir der Name gefällt und eingermassen passt, dann lass ihn doch stehen. Das Spiel muss natürlich irgendwie stimmig sein. Die Namens-/Themenänderung nimmt schon der Verlag für dich vor. ;-)

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Peter Gustav Bartschat

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 11. Juni 2005, 19:41

Charles schrieb:
> [...] Wallenstein ist
> hierfür ein negatives Beispiel. Während des Spiels, welches
> im Dreissigjährigen Krieg angesiedelt soll, bauen die Spieler
> munter Kontore, Kirchen und Paläste... Wirklich ein
> schlechter Witz, wenn man bedenkt was in jenen unheilvollen
> Jahren passiert ist...

Während des Dreißigjährigen Krieges bauten die Kölner an ihrem Dom, die Wittelsbacher an ihrer Residenz und die Fugger an ihren Kontoren.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurden vielen Landstriche verwüstet, während man in anderen nur von Hörensagen wusste, das Krieg herrschte.

Während des Dreißigjährigen Krieges sind viele grausame Taten begangen worden. Und während jedes anderen Krieges auch. Und während der Friedensperioden auch.

Alles, was Menschen an Gutem und Bösen tun können, haben sie während des Dreißigjährigen Krieges und auch außerhalb des Dreißigjährigen Krieges getan.

Ein historisches Spiel, das in einer Epoche angesiedelt ist, in der keine unheilvollen Dinge geschehen sind, bleibt noch zu erfinden ... aber da es bisher keine solche Epoche gegeben hat, wird das wohl noch eine Weile dauern.

Mit einem lieben Gruß
Gustav

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Andreas Last

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Andreas Last » 12. Juni 2005, 17:10

Nicht zu vergessen das Traverling Salesman Problem. Aber vom Generäle von Byzanz Problem hab ich als Informatikstudent im 8. Semester auch noch nicht gehört... Jetzt hab ich Angst, dass ich das falsche studiere :-(

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der drei

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon der drei » 13. Juni 2005, 13:08

Das ist ein zweischneidige Schwert. Die sich mit der Geschichte dieses Gebietes auskennen, werden sich sicherlich ärgern, aber zu viele kenntnisreiche Menschen wird es wahrscheinlich nicht geben.

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Tim Heinzen

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Tim Heinzen » 13. Juni 2005, 17:53

Sorry, versuch mal die Suchbegriffe "byzantine generals".

Mein Google bringt da folgendes:

Ergebnisse 1 - 10 von ungefähr 65.100 für byzantine generals. (0,04 Sekunden)

Die ersten 10 Treffer beziehen sich wohlgemerkt nicht auf historische Brettspielideen oder gar bewaffnete Belagerungstruppen. :-)

Viele Grüße
Tim

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Tim Heinzen

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Tim Heinzen » 13. Juni 2005, 18:03

Hallo Steffen,
vielen Dank für deine Antwort. Das gilt im übrigen auch für Andreas, Leif, Charles, Christian, Andreas, Peter Gustav und natürlich der drei. Eure Antworten waren sehr hilfreich. Da meine Spielidee historisch überhaupt nicht sattelfest ist, werde ich den blumigen Namen wohl beizeiten ändern.
Viele eurer Hinweise sind mir bei anderen Spielen auch schon aufgestoßen. Obwohl ich eigentlich mehr wert auf die Spielmechanik lege.

Also stellvertretend an euch alle nochmal nen gehörigen Applaus.

Vielleicht hat ja sogar mal jemand Lust auf ne Proberunde. Momentan sind die Regeln zwar noch ein wenig im Fluss aber wenn es soweit ist, suche ich noch ein paar versierte Testspielgruppen. Aber das mach ich fest, wenn es soweit ist.

Viele Grüße
Tim

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Tim Heinzen

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Tim Heinzen » 13. Juni 2005, 18:06

Mach dir nix draus, bin im 10.Semester!

Und wie sagt meine Omma so passend:

"Du wirst so alt wie 'ne Kuh
und lernst immernoch dazu"

Viele Grüße
Tim

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Andreas Last

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Andreas Last » 14. Juni 2005, 10:27

Dann klär mich doch mal bitte auf, damit der Spruch auch passt. Bisher hab ich nämlich nur gelernt, dass ich das Generäle von Byzanz Problem nicht kenne. Ok, Busy Beaver und Rucksack auch nicht, aber die Generäle interessieren mich jetzt.

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Tim Heinzen

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Tim Heinzen » 14. Juni 2005, 17:21

Hallo Andreas,

> Dann klär mich doch mal bitte auf, damit der Spruch auch
> passt. Bisher hab ich nämlich nur gelernt, dass ich das
> Generäle von Byzanz Problem nicht kenne. Ok, Busy Beaver und
> Rucksack auch nicht, aber die Generäle interessieren mich
> jetzt.

Na klar, ich habs schonmal an andrer Stelle in diesem Forum geposted. Daher hielt ich eine erneute Erklärung zunächst für Info-Schrott. Da aber Bedarf besteht, gerne!

Also, Generäle belagern mit ihren Armeen die Stadt Byzanz. Byzanz kann nur eingenommen werden, wenn alle Armeen gleichzeitig angreifen. Angegriffen wird im Morgengrauen, sofern alle Armeen einsatzbereit sind.
Damit jeder General weiss, wie sich die Generäle entschieden haben, sendet jeder an jeden einen Boten mit der Botschaft "Angriff!" oder "nicht Angriff!".
Wenn alle von allen ein Ja erhalten, wird angegriffen.
Was macht man, wenn einige Generäle mit Byzanz kolaborieren (oder verteilte Rechensysteme teilweise fehlerhaft sind)? Lösung: mehrere Informationsinstanzen!

Das Generäle von Byzanzproblem besagt(kurz gesprochen), dass diese Lösung nicht bei nur 3 Generälen klappt!

So, ich hoffe das war aufschlussreich.:-)
Viele Grüße
Tim

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Peter Gustav Bartschat

Re: Spielthema vs. historische Korrektheit

Beitragvon Peter Gustav Bartschat » 14. Juni 2005, 21:18

Kurz gesagt (wenn ich richtig folgen konnte): Es handelt sich bei dem Spielkonzept gar nicht um ein historisches Thema, weil es keine konkrete Belagerung von Byzanz gab, in der Personen der Geschichte diese Problemstellung gelöst und den Vorgang in historischen Quellen dokumentiert haben, sondern um eine "Textaufgabe", in die jemand eine Aufgabenstellung der Informatik gekleidet hat.

In diesem Fall brauchst du dir auch keinerlei Gedanken um historische Korrektheit zu machen, denn es gibt ja gar keine Historie, in Bezug auf die das Spiel korrekt sein müsste (oder auch nur könnte).

Mit einem lieben Gruß
Gustav


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