Vor einem Monat bin ich mit meiner Crowdfunding-Aktion auf Startnext grandios gescheitert. Wen's interessiert, hier ist der Link zur Projektseite, die als "Mahnmal" und zu Dokumentationszwecken erreichbar bleibt: www.startnext.de/limes-spiel
21 Prozent, 155 Fans, 76 Supporter - mehr war nicht drin! Lag es an der Plattform? Am Projekt? An mir? An der Bereitschaft der Unterstützer - der Crowd? An allem zusammen, oder an was sonst?
Nichts von alledem! Die Plattform funktioniert, schließlich wurden bereits mit dem heutigen Tag 290 Projekte darüber erfolgreich finanziert. Aus allen möglichen Bereichen und mit den unterschiedlichsten Zielgruppen. Mein Projekt - ein Brettspiel mit Begleitbuch - hat vor, während und auch in der Folgezeit genügend Interessenten gehabt. Es "funktioniert" damit auch. - Ich spreche hier ausdrücklich nicht von "gefällt" (jeder/m), da dies immer zu kontroversen Meinungen führt! - Und die Unterstützer haben das Projekt vielleicht nicht zahlreich genug, aber sie haben es unterstützt. Für jede(n) Einzelne(n), der/die sich dafür entschieden hat, hat es ebenfalls funktioniert. Alles gut?!
Was ist also das Problem? Es gibt keines, wirklich! Denn so wie ich Crowdfunding verstehe, gehört Scheitern - egal ob lange vorhersehbares oder knappes - ganz selbstverständlich mit dazu. Es ist das Menschliche daran, dass nicht alles bis ins letzte Detail geplant werden kann. Der Erfolg ist sicher eine schöne Belohnung; es geht aber um etwas Anderes: ausgehend von einer Idee bis hin zum ausgereiften "Produkt" kann ich in Kontakt mit anderen Menschen treten. Alles ist möglich. Mit einem Irrtum möchte ich daher gerne aufräumen: Die Crowd ist kein bloßer Erfüllungsgehilfe, kein Fleisch-gewordener-Geldautomat. Die Erkenntnisse für einen selbst und das eigene Projekt, die sich während so eines Projektes eben auch "gewinnen" lassen, gehen sehr weit über das zur Realisierung erforderliche Geldbudget hinaus. Ich kann also nur alle Spieleautorinnen und -autoren dazu ermutigen, sich zu trauen: Crowdfunding funktioniert. Es ist eure Begeisterung - für eure Spiele, die aus welchen Gründen auch immer, bisher nicht die Chance zur Veröffentlichung bekommen haben. Beim letzten Spieleautorentreffen in Göttingen, da hat z. B. ein lieber Kollege im Gespräch mit mir sehr bedauert, dass "die Verlage" sich manches nicht (mehr) trauen würden. Wofür es ja die verschiedensten und gute Gründe geben kann: Der Verlag (angefangen beim Redakteur) hat Angst, ein mutiges Spielkonzept "zu verantworten", das sich später als wirtschaftlicher Misserfolg herausstellen könnte; die Zielgruppen müssen erst gefunden werden (oder sind nicht sofort erreichbar); die Konkurrenz war mit einem ähnlichen Spiel schneller …
Es ist zur Zeit eine Menge über Crowdfunding zu hören und zu lesen. Vor allem auch aufgrund der vor ein paar Tagen gestarteten Spieleschmiede von den Machern der Spiele-Offensive. Diese Plattform ist mit einem Pilotprojekt (Express 01/eggertspiele) gestartet und hat innerhalb von zwei Tagen ihr gestecktes Finanzierungsziel erreicht. Das ist schön - Gratulation! Interessant ist daran, dass das was viele an Startnext anscheinend sehr stört, hier nicht so sehr ins Gewicht fällt: Die Unterstützer müssen sofort bezahlen. (Bei Kickstarter, die in diesem Zusammenhang gerne als Ideal genannt werden, muss man im Gegensatz zu der gemeinnützigen Plattform Startnext erst nach Ablauf der Projektdauer und nur im Erfolgsfalle bezahlen; dafür fallen allerdings ca. 10 % Gebühren an und der zugesagte Betrag ist auf dem eigenen Konto geblockt.)
So wie die Spieleschmiede momentan angelegt ist, ist sie nichts weiter als der verlängerte Arm der (etablierten) Verlage. Scheitern fällt da mehr ins Gewicht, schon allein wegen des Imageverlusts; ganz zu Schweigen von den Vorlaufkosten für so eine Kampagne. Es ist daher absolut OK, dass man alles für eine erfolgreiche Finanzierung unternimmt, indem vor allem die Kunden der Spiele-Offensive ins Projekt einbezogen werden (z. B. durch das In-Aussicht-Stellen von Bonusgutschriften bei Nicht-Erfolg). Dahinter steht übrigens auch ein Marketingkonzept, das man aus praktisch allen anderen Bereichen schon lange kennt: Man bestellt sich ein Produkt in seiner Wunschausstattung bei seinem Lieblingsladen; hinzukommt eine Prise "Entdeckergeist" und eben das Gemeinschaftsgefühl, etwas zum Gelingen beizutragen. Das ist gewissermaßen "Crowdfunding light". Dennoch wünsche ich der Plattform und seinen Betreibern wie auch den Verlagen, die die Plattform künftig nutzen, noch viele weitere erfolgreiche Projekte. Startnext (und vergleichbare Plattformen) sehe ich aber - daneben - als die längerfristig geeignetere Plattform für die kreativen Köpfe (hinter den Spielen). An Startnext gefällt mir vor allem der kulturelle Kontext; dass man eben nicht nur "im eigenen Saft schwimmt", sondern sich zwischen jeder Menge Film, Musik, Literatur und allerlei Events als Projektinitiator darstellen und behaupten muss.
Spiele, die ich gut finde und die ich gerne spielen würde, sind in die Gesellschaft eingebunden, bilden sie ab - laden Menschen zum Spielen ein, die vielleicht nicht mehr kennen als "sich nicht zu ärgern", wenn sie denn mal spielen müssen. Das heißt, nur dort, wo Menschen bisher noch NICHT spielen, kann ich neue Zielgruppen erreichen ...
Durch mein Projekt bin ich auf andere Menschen und deren Projekte aufmerksam geworden, die nichts mit Spielen zu tun haben. Und ich habe etwas erlebt, dass ich sonst vielleicht niemals auf diese Weise erlebt hätte. Fast bin ich sogar froh darüber, dass mein eigenes Projekt nicht erfolgreich war. Konnte ich mich doch so umso mehr über eines anderen Erfolg freuen. Gerne empfehle ich daher (die Idee und das Crowdfunding-Konzept von) Startnext weiter. Wer dazu Fragen hat, der frage! Wer Kritik hat, nur raus damit!
Gerhard Junker